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Petersburg, 30. Ium. Einem Telegramm des Generals KnropaMn an den Kaiser vom 29. Juni zufolge, nahmen dir Japaner am 27. d. M. die Stadt Sseujutsche« ein. Die Rassen zogen sich mit geringem Verlust nordwärts zurück. Am 25. Juni fand ein Vorpostengefecht bei Tamiarl. gou statt. Am 26. Juni besetzten die Japaner Siav- diao. In dem Gefecht bei Siahotan am 26. Juni wurden dir Japaner zurückgeworfen uno von den Russen bis Siandiao verfolgt. Letztere verloren an Toten und Verwundeten 2 Offiziere und 39 Mann. Am 27. Juni wurde der Kamps bei Siahotan er neuert. Die Russen drängten die Japaner zurück und brachten die japanische« Batterien zum Schweigen. Die Verluste der Russen betrugen etwa 50 Mann. Am 26. Juni besetzten die Japaner Tschegnantit bei Siahotan. Am 27. Juni fand ein Kampf bei dem Dalinpatz statt, bei welchem die Russen sich mit einem Verlust von etwa 200 Maun ;urückzogen. Am 26. Juni besetzten die Japaner den KoudialiNpatz auf der großen Straße von Liau- jang. Seit dem 25. Juni rücken die Japaner auch auf dem rechten Flügel vor und besetzten am 26. Juni morgens Saimatsi. Eine aus Saimatsi vor- rückende Abteilung wurde von einer Wache Kosaken zurückgeworfen. London, 30. Juni. Dem „Reuterschen Bureau" wird aus Lianjang von gestern gemeldet: Die Japaner erzwangen den Uebergang über den Motienpatz und rückten auf der östlichen Straße aus Lianjang vor. Eine russische Streitmacht unter General Graf Keller hält eine befestigte Position besetzt, welche die Straße aus dieser Seile des Passes beherrscht. Die Absicht der Japaner ist, die russischen Verbindungen nördlich von Liaujang ab zuschneider, während General Kuropatkin mit den ge. :amten russischen Streitkräften in der Nachbarschaft oon Haitichenz operiert. Die Stärke de» russische« Hauptheeres ist nicht ganz leicht eivzuschätzen. Ich glaube, daß diese» Heer in den meisten deutschen Zeitungen zu hoch an Zahl berechnet wird. Stellt man die starken Deta chierungen nach Port Arthur und Wladiwostok in Rechnung, zu denen Kuropatkin genötigt war, und vergegenwärtigt man sich die verhältnismäßig großen russischen Verluste am Jalu, bei Kintschou und Wa- sangou, die russtscherseits noch nicht ersetzt sein können, während der Wiedersatz der von den Japanern in diesen Schlachten gehabten Verluste ausdrücklich be stätigt wird, so wird man die Gefechtsstärke der Kuropatkinschen Armee nach Heranziehung der Korps von Stackelberg und Keller kaum höher als 13V vvv Kombattanten unnehmen dürfen. Die Japaner verfügen daher zu der bevorstehenden Schlacht über eine nummerische Ueberlegenheit von viel leicht nur 26,000 Mann! Eine solche Ueberlegenheit ist z, gering, um an und für sich erfolgversprechend zu sein Sie kann eS aber dann werden, wenn geschickte Führung ste an entscheidender Stelle zur Geltung bringt und eine bislang in allen ihren Maßnahmen zielbewußte Offenftve die taktisch biss er geschulten und krieg-tüchtiger ausge bildeten Truppen auch in diesem Hauptwaffengange wiederum >n flankierender KampfeSwirkung gegen einen Gegner vorzusühren vermag, der sich in zuwartender Abwehr das Gesetz des Handelns wiederum vor- schreiben läßt! hauen errichtet hatten, vorzugehen. Die Russen leisteten hartnäckigen Widerstand, doch gelang eS unseren Abteilungen nach heftigen Kämpfen den Feind zu um zingeln und Fenschuiling am 27. Juni zu nehmen. Auf der Landstraße wurden 90 gefallene R«Fe« gefunden; über die weiteren Verluste der Russen war noch nicht- sistzustellen. 6 russische Osfizierr und 82 Mann wurden gefa«ge« genommen. Der Gesamt- Verlust der Japaner wird aus 170 Mann geschätzt. Lo«do«, 30. Juni. Nach weiteren hier aus Tokio eingeganqenen Meldungen sind die von den Japanern bei Port Arthur erstürmten Festungs werke keine Korts, sondern drei in der äußersten Verteidigungslinie, etwa 7 Kilometer entsernt vorge schobene Erdwerke. TfchifU, 30. Juni. 50 Europäer, die Port Arthur am 23. Juni verlassen hatten, kamen heute hier von der Pigeon-Bai an, wo sie sich aus einer Dschunke am 28. d. M. eingeschifft hatten und er zählten, daß dort in der Seeschlacht am 23. d. M. die „Sebastopol" leichte Havarie gehabt hätte, die in 15 Tagen wieder in Ordnung gebracht sein würde Der Streuminendampfer „Amur" wäre ziemlich schwer beschädigt. Die Europäer haben nichts über das Nachtgesecht gehört, in dem die Japaner, wie sie be- haupten, ein russisches Linienschiff zum Sinken ge bracht haben. Loudon, 30. Juni. DaS Reuterjche Bureau meldet aus Aiutfchwang von gestern : Heute nach mittag kam der russische Torpedobootzerstörer „Leut nant Bakawff" von Port Arthur hier an. Ec war um 3 Uhr in Sicht gekommen und lief zwei Stunden in den Fluß ein und machte längsseits des Kanonen bootes „Simutsch" fest — AuS Petersburg meldet dasselbe Bureau, daß der in Niutschwang von Port Arthur angekommene Torpedobootzerstörer berichtet, xß die Gerüchte von einem Sinke« oder Beschädigt, sein der russischen Schiffe nicht auf Wahr heit beruhen. London, 30. Juni. Aus Nimschwa«g wild gemeldet, die Ankunft des russischen Torpedoboots „Leutnant Bukarow" aus Port Arthur erregt große Aufregung Man gibt Heu e abend Festlichkeiten ihm zu Ehren. Die Offiziere erklären, Admiral Togos Bericht über die russische Niederlage am 23. Juni sei sehr übertrieben. Er sei während des Gefechtes 48 Kilometer von Port Arthur entfernt gewesen; Während der letzten fünf Tage hätten die Ruffen zwei Kreuzfahrten im Go.f von Petlchili unter nommen; einige behaupten die Port Arthur-Flotte habe sich mit der Flotte von Wladiwostok ver einigt. Jeder Zoll des Schiffs war mit Lei cheu bedeckt (??): es sah aus, als ob es e nen Kampf bestanden und Ueberlebende von anderen Schiffen ausgenommen habe; man glaubte jekoh allgemein, er surchbrach die Blockade allein und brachte Depeschen für oie Armee und Regierung. Es sind zweiKosaken Offiziere an Bord. Tokio, 29. Ium. Das japanische Ge schwader, welches in nördlicher Richtung ausgelaufen war, um das Wladiwostok-Geschwader zu ver- folgen, kehrte hierher zurück, da es dies nicht ge- troffen hatte. Söul, 30. Jun». Nach amtlicher Meldung bc- ficht das heute vor Gensan erschienene Wladiwostok- Geschwader aus 3 Kreuzern und 10 Torpedobooten bezw. Torpedobootzerstörern. Es feuerte 180 Schüsse au die japanische Niederlassung ab. >rt», Verschon.»»gen, Drahthiw außeroroemlny parren «Stellungen ves zweifellos große Schwierigkeiten gefunden hätte, zur Vermeidung dieser ausdrücklich zurückgehalten wurde, gelang eS auf den anderen Bormarschstraßen (das DebouchL auS dem Gebirge zu erreichen und sich ia den Besitz ,von drei wichtigen Pässen zu setzen, deren Skaßen- «„ günstigster Richtung in die Ebene von Liaujang Wren. Es Waren da« der Modulien-Paß, der Taling P»K u>O de« THipaling-Paß. Alle drei sind ganz zwehelloS mit ihren DeboachöS in die Hände der ziel benacht zugreifenden japanischen Avantgarden gefallen, die die russischen Detachements, welche au« der Honpt- stelluug in sie vorgeschoben waren, überall nach tapferer Gegenwehr zmückwarfeu, um die Pässe für die nachfolgenden Marschkolonnen zu öffnen- Der Besitz de» Tschipalingpaffe» öffnete gleichzeitig eine sichere unmittelbare Verbindung zwischen den «US der Richtung von Takuschau und de» von der Liautunghalb- insel vorrückevden japanis Heu Kräften, sodaß also auch nach dieser Richtung hin ein weiterer Schritt vorwärts getan wurde. Wie sich die Gliederung der japanischen Heere gestaltet hat, nachdem die im Msuat Mai und Juni bei Tafaschan gelandeten Kräfte zum Tei bereits i- die vordere Linie eingerückt, zum Teil aus dem Marsch dorthin sind, steht immer noch nicht fest, da die Japaner hierüber augenscheinlich absolutes GüllschweiLeu bewahrt wissen wollen und solcher bis jetzt auch überall durchzusetzeu ver standen haben. Ob die in den Berichten aus Tokio unter dem Namen „Takuschan-Armee" aufzesührte HeereSabteilung tatsächlich eine selbständige Armee — etwa die ursprünglich als vierte unter dem General Graf Rodz« bezeichnete — ist oder ob die ihr ur sprünglich nach der Kriegsgliederung zugewiesenen HeereSteile in den Verband der 1. Armee unter Kuroki oder den der 2. Armee unter Oku getreten sind, ist ebenfalls zur Stunde noch ungewiß. Als völlig sicher kann nur gelten, daß sich ihr vorderster Heeresteil, die 10. Division, zwischen beide Armeen bei ft rem Vor marsch eingeschoben hat und somit das wichtige Bindeglied zwischen beiden bildet. Die Zahl der Re- servebrigadev, die den aktiven Divisionen inzwischen gefolgt ist, läßt sich auch nicht nachweisen. Sie könnte schon aus dem Grunde erheblich größer sein, als mau bisher anzunehmen geneigt war, daß der russische Hauptstab in seinen Meldungen der letzten Tage im ganzen neun japanische Divisionen im Vormarsch von Osten und Süden gegen die russische Mandschurei. Armee seftgestellt Haden wollte, den Nummern nach aber nur sieben japanische Divisionen auszuführeu vermag: nämlich die Garde-, 2., 3., 5., 10., 11., 12. Division! Vor Port Arthur verblieben wären dann nur die 1. und 4. Division; aber auch diese könnten inzwischen durch Rcs-rvebrigaden in oller Stille abgelöst und nach Norden nach gezogen sein, zumal wiederholt starke Trup penausladungen bei Dalny in der Zwischenzeit erfolgt find, die augenscheinlich nur für die eigentliche Belage, rungsarmee von Port Aithur bestimmt -gewesen sein können. Erst mit einer der vor Port Arlhur abgelösten Div sionen (1. oder 4?) und der inzwischen nachgeführten 6. Division aus Kiuscha würde man zu der von dem russischen Hauptstabe angenommenen Stärke von neun japanischen Divisionen gelangen. Rechnet man die Ge fechtsstärke einer japanischen Division aus 14 000 Kom- bmiantkn, so ergibt dies eine Gefechtsstärke V0« 188 000 Ma««, zu der noch die weitere Gefechts, stärke von etwa fünf Reservebrigaden tritt, die. ebenfalls nach Ansicht des rulsischcn Haup stabeS. den akt'vin Di- anschloflen und verschwanden. 2 Koreaner und 2 Soldaten wurden leicht verwundet; der an den Ge bäuden aogerichtete Schaden ist unerheblich. Sächsisches. Hshenstei« Er«st1hal, 1. Juli 1904. Wettervoraussage des Kgl. Sächs. Meteorologischen Instituts zu Chemnitz. Kör Sonnabend t Heiteres uud trockenes Wetter bei übernormaler Temperatur uud südöstlichen Win den. Barometer: mittel 8. Juki: TageSuuttel: -j-16,0« Maximum -f-20,0* Minimum: -s-11,2v. — Die Einwohnerzahl unserer Stadt be trug Ende Juni 14 260. *— Die KLlteperiode, die übrigens nahezu alljährlich im Juni eintritt, scheint seit dem gestrigen Tage glücklich überwunden zu sein. Die Temperatur der vorvergangenen Nacht erreichte saft den Nullpunkt; aus einigen Gegenden unseres Vaterlandes wird sogar gemeldet, daß eS gefroren habe und einzelne empfind liche Stauden dem Froste zum Opfer gefallen seien. Der Sommer wird nun wohl endgültig in seine Rechte treten. Heute hat er bereits gezeigt, daß er willens ist, uns ordentlich warm zu machen. — Nachdem bereits im Jahre 1903 einzelne Gewerbekammern des Landes gegen verschiedene Be stimmungen der Bekanntmachung des Reichskanzler-, betreffend die Beschäftigung vo« Gehülfe« und Lehrlinge« in Gast- unv Schankwirt- fchaften, vom 23. Jinuar 1902 (Reichsgesetzblau S. 33 5), beim Ministerium des Innern vorstellig geworden waren, hat dieses über die Wirkungen der Bekanntmachung aus die Verhältnisse im Gast- und Schankwirtsgewerbe umfassende Erhebungen veranstaltet. Nach dem Ergebnisse der letzteren reichen indessen, wie das Ministerium des Innern den beteiligten Ge-> werbekammern eröffnet hat, die bisherigen Erfahrungen nicht aus, um eine Abänderung der erwähnten Bekannt machung in Anregung zu bringen oder hierauf ab zielende Bestrebungen zu unterstützen. — Gersdorf, 1. Juli. Bei der hiesigen Sparkasse wurden im Monate Juni 1904 103 Ein zahlungen im Betrage von 7488 M. 10 Pfg. geleistet, dagegen erfolgten 33 Rückzahlungen im Betrage von 8080 M 53 Pfg. Der Barbestand betrug am Schluffs des Monats 38 M. 51 Pfg. — Einsiedel, 30. Juni. Ein fehr schwerer S utomobilunfall, der den Tod eines der Beteiligten nach sich gezogen hat, ereignete sich, wie schon gestern gemeldet, am Mittwoch abend aus der Straße zwischen Dittersdorf und Weißbach. Mehrere Chemnitzer Herren unternahmen über Einsiedel nach Gelenau einen Automobil-AuSflug und nahmen in Einsiedel den Fabrikanten Carl Oswald Lohs mit. Auf der Rück fahrt begriffen, erlitt das Automobil aus der steilen Straße von Weißbach nach DitterSdors herunter einen Bruch der vorderen Achse, sodaß sich das Gesährt überschlug und seine Insassen teils unter sich begrub, leis auf die Straß- schleuderte. Die Folgen waren jchrcckiiche. Herr Lohs hatte mehrere Schädelbrüche, sowie einen B uch des Genicks erlitten und ist sosrrt gestorben. Der Bcsitzer deS Gesährts, Automobil- Händler Papst aus Chemnitz, Schadestraßs wohnhaft, erlitt verschievene Verletzungen im Gesicht und wurde im CH mn tz r K ankenhauS uvtergebrackt. Kaufmann Die Madonna des Sotticelli. Novelle von Lothar Brenkeovors (Schluß.) Rachdruck verboten. „Richt so, Herr von Hauckwitz," sagte sie. „Niemand hat hier einen vorwurs verdient als ich allein, und ich würde geduldig jede Beschimpfung hinnehmen müssen — wenn ich nicht die feste Hoff nung hegte, daß Sie ritterlich genug denken werden mir zu verzeihen. — Ls ist wahr, ich habe mich gegen Sie vergangen — denn Sie besaßen mein Wort, daß ich Ihnen angehören würde; aber Sie würden auf seine Linlösung gewiß nicht bestanden haben, nachdem ich Ihnen gesagt, daß ich nur unter Verzicht auf jedes eigene Stück Ihre Tattin hätte werden können. Wohl war ich vorhin zu diesem Verzicht entschlossen — doch aus keinem anderen Srunde, als weil Ihr Antrag mich in einer Stunde der Verzweiflung getroffen, wo ich kaum noch eines einzigen klaren Gedankens fähig war. Ich sah den Jammer meiner armen Mutter über meine, wie sie glauben mußte, schimpfliche Entlassung aus dem Lllinger'schen Hause — ich sah das graue Gespenst des Llends, das auss Neue heranschlich, um uns bis zum Wahnsinn zu peinigen — und um meiner Mutter willen glaubte ich mich nicht berechtigt, das Gpser zu verweigern, durch welches wir, wie ich wähnte, allein vor dem Untergang bewahrt werden konnten. — Ich belog Sie nicht, als ich Ihnen mein Iawort gab, denn ich machte Ihnen ja kein Hehl daraus, daß ich Ihre Zuneigung vorläufig durch nichts anderes als durch ein Gefühl der Dank barkeit und der aufrichtigen Hochachtung vergelten könne. Uber ich beging dennoch in jenem Augen blick ein schweres Unrecht, indem ich Ihnen mehr versprach, als ich zu halten imstande bin. Ich wußte ja noch nicht, daß es ein Stärkeres gibt als Elend und Not — ein Stärkeres selbst als die heiligste Aindespflicht — ; nun aber, da ich es weiß, würde ich hundertmal lieber in den Tod gehen, als daß ich mich der Zünde schuldig machte, einem un geliebten Mann zu gehören." „Hertha! — mein Kleinod — mein teures, geliebtes Weib!" jubelte Herbert auf, indem er sie noch einmal in seine Arme riß. „Bei Gott, Herr von Hauckwitz, als Lie mich an diesem Morgen verließen, war es gewiß nicht meine Absicht, den hinterlistigen Verräter zu machen. — Aber als ein ehrlicher Mann müssen Sie selber mir nun doch zu gestehen, daß ich sehr töricht gehandelt hätte, die! gegebene Sachlage für etwas ganz Unabänderliches zu nehmen. — verlangen Lie trotzdem irgend eine Genugtuung von mir, so bin ich selbstverständlich ganz zu Ihrer Verfügung." „Mann muß es dem Rittmeister lassen, daß er sich mit den Allüren eines vornehmen Mannes in die Situation zu finden wußte, sobald er erkannte, daß die Schlacht für ihn eine hoffnungslos ver lorene sei. „Ls reizt mich durchaus nicht, Ihr Blut zu vergießen, mein Herr," sagte er mit der gelassenen Höflichkeit eines Weltmannes, der durch nichts ganz aus der Haftung gebracht werden kann, .denn Ihr Verhalten in dieser Angelegenheit ist für mich voll kommen bedeutungslos nach den Lrklärungen, welche ich soeben aus dem Munde des Zräuleins erhalten. — Daß ich nach diesen Lrklärungen ohne Weiteres auf die Geltendmachung irgend welcher Ansprüche verzichte, ist durchaus selbstverständlich. Ich durfte mich mit Ihrer Hochachtung begnügen, mein gnä diges Hräulein, so lange ich noch Hoffnung hatte, mir früher oder später auch Ihre Liebe zu gewinnen; aber ich würde auf der Stelle zurückgetreten sein, wenn ich geahnt hätte, daß Ihre Neigung bereits einem anderen gehöre. Ls wäre uns allen eine immerhin etwas peinliche Scene erspart geblieben, wenn Sie beliebt hätten, mir eine verständliche An deutung nach dieser Richtung hin zu machen! Aber gleichviel! — Hür vorwürse ist es auf jeden Hall zu spät! — Seien Sie versichert, daß ich die besten wünsche füe Ihre Zukunft hege und daß Sie über meine Person immer werden gebieten können. — Hür heute aber will ich nicht länger stören — habe die Ehre!" „vom Scheitel bis zur Sohle ein Kavalier!" sagte Herbert lachend, als die Türsich hinter dem großmütigen Rittmeister geschlossen hatte, und er würde vielleicht noch ein spöttisches Wort hinzuge fügt haben, wenn Hertha ihm nicht die Hand auf den Mund gelegt und ihm damit die Lippen ver schlossen hätte. .Wäre cs etwa besser gewesen, wenn er wie ein Rasender getobt und Dich obendrein später tot geschossen hätte?' fragte sie leise. „Lr konnte ge wiß nicht edler handeln als damit, daß er mich so bereitwillig aufgab." „Nun, mein Lieb, ich hoffe, daß Du nicht die Absicht hast, auch meinen Edelmut etwa auf eine ähnliche Probe zu stellen," rief er, ihr erglühendes Antlitz wieder mit seinen Küssen bedeckend. „Ich erkläre schon jetzt, daß ich sie nicht bestehen würde; denn ich habe Dich und ich halte Dich — allen Rittmeistern und allen Teufeln zum Trotz!" Lage des Kampfes und der harten, rastlosen Arbeit waren es, welche für Herbert Volkmar auf diese glückselige Stunde folgten. Ls wurde ihm trotz der Unterstützung, die er von Hertha dabei erfuhr, keineswegs leicht, die Mutter seiner gleich sam im Sturm gewonnenen Brau! mit der neuen Gestaltung der Dinge auszusühnen, und ohne die Wunder wirkende Madonna des Sandro Botticelli wäre er hier wahrscheinlich einem sehr entschiedenen und kaum zu überwindenden Widerspruche begegnet. Aber als er sich nach langem Zögern entschlossen hatte, sein durch die Schwatzhaftigkeit des Kunst händlers ohnedies schon einmal verratenes Geheim nis preiszugeben, als er die Witwe eines Tages, nachdem sie durch die vereinte List der beiden Liebenden in sein Atelier gelockt worden, war, vor das in wunderlieblicher Schönheit erstandene Ge mälde sührte, da half ihm die Rührung des feier lichen Augenblicks im Verein mit der eindringlichen Wärme seiner Rede dazu, den letzten widerstand der ängstlichen Mutter zu besiegen. Daß er aber überhaupt noch imstande gewesen war, sich dieses mächtigen Hülssmittels zu bedienen, verdankte er allein dem kaufmännischen Geiste des wackeren Herrn Steinitz, der es trotz des ausdrück lichen Auftrages nicht hatte über sich gewinnen können, zu einem so unsinnigen Geschäft, wie es die Rückgabe eines Bildes für den Einkaufspreis war, seine Hand zu bieten Obgleich ihm Doktor- Winkler, der nichts von den Absichten des lieben Hreundes ahnte, das Bild sogleich zugestellt hatte, war die von Herbert anbefohlene Aushändigung an den Rittmeister nicht erfolgt. Unter allerlei Aus flüchten hatte der Kunsthändler vielmehr den Käufer hingehalten, und als er mehrere Stunden später in eigener Person bei dem jungen Maler erschien, um denselben mit dem Aufgebot seiner ganzen Bered samkeit zur Vernunft zu bringen, da hätte wahrlich nicht viel gefehlt, daß Herbert ihm vor lauter Glück und Dankbarkeit um den Hals gefallen wäre. von einem verkauf des Gemäldes war trotz der glänzenden Anerbietungen, die bei seiner un zweifelhaften -Echtheit von verschiedenen Seiten kamen, nun überhaupt nicht mehr die Rede. Herbert, der eine wahre Arbeitswut in sich fühlte, ließ sich von seinem Gönner Steinitz bereitwillig einige Aufträge überweisen, die er wenige Wochen früher gewiß mit dem A rsdruck der höchsten Entrüstung abgelehnt haben würde, und er wurde dadurch nicht nur in den Stand gesetzt, seine Schuld bei ihm zu tilgen, sondern er verschaffte sich auf diese Weise auch die Möglichkeit, Krau von Lingen und ihre Tochter in einer Horm welche sie den eigentlichen Geber nicht ahnen ließ, zu unterstützen. Hertha verfertigte nämlich nach seiner Anleitung und durch seine Ver mittlung kleine Malereien für ein kunstgewerbliches Magazin und die Bezahlung war - dank der ge heimen Mitwirkung Herberts — eine so auskömm liche, daß die beiden Damen vor jeder wirklichen Sorge bewahrt blieben. Trotz dieser verhältnismäßig günstigen Wen dung aber wäre gegründete Aussicht auf einen un abfehbaren Brautstand gewesen, wenn nicht schon am ersten Tage nach der Eröffnung der Ausstellung die Kritik wie die gesamte öffentliche Meinung Herbert Volkmars . Gastmahl des Plato" sür das hervorragendste Werk des ganzen Salons erklärt hätte. Mit einem Schlage war der bis dahin nur von Wenigen geschätzte junge Künstler zu einer Be rühmtheit geworden, die von allen Seiten umdrängt und umworben wurde — und am Abend des Tages da ihm zugleich mit einer Verleihung der großen goldenen Medaille die Mitteilung geworden war, daß der regierende Herr den Ankauf des Gemäldes für die staatlichen Sammlungen befohlen habe, gab es in der Künstlerkneipe von Dimiani ein großar tiges Hest, bei dem der Halerner in Strömen floß und bei dem Herbert Volkmars Verlobung mit dem Hinzufügen bekannt gemacht wurde, daß ihr in vier Wochen eine ebenso fröhliche Hochzeit folgen werde. Und wie es verheißen worden war, so geschah es. — Ueber dem Platze des glückstrahlenden jungen Paares an der Hochzeitstafel aber hing ein mit Rosen und Myrten umkränztes Gemälde, dessen besondere Bedeutung die anwesenden Gäste erst kennen lernten, als Doktor Rudolf Winkler in launigen und doch tiefbewegten Worten seine Ge schickte erzählte, um zum Schluß ein Glas zu leeren auf das Gedächtnis des wackeren Meisters, den die Neuvermählten als den eigentlichen Urheber ihres Glückes betrachten dürften — auf das Gedächtnis des alten Hlorentiners Sandro Hilipepi genannt Botticelli.