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Fürwahr — gibt es ein herrlicheres Gefühl, als über eine gefrorene Wasserfläche zu schweben, unter sich des „Kri- stalls Ebne", über sich den sanften, grauen Schneehimmel, und gleiten zu können, gleiten, gleiten im wundervollen Gefühl der Losgelöstheit einem unbekannten, fernen Ziele zu, immer weiter — es gibt nur eine Seligkeit, der dieses Schweben vergleichbar ist — zu fliegen. „Laß der Stadt den Kamin", sagt Klopstock, der sich zugleich den Erfinder des Eislaufs nennt. Glücklicher Klopstock! Ihm winkte noch ein See mit bewaldeten Ufern, kein ärmlicher Sand platz von Waschschüsselgröße, den nachts ein gehorsamer Wasserstrahl in einen bescheiden wellenschlagendcn Teich ver wandelt. Kein Ungeheuer der Tiefe dräut unter dem millir meterdicken Eis. Es ist ganz sicher, ganz ohne Gefahr, aber das Wehmütige daran ist, daß es eben s o sehr sicher ist. Kein Gruseln überfällt den Schlittschuhläufer, kein donnern des Krachen löst die Eisdecke vom Ufer, keine geheimnis vollen Riffe enthüllen Blicke in eine geheimnisvollere Tiefe, höchstens eine Fliegenleiche oder ein verdorrter Grashalm swängen sich kümmerlich durch den Spalt, Aber es gibt noch begnadete Orte, die den Ausdruck »Kunsteisbahn" nicht kennen und ihn gründlich verachten, ks gibt zwar keine Punschbuden mehr, wo man die frierende Seele zur Siedehitze erwärmen konnte, aber es gibt noch Liskonzerte mit Musikanten, die mit blauen Backen einge frorene Tön« aus blanken Blechinstrumenten locken. Es zibt mancherorts sogar Scheinwerferlicht, unter dem die ;wig junge Jugend sich im Eiswalzer tummelt, neidisch be staunt von den Anfängern und erinnerungsvoll begrüßt von den Alten, die von ferne stehen. Es gab sogar mal eine Zeit, in der die Residenzen Masken feste auf dem Eise veranstalteten mit tausend Lustigkeiten und tausend Tor heiten. Die Hofherren legten dazumal für flüchtige Stun den ihre Bänder und Ordenssterne ab und balancierten als Eisbären und! Samojeden verkleidet zierlich auf dem hohen Kothurn und zeigten ihre Kunst vor dem schönen Geschlecht; denn für den Kreis der Damen galt ehedem der Eislauf rls unschicklich. Die Damen übertreffen heute ost die Her ren, und der Mummenschanz ist vorbei. Man muß schon mch St. Moritz gehen, um Maskenfeste auf dem Eise zu sehen. Und auch die sind dort den Prominenten vorbehalten, den Prominenten, die sich blitzschnell hundertmal um die ngene Achse drehen können ohne Uebelyeit und Schwindel, Ke über sechs nebeneinandergestellte Tische mit Eleganz springen, die Pirouetten, Spiralen, 8-Bogen und Achten ins Eis zeichnen, die wie Vögel fliegen oder wie von der Tarantel gestochen umherflitzen können, daß dem einfachen Sterblichen der Atem stockt und die Haut schaudert. Aber so weit wollen wir es gar nicht bringen. Wir wollen ganz einfach ein bißchen schweben, ein bißchen gleiten, ein wenig körperlos sein. Immer war danach der Wunsch schon lebendig im Menschen, und als es noch keinen Schlitt schuh gab, kniff man einem zehnzölligen Nagel den Kopf ab, bog ihn an beiden Ecken um, schlug ihn in die Sohle des Holzschuhs, und stehe da — die Fahrt in die Märchen- ferne konnte beginnen. M. St. o—»—o Freundschaft a———o Besinnliches von Ilse Franke Freundschaft sei: Dienst auf Gegenseitigkeit! * Die Grenze zwischen Liebe und Freundschaft ist nicht scharf und klar bestimmbar. Sie sind zwei Ströme, die in einander fließen, sich wechselseitig mischen und durchdringen. * Liebe ist am schönsten, wenn sie jung ist wie Früh' lingsblumen. Freundschaft gewinnt mit dem Alter an Wert wie ein edler Wein. * Das tägliche Brot, von dem Freundschaft lebt, ist Vertrauen. * Freundschaft soll nicht heißen, daß wir uns von ein ander gehen lassen und uns seelisch im groben Hauskleid zeigen. Freundschaft ist, wie Liebe, um so dauerhafter, schöner und fruchtbarer, je weniger wir ihr zartes Festkleid vom grauen Alltag beschmutzen und verderben lassen. — Singsang und Klingklang —— Von Jo Hanns Rösler Es war in Wien zur Zeit des großen Sängersestes. — Am Vorabend des Schubert - Konzertes in der Festhalle sitzen beim Heurigen drn Männer: Triller, Truller, Troll«. „Ohne mich können sie morgen nicht anfangen", trumpft Troll« auf. „Ohne Dich? Singst Du ein Solo?" „Das nicht. Aber ich habe die Schlüssel zur Festhalle." * „Schenke mir einen neuen Flügel", bittet Maud ihren Mann. „Wozu?" „Ich spiele gern Schubert." „Wozu einen neuen Flügel sür alte Musik?" lehnte Mauds Mann ab. * Im Kaffeehaus spielt eine Kapelle. Andachtsvolle Stille. Das Larghetto der zweiten Sinfonie von Beethoven verklingt. „Ein schönes Stück", marschiert ein Bildungsbefiissener zum Kapellmeister, „was war das?" Der Kapellmeister nimmt seine braun gebundenen No ten, besieht den Umschlag und sagt: „Musikstück 197." -i« Anläßlich einer Jahrhundertfeier überreichte man Franz Liszt einen Ehrensäbel. „Warum mir diese militärische Ehre?" stand Liszt bescheiden. „Weil Sie der größte Flügelmann unser« Zeit sind." -i« Herr Suppengrün ist ein eifriger Sänger. Zu Hoch zeiten, Kindtausen und so. Die Stimmung steigt. Da wendet sich Suppengrün an ein frisches Fräulein: „Ich möchte jetzt „Im tiefen Keller . . ." singen. Wollen Sie wich begleiten?" „Gern", sagt das Mädchen, „aber gehen Sie bitte voraus, damit es niemand merkt." Peinliche Situation. Ein später bekannt und be liebt gewordener Geistlicher erzählt aus jener Zeit, da er noch ein armer Student war, folgendes peinliches Erlebnis: Ich hatte in einer einfachen Familie einen Freitisch. Einst lud man mich auch einmal ausnahmsweise zum Abendbrot ein, denn der Herr des Hauses feierte seinen Geburtstag, und zwar gab es als Festessen eine Schüssel Reis und eine Flasche Wein. Als man bei Tisch saß, wurde die Hausfrau plötzlich abgerusen und ging mit der brennenden Lampe ins Nebenzimmer. Es war stockfinster, niemand konnte die Hand vor Augen sehen. Vor mir stand dir Flasche Wein, das hatte ich gesehen. Die Gelegenheit war günstig, die Ver suchung groß, und die bescheidene Studentenkehlr bekam so selten Wein zu kosten! Behutsam streckte ich die Hand aus, ergriff die Flasche, tat einen kräftigen Schluck und setzte dann die Flasche ganz leise und vorsichtig wieder hin. Aber wer beschreibt das Entsetzen aller und das meine insbeson dere, als man beim Eintritt der Hausstau mit der Lampe die peinvolle Entdeckung machen mußte, daß die Flasche mitten im Reisbrei stand! Hilas feindlich ist dec Welt, Sv das magst du feindlich hassen; Was aber feindlich dir nur ist, ertrag gelassen, Frltdr. Rückert. !»!»!!»»»»I«!!»»!"»»»«»,!»»»!!"»»!»»»»»»,! S! r Druck und Verlag von E. L. Förster'« Erben (Inhaber: I. W. Moh r) « Schriftleiter: I W. Mohr in Pulsnitz U » » r: n: iSmUMM M WsMr WMattflk 10!II!! lele« teile deine Freuden, Alle« Munterkeit und Scherz, Wenig Edle« deine Leide«, Avnerwähtten «nr dei« Herz Talls - Seew's. Sonnlagsgedanken. —° „Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das mei nes Vaters ist?" — der zwölfjährige Jesus erwidert so den empörten Eltern, die ihn nach der gemeinsamen Mitfeier des Osterfestes im Tempel zu Jerusalem verloren und drei Tage lang gesucht hatten. Wer da meint, die Gottessohnschast Jesu beginne erst in seinem 30. Lebensjahr, der weiß noch nichts von der wunderbaren Einheit dieses seines heiligen Erdenlebens. Wohl hat die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer dem Berufungsbewußtsein Jesu das Siegel Gottes ausgeprägt, wohl hat die Versuchungszeit dieses Bewußtsein durch Kampf befestigt, aber schon der Zwölfjährige war sich seiner besond reu Stellung zum Vater bewußt Menschlich angesehen erscheint es tragisch, daß der Knabe sich schon in einen Gegensatz zu seinen Eltern stellen muß. Denn für ein Kind ist nichts natürlicher und selbstver ständlicher, als das innere und äußere Mitgehen mit den Eltern. Aber nicht der Knabe trug die Schuld daran, son dern die Eltern, die sich in diesem Fall durchaus als Men schen, nicht als Heilige zeigen. Für sie hatte der Gottes dienst, das Sein beim Vater, seine Grenzen, sür den Sohn hörte das nie auf. Aber weil diese stete Verbundenheit des Sohnes mit dem Vater die Sendung, Kraft und Herrlichkeit seines Lebens ausmachte, weil diese Herrlichkeit im Dunkel der menschlichen Gottesserne erst recht aufleuchtete und Got tes unergründliche Liebe offenbarte, so war dieses „Muß" des Jesusknaben gegenüber den Eltern nicht nur ein tragi sches, sondern ein heiliges „Muß". Das Kreuz wirft nicht nur seine Schatten, sondern auch seine Strahlen voraus. Nur im Gegensatz zu dem Eigenwillen der Menschen kann Gottes Herrlichkeit offenbart werden, so aber wird auch seine ewige Liebe deutlich. „Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?" Was der Auferstan dene den Emmausjüngern sagt, handelt von demselben „Muß", dem „Jmmer-beim-Vater-sein-müssen". Weil aber Jesus immer beim Vater war, konnte er dann auch mit den Eltern in die Enge der heimatlichen Wohnung zurückkehren und ihnen untertan fein. Ahnen wir, weshalb unsre Kinder es so oft an Gehor sam und Ehrfurcht vor den Eltern fehlen lassen? Wir soll ten sie nicht so sehr an uns ketten, sondern für sie das Kreuz auf uns nehmen, daß wir sie Gottes Eigentum wer den lassen. So würde sich Gottes Herrlichkeit und Liebes ratschluß auch an ihnen erfüllen. K —Das Leben im Januar — Von C. Schaufuß, Wasserburg Wirbelnd tanzen die Flocken durch die Luft. Klingelnd sausen Schlitten vorüber, pelzvermummte Gestalten darin. Von der Anhöhe herüb« tönt fröhliches Geschrei, Kinder gleiten auf leichten Sitzen bergab. Im Hofe wird ein Schnee mann gebaut, dick und bequem wie ein guter, alter Onkel im Schlafrock und dennoch mit einem Herzen — kalt wie Eis! Schneeballschlachten werden geschlagen; ein Taschentuch am Stecken ist die Fahne; piff, paff sausen die Kugeln herüber, hinüber. Ist die Luft aber schneerein, so wandert ein lusti ges Völkchen hinaus auf den Teich, um auf blitzblanken Schlittschuhen, womöglich im Walzertakte, pfeilschnell über die spiegelblanke Fläche zu jagen — dahin, dorthin. Erst spät am Abend wird's ungemütlich Wenn das Sternbild des Orions leuchtend am Himmel steht, ist's Zeit, heimwärts zu pilgern und auszuruhen. Mit roten Ohren und Näschen, aber heiter funkelnden Augen kommen sie heim, Knaben und Mädchen, in weißen oder bunten Golf jacken. „War das heute fein!" Ob gerodelt oder Schlitt schuh gelaufen, Lawinen gerollt oder gekämpft gleich In dianern — schön war's doch! Da schmeckt dann das Abend brot, und während der Sturmwind um die Hausecke pfeift, der alte Wetterhahn auf dem Dache quietscht zum Gott erbarmen, während Frau Holle ihre Betten schüttelt und der Eismann blanke Zapfen ans Dach hängt, schlüpfen die Kin der in ihre warmen Betten und lassen sich vom Traumgott sanft einschläfern, um zu träumen bis morgen früh, w'os dann — ach, nur zu früh! — unter Gähnen und Augen reiben wieder zur Schule geht. Wie sieht es nun draußen aus in der Natur? Alles gestorben? Scheinbar. Doch der Schnee braucht keine Leichendecke zu sein, und unter ihm haben es die Pflanzen besser, als wenn der grimme, stechende Ostwind sie rüttelt und schüttelt. Der Wanderer ist erstaunt, wenn er die ge frorene Schneekruste auf der Wiese ein wenig abhebt und darunter srische Grasspitzcn, Schafgarbe, Gänseblumenknospen und duftende Moospolster wahrnimmt. Oft schon blüht jetzt Nießwurz, Vogelmiere und roter Bienenhonig. Das Hunger blümchen wagt sich hervor; verschiedene Moose setzen Sporen kapseln an. Kommen ein paar laue Tage, dann schwellen die braunen Kapseln der Salweide und silbergraue Härchen der Palkätzchen kommen zum Vorschein. Auch der Haselnuß strauch blüht oft im Januar. — Hier und da sieht man Wintermücken; das Winterspinner-Geistchen wagt sich hervor. Der dreiste Sperling ist überall zu sehen. Aber auch Meise und Goldammer kommen ans Fenster und bitten um eine Gabe. Habt ihr schon ein kleines Futterhäuschen für die gefiederten Wintergäste gebaut? Uebec kahle, öde Felder fliegen mit viel Geschrei die Krähen; dann und wann ist wohl auch ein Rabe zu erblicken. Im Walde ist's still. Nur, wenn die Stürme rasen, ächzen und knacken die Bäume. Die Tannen und Fichten unter der Schneedecke scheinen zu träumen. Oft können sie die Schneelast nicht mehr tragen u.id brechen ab. — Reizend