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Nr. 83. Pulsnitzer Tageblatt — Sonnabend, 9. April 1932 Seite 7 Mundfunk Rundfunk-Bortragsfolge Leipzig (259,3) Zwischensender: Dresden (319) Gleichbleibendes Werktags-Programm. 6.30: Turnstunde. — anschl.: Frühkonzert. « 10, 15.35. 17.50: Wirtschaft-nachrichten (So. nur 10 u. 15.45). « 10.05: Wetter, Verkehr. Tagespr. «10.10: Was die Zeitung bringt. » 11: Werbenachrichten. * 12- Konzert. » 13: Wetter, Wasserstände, Zeit, Presse- — mychl.: Konzert. » 17.30: Wetter, Zeit. « 17.50: Wirtschaftsnachrichten. « ca. 22—22.30: Nachrichten. Sonntag. 10. April. 6 .45: Funkgymnastik. 7 .00: Frühkonzert. Die ehem. lgl. Sostrompeter, ^-resoen. 8 .00: Landwirtschastsrat Dr. Hahne: Zeitgemätzs Saatenpflege. 8 .30: Orgelkonzert. Ausf.: Domorganist Joiepb Metzner. 9 .00: Morgenfeier. Goethes c-mena. Eine Tertfolge von Dr. Wolls. . , 10 .00: Einführung in die Vach-Kantate zum Sonntag Misericordias 11 .00: K. Lütge: Am Abseitspzaden im Harz. 11.30: Bach-Kantate: Der Herr ist mein getreuer Hirt. 12 .00: Grobe Kunstler über sich selbst: Ernst Barlach. 12.30: Mittagskonzert der Dresdner Philharmonie. 14.00: Wetter, Zeit. — anschl.: Was wir bringen. 14.20: für die Landwirtschaft. 14.30: Kammermusik. Mitw.: Hella Lhitrik (rKlavier), Ruth Meister (Violine), R. Nel (Viola), D. Hofmekler (Violoncello). 15.00: Hockeyspiel Deutschland-Oesterreich. 2. Halbzeit. 15.40: Kinder singen für Kinder. 16.25: Zeitbericht. 16.35: Unterhaltungskonzert des Leipziger Sinfonieorchesters. 17.00: Turandot. .Ein Hörspiel nach der Schiller'schen Bearbeitung des Carlo Eozzi, von Carl Hagemann. 18.00: Äbendmusik aus dem Dom zu Bautzen. Ausf.: Kammerchor. 19.00: Berlin: Lrqesterkonzert. Dazwischen: Bekanntgabe der Ergebnisse des 2. Wahlganges um die Wahl des Reichspräsidenten. Montag, 11. April. 14.00: O. Sebald: Was die Schrebervereine den Kindern erwerbs loser Eltern bieten. 14.15: Julius Heiland: Theater in Not. 14B0: Kunstbenchte. 14.45: Dr. Latzko: Metastasio als Operndichter. 15.10: Funkbericht aus der Ausstellung lebender Vögel unserer Heimat im 'Naturkundlichen Heimatmuseum zu Leipzig. 16.00: Gern Gehörtes. Das Sinfonieorchester spielt Werke von 2oh. Strautz, Lehar, Kalman, Suppe. Tschaikowsky, Fall u. a. fo.oo: stunde der Neuerscheinungen. PMchkm in Lebensläufen. Dr. Erna Freymuth: Meran- 18B0: Wir geben Auskunft . . . 19.00: Min.-Rat Prof. Kestenberg: Kunst und Arbeiterschaft. 19-20: Plandolmenkonzert, Deutscher Arbeiter-MandolinUenbund. 20.00: Ernst Blatz liest eigene Lyril. 20.30: Sinfoniekonzert der Dresdner Philharmonie. Solistin: Maria Koerfer (Klavier). . ... Anschl. Unterhaltungskonzert des Sinfonieorchesters. Runvfunk-Bortragsfolge Deutsche Welle (1635) Deutsche Welle. Eleichbleibender Werktags-Programm. 5.45: Wetter für die Landwirtschaft. « 6.30: Gymnastik. « ca. 6B0: Frühkonzert. » 10.35, 13.30: Nachrichten. « 12: Wetter für den Landwirt. — anschl.: Konzert u. Wiederholung des Wetterberichts. » 12S5: Nauener Zeit. « 14: Konzert. » 15.30: Wetter, Börse. « 18äo: Wetter für den Landwirt. Deutsche Welle: Sonntag, 1ü. April. 6 .45: Funk-Gymnastik. 7 .00: Bremen: Hafenkonzert. 8 .00: Für den Landwirt. 8-15: Wochenrückblick auf die Marktlage. 0-25: Prof. Dr. Stang: Forderungen des Marktes an die Viehmast. 8S5: Morgenfeier. Anschl. Glockengeläut des Berliner Doms. 10 .05: Wettervorhersage. 11 .00: A. Ortlamp: Münsterländisches Bauerntum. 11V0: Leipzig: Bach-Kantate: Der Herr ist mein getreuer Hüt. 12 .10: Henny Herz: Chinesische Lyrik. 12.20: Dresden: Mittagskonzert der Dresdner Philharmonie. 14.00: Berta Voigt: Was soll aus unserer Tochter --erden? 14B0: Mozart. Sonate a-moll, Sonate B-dur. Am Flügel: Küthe 15M:'Roda' Roda liest Schwänke und Schnurren, Satiren und l5^o^Popüläres Orchesterkonzert. Notstands-Orchester des Arbeits amtes Berlin-Mitte. 1725: H. Schwab: Im Fluge über den Harz. 17.45: Junge Generation spricht. Wie stehen wir zu den heutigen Formen des politischen Kampfes? (Mehrgelpräch) 1L4L>: Franz Schubert. Ouartett G-dur für Flöte, Gitarre, Bratsche und Violoncell. 18.40: Deutsche Volkslieder. Bearbeitet von Constantin Brunck. 19.00: Orchestsrkonzert des Berliner Funkorchesters. 22.00: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. Anschl. Unterhaltungsmusik der Kapelle Gebrüder Steiner. Deutsche Welle: Montag, 11. April. 9.35: H. Reimann: Stimmen der Tiers. 10.10: Schulfunk: Wir erzählen Goethe-Anekdoten. , 12.05: Schulfunk: Englisch für Handels- und höhere Handelsschulen. 14.45: Kinderstunde: Kinderzeitung. 15.40: F. Bin: Ein Film wird gedreht. 16.00: Lehrer Opree: Neichsfreibeit für Junglehrer. 16.30: Berlin: Rachmittagskonzert. 17.30: Bücherstunde: Bekenntnis der Jugend. 18.00: Dr. Diesel: Was ist deutsch? 18.30: Spanisch für Anfänger. 19.00: Aktuelle Stunde. 19.30: Prof. Dr. Ebert: Frühjahrsfragen für den Gemüse- und Obstanbauer. Anschl. Wetter für die Landwirtschaft. 20.00: Cavalleria Rusticana (Bauernehre). Oper von Mascagni. — Bajazzi. Oper von Leoncaoallo. ca. 21.05: Tages- und Sportnachrichten. 22.40: Wetter-, Tages- und Spottnachrichten. Anschl. Leipzig: Unterhaltungskonzert des Sinfonieorchesters. W« müer ei« MlbMÄ II! MW Die Schrannenhalle vernichtet — 87 Personen verletzt München. In der Nacht zum Freitag wurde die Münchener Schrannenhalle durch ein Großfeuer ver nichtet. Mit ihr sind die dort untergestellten Möbel, Autos und andere Lagerbestandteile völlig verbrannt. Es steht nur noch das eiserne Gerüst der Halle. Auch der Dachstuhl der anliegenden Freibankhalle wurde in Brand gesetzt; ebenso wurden in der ganzen Umgebung die FenstersAiben der Wohnhäuser zertrümmert. Sämtliche Feuerwehren Mün chens waren an der Brandstelle. Die Flammen schlugen haushoch empor. Es besteht der Verdacht, daß das Feuer durch Unvorsichtigkeit entstanden ist. Be dauerlicherweise ereigneten sich viele Unfälle. 8 7 Per sonen wurden verletzt, darunter an 75 Feuer wehrleute. Zwei von ihnen sind schwer verletzt. 17 Wehr leute erlitten schwere Rauchvergiftungen. Schwierige Löscharbeiten bei Sturm. Der Brandplatz der Schrannenhalle, die ebenfalls, wie der vor kurzem medergebrannte Glaspalast aus Holz, Eisen und Glas erbaut war, erinnert stark an die letzte große Münchener Brandkatastrophe. Früher als Getreidehandels platz der bayerischen Landeshauptstadt von großer Bedeu tung und später noch als Zentrale des Obst-, Hülsenfrüchte- und Lebensmittelhandels, ein Zentrum der Münchener Lebensmittelversorgung, wurde die Schrannenhalle seit Jahren nur noch als Lager- und Einstellhalle durch den Stadtvat an Speditionsgeschäfte und andere Firmen ver mietet. Während des Brandes herrschte ein böiger Wind. Mit Schnee vermischter Regen peitschte durch die Straßen. Wie Maschinengewehrfeuer klang das Bersten der vielen Fenster scheiben. Eine schwere Aufgabe hatten inmitten des beißen- den Rauches und Qualmes die Feuerwehrmannschaften, die nicht nur den Brandherd selbst bekämpfen, sondern zugleich auch die teilweise schon brennenden Nachbar häuser schützen mußten. Da brennende Holzteile weih herumgeschleudert wurden, bestand in den ersten Stunden« für die ganze Umgebung, besonders auch für die Budenstadt! des Viktualienmarktes große Gefahr. Insgesamt bekämpfte, die Feuerwehr den Riesenbrand mit 4 0 Schlauch leitungen. Die Aermsten der Armen verloren Hab und Gut. Die Brandstätte macht einen trostlosen Eindruck. Be sonders traurig ist es, daß gerade die Aermsten der Armem ihr dort gelagertes Gut verloren haben, so zum Beispiel siM alle Möbel, die in der Halle aus Zwangsräumungen unter- gebracht worden waren, restlos vernichtet worden. Auch die anwohnenden kleinen Geschäftsleute, die ihre Vorräte dort gelagert hatten, und die nicht vollwertig ver sichert sind, sind auf das allerschwerste geschädigt. Brandstiftung? Ueber die Ursache des Brandes ist zur Zeit noch nichts- sicheres zu sagen. Man nahm ursprünglich an, daß durch! die Unvorsichtigkeit eines Kraftfahrers, der seinen Wagen gegen 2 Uhr in die Garage der Schrannenhalle fuhr, der Brand ausgebrochen sein könnte. Jetzt neigt aber die Mei nung der Sachverständigen dazu, daß keine Fahrlässigkeit, sondern Brandstiftung vorliegt. Man betont besonders, daß Leute, die um 1L3 Uhr noch über den Viktualienmarkt gingen, weder einen Feuerschein noch Brandgeruch wahr nahmen, daß sie aber, kaum daß sie eine Querstraße weiter waren, bereits plötzlich den Himmel vom Brand gerötet sahen. Die Rest« der Schrannen halle. Die einst riesige Halle bietet jetzt nach dem Brande ein grausiges Bild. Das Balken- gerüst starrt, ähnlich wie bei dem kürzlich eingeäscherten Glaspalast, in die Lust. Brandgeruch lagert über der Brandstätte, an der sich die Feuerwehr um die Aufräu mungsarbeiten bemüht. »!e vm siskttA zooasvo» cenixa k-onsD) )58 -gen fünf Uhr erst lehrte Hells Mutter zurück. Nun mar sie für den Rest des Tages frei, bei ihrem Sohn zu bleiben. Hell lächelte ihr zu mit seinem alten verschmitzten Lächeln; dann wandte er sich an Nora: „Liebes, in mir einen großen, großen Gefallen. Ich habe es Mutter nicht gesagt, sonst hätte sie es tun können: Geh und hole mir — meine Geige.. ." Nora erhob sich sogleich. „Ich gehe. Hell." Es wurde ihr Vitter schwer, ihn zu verlassen. Immer fürchtete sie, wenn sie sich auch nur auf Minuten entfernte, ihn nicht mehr lebend wiederzusehen, obwohl der Arzi versichert hatte: „So glücklich wird es nicht für ihn ver laufen. Sein Herz ist zu stark, er wird noch sehr leiden müssen - Nis sie nach emem iangen Abschiedsblick vas Zimmer verlassen hatte, lächelte seine Mutter zu Hell hinüber: „Du willst sie an die frische Luft zwingen, nicht wahr? sic ist ja schon blaß wie eine Lilie geworden." „Ach nein, sie ist gesund - und wird sich kräftigen - nachher. Ich möchte sie nicht eine Sekunde entbehren. Aber ich, Mutter, ich will mein Testament machen. Der Notar kann jeden Augenblick kommen und der Arzi und die Schwester werden Zeugen sein. Du aber sollst zugegen sein, oamu du meinen letzten Willen kennst. ." „Mein Sohn, mein Sohn", brach es klagend von Fran Barbaras Lippen, als ob es ihr in dieser Minute, durch ^iese seine Maßnahme erst klar wurde, daß es ernst, bitter -rnst sei mit seinem Sterben. Mehrere Tage nach dem Unglück erst konnte die Arbeit in der Fabrik - und auch nur teilweise — von neuem be ginnen. So schnell wie möglich hatte man die Auf- räumungSarbeiten in den weniger mitgenommenen Teilen erledigt, und dann ertönte eines Tages die Sirene wieder wie immer, und der lange Zug der Arbeiter wurde von dem wett geöffneten Tor ausgenommen. Aber wie eine ernste Mahnung an oas, was geschehen, blieben gesprengte Mauern, unheimlich anzuschauen, leer gebrannte Reste einstiger Gebäude, abgesperrt für den Durchgangsverkehr im Werk - allen nicht nur sichtbar, fühlbar fast. Auf allen noch lag wie ein Bann die Er innerung an die Schreckensnacht und oas Andenken an die, deren Leben unter den ragenden, zerstörten Mauern be graben war Es schien fast, als ob dieses Unheil selbst die Abgründe ein wenig überbrückt, die zwischen „Herrn" uno „Knechten" nun einmal bestanden, empfindlicher uno be tonter bei denen gespürt, die in oer gesellschaftlichen Stufenfolge sich unten fühlten, als bei den Obenstehenden. Fast jeder Arbeiter hatte Bob getanm, den fröhlichen, jovialen Bob, der für alle ein frohes Wort, eine Ermunte rung, echtes Mitgefühl gehabt hatte. Alle hatten gewußt, daß seine Arbeit schwer sei und im Interesse ihrer aller läge. Der alte Wolt saß wieder wie immer in seinem Arbeits- ranm. Hermann ging freundlich, aber stiller noch als bisher seinen Pflichten nach. Nur das frische und immer heiter interessierte Fräulein vermißte man; sie war noch nicht wieder in der Fabrik gesehen worden. Frau Barbara war da — härter, konzentrierter noch als sonst arbeitend, um freie Stunden zu erringen, Stunden, Vie sie an dem Lager ihres sterbenden, ihres letzten Sohnes verbrachte Sie war blasser, stolzer, unnahbarer als je. Kaum, daß sie noch einen Gruß — erwiderte? Sie hätte es gewiß getan, wenn sie ihn nur bemerkt haben würde. Eine ungeheure Arbeitslast war auf ihre Schulter gelegt durch alle die Folgen des Unglücks. Man hatte in den Dependenzen sogleich begonnen, Ueberstunden zu machen, um auf alle Fälle die Aufträge vom Ausland befriedigen zu können. Die durch die an- gerichieie Zerstörung beschäftigungslosen Arbeitskräfte hatte man oabei berücksichtigt, um Not und Kummer deren Familien nach Möglichkeit zu ersparen. Die Bauarbeiten an oer Fabrik erforderten ihre Anteilnahme. Neue Chemiker mutzten gewonnen werden. Rastlos lief die Arbeit weiter. Wie ihre Arbeiter kn die Maschine — und durch deren Tempo gefesselt, bestimmt —, so war auch sie, die Besitzerin, die Leiterin gebunden, bestimmt, eingespannt in eine Nob- wendigkett, aus der es kein Entfliehen gab. Doppelt, weil der alte Wolt langsam zu versagen begann: vergeßlich, un entschlossen wurde, gleichgültig, uninteressiert. „Machen Sie alles, wie Sie wollen, liebe Freundin — mir ist es recht!" wehrte er Frau Barbaras Bitten um sein Urteil ab, und es wurde notwendig, daß sie selbst in die Abteilungen, die ganz und gar in seiner Hand lagen, Ein- sicht nahm. Der Tod des Sohnes hatte dem alten Herrn das Herz gebrochen Seine vor kurzem noch so elastische Gestalt sank in sich zusammen, seine Gedanken vermochten nicht mehr wie sonst zu beharren, durchzndringen; er war zerstreut, vergeßlich, ungeduldig. Frau Barbara sprach mit Hermann. „Es wird notig werden, Hermann, daß Sie den Vater ersetzen, vertreten." Aber der wehrte ab. „Dazu fehlen mir denn doch noch Erfahrung und Ein sicht Vater wird sich erholen." Hart gegen sich selbst, unerbittlich ihr Denken und Fühlen zwingend und beherrschend, ging Frau Barbara ihren Weg. * * Sechs Wochen fast waren vergangen seit der furchtbaren Nacht — und immer, immer noch rang Hell Vollwank mit dem Tode, der dennoch — dennoch Sieger bleiben mutzte. Was ärztliches Wissen und Können vermochte, das ge schah — nicht zu heilen — unmöglich! Aber zu lindern. Nora wich nicht von seinem Bett. (Fortsetzung folgt.)