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Sonnabend/Sonntag, den 20./21. August 1932 Pulsnitzer Tageblatt 84. Jahrgang, Nr. 193, Seite 10 Humpe in Amerika Ein lustiger Roman von Aritz Körner 12. Fortsetzung Urheber-Rechtsschutz Wolff-Korrespondenz Leipzig c 1 Die Polizisten wollen Anton packen und in den Wagen heben, aber das begeisterte Publikum drängt heran, erst wollen sie dem jungen „Dutchman" ihre Begeisterung be weisen. Anton kommt zu sich und sieht die Menschen um ihn begeistert lärmen. Er lächelt matt, dann sagt er gutgelaunt zu dem In spektor: „Inspektor, Sie haben Glück gehabt!" „Jes!" lacht der Inspektor. „Sind ja ein Teufel, kämpfen mir sieben Mann von meinen Leuten nieder! Wird Ihnen ja schlecht bekommen, aber... alle Hochachtung! Man wird Sie gut behandeln." „Wie lange wollen Sie mir denn Hotel geben?" grinst Anton. Das Publikum brüllt vor Lachen. Die braven „Bobbys" verziehen die ernsten Gesichter zu einem Grinsen. „Oh, Sir, der Schnellrichter hat das Wort, wir werden Milde beantragen, aber wenigstens 4 Monate müssen Sie schon aufnehmen!" Anton schüttelt in komischem Entsetzen den Kopf. Dann zieht er die Uhr und blickt auf's Zifferblatt. „No," sagt er ernsthaft, „es ist 16 Uhr, solange habe ich nicht Zeit." Das ist ein Witz nach dem Herzen der Amerikaner, sie springen von einem Bein auf das andere und lachen. Die Beamten geben sich große Mühe, ernste Gesichter zu behalten, aber es gelingt ihnen schlecht. Sie halten es für geboten, schleunigst mit dem Auto abzudampfen, ehe die Sympathien des Publikums gefährlich weiter wachsen. Anton sträubt sich nicht. Er setzt sich in den Wagen, die Polizisten eskortieren ihn. Ganz ruhig sitzt er im Wagen. Der Kampf hat seine Kräfte ziemlich strapaziert und er muß sie erst in Ruhe wieder rest los gewinnen. Der Inspektor will sich mit ihm unterhalten, aber Anton sagt: „Wissen Sie, Inspektor, bei der Vernehmung muß ich das alles sagen und jetzt habe ich keine Lust zum Reden. Aber wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, dann schenken Sie mir den Gummiknüppel, der mich kampfunfähig ge macht hat." „Was wollen Sie denn damit anfangen?" „Ich lasse ihn mir einrahmen!" Sie sind nach dem Polizeipräsidium gefahren. „Wir haben ihn!" geht es dort durch alle Räume und alle wollen den verwegenen Burschen sehen, der sieben Kameraden kampfunfähig machte. Eine Verhaftung des großen Vandenführers Gray hätte nicht mehr Sensation erregen können. Anton schreitet mit vergnügtem Gesicht neben dem In spektor her. Er sieht an den Gesichtern der Beamten, daß man ihn bewundert, daß kein Haß gegen ihn besteht. Das ist überhaupt das Angenehme, was ihm in der neuen Welt aufgefallen ist, man erkennt eine Leistung an. „Qooä äay, Gentlemen!" ruft Anton mit frischer Stimme. „6006 äax, Sir!" antworten sie ihm genau so munter. Ein hoher Polizeibeamter kommt den Gang entlang. Er macht im Gegensatz zu den anderen ein ungnädiges Gesicht. „Haben Sie den Stromer?" „No," spricht Anton. „Selber Stromer!" Der hohe Beamte kriegt einen roten Kopf. „Halt' dein verfluchtes Maul!" Anton wird grob, saugrob: „Verdammter Flegel, alle sind Gentlemen, die ich hier treffe und du willst ihnen das Renommee verderben? Warte, Freund, ich schmier dich drüben in meiner Zeitung aus!" Der Beamte möchte vor Wut bersten, aber er sieht ein, daß es besser ist, die Szene zu beenden. „Der Chef will ihn selber verhören!" Der Chef ist Oberst Benn, der etwa so was ähnliches ist, wie ein Polizeirat in Deutschland. Also führt man Anton in Benns Zimmer. Oberst Benn macht ein grimmiges Gesicht, aber Anton sieht doch, daß die Miene gespielt ist, im Grunde ist Achtung und Wohlwollen in den Augen. „Also, das ist der Boy, der es mit sieben von uns aufnahm!" „Jawohl, Herr Oberst!" Oberst Benn mustert Anton, der aber sieht ihn lächelnd an. „Warum lachen Sie?" „Oh, Amerika ist ein so interessantes nettes Land. Neu york ist reizend!" Oberst Benn, verbeißt wie die anderen Beamten ein Lachen. „Ehrt uns, ehrt uns! Aber warum müssen Sie tätliche Angriffe auf unsere Beamten unternehmen?" „Ganz einfach, Sir!" spricht Anton. „Weil ich das Pech hatte, Flegeln in die Arme zu laufen! Der eine, was der Inspektor war, der war bestimmt ein Flegel, der für den Außendienst ungeeignet ist." „Was wollen Sie damit sagen, Sir?" „Ganz einfach, Sir! Ich bin den ersten Tag in Neuyork, komme von drüben. Überall Limonade, Fleischbrühe ohne Fleisch, Kaffee, der nichts taugt, Bier, das ein Suff ist . . . Essen, du guter Gott, ein Essen, das wie Blei im Magen liegt. Da brauchen Sie für Ihre Gesundheit glatt einen Whisky, um nicht einen Magenkatarrh zu bekommen. Ich habe ihn mir bestellt, habe ihn bekommen und plötzlich will man mich verhaften, weil ich den bezahlten Whisky ge trunken habe." „Ja, das verlangen die Gesetze!" „So! Wir haben bei uns in Deutschland auch Gesetze, Kir aber mir lind resvektvoll dem Fremden gegenüber, wenn da mal einer aneckt, dem wird nicht gleich das Land verekelt!" Der Oberst überlegt und sagt dann: „Sie behaupten also, daß Ihnen der Polizeibeamte unfreundlich gegenüber getreten ist?" „Jawohl, ohne zu berücksichtigen, daß eine Dame an meiner Seite saß. Die wollte er übrigens auch verhaften! Nein, nein, ein wenig mehr Gentleman hätte er schon sein können!" Sie unterhalten sich noch eine ganze Weile, dann wird Anton dem Schnellrichter oorgeführt. Der Schnellrichter ist ein alter, korrekter Herr. Er nimmt Antons Personalien auf und verknackt dann Anton zu vier Monaten Gefängnis. „Nehmen Sie die Strafe an?" „Nein, nein!" sagt Anton. „Ich werde mich bei dem deutschen Konsulat beschweren." „Das können Sie schriftlich tun. Ich kann Ihnen aber sagen, Mr. Bayer, nützen wird es Ihnen nichts." Anton wird abgeführt. * Anton schaut sich in seiner Zelle um. Er ist guter Laune, denn man hat ihm eine sehr an ständige Zelle eingeräumt. Auch das Essen, das man bringt, ist anständig und die Beamten sind höflich. Der Gefängniswärter, ein Polizist, hat brandrotes Haar und fidele Augen. Er ist ein Irländer, namens Brettys. Er fängt mit Anton einen Schwatz an. „Also Sie haben die sieben ausgeknockt?" „Yes!" „War eine prächtige Leistung!" „So! Und dafür sperren Sie mich ein! Weniger erfreulich!" „Geht nicht anders, Mr. Bayer! Die Gesetze verlangen's Wissen Sie, Mr. Bayer, wir stimmen mit der trocknen Polizeibeamtengesellschaft nicht überein!" „Kann ich mir denken! Sie machen auch den Eindruck, äesr trievä, als ob Sie gern einen Whisky genehmigten!" Der Brandrote lacht und nickt. „Wär ja sonst- nicht auszuhalten!" „Haben Sie irgendwelche Wünsche?" „Habe ich! Zunächst bestellen Sie mir Zeitungen, ich möchte jeden Tag drei Zeitungen haben!" „Geht zu machen!" „Und dann möchte ich etwas Limonade haben! Aber was Kräftiges, was Klares!" Der Wärter schüttelt den Kopf. „Geht nicht, Sir! Kann mir meine Stellung kosten! Müssen mal vier Monate trocken leben!" Anton lacht laut los. „Glauben Sie wirklich, lieber Freund, daß ich mich hier vier Monate langweile?" „Wollen Sie ausbrechen?" „Das weiß ich noch nicht! Das wird sich finden! Eine Woche bin ich zunächst ganz ruhig, da könnten Sie getrost den Schlüssel stecken lassen, ich kratze nicht aus!" „Angenehm zu wissen, Sir!" * Anton las die Zeitungen in aller Gemütsruhe. Den ersten Tag hatte er hinter sich. Geschlafen hatte er gut, der Kopf brummte ihm auch nicht mehr. Das Frühstück hatte geschmeckt. Von Gefängniskost keine Spur. Die beste Hotelküche hätte es nicht schöner liefern können. Das kam daher: Anton war der fidelste Gefangene im Polizeigefängnis und der populärste dazu. Seine physische Leistung hatte Respekt eingeflöht und seine lustige, fröhliche Art gefiel den Amerikanern. Anton lernte am ersten Tage das ganze Polizei- gesängnis kennen und zahllose Beamte aus dem Präsidium kamen und besuchten Anton. In netter Weise unterhielt man sich und bedauerte Antons Mißgeschick. Zwei der Poli zisten, die Anton ausgeknockt hatte, kamen auch und ver sicherten ihm, daß sie alle Hochachtung vor ihm hätten. Auch die Presse hatte sich seiner bemächtigt. Reporter kamen und interviewten ihn. Lustige Aus einandersetzungen gab es, die man wörtlich in die Spalten -er Zeitungen übernahm, und über die ganz Neuyork schmunzelte. Ohne daß es Anton wollte, war er in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Jeder Junge von Neuyork kannte ihn, der „sieben Bobbys niederboxte". Eine Unmasse Briefe, Pakete mit Spenden von den ver schiedensten Seiten erhielt Anton. Der deutsche Konsul kam und besuchte ihn. Unter den Briefen waren siebzehn Heiratsanträge. Anton las sie und verleibte sie dem Papierkorb ein. Die Liebesgaben verteilte Anton an die Polizisten und Ge fängniswärter, die gute Tage hatten. Anton wurde zum Mittelpunkt des großen Polizei gefängnisses. Er genoß viele Freiheiten. Er hatte sein Wort gegeben, daß er die ersten acht Tage nichts unternehmen würde, und daran glaubten die Beamten blind. Als Anton den 7. Tag in Haft war, wurde er dem Direktor des Polizeigefängnisses vorgeführt. Dieser war sehr freundlich zu ihm und sagte: „Mr. Bayer, die Beamten der Neuyoker Polizei haben Respekt vor Ihrem Boxen erhalten. Es ist der Antrag gestellt worden, Ihnen zu erlauben, für den Rest Ihrer Strafe eine Position als Trainer im Boxen bei der Polizei anzunehmen!" Anton schmunzelte innerlich. Das war ja prachtvoll. Er konnte ja nicht besser füi seinen großen Kampf das Training aufnehmen, als wenn ei dieses Angebot annahm. Welch stattliche Sparringspartner schaft gewann er kostenlos!! Er konnte seine Form in bester Weise steigern und hochhalten. „Einverstanden!" „Das freut mich, daß Sie es tun wollen. Aber Sic müssen mir die ehrenwörtliche Versicherung geben, daß Sic in dieser Zeit keinen Fluchtversuch unternehmen." Anton überlegte. „Das . . . würde ich tun, wenn io, von Ihnen eine Zusicherung erhalte!" „Und welche Zusicherung soll das sein? „Daß ich den 11. bis 13. September Urlaub erhalte." Der Direktor sah ihn erstaunt an. „11. bis 13. Sep tember . . . das wäre ja zum Boxkampf in Ebbetsfield?" „Jawohl, ich muß dabei sein, denn ich habe für eine Reihe deutscher Zeitungen Berichte zu schreiben. Ich füge mich gern jeder polizeilichen Bewachung, ich gebe mein Ehrenwort, daß ich am 14. September wieder hier eintreffe." Der Direktor überlegte und sagte dann: „Ich werde den Herrn Polizeipräsidenten unterrichten." Anton wurde wieder abgeführt. Nach zwei Stunden sprach er abermals mit dem Direk tor und erhielt die Erlaubnis zu dem Urlaub. Man verzichtete sogar auf polizeiliche Bewachung und hielt sich an sein Ehrenwort. „Ich danke Ihnen, Herr Direktor!" sagt Anton froh. „Sie brauchen sich jetzt nicht mehr um mich zu kümmern, ich denke nicht daran, mich ihrer Gastfreundschaft zu entziehen." „Wir haben Vertrauen zu Ihnen, Mr. Bayer." Anton kam pfeifend in bester Stimmung in seine Zelle zurück. Der Brandrote sah ihn erstaunt an. „Laune gut?" „Ganz ausgezeichnet! Ich werde Trainer bei der Polizei! Ich soll euch Kerls mal das Boxen richtig lehren!" „Fein! Hat's der Alte genehmigt?" „Yes! Auch meinen Urlaub! Will doch zum Match am 12. September fahren. Bin doch deswegen herüber ge kommen!" „Also, dann brauchen wir keine Sorge haben, daß Sie sich auf und davon machen?" „Nicht die Spur, lieber Brettys! Ich bleibe! Mein Ehrenwort!" Der Wärter war zufrieden. * Am nächsten Morgen fuhr Anton nach dem Polizei präsidium, wo er dem Inspektor Parker, einem älteren freundlichen Herrn vorgestellt wurde, der die boxerische Er ziehung der Polizeibeamten leitete. Man fuhr dann unverzüglich nach dem Trainings quartier der Polizei, wo Anton jubelnd empfangen wurde. Die frischen Jungens fühlten sich zu Anton hingezogen, der immer so blendender Laune war. Unverzüglich ging man ans Training. Anton gab sich alle'Mühe, kämpfte an diesem Morgen mit 12 Mann, gab sich Mühe, sie in die Finessen des Box kampfes einzuführen. Er war ein Lehrer, der es richtig ver stand, die Jungens heranzunehmen. Nach vier Stunden machte Anton Schluß. „So, das ist genug für heute. Morgen gehen wir mit den Einzelkämpfen los. Das ist das beste Training. In der Praxis lernen! Scharfe, gute Kämpfe machen alles aus!" Als Anton das Trainingsquartier verlassen hatte, sagte ein Sergeant zu seinen Kameraden: „Was sagt ihr nun zu dem Bayer?" „Fabelhafter Boxer! Ganz große Klasse!" „Stimmt! Ich staune, daß ein Mensch mit solchen Fähigkeiten als Zeitungsschreiber rumläuft. Wenn man ihn arbeiten sieht, dann denkt man, er müßte den Purcell aus knocken können!" Die anderen stimmten ihm zu. „Die Luft," fuhr Moon fort, „die Bayer hat! Ich glaube, der steht zwanzig Runden, wenn es darauf ankommt. Jungens, paßt auf, die Neuyorker Polizei entdeckt in Mr. Bayer einen neuen Stern!" „Hauptsache ist . . ." fiel ein anderer ein, „er lehrt uns richtig boxen! Fairer Kämpfer, kalter Schläger, er behält nichts für sich, zeigt uns die letzten Finessen! Das ist viel wert!" „Und ein bildhübscher Junge ist's auch!" meine In spektor Moon. „Eine schönere Figur, ein angenehmeres Gesicht kann ich mir nicht denken. Wißt ihr, daß morgen Roberti wieder kommt?" Roberti war ein Schwergewichtsboxer. Professional, der von der Polizei als Trainer verpflichtet war, der aber in der letzten Zeit etwas verbummelte und seine Trainer- pflichten nicht so genau nahm. „Ihr wißt doch, Roberti hält sich immer noch für einen ganz großen Boxer! Der wird schön spucken, wenn er Mr. Bayer sieht, und ich denke mir, es wird einen Match geben, der Roberti einmal klar macht, daß er in der ersten Klass« nichts mehr zu suchen hat." Alle freuten sich auf das Zusammentreffen. * Der Match erfolgte prompt, und dabei hatte Anton ma! Gelegenheit, zu zeigen, welch ganz große Klasse er war, denn er setzte Roberti derart zu, daß dieser in der zweiten Rund« hilflos in den Seilen hing und nicht mehr fähig war, zu schlagen. über den Match berichteten sogar die Zeitungen. Anton Zumpes Popularität stieg. (Fortsetzung folgt.)