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„Ihren Namen wollen Sie also nicht angeben", unterbrach ihn der Kriminalbeamte. „Nun, morgen wer den wir weiter sehen. — Zelle drei, Könnecke! Es ist jetzt 3 Uhr, La kann er noch ein paar Stunden schlafen." Eine lustige Nielodie vor sich hinträllernd, ließ der Verhaftete sich willig abführen. Er machte ganz den Eindruck eines Mannes, der ausgezeichnet zu Abend ge gessen und auch einen guten Tropfen dazu getrunken hat. „Nicht mal fließendes Warmwasser gibt's hier", hörte Künnecke ihn noch entrüstet vor sich hinmurmeln, als die Zellentür sich hinter ihm schloß. Am anderen Morgen ließ Krimminalkommissar Brandt sich das Wachbuch vorlegen, prüfte die Ein tragungen uno befahl dann, ihm den Einbrecher vor zuführen. „Was hatten Sie heute nacht in der Ingoldschen Villa zu suchen?" fragte der Beamte den Arrestanten. „Hören Sie mal gut zu, Herr Kommissar", ent gegnete dieser. „Wenn Sie spät in der Nacht nach Hause kommen, durch Ihren Garten gehen und in die Woh nung zu gelangen suchen, dann geht das doch niemand etwas an. Auch nicht die Polizei. Ich bin Kommerzien rat Ingold, wohne allerdings erst seit einigen Wochen hier. Bestehen in Hamburg vielleicht besondere Vor schriften für spät nach Hause kommende Ehemänner?" „Zum Henker!" meinte der Kommissar. „Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?" „Zum Henker!" lautete die Gegenfrage. „Warum haben Sie mich nicht gleich danach gefragt?" Ohne ein weiteres Wort griff der Beamte zum Fernsprecher. Rasch war die gewünschte Verbindung her gestellt: „Frau Kommerzienrat selbst? Sehr gut . . . Herr Ingold ist also heute nacht nicht nach Hause ge kommen? . . . So, Sie haben schon die Polizei benach richtigt . . . Nun, ich denke, ich kann Sie beruhigen . . . Es handelt sich um ein Mißverständnis. . . Herr In gold wird in wenigen Augenblicken zu Hause sein." Dann wandte Brandt sich an seinen Häftling. „Die Sache geht in Ordnung, Herr Kommerzienrat. Aber wollen Sie mir gütigst erklären, warum Sie sich haben verhaften lassen, wo doch ein Wort genügt . . ." „Erlauben Sie", fiel ihm Ingold in die Rede, „wie spät war es, als ich festgenommen wurde?" „Kurz vor 3 Uhr früh", entgegnete der Kommissar nach einem Blick ms Wachbuch. „Schön! Sind Sie verheiratet, Herr Kommissar?" „Gewiß! Aber ich sehe nicht ein . . ." „Sie werden gleich verstehen. Sehen Sie, meine Frau glaubt, daß — na, sagen wir, daß die Nachtluft mir schadet. Jedenfalls schätzt sie es nicht, wenn ich spät nach Hause komme. Wenn ich aber infolge eines Miß verständnisses, wie Sie ihr sagten, die Nacht auf der Polizeiwache zugebracht habe, wird sie beruhigt sein. Sollte sie übrigens anrufen, dann brauchen Sie ihr ja nichr gerade zu sagen, daß die Verhaftung um 3 Uhr morgens erfolgte. Dann werde ich aus der Sache auch weiter nichts machen. — Im übrigen hat's mir ganz gut bei Ihnen gefallen. Nur die Betten! ... Ich fühle mich noch wie gerädert." — Und freundlich grüßend verließ der „Einbrecher" die Wache. Fritz Müller - die^Marke Die alte Thomas war eine Nähfrau in Südwest. Bei der Uebergabe an die Briten wurde sie verhört: „Und Ihre Stellung zu der neuen Lage?" — „Lage? Stelleu? Fck stell mir überhaupt nich." — „Keine Aus flucht, bitte, so oder so muß jeder Mensch sich stellen!" — „Ick nich. Ick sitze. Ick bin Nähfrau." — Man lachte. Gott, man hat doch Sinn für Witz. Was nicht hindert, daß man fest bleibt: „Wie Sie es mit England halten wollen, mein' ich?" — „Ick — ick liebe England." Sie betonte „liebe". Es klang fatal. War aber nichts zu machen. Lieben ist lieben. Und Protokoll ist Protokoll. — „Gut. Sie können gehen und dürfen im Lande bleiben!" — „Ick bedank mir ooch." Wie sie es betonte! Aber bedanken ist bedanken, mit oder ohne Protokoll. Indes man behielt sie im Auge. Man hatte Zeit, man hatte das Land, man hatte die Macht. Und eines Tages wurde sie zur Post befohlen. Ob sie diesen Brief geschrieben hätte? Wie das gemeint sei in dem Briefe: Wie's hier zugeht, wollt Ihr wissen? Nu, eben englisch. „He! Antwort!" — „Wie dat jemeint is? Ei, wie's dasteht." — Ob englisch nicht so viel wie miserabel sagen sollte? — „Bei mich nich — bei Sie?" Man wurde wütend. Der Sinn für Witz hat Grenzen. Gar wenn ihn dei? andre macht, den Witz. Es sei gut, zischte man, sie könne gehen. — „Halt!" erhellte sich das Kommissärsgesicht, „jetzt hab ich Sie!" — „Ick Ihnen ooch — heest dat, ick muß Ihnen haben als Kommissär, Sie aber können mir haben, nämlich —" — „Ruhe jetzt! Die Marke auf dem Briefe haben Sie geklebt?" — „Det wird wohl stimmen, weil ick keenen habe, der mir seine Spucke —" — „Die Marke ist verkehrt geklebt!" — „Iott, det wird wohl gleich sind, in welche Ecke von det Kuvert —" — „Es ist offenbarer Hohn, den König auf den Kopf zu stellen!" — „Könich? Uf'n Kopp? Bin ick uf'n Kopp jefallen oder —„ — Ob sie denn nicht wisse, daß auf allen Marken King Dschordsches Bild nis —? — „2ott, meine Ogen —" — Faule Ausflucht sei das. Man erinnere sich, daß bei den Deutschen die verschiedene Klebeart der Marken auch verschiedene Be deutung — „Bei den Mächens, Herr Ierichtshof! Iott, wie ick jung war und noch Ogen machen konnte! Schief links jeklebt, det war: Ick bin dir trei! Schief rechts jeklebt: Du machst mich Kummer!" — „Und ver kehrt, he?" — „Verkehrt? Det war: Hab mir — hab mir jern. Herr Ierichtshof". Es war nichts zu machen Gern haben ist gern haben. Er versuchte es, wo anders einzuhaken. Ans Fenster ging er mit dem Brief. Dicht vors Auge brachte er die Marke. „Ein schwarzer Punkt ist auf der Marke!" — „Ick hab' ihn nich jemacht." — „Ich will Ihnen sagen, was Sie gemacht haben. Eine schon benützte Marke haben Sie verwendet!" — „Ick hab' den King verwendet, wie er mich jeliefert wurde. Ick hab' ihn »ich belämmert —" — „DK Post habt Ihr betrogen! Der schwarze Punkt wird mikroskopisch un tersucht. Ihr werdet wieder vorgeladen!" — Das Mi kroskop ergab den schwarzen Tupfen auf der Königs nase. Die chemische Untersuchung ergab „Nu möchte ick bloß wissen, warum sie mir nich wieder vorjeladen haben?" wunderte sich die Thomas. — „Seien Sie doch froh!" sagte ein Beamter. — „Nee, nu jerade will ick's wissen", stemmte sie die Arme in die Hüften und den Fuß in die Postamtsvorstandstllre, wo sie nichts zu suchen hätte! — „Nichts zu suchen — ja woll — meine Ehre habe ick zu suchen — eine Be trügerin habt Ihr mir geheißen. Ick habe mir beim Rechtsanwalt erkundigt. Schriftlich muß et mir beschei nigt werden, daß der schwarze Tupfen uf der Nase —" — „Ausgeschlossen!" — „Iut, ick werde durch den An walt —" — „Seien Sie vernünftig. Ich will Ihnen gern bezeugen, daß Sie nicht betrogen —" — „Und daß der Tupfen —" — „Es geP nicht, gute Frau." — „Jute Frau! Erst war ick 'ne Kannailje! Uf mir selber bleibt der Fleck, wenn er nich ufjeklärt —" — „Er ist auf geklärt, chemisch aufgeklärt —" — „Als wat?" — „Als — als — na ja, kurz und gut — von einer Fliege, Sie verstehen." — Mutter Thomas reißt resolut die Arme wieder in die Hüften: „'n Fliejenschiß? — dat is — dat is 'ne beese Sache." — „Durchaus nicht, die Sache ist erledigt." — „Erledigt? Also war et 'ne englische Flteje, wo uf die englische Könichsnase —" — „Hinaus!" — „Ick jeh ja schon — aber nu denken Sie man bloß, wenn det ene deutsche Flieje — Iottejott, et jäbe een neuen Weltkrieg, enen Fliejenschißweltkrieg..." WaMplatz mm Bildweis. Budweis, Marktplatz mit Rathaus. Der riesige Marktplatz mit den spitzbogigen Lauben, die ohen Giebel- äuser, die aarscharf ge zogenen Stra- ßen sagen uns, daß Budweis in der Groß zeit deutscher Weltgeltung, im 13. Jahr hundert, von Deutschen er baut wurde wie hundert andere Städte des Ostraumes. Jahrhunderte lang war es eine gewaltige An -en Toren -es Böhmerwaldes. Von Fritz Heinz Reimesch. Don wenyer grugr oen Wanoerer oer vcyonmger, ein deutscher Grenzwächter, der hart und selbstbewußt hinein- cagt in das tschechische Flachland, in dem der Slawe seine leite Scholle bebaut. Don Budweis blickt man immer ruf diesen Berg, hinter dem sich in breiten Wellen der Böhmerwald aüfbaut, als Wasserscheide zwischen Donau und Moldau. Wer noch 1918 durch Budweis wanderte, der sah eine deutsche Stadt vor sich. Schätzerin königlicher Macht, war es ein Kulturknotenpunkt »es Sudetendeutschtums. Zahlreiche deutsche Schulen aller Art zogen viel junges deutsches Leben in die alte Stadt am Zusammenfluß von Maltsch und Moldau. Der Salzhandel hatte Budweis im Mittelalter reich gemacht, und in der Neuzeit war er so bedeutsam, daß hier im Jahre 1827 die erste Eisenbahn des europäischen Kontinents nach Linz an »er Donau erbaut wurde, freilich keine Dampfbahn, sondern eine Pferdebahn, auf der die dem Böhmerlande fehlende Speisewürze aus dem Salzkammergut über den Böhmer- wald befördert wurde, um von hier aus verschifft zu wer den. Zu diesem Handel gesellte sich die Industrie, besonders rls im Böhmerwalde Graphitlager entdeckt wurden und die. altbekannte Firma Hardtmuth, deren Gründer 1790 das Herstellungsverfahren des modernen Bleistifts erfunden hatte, ihre Anlagen nach Budweis verlegte, woher heute der berühmte Koh-I-Noor-Bleistift in jährlich l44 Millionen Stück in alle Welt geht. Deutscher Unternehmergeist fragte nicht danach, ob die Arbeiter Deutsche oder Tschechen waren, und im Jahre 1918 entrissen die Tschechen bei dem politi schen Umsturz als Dank für die Arbeit den Deutschen nicht nur das bisher weise geleitete Stadtregiment, sondern auch zwei Drittel der deutschen Schulen, das Theater und andere Kultureinrichtungen, sie entfernten die deutschen Aufschriften und wollten den Eindruck erwecken, als sei Budweis eine rein tschechische Stadt. So ganz einfach war aber dies Be ginnen nicht. Wenn das Deutschtum auch dezimiert wurde, die 8000 verbliebenen Deutschen wehrten sich ihrer Haut, was ihnen besonders durch den „Deutschen Böhmer- wald-Bund" ermöglicht wurde, der in Budweis seinen Sitz hat urck der tüchtig mit seinen 257 Ortsgruppen an der Erhaltung der Sprachinsel und Sprachgrenze arbeitet. Der ernste Schöninger, den Hans Watzlik, der Döhmerwalddichter, besingt, steht wuchtig vor dem großen Wald. Zu seinen Füßen krümmt sich die Moldau vielfältig, und just da, wo sie drei enge Schleifen macht, haben vor vielen Jahrhunderten die Wittigonen eine Burg erbaut, um die sich das Städtchen Krummau legte. Einem geduckten Löwen gleicht die riesige Schloßanlage, die über der Stadt steht. Fünf mächtige Höfe, umstanden von prächtigen Ge- bäuden, werden von einem gut 50 Meter hohen, schlanken, imponierenden Bergfried überragt, der einzigartig ist in deutschen Landen. Heute ist das Schloß der Hauptsitz der depossedierten Fürsten Schwarzenberg. Gotische Spitzbogen, behäbiges Barock, vor allem aber die patrizierstolze Vor- nehmheit der deutschen Renaissance füllen die Stadt und rahmen den Marktplatz. Immer war Krummau deutsche Grenzstadt, nur ist sie leider heute von Deutschland allzusehr vergessen, und nur selten sieht man deutsche Wanderer all die köstlichen Schätze genießen, während die Tschechen eifrig und in großen Scharen sich allsonntäglich das Land zu er obern suchen. Die Heiligenspiele von Höritz, die tiefen, herrlichen Forste des Blöcken stein, der Stifters Liebling war, die weiten Matten des Hochlandes von Wallern, die klöster lichen Herrlichkeiten von Stift Hohenfurt, sie sind alle von Krummau leicht zu erreichen. Wo der Wald anfängt, da hört das tschechische Volkstum auf. Der Slawe liebt die Ebene, die leicht zu roden war und wenig Arbeit fordert. Den Urwald zu lichten, blieb den Deutschen vorbehalten. Jetzt, da er gerodet ist, möchte man die Deutschen nur zu gerne verdrängen und nennt sie Eindringlinge, Kolonisten! Wer hätte mcyr von oem einzigen urwaio wimei- europas, vom Kubany, gehört? Das geheimnisvolle Dunkel des wilden Waldes, das Gewirr der gestürzten Ur waldriesen und undurchdringliches Dickicht, die Romantik des Urgewachsenen, umgibt uns. Das Tor zu dieser Welt ist das alte Pra- chatitz, die Salz- und Säu merstadt des Mittelalters, die heute noch von 65 Pro zent Deutschen bewohnt wird. Hier endete der berühmte „Goldene Steig", auf dem seit Jahr tausenden das Salz der ober deutschen Ge biete, mit ihm aber auch die Kultur in das Böhmerland eindrangen. Prachatitz. Den Reichtum der mittelalterlichen Salzkaufleute zeigen die formvollendeten Patrizierhäuser, zeigen Rathaus und Kirche. Prachatitz war aber nicht nur Salzumschlagplatz, es war auch Kampfstadt seit vielen Jahrhunderten. Noch steht die Kapelle, in der der grimme Ziska, der einäugige Hussitenführer, 85 deutsche Bür ger sperrte und sie dann mit Pech und Stroh verbrennen ließ. Biel hat die Stadt durch die Glaubenskriege gelitten, und doch blühte die deutsche Kultur immer wieder auf und schmückte die Häuserfronten mit Gemälden sonderlicher Art. Krummau und Prachatitz, ihr Eingangspforten zum deutschen Waldesfrieden, ihr sollt wieder einen Platz im Herzen der Deutschen bekommen. Dazu aber mußt du helfen, wanderlustige deutsche Jugend! tOriginalkvetdezeichnungen von Ragimund Reimesch)