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Nc 64 Pulsnitzer Tageblatt — Mittwoch, 16. März 1932 Seite 2 mit diesem Degner sich irgendwie auseinandersetze. Wie der Nationalsozialismus seinen Eintritt in den Staat vollziehen wird, welche Opfer dafür gebracht werden müssen, welche seiner heutigen Feinde ihm zuerst entgegenkommen werden, das sind Fragen, auf welche die Präsidentenwahlen keine Antwort er teilt haben. OerMches und Sächsisches (Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet) Pulsnitz. E n t .l.a s s u n g s f e i e r. Die Volksschule ent lief; gestern ihre abgehenden Schüler. Ihre Zahl bildete einen schwachen Jahrgang, den einzigen, soweit die Erinnerung reicht, der alle acht Schuljahre in einer Klasse zusammensah. Es sind Kinder aus den Jahren 1917 und 1918. Wie der Krieg mit seinen einzelnen Folgen in das Leben dieser Kinder eingreift, betonte der Klassenlehrer, Herr Albricht, in seiner Ansprache, die auf Erinnerung und Abschied gestimmt war, ganz besonders. Wort und Lied aus Kindermund verstärkten den ernsten Ton der Feier; die Abgehenden, die gemeinsam Erinnerung aussprachen, empfanden sichtlich, wie schwer Worte wiegen, die in einer wichtigen Stunde des Lebens gesprochen werden. Auch dieses Jahr haben es sich die Kinder nicht nehmen lassen, der Schule eine kleine Erinnerungsgabe zu stiften; sie schenkten einen Volksbrockhaus, der im Unterricht verwendet werden soll. Pulswrtz. „Der Störenfried". Zur Beruhigung des Lesers sei vorausgeschickt, dah es sich hier nicht um einen jener Menschen handelt, der sich in Pulsnitz durch irgendeinen Streich unliebsam bemerkbar machte. Nein, dieser „Stören fried" spielte und zauberte behagliches Schmunzeln, Lachsalven und Applaus Lei all denen hervor, die dem Nufe des Arbeits amtes Kamenz gefolgt waren und der fleißigen, sich uneigen nützig in den Dienst einer guten, dankbaren Sache stellenden Kamenzer Künstlerschar begeistertes Lob spendeten. Wohl an die 1000 arbeitslose Männer und Frauen erlebten gestern Abend im Menzelschen Saale Stunden ungetrübter Freude; lösten ihre Gedanken für Augenblicke vom harten Daseins^ kampf mit allen seinen unangenehmen Begleiterscheinungen. Zur Aufführung kam Bendix ausgezeichnet konzeptiertes und in seiner Satire großartig gelungenes vieraktiges Lustspiel „Der Störenfried". Drei Stunden lang folgten Hunderte dem „intriganten Treiben" der Frau Geheimrätin (die sich gleich nach Beginn als Störenfried eines glücklichen Familien- Jdylls entpuppt), erlebten in ihrem Innersten all die Nöte und Komplikationen der Beteiligten und freuten sich, als sich am Schluß alles in Wohlgefallen auflöste. Gespielt wurde recht nett. Don den Damen hatte Toni Richter als Geheim rätin Seeseld und „Störenfried" zwar eine (vom Publikum aus gesehene) undankbare Rolle, spielte aber überzeugend und aus drucksvoll. Besonders gut in Vortrag und Mimik Dora Beitl als Lonaus Mündel. Gretl Redl (Lonaus Frau), Gretl Prüder (Babette) und Suse Martin (Minette), von denen letztere als Kammerjungfer oft Stürme der Heiterkeit aus löste. sanden sich geschickt in ihre Rollen und bemühten sich ehrlich, gute Schauspielkunst zu kreiern. Von den Herren ge fiel besonders Christian Richter als Leberecht Müller, aber auch Gerhard Martin (Stadtsyndikus Lonau), Bernhard Schie mann (Hubert Maiberg) und Walter Janasch (Hennig, Gärt ner) haben ihren Anteil an dem trefflichen Spiel, das Wohl von allen Anwesenden mit großem und begeisterten Beifall ausgenommen wurde. Zum Schluß sei noch der Konzert einlagen der arbeitslosen Derufsmusiker gedacht, die den Abend mit verschönern halfen. Hoffen wir, daß dies nicht der erste und letzte ünterhaltungsabend gewesen sein möge. H Dästel — Die Osterferien an den Volksschulen und höheren Lehranstalten des Freistaates Sachsen beginnen am 19. März und enden am 2. April. — Das neue Schuljahr beginnt am 4. April. Frische deutsche Eier! Immer wieder führen unsere Hausfrauen darüber Klage, dah sich unter den Eiern) die sie auf dem Markt oder beim Händler als frische deutsche Eier kaufen, häufig minderwertige — riechende oder gar faule Eier befinden. In manchen Fällen hat sich auf Grund solcher Erfahrungen sogar die Ansicht gebildet, dah die deut schen Eier grundsätzlich schlechter seien als z. D. die dänischen oder holländischen Eier, Hie in einigen Gegenden Deutschlands in riesigen Mengen auf den Markt kommen (Berlin bezieht z. D. drei Mertel seiner Eier aus Dänemark!). Daß eine solche Meinung von Grund auf falsch ist, ergibt sich aus einer sehr einfachen Tatsache: Die als „Frische Landeier" oder unter ähnlichen Bezeichnungen angebotenen Eier sind — wie zahllose Fälle der Praxis beweisen — häufig Eier der Balkanländer, aus Polen, Rußland oder gar aus China. Zwar haben sich die Behörden in einigen Städten Deutschlands — wenigstens vorübergehend — intensiv für die Abschaffung derartiger Mißstände eingesetzt. Aber gegen welche Widerstände sie dabei zu kämpfen haben, zeigt das Beispiel eines Händlers, der an einem Korb ein Schild mit dem Aufdruck „frische Chineseneier" stehen hatte und die Richtigkeit dieser Bezeichnung damit be weisen wollte, daß die Eier tatsächlich „frisch" (nämlich kürzlich) aus China eingetroffen seien. Die deutschen Hühnerhalter erleiden aus der Konkurrenz des Auslandes unter diesen Tlm- ständen einen doppelten Berlust. Die fremde Ware konkurriert nicht nur mit der deutschen Ware und drückt deren Preise) sondern sie zerstört auch noch den guten Ruf, der den deutschen Eiern zukommt. Es ist deshalb sehr erfreulich, daß der Gesetz geber sich endlich zu Maßnahmen entschlossen hat, die unrich tigen Bezeichnungen der Eier in Zukunft unmöglich machen sollen. Eine Verordnung über Handelsklassen für Hühnereier, deren Publikation für die allernächste Zeit zu erwarten steht,' sieht vor, dah alle aus dem Ausland eingeführten und alle konservierten Eier mit einem unabwaschbaren Stempel versehen werden müssen. Cs darf jedoch nicht verschwiegen werden, dah Lie Organisation des deutschen Eierhandels gegenwärtig noch mancherlei zu wünschen übrig läßt, und daß infolgedessen auch Lie Eier deutscher Herkunft häufig einen unnötig langen Weg zurücklegen, ehe sie an den Verbraucher gelangen. Auch diesem Mangel will die Handelsklassenverordnung abhelfen, indem sie Standard-Typen für Eier aufstellt, in die alle Händler und Erzeuger ihre Ware einordnen können (nicht „müssen"). Hier durch hofft man, den deutschen Ciermarkt von Grund auf zu bereinigen. Rundfunk- und Telephongebühren bleiben teuer. Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichspost ist zur Beratung des Haushalts für dos Rechnungsjahr 1932/33 zusammen getreten. Der Reichsverband der Fernsprechteilnehmer hat seinen Antrag auf Ermäßigung der Telephon-Grundgebühr erneuert, jedoch ist nicht damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit eine Telephongebühren-Senkung eintritt. Auch Anträge auf Herabsetzung der Rundfunkgebühren haben nach einer Er klärung des Reichspostministeriums wegen der angespannten Finanzlage vorläufig kein« Aussicht auf Berücksichtigung. Dresden. A n z a h l u u g s b e t r ü g e r. Festgenom men wurden ein Kaufmann und ein Vertreter, die als angebliche Vertreter einer Firma „Dresdner Handwerks filmvertag" in verschiedenen Betrieben photographische Aufnahmen gemacht und den Inhabern erklärt hatten, daß ein Filin zusammengeftcllt würde, in dem die Ausnahmen verwendet werden sollten. Dafür ließen sie sich Beträge bis zu zwölf Mark geben. Die beiden Festgenommenen hatten es aber nur ans die Anzahlungen abgesehen. Rähnitz-Hellerau. Brennend in den Stein- b r u ch g e st ürzi. Eitlen eigenartigen Selbstmordversuch unternahm hier eine Arveitersehesrau. Sie stellte sich an den Rand eines Steinbruchs und übergoß ihre Kleider mit Spiritus. Dann zündete sie die Kleidungsstücke an und sprang in den Steinbruch hinab. Schwer verletz« wurde sie ui ein Dresdner Krankenhaus gebracht. Borna. Die Erde versinkt. Als ein Guts besitzer ans Blumroda auf dem Bruchgelände Asche ablud, brach plötzlich der Erdboden ein, und eines der Pferde versank in einen fast sechs Meter tiesen und zwei Meter breiten Trichter. Es konnte nicht mehr lebend heraus gevracht werden. Zschockcn. Wer war der Brand st ifter? Wie berichtet, brannte vor einigen Tagen die Scheune und weniges später das Wohnhaus des Gutsbesitzers Ehn nieder. Die Polizei hat nun ermittelt, daß Ehm und der im Hause wohnende erwerbslose Fabrikarbeiter Stops kuchen seit längerer Zeit in Zwietracht lebten, weil vor etwa einem Jahre aus das Betreiben Stopfkuchens dem Ehm ein Pflegesohn vom Vormundschaftsgericht weg genommen worden war. Die Polizei vermutet nun, daß einer der beiden in seinem Haß dem anderen etwas aus wischen wollte, und nahm alle beide unter dem Verdachte der Brandstiftung in Haft. Lrmbach. Unerhörter Baumfrevel. Aus einem in der Flur Wüstenbrand gelegenen umzäunten Grundstück sind von 300 im vergangenen Herbst ange- pflanzten jungen Bäumen 113 Stück sinnlos dicht über dem Erdboden abgehackt worden. Atan vermutet, daß der oder die Täter dieses Baumfrevels damit einen Racheakt begehen wollten. Mittelfrohna. Die Kohlen sind endlich da Vor einigen Tagen stellte hier die Gemeinde den Schul unterricht vorläufig ein, da Mittel zur Beschaffung von Helzmaieriät nicht mehr vorhanden waren. Nunmehr yal das Ministerium der Gemeinde eine Heizungsbeihilfe in Höhe von 2500 Mark überwiesen. Der Unterricht hat dem zufolge am 15. März wieder begonnen. Erschütterndes Erwerbslosendrama. Ein Vater geht mit seinen drei Kindern in den Tod. Ein erschütterndes Familiendrama, das vier Todes opfer forderte, spielte sich in Waldheim ab. Als die Frau des Handarbeiters Ulbricht nach Haufe zurückkehrte, drang ihr aus der verschlossenen Küche starker Gasgeruch entgegen. Als die Polizei die Tür öffnete, fand man Ulbricht mit seinen drei Töchtern im Alter von zwei, sieben und neun Jahren gaSvcrgiftet tot auf. Jahrelange Ar beitslosigkeit und das dadurch bedingte wirtschaftliche Elend scheinen den Beweggrund zur Tat zn bilden. politische Zwietracht in -er Landwirtschastskammer. Beide Präsidenten legen ihre «Ämter nieder. In der 13. Gesamtsitzung der Landwirtschaftskammer für den Freistaat Sachsen gab es eine große Überraschung, die eines politischen Beigeschmacks nicht entbehrte. Die Sitzung begann ohnehin schon mit eineinhalbstündiger Verspätung, da die Fraktionen wegen eines besonderen Vorfalles vorher eine längere Sitzung abgehalten hatten. Den Vorsitz führte der zweite Vizepräsident, Ritterguts besitzer Okouomierat A. Richter (Lautitz). Er gab bekannt, daß der bisherige langjährige Vorsitzende der Kammer, Rittergutsbesitzer Vogelsang (Ebersbach), und der erste Vizepräsident, der nationalsozialistische Gutspächter Körner (Piskowitz) ihre Ämter niedergelegt hätten. Gutsbesitzer Zieschang (Kleinpraga) brachte alsdann im Namen von 27 Mitgliedern folgende Entschließung ein, die sich gegen den Vizepräsidenten Körner richtete: „Vizepräsident Körner hat durch ein Flugblatt grobe Beleidigungen gegen den Präsidenten Bogelsang und einen Teil der nicht nationalsozialistisch gesinnten Mitglieder der Landwirtschastskammer ausgesprochen. Da die Unter zeichneten infolge dieses Vorgehens eine gedeihliche Zu- Zubiläumstagung -er sächsischen Zn-usivie Im weiteren Verlauf der großen Tagung des Ver bandes Sächsischer Industrieller im Vereinshaus zu Dres den hielt Direktor Wittke eine großangelegte Rede über das Thema „Treu und Glauben in der Krise". Treu und Glauben sei ein guter deutscher Begriff und troßdem ans dem besten Wege, eine leere, nichtssagende Formel zu werden. Das sei das schlimmste vielleicht, was einem Volke geschehen könne. Das Gesetz habe das Ge bühren des ordentlichen Kaufmanns von je ganz besonders aus Treu und Glauben abgestellt. Die Kreise, die heute nach den, Wort handeln, „mache Geld, wenn es sein kann ehrlich, aber mache Geld!" könnten Gott danken, daß sie sich nur vor den ordentlichen Gerichten und nicht vor einem Staudesgericht ihrer Berufsgenossen für ihren Leichtsinn, ihre Großmannssucht und ihre skrupellose Gier zu verantworten hätten. Fälle wie der der Favag erfüllten jeden anständigen deutschen Wirtschaftler mit Scham. Es sei bemerkenswert, daß die Gesellschaft wie die Literatur oen glücklichen Spekulanten als tüchtigen Kerl feiere und nur der Mißerfolg zum Verbrecher mache. Mit Treu und Glauben sei es auch unvereinbar, durch Luxus und Ver schwendung eine Kluft zwischen Arbeitnehmer und Unter nehmer aufznreißen. Derartige Sünden blieben lange im Bewußtsein hasten, besonders wenn Millionen beschäfti gungslos darben. Sucht nach Reichtum, ungeistige Lebens haltung, Lust an Spiel und Spekulation seien noch immer Zeichen schwerster Krise gewesen. Dagegen sei der Eigen nutz im Grunde die einzig wahre Triebfeder menschlichen Handelns, werde aber dadurch zum Wohle, wenn jeder da nach trachte, den eigenen Nutzen in dem Nutzen anderer zu suchen Sachsens Industrie brauche den Weltmarkt. Die dichtgedrängte Bevölkerung Sachsens brauche Erwerb über die Grenzen hinweg. Er betone dies, weil sich eine romantische Wirtschaftsauffassung breit mache, die sich am liebsten von einheimischen Eicheln und Regenwürmern nähren möchte, und weil eine neue Biedermeierei darauf aus sei, in Deutschland eine wirtschaftliche Autarkie zur Grundlage eines neuen Wirtschastsdilettantismus zu machen. Der Redner wandte sich sodann scharf gegen einige besonders krasse Mißstände des heutigen Wirtschaftslebens, wie gewisse Methoden der Preisdrückerei, Unsitten im Sub missionswesen und vor allem gegen gewisse Erscheinungen der Konzern- und Großunternehmens bildung. Scharf wandte sich Direktor Wittke sodann gegen die Poli tik der Großbanken, die heute mit den Steuergeldern der übrigen Wirtschaft saniert würden, und forderte vom Staar als Großbankier eine Abkehr von der sturen Politik des Realkredites und eine auf Treu und Glauben basierende Hinwendung zum Personal-Kredit. Das neue Insolvenz- recht, besonders das oft schamlos ausgenützte Vergleichs verfahren, nicht weniger aber auch das Sicherungsversahren '»er sogen. Osthilfe, werde eine grundstürzende Änderung oes gesamten Kreditwesens bringen. Der Vortragende sprach sich sodann für eine Aufhebung aller Bindungen oer Wirtschaft, für befristeten und gestaffelten Abbau der Arbeitslosenfürsorge, nötigenfalls unter zeitweiliger allge meiner Verkürzung der Arbeitszeit und für eine innere Kreditaufnahme der öffentlichen Hand aus, zwecks schlag fertiger Arbeitsbeschaffung größten Stiles. Eine solche Er weiterung des Geldumlaufes wäre keine Inflation, selbst '«ei einer vorübergehenden Schwächung der Mark. In un ermeßbarer Höhe sei der Bedarf angestaut und nichts ge schehe zu seiner Befriedigung. Wenn, was Gott verhüten möge, ein Krieg entstünde, so hätten wir mit einem Schlage Arbeit und Geld in Hülle in Fülle, um Güter zu erzeugen, die zur Vernichtung ihrer selbst bestimmt seien. Warum mache man diese starken Kräfte nicht mit der gleichen Energie besseren Zwecken, nämlich dem Aufbau der Wirtschaft dienstbar? Eine Rationalisie ¬ rung sei bisher nur an der Sache geschehen, da man dabei nicht an die Menschen gedacht habe, müsse sie unwirt schaftlich bleiben. Eine neue freie Wirtfchaftsgesinnung und ine Neugestaltung der Haushaltgestaltung des Staates seien die Voraussetzungen sür eine Überwindung der Krise. Wir würden diese Krise auf alle Fälle überstehen, essrage sich nur, wie! Der große Ausgleich für alle Spannungen, der Weg zu Arbeit und Wohlstand, Staatssinn und Le bensfreude können nur gefunden werden, wenn sich die Wirtschaft und das ganze Volk in Selbstzucht auf Treu und Glauben besinnen, und wir unsere sittlichen Kräfte auf den Stand unseres technischen Könnens heben. Gelänge es uns, dem alten, einfachen Grundsatz von Treu und Glauben wieder zur Geltung zu verhelfen, werde trotz allem zu hoffen sein, daß die deutsche Wirtschaft wieder ine freie und gesunde werde. Die Ausführungen Wittkes sanden stürmische Zustim mung. Nach der Ausnahme von über hundert Firmen, die in den letzten Katastrophenjahren ein mehr als SOjähriges Jubiläum gefeiert haben, in das „Goldene Buch" legte Dr. Schierig als Vertreter der industriellen Junioren in temperamentvoller und weltanschaulicher Rede ein Be kenntnis zur Parole des Tages ab. Den Charakter einer Veranstaltung der gesamten sächsischen Wirtschaft erhielt die Kundgebung durch die Zustimmungserklärung von Prof. Tr. K a st n e r, der iiü Namen der sächsischen Wirt schaft, Landwirtschaft, des Groß-, Einzel- und Klein handels sprach. Finanzmintster Hedrich gegen Versailles. Von den Reden der übrigen Sprecher des Tages unter denen sich Vertreter der Reichsregierung und des Reichsverbandes der Deutschen Industrie befanden, ist be sonders bemerkenswert die Ansprache des Finanzministers Dr. Hedrich. Er sagte u. a., der sächsischen Regierung sei der Verband Sächsischer Industrieller im Kampf nicht nur um die Erhal tung der materiellen Grundlagen ihres Fortbestehens, sondern auch im Ringen um den sittlichen und nationalen Wiederaufbau ein tatkräftiger Führer gewesen. Wohin wir blickten, sei Kampf. Eine Zollmauer nach der anderen steige rings empor und sperre die deutsche Ausfuhr ab. Wenn das Deutsche Reich seine riesigen Verpflichtungen erfüllen will, müsse es, wie in den Obertarifen geschehen, eine War nungstafel aufrichten, die zeigen solle, daß Deutschland sich nicht zum Spielball zollpolitischer Launen machen lassen wolle. Aber ebenso wie diese zollpolftischen Maß nahmen seien auch alle sonstigen Aktionen des Reiches im Kampfe gegen Deflation und Schrumpfung des Wirt schaftslebens nur als Palliativmittel zu werten. Die Welt und damit auch unser deutsches Vaterland können erst wieder gesunden, wenn von ihnen der Fluch, der auf der ganzen Welt laste, genommen ist» der Vertrag von Versailles, dieses Verdammungs- und Todesurteil, I das, Gott sei es geklagt, die meisten Deutschen noch mcht einmal gelesen haben. Die Forderung auf Beseitigung dieses Schanddokumentes kann aber nur ein Volk erheben, in dem Treu und Glauben selbst tief verwurzelt sind. Gegen Schluß der Kundgebung ergriff der Finanz minister nochmals das Wort, um der Ansicht Wittkes über die Sünden im Submissionswesen, der Übersteigerung der Regiebetriebe und in bezug auf Wiederherstellung eines gesunden Personal-Kredits beizutreten und Treu uud Glauben auch im Reichsetat und in der Reichsfinanzwirt- schaft zu fordern. Die Wirkung dieser großaufgezogenen Kundgebung des Sächsischen Jndustriellenverbandes war in allen Teilen eine durchschlagende. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, daß die ausgegebene Parole „Für Treu und Glauben" einen nachhaltigen Erfolg zeitige und recht bald sichtbare Früchte trage!