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UeWMkHckr TUM Mittwoch, den 28. September 1904. Nr. 226 54. Jahrgang. Inserate nehmen außer der Expedition auch die Au-träger auf dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expeditionen solche zu Originalpreisen. Erscheint jeden Wochentag abnids für den folgenden Tag und 'ostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1,5ö durch die Post Mk. 1,82 frei in's Haus. Anzeiger für Hohenstein Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kugan, Hermsdorf, Kernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Nußdorf, Wiistenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach, Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. w. Tlrntsblcrtt für das königliche Amtsgericht und den Siadtrat zu Hohenstein-Ernstthal. Orgorn aller <Veiirernde-Veruocrlturrgeir der irrrrliegenöeir Drtscchafterr. ;i!i! III!!!» I! Der Graf Regent von Kippe Den seit einigen Tagen verbreiteten Nachrichten von einem ungünstigen Gesundheitszustände des Graf-Regenten Ernst zur Lippe-Biesterfeld ist rasch die Meldung von seinem Ableben gefolgt. Man mußte darauf gefaßt sein, denn wenn bei einem 62jährigen Herrn neben starken Erkältungs- crscheinungen Schlaflosigkeit und erheblicher Kräfte verfall eintreten, so ist die Situation bedenklich. Der Tod des Grafen, aus dessen 1869 mit der Gräfin Karoline von Wartensleben geschlossener Ehe sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter, hervorgegangen sind, rückt auf einmal das Ländchen Lippe-Detmold wieder in den Vordergrund des politischen Inter esses, denn nunmehr wird der alte, mit Erbitterung geführte Erb streit zwischen den Linien Lippe- Biesterfeld und Schaumburg-Lippe aufs neue akut werden. Wie erinnerlich, war die Situation, aus der dieser Erbstreit entbrannte, folgender: Fiirst Wolde mar von Lippe-Detmold war am 20. März 1895 ohne Leibeserben gestorben, sein einziger noch leben der Brnder Alexander war, bezw. ist geisteskrank, also nicht fähig, die Zügel der Regierung zu ergreifen. Da Fürst Alexander selbst ebenfalls keine Nachkommen besitzt — es lebt nur noch eine 70- jährige Schwester Pauline von ihm — so war längst vorauszusehen, daß mit Fürst Alexander die fürstliche Linie erlöschen wird, und ebenso, daß nach dem Tode des Fürsten Woldemar sich eine Regent schaft nötig machen würde. Ans diesem Grunde hatte Fürst Woldemar schon 1890 dem lippischen Landtage einen Gesetzentwurf vorlegen lassen, nach welchem der Fürst das Recht haben sollte, einen Regenten für den Fall seines Ablebens zu ernennen. Der Landtag verlangte jedoch in seiner Mehrheit die Einsetzung eines Regentschaftsrats, deni außer dem vom Fürsten ernannten Regenten noch zwei Abgeordnete angehören sollten. Darauf wollte sich Fürst Woldemar nicht einlassen, er befahl die Zu rückziehung des Entwurfs und setzte nun im Oktober 1890 selbständig durch landesherrliche Verordnung den Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe, den Schwager des Kaisers Wilhelm, für den Fall seines Todes zum Regenten des Fürstentums ein. Auf Grund dieser Verordnung übernahm Prinz Adolf am Todestage des Fürsten Woldemar, 20. März 1895, die Regentschaft. Der Landtag er kannte diese Verordnung aber nicht als rechtsgültig an, und da der Minister v. Wolffgramm, der sie verantwortlich gegen gezeichnet hatte, plötzlich starb, so hielten auch Prinz Adolf und die Regierung an der Verordnung nicht länger fest. Man einigte sich viel mehr auf ein Gesetz vom 24. April 1895, durch welches Prinz Adolf bis zur Entscheidung der Thron folgefrage als Regent anerkannt wurde. Ein solches Provisorium war notwendig ge worden, weil gegen die Erbfolge der nächsten agna- tischen Linie, der des jetzt gestorbenen Grafen Ernst zur Lippe-Biesterfeld, die Linie-Schaumburg-Lippe, und auch Graf Ferdinand zur Lippe-Weißenfeld Einspruch erhoben hatten. Da es zur Entscheidung! der Frage, wer zur Thronfolge berechtigt sei, an einer Instanz fehlte, kam die Sache nach einer Ueberein- kunft zwischen Regierung und Landtag von Lippe an den Bundesrat, der die Sache aber nicht dem Reichsgericht, sondern einen: besonderen Schiedsge richt überwies, womit sich schließlich der Lippesche Landtag einverstanden erklärte. Dies Schiedsgericht wurde aus 6 Mitgliedern des Reichsgerichts gebildet, während den Vorsitz König Albert von Sachsen übernahm. Am 22. Jnni 1897 erklärte dieses Schiedsgericht e i n- st i m m i g den Grafen E r n st znr Lippe-Biester- feld für erbberechtigt, worauf Prinz Adolf sofort dem Grafen Ernst als Regenten wich. Die Schaumburger Linie gab sich jedoch mit diesem Urteil nicht ohne weiteres zufrieden, konnte aber einstiveilen nichts ausrichten, da es gegen das Urteil des Schiedsgerichts keine Möglichkeit einer Berufung gab. Die Schaumburger haben aber nicht unterlassen, immer wieder auf die angebliche Un- ebcnbürtigkeit der Biesterfelder Linie hinzuweisen, wenn sie auch den durch das Schieds gericht von 1897 geschaffenen Rechtszustand so lange anerkennen mußten, als Gras Ernst am Leben war. Zwar hat nun am 16. März 1898 der Lippesche Landtag beschlossen, daß nach dem Tode des Grafen Ernst dessen Sohn Graf Leopold (geb. 1871) die Regentschaft übernehmen sott. Die Frage der Thronfolge ist damit aber, wenigstens nach Ansicht der Schaumburger, noch nicht erledigt. Vielleicht wird sich jetzt noch einmal der Bundesrat damit zu beschäftigen haben, der sich am 5. Januar 1899 ausdrücklich für zuständig zur Entscheidung der Frage erklärt hat, wenn er auch der Ansicht war, daß damals (1899) kein hinreichender Anlaß zur sachlichen Lösung gegeben wäre. Ein solcher ist aber jetzt durch deu Tod des Graf-Regenten ge schaffen worden. Ganz nebenbei möchten wir doch dem Empfin den weiter Kreise Ausdruck geben, daß die jetzt wahrscheinlich wieder beginnenden Versuche, den Thron eines deutschen Bundesstaates auf juristische Finessen und das schrecklich antiquierte llneben- bürtigkeitsmoment zu fundamentieren, nicht zu über mäßig sympathisch wirken. Detmold, 27. September. Der „Lippischen Landeszeitung" zufolge übernahm Graf Leopold zu Lippe-Biesterfeld, der älteste Sohn des verstorbenen Graf-Regenten, laut eines vom Staats- ministcr Gevekot gegengezeichneten Erlasses die Regentschaft des Fürstentums Lippe. Aus drin Reiche. Schwere Ausschreitungen haben wieder einmal russische Soldaten an deutschen Weichselschiffern verübt. Als vier Oder kähne bei der Festung Nowo Georgiewsk vorüber fuhren, kamen mehrere Soldaten der Festungswache auf einem Kahn zu den Schiffen, nahmen den Führer Laskowski fest und brachten ihn zur Festung. Laskowski erlangte die Freiheit wieder, nachdem er fünf Rubel bezahlt hatte, ohne daß die Vernehmung durch einen Offizier erfolgte. Solche Erpressungen sind in letzter Zeit wiederholt an Schiffern verübt worden. Kviegsbriese vor Gericht. Vor der Strafkammer des Landgerichts Mainz stand gestern der Geschäftsführer der „Mainzer Volkszeitung" Friedrich Dölle unter der An klage, durch die Veröffentlichung und Besprechung der Kriegsbriefe des verstorbenen Generals von K r e t s ch m a n n die Offi ziere und sonstigen Feldzugsteilnehmcr des ersten (hessischen) Garde -Jägerbataillons im Kriege gegen Frankreich in verleumderischer Weise beleidigt zu haben. Bekanntlich hatte General von Kretschmann, der sich im siebziger Kriege als Truppenführer hervorragend auszeichncte, in zahl reichen Briefen an seine Gattin und seine beiden Kinder, den jetzigen Oberstleutnant von Kretschmann ,und die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Frau Lilly Brun-Gyzicky die Greuel des Krieges in ziem ! !lich unverblümter Form geschildert und auch viele! Einzelheiten aus dem Leben und Treiben mancher Truppenteile mitgeteilt, die er teils selbst mit er lebt, teils aus Erzählungen dritter Personen über nommen hatte. Zu letzteren gehörte auch seine in einem dieser Briefe enthaltene Darstellung über das Vorgehen der zweiten Kompagnie des 1. hessischen Garde-Jägerbataillons gegen die Bewohner des französischen Stäbchens Sens, die nach seiner Dar stellung verdächtig waren, sich an Franktireurdiensten beteiligt zu haben. Danach sollten dann die Hessen unter den Weibern und Kindern des Ortes ein förm liches Blutbad angerichtet nnd zahlreiche Plünderungen und sonstige Gewalttaten begangen haben. — Die „Mainzer Volkszeitung" publizierte die Briefe mit entsprechenden Randglossen, die den beiden noch lebenden Führern der zweiten Kompagnie des hessischen Garde-Jägcrbataillons, dem jetzigen Ge fängnisdirektor von Metz Major n. D. Mickel und dem Oberstleutnant a. D. Balser Veran lassung gaben zur Stellung eines Strafantrages gegen das genannte Blatt. — Die heutige Verhand lung endete mit der Verurteilung des Ange klagten zu 100 M. Geldstrafe. Ans dem Anstande. Die 3. Generalversammlung der interna tionale»» Bereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz wurde gestern in Basel im Saale des Großen Rats eröffnet. Die Vertreter von 11 Regierungen und 40 Delegierte der Landessektionen waren an wesend, u. a. als Regierungsvertretcr von Deutsch land Ministerialdirektor Caspar und Ober-Regie rungsrat Koch. Die deutsche Sektion ist vertreten durch Professor Francke, Arbeitersekretär Gisberts, den Zentrumsabgevrdnetcn Piper, Pfarrer Weber, Prof. Lewin, Prof. Sommerfeld, Theodor Curti- Frankfurt. 'Präsident Scherrer begrüßte die Ver sammlung mit einem Rückblick auf die Entstehung und Tätigkeit der Vereinigung und betont die hoch erfreulichen Ergebnisse der Arbeiten. Der sozial demokratische Regierungspräsident Wullschläger- Basel spricht seine Freude über das erfolgreiche Wirken der Vereinigung aus und wünscht einen segensreichen Fortgang des Kulturwerkes. Ministe rialdirektor Caspar vom Reichsamt des Jnneru- Berlin dankt namens des Deutschen Reiches und der übrigen Regierungen für die Begrüßung und erhofft für die Fortführung der Svzialreform die Förderung durch die Vereinigung. Nach Erledigung der Jahres berichte des Präsidenten, des Direktors des Arbeits amtes und Schatzmeisters erstattet der ehemalige Minister Millerand-Paris den Kommissionsbe richt über die Frage der Arbeit mit Phosphor und Blei und über die Frauennachtarbeit. Dis Ver sammlung beschließt dann, dem Schweizer Bundes rat für die Einladungen der Regierungen zu der Arbeiterschutz-Konfcrenz den wärmsten Dank auszu sprechen. Darauf folgten Referate über die Bleifrage, über verschiedene andere Gifte in gewerblichen Be trieben und über die Nachtarbeit jugendlicher Ar beiter. Generalsekretär Bauer teilt mit, daß je mand, der nicht genannt sein wolle, 25 000 Mk. zu einem Preisausschreiben für das beste Mittel gegen die Bleigefahr in den verschiedenen Betrieben gestiftet habe. Heute werden die Kommissionen tagen. Die Vereinigung nahm weiter entgegen Referate über den italienisch-französischen Arbeitervertrag und drückte ihre hohe Befriedigung über denselben aus. Der Papst ließ der Versammlung seine wärmste Teil nahme ausdrücken. Die Zustände in Tibet. Der Abmarsch der br itischen Expcditi vn aus Lhassa wird, der „Dail Mail" zufolge, wahr scheinlich das Signal zu Wirren zwischen den ver schiedenen politischen Parteien in Tibet werden. Der entflohene Dalai Lania soll an der Grenze der mongolischen Wüste unweit Nagschuka auf die Rück kehr lauern. Ein erheblicher Teil der Mönche blieb ihm treu. Der gegenwärtige Rat, der den Vertrag mit England abschloß, besteht aus Schwächlingen. Sehr wahrscheinlich wird eine Partei zur Macht ge langen, welche die neuen Verhältnisse Umstürzen wird. Aus Küdwestafrika. lieber die Verfolgung der Herero sind von dem General v. Trotha zwei Meldungen eingegangen. Die erste ist aus Oparakane, 19. d. M. datiert uud lautet: „Die 7. Kompagnie Feldregiments 2 erreicht voraussichtlich am 20. d. M. Gobabis. Eine dort hin entsandte Patrouille fand nirgends Spuren von Herero. Augenblicklich besetzt Deimling Epukiro mit zwei Kompagnien und vier Geschützen, Pvstierungen in Ganas. Sturmfeld eine Kompagnie, zwei Geschütze, Abteilung Heydebreck, verstärkt durch halbe 1. Batterie (von Kolonne Deimling), besetzten Ombakaha und Kl.-Okahandjn. Kleine Pvstierungen Wasserstelle Okowarumeude—Katje- kori—Eware. Estorfs mit Volkmann bis Owi- naua—Nana. Reitzenstein schob am 18. d. M. eine Kompagnie, zwei Maschinengewehre unter Dürr nach Otjosondjou, Volkmann über Otjinene, Estorfs über Ombu-Atogo. Sperrung des Omuramba-Flusses durch Fiedler. Kommando geht nach Owinaua-Naua." Die zweite Meldung stammt vom 21. d. M. und hat folgenden Wortlaut: „Nach Ganas bestimmte Pvstierungen Deim lings müssen Wassermangels wegen nach Kalkfontein zurückkehren. Eine stärkere mit Wasser wagen versehene Aufklärungsabteilung ist dorthin unterwegs, da nach Aussage Gefangener bei Otjimangombe und Ganas starke Hererobanden sich befinden. Offizierspatrouillen beobachteten 40 Kilo meter nordöstlich von Owinaua-Naua am Eisebfluß starke Hereromassen, angeblich Samuel Maharero- Tjetjo. Aufklärung von Kl.-Okahandja Omuramba- fluß abivärts. Achte Kompagnie und Halb-Batterie Winterfeld (von Abteilung Fiedler) wird am Omu- ramba-Uamatako auf Okaundja vorgeschoben. Aus dehnung der Land-Etappcnlinie sowie starker Ausfall an Zugtieren bei an sich geringem Fuhrpark erschwert ungemein den Nach schub. Mehrfach kleinere Gefechte mit unter starken Verlusten zersprengten Hererobanden. Diesseits keine Verluste. Hauptquartier 22. Owinaua- Naua." In einem Interview über die Verhältnisse in Swakopmund und Südafrika erklärte Adolf Woermann: Mir scheint nur übrig zu bleiben, an der alten Landungsstelle eine Landungs brücke zu bauen, die etwa 250 bis -800 Meter weit ins Meer hineingeht, die Kosten solcher Landungs brücke dürfte nicht im entferntesten an die Summe hcranreichen, die für eine Verlängerung der Mole in Frage kommen kann. Herr A. Woermann prophe zeit der Kolonie die beste Zukunst. Es herrscht in ihr ein köstliches Klima. Das Land wird für Farmen alle möglichen Chancen bieten, zunächst für Schaf- und Angorazucht, ebenso auch für Rindvieh zucht in größerem Maße, während die Erträgnisse der Minen und anderer bergmännischer Erzeugnisse zweifellos günstige Resultate ergeben werden. ES ist nicht der geringste Grund vorhanden, an der weiteren Entwickelung dieses Landes zu zweifeln. Sobald erst Friede, Ruhe und Sicherheit im Lande hergestellt sein werden, dürfte die Entwickelung in weit schnellerem Tempo vor sich gehen, als es bis her der Fall war. Daß wir so große Aufwendungen machen müssen, unserem Schutzgebiet wieder Ruhe und Frieden zu geben, ist bedauerlich; daß es auch weiterer Aufwendungen noch bedarf, um nach wiederhergestclltem Frieden die wirtschaftliche Ent wickelung energisch zu fördern, ist gewiß. Wenn aber England Milliarden von Mark daran gewendet hat, um die südafrikanischen Republiken zu gewinnen, sollten uns die unendlich viel kleineren Opfer, die wir für Dcutsch-Südwestafrika gebracht haben und bringen müssen, nicht gereuen. Im Lazarett Grootfontein sind am Typhus gestorben: Reiter Martin Pahl, geboren 19. Februar 1885 in Sassenburg, früher 2. Artillerie-Regiment; am 30. August. Reiter Gustav Hellstern, geboren 7. September 1882 in Empfingen, Hohenzollern, früher 4. bayerisches Chevauleger-Regiment; am 26. Angnst. Reiter Paul Zalkau, früher 158. Regiment, Transport Heyde, am 25. August. Im Gefecht bei Okambukauandja nm 19. d. M. leicht verwundet: Gefreiter Ernst