Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 08.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190404087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19040408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19040408
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-04
- Tag 1904-04-08
-
Monat
1904-04
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 08.04.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Von den Konservativen Sachsens. * Die „Leipz. N. N." haben wiederholt die Be hauptung ausgestellt, durch die konservative Fraktion der 8. sächsischen Kammer, die bisher sest zusammen- ^ehalten, gehe neuerdings eine scharfe Spaltung in eine rein agrarische Mehrheit und eine städtische industrielle Minderheit, die u. a. offen zu Tage ge treten sei, als der Dresdner Stadtverordnetenvorsteher und Mioisterstürzer Dr. Stöckel sich mit einigen zwanzig FraktionSgenoffen in der Frage der Kommu- valbesteueruog von der Hauptgruppe um Mehnert uud Opitz getrennt und ol» die Sezession den links-natio nalliberalen Sig. Schulze in die wichtige Besetz- gebungS - Deputation gebracht habe, nachdem er erst von der Fraktion auS den Kommissionen verbann worden sei. Demgegenüber schreibt das .Vaterland", das offizielle Organ der konservativen Landesvereins, die Konservativen dächten gar nicht daran, durch Zwie- spalt in den eigenen Reihen ihre Lebenskraft zu schwächen. In einzelnen untergeordneten Punkten nicht prinzipieller Natur möchten abweichende Anschauungen vorhanden sein, aber über die politischen Gruvdsätze, auf denen sich die Partei ousbaue, herrsche keinerlei Meinungsverschiedenheit. Speziell, w-S die Wahl des liberalen Abg. Schulze solange, seien es gerade die Abg. Mehnert und Opitz g'wcten, welch- dieselbe ihrer Fraktion auf Anregung d « natiovallibcralco, aus der GcsetzgebllNgSdeputation autschcidendeu Abg- Preibisch empfohlen hätten. Lachsen und der Vatikan. * AuS Rom wird der „Tgl. Rdsch." gemeldet: Der .Osservatore cattolico" erfährt, dcß der Empfang der BarovS Scherer, des Delegierten für die katholischen Interessen Sachsens, beim Papst weitaus die Bedeutung einer Privataudicvz übertroffen hätte. Herr von Scherer sei eigens nach Rom gekommen, um dem Papst die .gänzlich unhaltbare Lage der Katho liken Sachser.S" vorzustellen und die Kurie zu bitten, bei der ReichSregierung — nicht der sächsi chen — zu intervenieren. Der Papst hätte volle Mitwirkung zu- gesagt. Ueber die Bestimmungen der Reichsverfassung und der einzelnen deutschen StaatSrechte scheinen Papst und .Osservatore" sich nur unvollkommen orientiert zu haben. ZoMdemokrathcher Parteitag für das Königreich Lachsen. Chemnitz. 6. April. Die Erörterungen über den Fall Göhre werden in der heutigen Vormittagssitzung fortgesetzt. ReichStagSabgeordneter Grenz-Leipzig knüpft in sehr interessanten Ausführungen an den Dresdner Partei tag an. Er erinnert bezüglich des Verhaltens GöhreS an Mehring, der gefühlt habe, daß er einst ein Verbrechen an der Partei beging, bas er wieder gut zu machen vrr- suchte. Mehring hätte längst im Reichstage fitzen können, aber er war dazu zu bescheiden, obwohl ihm verschiedene Mandate sicher waren. Er sagte sich: .Du kannst auch als einfacher Arbeiter für die Partei dein Sündenregister Müßen." In Dresden ist dir Eiterbeule aufgestochen worden: aber dann kommt da- schwierigste: das Aus quetschen der Beule, und das hat man noch nicht getan Das Techtel-Mecktet Göhc» mit dem Hardenklüngel ist noch n cht aufgeklärt. Auch Schippel sei an der Geschichte im 20 Wahlkreise nichi ganz unschuldig. Schippel habe sich seit «inuni Jahren Exlrawurcn erlaubt, an denn, man ihn nicht gehindert habe Redner vertlidift dann daS V«rh»ftn der Genoßen m 20 Kreise und ruft Schipxcl zu: -Es tut mir in vir S ele web, daß ich Dich in der (Eh mntzcr) Gesellschaft seh'!" (Heiterkeit) Redner w«ndet sich gegen das Verhalten GöhreS, das unbedingt verurteilt werden müße. — RcichstagSabgeors- neter K a d e n-DnSLen v rurieilt ebenfalls n schärfster Weise daS Verhalten GöhreS. Durch den Dresdner Par teitag sei GöhreS Dirp'plmlcsigleit festgestellt worden Wer sein Mandat njederlege, eS mit Füßen trete, hab« kein Rech', cs wieder zu fordern. Redner weist dann die Bezeichnung .zweierlei Parteigenossen" zurück und sagt, wenn Böhre sich aus dem warmen Federbett, vas ihm die Partei gemach: halte, aus einen Steinhaufen fttzle, so möge er daraus bleiben. Die Disz plin in der Partei müsse unter allcu Umständen aufrecht bleib.n- (Beifall) — Unter grcßcr Srarmmg betritt sodann ReichStagc- abgeordneler Schippel die Tr büne. In seinen Schriften über die Schutzzölle habe er n cht s-jne mswj-uelle Auf- sassung niedergeteg, io:.d^r-l nur eine historische Dar stellung geben wollen, wa um die Schutzzölle so stark «md«», und daß man in Zukunft alt mit einem Macht saktor damit werde rechne« müßen Es sei sein gutes Rech«, innerhalb de« Rahmen« der Partei abweichende Meinungen zu habe», und diese« Recht lasse er sich von keinem Parteikrakeeler und keinem Parteitage nehmen. Aber e« sei unwahr, daß er jemandem mit seinen Mei nunsen haranguieren wolle. Mit den Streitigkeiten 'N der Partei sei e« «in eigene« Ding: Mit Karl Marx lange man an und mit einem dreckigen Gaffen- und Rinnsteinstreit höre man regelmäßig auf So etwa« mit- zumach«», habe er keine Luft und er habe auch die Ver Handlungen de« Dresdner Parteitage« wegen de« persön lichen Grzänke« nach dem dritten Tage nicht mehr gelesen Redner verteidigt dann da« Verhalten GöhreS, der hier maßlo« grschuhriegelt werde, obwohl er aus dem Boden der Partei stehe und er nichts anderes tat, als daß er die äußeren Ehrenzeichen der Partei niederlegte. Göhr sei einer der tüchtigsten Menschen, die er kenne, und er begreife nicht, weshalb man ihn jetzt in dieser Weise be handle. (Lebhafter Beifall). — ReichStagSabgeordn«ter Dr. Gradnauer bedauert da« Hereinziihen des Falles Schippel in die Debatte, vermißt aber an den AuSsühr- ungen Schippel- neuerdings die Klarheit, die eine AuS. einandersetzung mit ihm schwer ermöglicht. Redner teilt ödann, auf den Fall Göhre übergehend, mit, daß er in Berlin den Vertretern deS 20. Kreise« den Rat gegeben jabe, Göhre wieder aufzustellen, und eS sei noch heute eine Meinung, daß gegen ihn nichts einzuwenden ist, und daß er nicht die volle Schuld an dem Vor gefallenen trägt. Er gehe nicht soweit wie vorhin der Genosse Grenz der gewünscht habe, daß es noch viele solche Parteitage geben möze wie den Dresdner; er habe im Gegenteil das Gefühl gehabt, raß man froh sein könne, darüber hinweg zu sein. Das Schlimme sei, daß man so erbittert Miteinander üskutiere; daS müße man sich abgewöhnen. — ReichStagSabgeordneter A. Hoffmann- Berlin (der Zehn-Gebote-Hvffmann) verwahrt sich gegen die Bo:» würfe, die man ihm wegen seines Verhaltens im 22. Kreise machte. Als „Ausländer" bitte er um Aus- nähme in den sächsischen sozialdemokratischen Staats- verband. (Heiterkeit). Er stehe nicht auf dem Parti- kularistischen Standpunkt, der hier geäußert wurde, wonach sächsische Kreise nur durch Sachsen vertreten sein sollen. Bebel und Liebknecht, die man in Berlin wählte, waren auch keine Berliner. Redner verurteilt dann sehr scharf das Verhalten GöhreS. Auf den vorgeschobenen Posten eines ReichStagSmandatS müsse man Leute stellen, auf die man in der Stunde der G«fahr rechnen könne. Lehmann-Olbernhau ver- teidigt nochmals daS Verhalten der Genossen im 20. Kreise. Die Handlungsweise, die die Partei dem 20. Kreise gegenüber bei GöhreS Kandidatur geübt habe, gleiche einer Vergewaltigung und stimme nicht überein mit den Prinzipien der Partei vom Selbstbestimmungs recht des Volkes. — Reichstagsabgeordneter Geyer konstatiert, daß Bebel die Kandidatur GöhreS im 20. Kreise gebilligt habe und daß auch die revisionistische Stellung Göhres nicht dafür maßgebend gewesen sei, seine Kandidatur zu bekämpfen. Die Hauvtursache sei eben sein Disziplinarbruch gewesen und daran lasse sich nichts ändern. Göhre sei nicht geschuhriegelt worden, sondern er habe im Gegenteil durch seine schwankende Haltung die Lage verschlimmert. W-nn noch einmal die Kandidatur Göhre austritt, dann werde man ihn streichen, und eS sei eine Blamage für den 20. Kreis, daß man dort den Disziplinar- bruch GöhreS nicht begriff. Nach der nunmehr eintretendcn Mittagspause wird die Diskussion über den Fall Göhre geschlossen und folgender B schlußantrag angenommen: „Die LandeSversammlung erkennt an, daß — wenn keine LandeLvrrsammlung entscheiden kann — daS Zentral komitee und dak AaitaticnSkomitee laut Paragraphen 3, 7 uud 12 deS O zanijationSstatutS !ür Sachsen berechtigt sind, bei der Aufstellung von Kandidaten zu Reichstags- und Landtogswahlen in den einzelnen Wahl! eisen mitzuwiiken und miizuenischeiden. Komm! eine Einigung bezüglich der KaNdidft.eu»»"^.^ «wischen der WahlkrciSorganisation und dem Agitation?- omitee bezw dem Zentralkomitee nicht zustande, jo st die Angelegenheit der Parteileitung (Parteivorstand und Zentralkommijsion) zur endziltigen Entscheidung zu unterbreiten." In dec Frage der GemetnderatSwahlen wurde eine Resolution angenommen, welche besagt, um v«i Kommunalwahlen mit Erfolg eingreisen zu können, empfehle es sich, eine systematische Agitation zur E - weröung dec sächsischen S aatsangehöcigkeit bezw. d-S Bürgerrechts einzuleiten und dauernd zu betreiben. Als Oft für das Zentralkomitee wurde Dres ¬ den wiedergewählt und al- Ort für die nächste Lande-Versammlung Leipzig bestimmt. Aus seiner MUelmeersaürt weilt der Kaiser zur Zeit noch in Palermo. Gestern nahm der hohe Herr mit den Herren seiner Umgebung den Tee bei dem Fürsten Trabia, wo die Damen und Herren deS palermitanischen Adel» ver sammelt waren. Der Kaiser verweilte mehrere Stun den und hörte u. a. auch Gesangsvorträge. Abend spielte auf Befehl des Kaiser- die Kapelle der „Hohen- zollern" in der Stadt aus dem Platze vor dem Rat haus unter großem Andrang und stürmischem Bei fall deS Publikum». Wie noch gemeldet wird, wird der Kaiser von Palermo nach Sagosta, Trayani, Marsala, P^rto Jmpedocle, Girgenti, Cotrooe, Tarent und auch vielleicht nach Korsu reisen. Der Kaiser und die Benediktusmedaille. * Der Kaiser soll bekanntlich bei der Begegnung mit dem Abt Kcug von Montecassino die Medaille deS heiligen BenediktuS getragen haben. Nach dem Büchlein „Die St. Benediktusmedaille" von dem Pater Cornelius Kniet aus der Beuroner Kongregation ist die Benediktusmedaille wundertätig. Auf S. 24 hftßt eS: „AuS der großen Zeit der wunderbaren Wirkungen der heiligen Benediktusmedaille haben wir am Ende dieses Büchleins eine kleine Auswahl zur Ehre Gottes und des heiligen Benedikt und zur Stärkung deS Vertrauens der Gläubigen zusammenge- tragen. Die Mehrzahl der unzähligen Gnadenbeweise wird als Geheimnis in den Herzen der Begnadigten beschlossen sein und bleiben. Im Himmel aber wird jede derselben, mag sie bekannt oder geheim sein, für den großen Erzvater S'. Benedikt einen Zuwachs an Herrlichkeit uud Seligkeit bedeuten." Ein deutscher Kückschlag. * Die jüngsten Vorgänge in Böhmen, besonders die Prager Ausschreitungen, haben bei den Deutsch:n ganz Oesterreichs einen Eindruck hervorgerufen, der stellenweise in einer entschiedenen Reaktion der Deutschen gegen tschechische Minderheiten zum Ausdruck kommt. So wird auS den Alpenländern berichtet, daß dort sich eine tiesgehende Bewegung durchzusctzea beginn?, wie sie selbst in der erregten Zeit der Badenischen Regierung und ihrer Nachwirkungen nicht vorhanden gewesen sei. Die Deutschen der Alpenländer sühlev ein zorniges Bedürfnis, ihre Teilnahme an den Be drängnissen ihrer böhmischen und mährischen Stamme»- genossen zu betätigen. Da eS nicht deutsche Art ist, so wie die Prager und Brünner Tschechen, blutige Aufläufe in den Gassen zu veranstalten, nimmt der Kamps hier wirtschaftliche Formen an. Er trifft so naturgemäß zuerst und am stärksten die wirtschaftlich Schwachen. Man entledigt sich allüberall der tschechischen Dienstboten, teils freiwillig, teils ge- zwangen durch die Umgebung, die die Mißstimmung gegen die Dienstgeber zum Ausdruck bringt. Auch den tschechisch-» Arbeitern beg"gaet man bereits mi Widerwillen und man zahlt lieber dem heimischen Arbeiter höhere Löhne, als den Fremden heranzuziehen Der heimische Arbeiter ist schon darum für dieses Borg-Her, eingenommen, weil er hierdurch seine Lebens- läge verbess:«. Am meisten spürt aber die durch all- B:völke>u"gSschichten gehende B W ^ung der tschechisch Handwerker, der Kleingewerbtreibend'. Dieser, an pin Geschäft gebu-den, das er sich mühsam begründet, wird ein Opfr der tschechischen Politik, die darin »est-ht, Deutsche in tschechischen G bieten w e rechtlose Eindringlinge zu behandeln. Was Wunder, wenn NUN auch Deutsch: amangen, dort, wo sie die Mehr heit bilden, den Tichechen gegenüber eiae gewiß noch sehr milde Art der Vergiftung zu üben. Manche: tschcchi ch! Handwerksmeister in den deutschen Alpen- gegenden muß e denn auch bereits sein Geschäft auf lassen und zum Wandeistad gre.se>>, um sonst wo sein Brot zu suchen. Schoa seit einer ganzen Wale war an mrnchen Oct n die Losung ausgegeben worden: „Keine tschechischen Dienstboten, keine tschechische Arbeiter! Beichämgt keine lschcchnchen GftchäsiSleutr!" Durch das jüngst: Vorgehen der Tschechen ist diese Snömung unter den Deutsch-n bedeutend verstärk worden. Zur Aufhebung von 8 2 des Jesuitengesetzes. Die bayrischen Zentrumsblätter kaffen sich au- Rom berichten: Der Eindruck, den die Aushebung deS 8 deS Jesuitengesetzes im Vatikan gemacht hat, »ar eine schwere Enttäuschung: „Noch den jüngsten Verhandlungen zwischen Rom und Berlin uud insbesondere nach dem Besuch Kaiser Wilhelms in Rom im Mai 1903 glaubte man im Vatikan, daß eS der Reichsregierung gelingen würde, den Widerstand im BundeSrat zu brechen und die völlige Aufhebung diese- traurigen Reste- der Kultur- kampszrit zu erreichen. Charakteristisch erscheint hier neben der Kon statierung besonderer Verhandlungen zwischen Rom und Berlin, die ja nunmehr zur Tagesordnung ge hören, die Folgerung und Erwartung, welche man an den Kaiserbesuch knüpfte. Bor Tisch las man anders. Da wurde dem argwöhnischen und besorgten Protestan tismus vorgehalten, daß er sich lächerlich mache, wenn er sich über die Höfftchkeilsbezeigunp, welche man lediglich in derartigen Akten zu erblicken habe, aufrege und dergleichen. — Daß der Tanz um 81 arrangiert wird, kann weiter nicht befremden. ES bedarf ja nach den bisherigen Erfahrungen nur einer kräftigen Her vorhebung der „schweren Enttäuschung" des römischen Stuhles, so wird man nicht verfehlen, an die Auf hebung dieses für Deutschland so betrüblichen Zu standes die beste Kraft setzen. tzMÄchmlW der MM«. Hannover, 4. April. * Am Schluffe der Sonnabendsitzung wurde der Berbandsleitung einstimmig Decharge erteilt, dann beschäftigte sich die Generalversammlung mit der Gaueinteilung, der Anstellung von Gauleitern und der Erhöhung der Beiträge. In der Dit- kussion wurde auch die Notwendigkeit einer Arbeitslosen-Unterstützung von ver schiedenen Seiten in den Vordergrund gestellt. Die Beitragserhöhung wurde von vielen Rednern und auch vom Vertreter der Generalkommission als Ehren sache den übrigen Organisationen gegenüber bezeichnet, die gelegentlich deS Crimmitschauer Kampfes um der Textilarbeiter willen Extrasteuern von ihren Mit gliedern erhoben. Nur wenige Delegierte auS Sachsen, Schlesien und Berlin und Umgegend waren gegen die Gaueinteilung, weil diese die Beitrags erhöhung bedinge, für die ein großer Teil der Mit glieder nicht zu haben seien und auch die Agitation unter dem dem Verbände noch fernstehenden großen Teile der Beruf-angehörigen w-.semlich erschwert werden würde. Andererseits erwartet man aber von den Gauleitern eine viel intensivere Agitation, als sie jetzt die Agitationskomitees entfalten konnten, und will angesichts des Zusammenschlusses deS Unternehmer tums durch Erhöhung der Beiträge den Verband leistungsfähiger machen. Die schlesischen Delegierten begründen ihre ablehnende Haltung mit der überaus traurigen Lage, in ter sich die Tex-ilarbeiter in Schlesien befinden. Die Debatte füllte auch noch die BormittagSsitzung des dritten BerhandlungStageS auS, bis endlich, -obwohl noch 24 Redner sich gemeldet hatten, die Debatte geschloffen wurde. Referent K ätzig empfahl in seinem Schlußworte, sich die eng lischen Kollegen zum Muster zu nehmen und die Organisation so leistungsfähig zu machen, daß die Unternehmer cs voziehen, mir den Arbeitern zu ver handeln, staft mit ihnen zu kämpfen. In namentlicher Abstimmung beschloß die HeneralversammlM gz g?gen 54 Trimmen (36407 gegen 2l951 Mitglieder), die Beiträge der männlichen Mitglieder von 20 aus 30 Pf. pro Woche zu erhöhen, die Beiträge der weiblichen Mitglieder aber bei 20 Pf. zu belassen. Der Gau- - inteilung wurde im Prinzip zugestimmt. Wegen Einführung derArbeitSloseu-Unterstützung soll eine Urabstimmung vorgenommen werden. Er klärt die Mehrheit der Mitglieder sich dafür, dann soll die nächste Generalversammlung daS weit're be schließen. — Der Vorstand wurde ermächtig», in dringenden Fällen Extra st euern zu erheben. Ein Antrag, den BerbandLvorstand zu er-- mächugen, dort, wo die Verhältnisse eS erfordern, im Verein mt den AgitftiontcomtteeS besoldete Gauleiter mit 1600 Mk Aafangsgehalt anzustellen, wurde mit 86 (47200 Mitglieder) gegen 32 Stimmen Subotins Erbe. Kriminalroman aus der russischen Gesellschaft von Freifrau G. v. Schlippeubach. (Herbert Klontet.) Korts. (Nachdr. verboten.) „Stecke mir noch diese Brosche an die linke Schulter," befahl der Graf der Amme, „so, nun noch die Maske." Behenden Schrittes eilte Subo- tin auf den Tisch zu und ergriff die kleine mit einer Spitze besetzte Halbmaske aus schwarzem Samt. „Tu hinkst heute nicht," bemerkte Akulina ver wundert, „ich habe bemerkt, daß Tu zuweilen ganz gut gehst." „Ich habe mir einen höheren inneren Hacken in dem Stiefel machen lassen, damit man mich nicht an meinem Gebrechen erkennt," antwortete der Traf schnell, indem er die Halbmaske vorlegte, „nun lebe wohl, Alte, es ist die höchste Zeit." Als Subotin den Ballsaal betrat, wogte bereits eine bunte Menge darin auf und nieder, und die Musikkapelle spielte einen Marsch. Ls war ein farbenreiches, herrliches Bild, das sich dem Lin- tretenden bot. Alle hatten gewetteifert, sich in der Pracht der Kostüme zuüberbieten, die verschiedensten Masken tummelten sich auf dem spiegelblanken Par kett, man lachte und intrigierte, man erriet und trieb lustigen Mummenschanz, glaubte Bekannte zu finden und stand im nächsten Augenblicke verblüfft da. Tas laute, ausgelassene Kaschingstreiben, das sonst in die Butterwoche") gehört, entwickelte sich *) KarnevnlSweche am Schlüsse der Fastenzeit. heute im strahlenden Aerzenglanz des Ahnensaales von Antonowka. Lin Gefühl gesättigten Stolzes schwellte die Brust dessen, der dieses glänzende Heft gab, auf dessen Geheiß sich die farbenreiche Pracht entwickelt hatte. Ten Aopf zurückgeworfen, die Hand am Schwerte, den rechten Kuß etwas vorge streckt, stand Nicolaj Petrowitsch da, ein Aönig in seinem Reich, ein Allmächtiger durch seinen Reich tum. Tie stattliche Erscheinung des Bojaren erregte sofort die Aufmerksamkeit, mehrere junge Tamen er griffen den Arm des Grafen und suchten ihn zu erkennen. „falsch, meine Schöne," sagte Subotin.mit völlig veränderter Stimme, „Tu kennst meinen Na men nicht." So ging es mehreremal. Zuletzt wehrte sich der Bojare fast ungeduldig gegen die ihn Umschwär menden. Seine Augen forschten sehnsüchtig nach derjenigen, für die sein Herz so heiß schlug. „Nicht allein daran erkannte ich Sie, Natalia, niemand hat so köstliches, blondes Haar, niemand eine so anmutige, biegsame Gestalt wie Sie, Sie die ich —" „Nicht so laut," unterbrach ihre flehende Stimme ihn mitten im Satz, „man könnte Lie kören, und ich möchte doch den andern Masken gegenüber mein Inkognito beibehalten." „Sie haben recht, ich schweige Aber später, später werde ich jene Krage an Sie richten, an der mir alles liegt. S, seien Sie dann kein kühles Märchenwesen, sondern ein Weib, ein Wesen mit rotem, warmem BlutundHerzen." „wer weiß," entgegnete Natascha sehr leise und träumend. Subotins Augen funkelten, und er preßte den zarten Arm Natalias fast schmerzhaft an sich. „Spielen Sie nicht mit der Leidenschaft, die Sie entfachten, wehe Ihnen, wenn Sie es tun." Lin dumpfes grollen bebte in seiner Stimm?, wie von einer dämonischen Macht überwältigt mußte Natalia das schöne, mit Wasserlilien ge schmückte Haupt senken, sie fühlte sich wie hypno tisiert von dem stärkeren willen dieses Mannes, der eine fast unheimliche Gewalt über sie gewonnen hatte. Tie Polonäse war zu Ende, der ivalzer aus „Lugen Gnegin" ließ seine Alänge ertönen. Tie Paare wirbelten bunt durcheinander. Natalia fühlte des Grafen Arm um sich, er trug sie fast durch den Saal, er stürmte mit ihr vorwärts, wilder, immer wilder. AWd sie fühlte fein Herz pochen, sie fürchtete sich vor ihm. Endlich gab er sie frei. Bleich und taumelnd sank das junge Mädchen auf einen Lessel neben einer russischen Hofdame aus der Zeit Aad- tharinas der Troßen. Ls war^dic Mutter Nataschas, Krau von Tscherbatkin. „Nun, seid ihr verlobt?" fragt sie leise und ungeduldig. Natalia kann nicht sprechen, sie schüt telt bloß den Aopf. ,-,Tann wird er später mit Dir sprechen. Tu mußt ja sagen, mein Täubchen, unsere ganze Exi stenz hängt davon ab, vergiß es nicht." Natalia nickt schwer mit dem lieblichen Köpf chen. Ihr ist trostlos zumute. Sie tritt in ein Nebenzimmer und schaut in die Sommernacht hinaus. Draußen liegt silberner Mondschein auf Baum uud Strauch, auf den großen, schöngepflegten Rasen plätzen des Schloßgartens. Und plötzlich muß Na ¬ talia an Alexander Ayrillowitsch denken, au ihn der jetzt in seiner Garnison angekommen ist. „Man vegetiert dort nur," hatte er geäußert, „aber ich habe Ehrgeiz, ich arbeite, um auf die Akademie nach Petersburg zu kommen, denn ich muß schnell Aarritte machen." Lie kennt die treibende Macht, die ihn dazu bewegt. „Sascha," denkt sie traurig, „armer Sascha, ich muß Dir wehe tun, ich kann nicht anders, Tott helfe uns beiden." Subotin steht an der wand des Ahnensaales, aerade gegenüber dem Bilde des schwarzen Dbersten. Er ist jn glücklicher, erregter Stimmung, der Glanz des wohlgelungenen Kestes, die Erwartung der näch sten Stunden, die ihm das geliebte, schöne Mädchen in die Arme treiben müssen, versetzen ihn in einen wahren Kreudenrausch. Und mit einem Male sinkt diese frohe Stimmung, etwas Ungreisbares, Kürchter- liches scheint heranzukriechen, wie gelähmt kommt er sich vor. Ist es doch, als blickten ihn ein Paar finstere Augen an, drohend, durchbohrend. Lin ei siger Schauer kriecht über des Schloßherrn Rücken. Er hebt den Blick und muß einen Schrei gewaltsam zurückdrängen Die Draperie ist von dem Bilde des schwarzen Vbersten gesunken, das unheimliche, blasse Antlitz von dunklem Bart umrahmt, sieht auf Nicolaj Petrowitsch hernieder. Subotin eilt davon wie von Kurien gejagt, er stürzt zum Büfett und trinkt wein, viel wein, er hat es nötig, um auf recht stehen zu können, die Aniee knicken unter ihm ein. (Kortsetzung folgt).
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)