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Pulsnitzer Agebla1t »n«WWMMSWWMWlWWWIWWWIIWMIIIM>MWWWWWWWWWWWWMWWWIWMIWWWWWIWWWWIMWW!»WWIWWWlIIWlWWIIWWMWIWWW Beilage zu Rr. 64 Mittwoch, 16. März 1932 84. Jahrgang Deutschland und Frankreich. Ueber den bevorstehenden politischen Verhandlungen in Genf liegt die Unsicherheit der bevorstehenden Wahlen in Preußen und in Frankreich. Besonders die französischen Kammerwahlen, die im Mai stattfinden werden, können ge eignet sein, der französischen Außenpolitik eine verschärfte Richtung gegen Deutschland zu geben. Nach dem Tode Briands erscheint es notwendig, zu prüfen, wohin Frankreichs außenpolitische Reise geht. Am Earge Briands lobte der französische Ministerpräsident Tar dieu den Verstorbenen als den Mann, der über die An näherung an Deutschland die militärische Sicherheit Frank reichs gestellt habe. Das ist das Entscheidende: Jeder Fran zose ist in erster Linie Franzose, der die Verteidigung der i vermeintlichen Lebensinteressen Frankreichs als seine höchste i Aufgabe betrachtet. Briands Nachfolger in der Leitung der französischen Außenpolitik Tardieu ist in den letzten Wochen sehr aktiv geworden. Seine Parole lautet: Zurückzuden Alliancen zurück zur „traditionellen Freundschaft". Frankreich ist England gegenüber in den Zollfragen ent- zegengekommen. Frankreich hat mit Italien einen neuen Handelsvertrag unterzeichnet. Frankreich hat im Einver ständnis mit Italien and mit England den Donaubundplan in die europäische Aussprache geworfen. Das alles kenn zeichnet das französische Ziel nach Wiederherstellung einer ranzösisch-italienisch-englischen Front. Dabei geht Frank- :eich so weit, Italien erhebliche koloniale Zugeständnisse an zubieten, indem es Kamerun, die ehemalige deutsche Kolonie, rn Italien abtretcn möchte. Frankreich sucht unter allen Umständen den Ausgleich mit Italien. Zugleich ist es auf- Mig, wie es die Annäherung an England versucht. Damit vill die französische Regierung die politische Isolierung Frankreichs beseitigen, wodurch die Möglichkeiten einer Ein schaltung Deutschlands in die große Politik bedeutend ver mindert werden Natürlich muß die gegenwärtige französische Außenpolitik nit dem Maßstabe gemessen werden, daß eben die franzö- ischen Kammerwahlen bevorstehen. Man ist in Deutschland zu leicht geneigt, an einen Sieg der Linken in Frankreich bei )en Wahlen zu glauben. Man meint, die französische Rechte verde vielleicht in Paris die Oberhand behalten, während die ranzösische Provinz den Ausschlag nach links geben werde. Kenner Frankreichs sind im Gegensatz hierzu aber der Ansicht, laß in Wahrheit die Stimmung seit geraumer Zeit in Frank- :eich unaufhörlich nach rechts rutscht und daß cs die deutschfeindlichen Instinkte sind, die zum Wahl- .ämpf als zugkräftigste Mittel heraufbeschworen werden. Es vird — um das Bild zu gebrauchen, das Tardieu so gefallen jat — der Teufel an die Wand gemalt, der Teufel von feiten Deutschlands drohender Gefahren. Die Wahlparolen der Rechtsparteien in Frankreich haben großen Eindruck gemacht, o daß sogar mehrere der Linksparteien diese Wahlparolen zu den ihrigen gemacht haben. Besonders befürchtet man, daß auf der Abrüstungskonferenz durch irgendwelche Beschlüsse slk »»I« »omm »m Mskllrs ronnsdonl (bbixz o K 8 L) «3opvrisd< Msrtio Nsll« cSast«) 1931 ,19 Nora seufzte. Bob fragte, weshalb. Sie schüttelte traurig den Kopf. „Jedenfalls kann ihr Herr Vater froh sein, daß seine Söhne solche Menschen sind wie Hermann und Sie." Im selben Augenblick erhob sich ein wütendes Gebell in dem äußeren Hofe, den allein die Arbeiter zu passieren hatten. Er war nicht überdacht, und von ihm führte ein breites, eisernes Tor direkt auf die Straße. „Hell", rief Nora entsetzt, „er legt es darauf an, die Leute gegen sich aufzubringen." sie lief durch das breite und lange Tor in den äußeren Hof Bob folgte ihr langsam. Mitten im Hofe draußen stand Hell. Er trug — bei dem sonnigen Herbstwetter — eine weite, weiße Tennis hose aus weichem Wollstoff, durch einen breiten, gold beschlagenen Ledergürtel gehalten, und dazu ein leuchtend rotes, seidenes Blusenhemd, mit einem blau und weiß ge würfelten Schlips, in der Form einer flatternden Schleife. An seiner linken Seite, von seiner Hand fest am Halsband gehalten, knurrte mit gesträubten Nackenhaaren die mäch- tige gelbe Bulldogge von grotesker Häßlichkeit, übellaunig und bissig die Passanten an. Es war wenige Minuten vor zwölf Uhr. Gleich würde die Sirene zur Mittagspause rufen. Aber vorher zogen die Kinder des Kindergartens mit der Schwester aus dem Spielzimmer über den Hof in den Vorraum der Küche, die an der anderen Seite des zur Straße führenden Tores lag, um dort ihr Mittagessen zu empfangen. Es war seit einigen Tagen — oder eigentlich schon Wochen — Hells scheinbar absichtslose Gewohnheit, sich mit seiner Dogge auf dem Fabrikhof einzufinden, sobald die Arbeiter die Abteilungen verließen. Auf die Frage seiner Mutter, wes )ie militärische Vormachtstellung Frankreichs in Europa be droht werden könne. Für Deutschland kann es selbstverständlich nicht gleich gültig sein, wenn der imperialistische Gedanke in Frankreich wächst. Die neue Aera Tardieu, die im französischen Volke weiter um sich greift, kann eine schwere Belastungsprobe für die deutsche Politik werden. Tardieu will auf jeden Fall eine Aenderung des Versailler Systems verhindern. Wenn es nach Tardieu gehen wird, wird das Versailler Diktat für weitere Jahrzehnte Europa über schatten. Tardieu hat seine Politik in der Kammer gegen die Vorwürfe der Opposition mit der eindrucksvollen Bemerkung verteidigt, daß die Sanktionen nach dem Haager Abkommen, welche Maßnahmen auch immer getroffen würden, niemals einen Krieg gegen Deutschland bedeuten würden, weil die deutschen Delegierten sie selbst von vornherein als „legitim" anerkannt hätten. Frankreich habe also volle Handlungs freiheit gegenüber Deutschland und bleibe unter allen Um ständen im Rahmen der Verträge und des Völkerbundes. Das ist die schwere Belastung der kommenden Reparations konferenz. Tardieus Politik findet in Frankreich immer mehr An hänger. Dagegen besagen die kleinen Schlappen bei gering fügigeren Fragen im Parlament nichts. Wenn es sich uni die krasseste französische Interessenpolitik handelt, kennt der Franzose kaum Parteiunterschiede. Die Wahlarbeit der Rechten in Frankreich ist äußerst rege. Sie erstreckt sich über das ganze Land. Sollte sie bei den Maiwahlen Erfolg haben, so wird die deutsche Politik in Zukunft einen schwereren Stand haben als bisher. Dabei muß man vor allem berück sichtigen, daß es dem Franzosen gleichgültig ist, wer in Deutschland regiert. Dem Franzosen geht es nur um die Durchsetzung seiner Machtpolitik. Es ist ihm stets die deut sche Negierung am liebsten, die seinen Machtansprüchen den geringsten Widerstand entgegenzusetzen gewillt ist. Oie ^Lacheiat eines entlassenen Zuchthäuslers. Zwei Beamte und sich selb st erschossen. Brandenburg a, H. Auf der Außeuarbeitssteüe der Brandenburger Straf« n st alt auf dem Staatsgut PlauerHof bei Plaue a. Havel verletzte der vor mehreren Monaten aus der Strafanstalt entlassene Zuchthäusler Alfred Kühnel aus Groß-Schönau i. Sachsen zwei Ober wachmeister der Strafanstalt, Marx und Oppermann, durch Revolverschüsse sehr erheblich und jagte sich daun selbst eine Kugel in den Kopf. Oberwachmeister Marx trug einen Lungenschuß davon. Sein Zustand ist ernst, aber nicht lebens gefährlich. Oberwachmeister Oppermann traf die Kugel in das linke Ellenbogengelenk. Sie zerschmetterte den Knochen. Kühnel war sofort tot. Auf dem Staatsgut Plauer Hof sind vier Baracken, von denen drei als Behausung der bei den Gutsarbeiten beschäf tigten Brandenburger Strafgefangenen dienen und eine als Wohnung der mit ihrer Bewachung beauftragten Justiz beamten. Die Außennrbeit auf dem Gute Plauer Hof wird nur Strafgefangenen in der dritten Vollzugsstufe ge währt, die sich gut geführt haben. Alfred Kühnel, der einer guten Familie entstammte, war wegen s ch were n R a u b e s und versuchtenTotschlagszu neun Jahren Zuchthaus verurteilt worden, nachdem er vorher wegen verschiedener an derer Straftaten erhebliche Strafen verbüßt hatte. Sieben Jahre verbrachte er im Brandenburger Zuchthaus und davon etwa 1^ Jahre auf dem Staatsgut. Da er dort jedoch zu Beschwerden Anlaß gab, wurde er abgelöst und wieder in der Strafanstalt interniert. Im Juli 1931 ist Kühnel aus der Haft entlassen worden, nachdem ihm die letzten zwei Jahre auf dem Gnadenwege erlassen worden waren. Schon als Kühnel die Strafanstalt verließ, äußerte er sich Mitgefangenen gegenüber dahingehend, daß er zurückkommen und sich an den Beamten des Straf- gcfängnifses wegen der Ablösung rächen würde. Nach der Haftentlassung kehrte der Zuchthäusler nach seiner Heimatstadt zurück. Montag nachmittag fuhr er in einer Droschke in Plaue vor und fragte nach dein Inspektor, der jedoch nicht anwesend war. Kühnel machte Anstalten, auf die Ankunft des Inspektors zu warten. Er trieb sich in der Nähe der Baracken herum, bis die Oberwachmeister Marx und Oppermann ihn aufforderten, das Gelände der Arbeitsstelle zu verlassen, da dort ein Aufenthalt Fremder nicht gestattet sei. In diesem Augenblick griff Kühnel mit beiden Händen in seine Rocktaschen, aus denen er zwei Revolver hervorzog, die er gleichzeitig aus nächster Nähe auf die beiden Beamten abfeuerte. Beide brachen zusammen. Der Attentäter lief etwa 50 Schritte weiter und erschoß sich dort. Erkundigungen in Groß-Schönau ergaben, daß Kühnel nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt von seinen Eltern verstoßen worden sei und daß er in der letzten Zeit von Bettelei lebte. Tagungen in Sachsen Lausitzer Bienenzüchter. In Bautzen fand eine Kreisverbandstagnng der Lausitzer Bienenzüchtervcreine unter dem Kreisvertreter Prof. Dr. Leuschel (Bautzen) statt, welcher unter anderen der 1. Landesverbandsvorsitzende Oberlehrer i.N. Lehmam (Ranschwitz bei Elstra) nnd wegen der wichtigen Bienen seuchenbckämpfungssragen auch die Regierungs-Veterinär räte Dr. Ernesti (Löbau) und Dr. Reusch (Zittau) bei wohnten. Tas Kreisvereinsgebict umfaßt 36 Zweigvercim mit rd. 1100 Mitgliedern, welche insgesamt 12 661 Bienen Völker bewirtschaften. Der Kreis besitzt in den Bezirker Beobachtnngs- und Königinnen-Belegstellen sowie ein Königinnen Zuchtstelle. Einzelne Kreisvereinsgebiete Haber sehr unter den Bienenseuchen, besonders der Faulbrut zu leiden. Deshalb wurde eine landesgesetzliche Regelunc in der Frage der Seuchenbekämpfungsmaßnahmen unr der Entschädigung der ausgebildeten Seuchenwartc unk andere Schutzmaßnahmen gefordert. Angestrebt wird auct mit allen Kräften die Wiederabgabe von steuerfreien Bienenfutterzucker. Die nächste große Jmkertagung des Bienenwirtschaftlichen Bezirksverbandcs „Westliche Lausitz' wird zu Himmelfahrt 1932 in Großröhrsdorf abgehalten verbunden mit der 50jährigen Jubelfeier des Bienen züchtervereins zu Großröhrsdorf. halb er denn dies seltsame und schlecht angebrachte Inter- esse zeige, hatte er geantwortet, die Dogge sei auf den Mann dressiert und es sei gut, daß sie ein bißchen bei Temperament erhalten bleibe; bei dem bequemen und gefahrlosen Leben könnte sie leicht gar zu faul und fried fertig werden. „Es ist nicht angenehm für die Arbeiter, sich von dem Tier anknurren zu lassen", hatte Frau Barbara bittend gesagt. „Sonst knurrt sie in unserm humanen Betrieb ja auch keiner an", war Hells ungezogene Antwort gewesen. Seufzend hatte Frau Vollwank geschwiegen, Nora aber vem Vetter einen verachtungsvollen Blick zugeschleudert. Er hatte sie so harmlos und liebenswürdig angescham nnd nach ihren Wünschen gefragt, vaß sie nur verzagt ge schwiegen. Wer konnte gegen Hell und seine Bosheiten an? Wollteer sich eine neue Sensation verschaffen? Jeden falls war er heute so früh gekommen, daß die große Schar der Kinder - die meisten waren unter sechs Jahre alt, Vie schulpflichtigen kamen erst nach ein Uhr in den Hort — an vem wütend bellenden und an seinem Halsband zerren- ven Hund vorbei mußte. Aber vie Kleinen scheuten sich; sie wagten sich nicht über den Hof, vrängten sich ängstlich um sie Schwester, vie verlegen und blutrot die Kinder zu beruhigen suchte. „So geht doch — geht doch! Der Herr Vollwank hält ja den Hund; er läßt euch nichts geschehen..." „Hell!" Zornsprühend stand Nora neben dem Vetter. „Schämst vu dich nicht, Hell! — Die armen Kinder!" „Was willst vu denn nur, Nora? Ich halte Prinz. Da kann gar nichts passieren." Hell sprach sehr gelassen, sehr freundlich. „Du siehst doch, wie sie sich fürchten!" „Sie werden es sich abgewöhnen." „Hell!" Nora flammte ihn an. „Du gehst mitsamt deinem Köter, sofort — oder ich rufe deine Mutter." „Liebes Kusinchen, ich stehe auf meinem Grund und Boden." „Aber du hast auch hier lein Recht, andere zu quälen.' „Ich quäle ja niemand." „Hell", bat Bob, der nun auch hinzutrat, „mach dich doch nicht mit Absicht unbeliebt. Die Leute verzeihen dir alles eher, als was du ihren Kindern tust — sie sind ihr einziger Besitz." „Nun laß mich doch! Ich weiß gar nicht, was ihr wollt?!" Hilflos und verängstigt schauten die Kinder herüber. Ein paar der Kleinsten brüllten bereits vor Angst aus voller Kehle. Einige Beherzte wagten sich voran, trotz des wütenden Aufknurrens der Dogge, die gewaltig am Hals band zerrte. Wenn sie sich nun losriß?! Wer garantierte, vaß Hell die Kraft hatte, sie zu halten? Und selbst die kühnsten ver Kinder kehrten schreiend, wie flatternde Küchlein, zu der Schwester zurück. Das alles war das Werk weniger Sekunden; schneller geschehen, als es erzählt werden kann. „Hell!" flehte Nora wieder. In diesem Augenblick kam Alice durch das Tor. Sie hatte sich verspätet. Es war ihr Tag, der Schwester bei der Speisung ver Kinder zu helfen. Mit einem Blick überschaute sie die Situation, und ihr ruhiges, heiteres Gesicht wurde kalt und hart. Sie riß die leichte Jacke, die sie trug, von den Schultern und stanv im selben Augenblick neben dem Hund und seinem Herrn. Hell grüßte sie ironisch-höflich. Sie beachtete ihn nicht. Mit raschem Griff warf sie die Jacke über den Kopf des Hundes und band sie mit den Aermeln um seinen Hals zusammen. Nur noch gedämpft wurde das Gekläff ver nehmlich. Wohl tobte das Tier in dem plptzlichen Dunkel, aber es war machtlos geworden. „Bob, bitte, halte die Bestie, auch du. Herr Vollwank möchte sich sonst den harmlosen Cäsarenscherz machen, das Tier loszulassen — und ich weiß nicht, ob die Jacke fest genug sitzt", sagte sie zu ihrem Bruder. Bob trat hinzu. Alice stellte sich direkt vor das wütend gegen seine Fesseln tobende Tier. „Kommt nun, Kinder, der böse Hund tut euch nichts mehr. Gehen Sie voran, Schwester!"