Volltext Seite (XML)
Dresden folgte. Doch schon 1756 begann der Krieg miss neue. Ohne Kriegserklärung fielen die Preußen in Sachsen ein: die sächsische Armee bei Pirna mutzte sich ergeben und wurde in preußische Uniformen gesteckt, preußische Korporale drillten sie nach preussischem Muster und auch überall in Sachsen wurde von den Preußen rücksichtslos und gewaltsam rekrutiert. Auch aus unserm Orte wurden von den preußischen Werbern drei junge Leute wcggefangcn. Wenn auch an der Bevölkerung nicht die Grausam keiten begangen wurden wie sie im 30 jährigen Kriege schwedische und kaiserliche Truppen übten, so ließen doch andererseits die Preußen kein Mittel unversucht, aus dem Lande herauszupressen, was nur irgend möglich war. — 1756 begann für das sächsische Volk eine Leidenszeit, die durch ihre Plünderungen, Requirierungen und Einquar tierungen nur zu sehr an den 30 jährigen Krieg erinnerte und Ober- und Niederlichtenau bekamen ihr Teil am allgemeinen Kriegselend voll zugemessen. Am 13. November 1757, am Kirchweihfeste, hatte unser Ort beträchtliche Einquartierungen preußischer In fanterie, desgleichen am 18. November, wo jeder Häusler 18 Mann im Quartier hatte. Diese Truppen kamen aus der am 5. November geschlagenen Schlacht bei Roßbach. 1758, am 31. August, fanden hier starke Durch märsche österreichischer Kavallerie statt. — Am 19. No vember marschierten Massen preußischer Infanterie durch unser Tal und hielten hier Rast. Der König von Preußen und der Prinz Heinrich nahmen auf dem Puls nitzer Schlosse Quartier, am 28. November brachen sie nach Dresden auf. Zuvor hatte er jedoch Oberlichtenau noch einen besonderen Besuch zugedacht. Das hiesige Rittergut gehörte dem Grafen Brühl. Friedrich II. be trachtete diesen als seinen persönlichen Feind und suchte ihm aus kleinlicher Rachsucht Schaden zuzufügen, wo er nur konnte, wie denn überhaupt zerstören und plündern seine Spezialität war; auch im Erpressen leistete er Großes. Er konnte also die günstige Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, dem Grafen Brüht eins auszu wischen. Folgender Bericht des Schloßvcrwaltcrs 2. A. Günther an den Generalintendanten der gräflich Brühl- schen Güter, den Kammerrat Karl Heinrich von Hemiken, schildert diesen Ueberfall: „Hochwohlgeborener Herr, Gnädiger Herr Kam merrat! Ich muß Euer hochwohlgeborenen Gnaden zum größten Erstaunen meiden, daß seine Majestät der König von Preußen, welcher heute in Pulsnitz mit seiner Armee stehet, zu uns nach Oberlichtenau ein Kom mando von 23 Husaren, worunter ein Leutnant und 2 Unteroffiziere waren, gesendet. Es war gleich Nachmittags 1 Uhr, da selbige ankamen. Nachdem sie gegessen und getrunken hatten, so verlangte der Herr Leutnant von Frankenberg, welcher von den Sekelischen Husaren war, ich sollte ihm das Palais aufmachen. Nachdem sich derselbe allenthalben umgesehn, so sagte er mir, daß er Befehl habe, das Palais und alles was darinnen wäre, zu ruinieren, welches alsdann um 3 Uhr geschah. Es wurden alle Fenster und Spiegel, überhaupt alles, was darinnen war, zerschlagen, die Betten zerschnitten und zum Teil mitgenommen und verkauft. Was noch an Stuhl- und Sofakissen da war, abgeschnitten und ver wüstet. Wenn nicht der Offizier nicht ein so guter Herr gewesen wäre, würde nichts stehen geblieben sein. Denn die Husaren waren ganz rasend, denn sie wollten Geld von mir haben oder mich zu schänden hauen, da mich schon etliche in der Mache hatten. Einer hatte mich beim Hals, der andere bei dem Arm, der Dritte hatte mir den Säbel auf die Brust gesetzt. Hätte ich mich nicht dicke angezogen gehabt, würde es unfehlbar sein durchgegangen. Beide Pavillons stehen noch, weil in dem einen Lorbeer bäume stehn, so wurde er geschont, ob sie schon zu etlichen Malen an beide ziehen wollten, so wurde es doch von dem Herrn Offizier verwehrt. Ich werde alles stehn und liegen lassen, bis wir die Gnade haben, Euer Hochwohlgeboren in Oberlichtenau zu sehn. Soll ich auf dem Boden lassen die Dachfenster mit Brettern zunageln, damit der Wind den Schnee nicht hereinwehen kann; will mir Ordre ausbitten. Gott erhalte Ihm das Ihre. Mich aber empfehle ich in dero Gnade, der mit alle Hoch achtung bin Euer Hochwohlgeboren Gnade. Meines Gnädigen Herrn unterthänigstcr Diener. Johann Adam Günther. Oberlichtenau, den 19. November 1758." Am 3. Juli, einem heißen Sommertage, kam die große preußische Armee von Ortrand her zum größten Teil hier durch, um den seit einigen Tagen in den meiß nischen Dörfern nach Radeberg zu mit 16 000 Mann kantonierenden österreichischen General Luscy zu über rumpeln. Dieser schon frühmorgens benachrichtigt, zog seine Truppen zusammen, besetzte die Höhen von Lichten berg, hauptsächlich aber das sogenannte Fuder Heu. Der König von Preußen ließ an der südlichen Seite des Keulenberges seine Truppen in Schlachtordnung aufstel len und den Berg daselbst mit großer Anstrengung mit Kanonen besetzen, hatte aber zugleich einige Regimenter über Lomnitz abgeschickt, damit diese während des Kampfes in den Rücken fallen sollten. Die Oesterreicher gewahrten dieses und retirierten eiligst, ohne einen Schutz getan zu haben, bis Radeberg. Währenddessen befand sich der Preußenkönig mit mehreren Generalen auf dem Keulenberge. Durch den Hofeknecht Gottfried Müller aus Reichenau "(später war dieser Bauer in Niederlich tenau) wurde der König mit seinem 'Generalstab dorthin geführt. Müller erzählt den Hergang wie folgt: Der König, den Müller für einen gewöhnlichen Offizier hielt, war während des Aufstiegs sehr gesprächig. Erst auf dem Keulenberge sah er an dem ehrerbietigen Benehmen der übrigen Generale, daß es der König selbst sei und trat daher, als der König mit seinen Generalen Kriegsrat hielt, einige Schritte zurück. Der König bemerkte dies und sprach zu Müller: „Bleib, du kannst alles hören, du wirst doch keinen Krieg gegen mich machen!" Als er sah, daß sich die Oesterreicher von den Lichtenberger Höhen zurückzogen, habe er mehrere Male unwillig gerufen: „Ach, sie sehen ja nicht!" Müller hatte bemerkt, daß der König stark schnupfte, den Schnupftabak ohne Dose aus der rechten Rocktasche nahm, auch aß er Kirschen, die er aus der linken Rocktasche entnahm. Der König-gab Befehl zum Aufbruch nach Pulsnitz, wo die Preußen ihr Lager in den Stadtfeldern aufschlugen. Das Lager er streckte sich vom Polzenberg nach Niedersteina. Die Preußen bauten Hütten aus Korn, weideten ihre Pferde aus 'den Getreidefeldern und ruinierten dadurch alles vollständig. Der König wohnte abermals auf dem Puls nitzer Schlosse. Bevor der Marsch am 5. Juli über Marienstern nach Bautzen weiterging, schickte er eine Militärabteilung mit dem erforderlichen Geschütz nach Oberlichtenau, mit der Ordre, das dem Grafen Brühl gehörende Rittergut in Grund und Boden zu schießen. Das Geschütz wurde auf dem Mühlberge aufgestellt. Der ' kommandierende Offizier setzte den Kunstgärtner und Schloßvcrwalter Adam Günther von dem Bevorstehenden in Kenntnis, befahl hierbei, daß alle Personen sich aus dem Schlosse, aus der Nähe desselben, sowie des Hofes wegen Lebensgefahr sich zu entfernen hätten. Ebenso war das Vieh in Sicherheit zu bringen. Die Kanonen standen schußbereit. Alles Bitten der Ortseinwohner blieb zunächst erfolglos. Nur den Bitten und Vorstellungen des Pfarrers M. Lorenz, daß Kirche und Pfarre eben falls, da solche in gerader Schußlinie lagen, vernichtet würden, und daß die hiesigen Untertanen doch ohne jede Schuld seien und schließlich beim Wiederaufbau das Meiste beitragen mußten, veranlaßte schließlich den Offi zier, von der Zerstörung der Gebäude abzusehn. Er er hielt von den Ortsbewohnern einen namhaften Geld betrag ausgehändigt und gab nun Befehl, das Schloß zu plündern. Diesem Befehl kamen dessen Leute nur zu gern nach. Was man nicht fortbringen kannte, wurde zerstört. Fenster, Türen, Möbel zertrümmert. Die Bet ten zerschnitten und die Federn in die Teiche gestreut, die Oefen umgeworfen und zerschlagen, wertvolle Gemälde und Tapeten zerfetzt, die Statuen im Park umgemorfen und beschädigt. Nachdem die Zerstörung vollständig be endet war, verließen sie das Dorf, die Bewohner ihrer schrecklichen Betäubung überlassend. 1760, am 2. September, kam des Nachts in der größten Finsternis hier und in der Umgegend die große preußische Armee an, nahm Quartier und hielten den folgenden Tag Rasttag. Die Häusler erhielten jeder 25 bis 30 Mann, der Häusler Lunze in Niederlichtenau sogar eine ganze Kompagnie. Um für die Soldaten Platz zu schaffen, mußten aus den Stuben sämtliche Gerät schaften, sogar die Webstühle hinausgeschafft werden Das Brot brachten die Preußen mit, Fleisch verschafften sie sich, indem sie die Schafe der herrschaftlichen Schä ferei abschlachteten. Am 28. Oktober 1762, nachts 2 Uhr, wurden durch eine Abteilung preußischer Kavallerie sämtliche Bauern höfe besetzt. Bei Tagesanbruch wurde geplündert und sämtliches vorhandene Vieh weggetrieben. Der Abzug ging über Mittelbach. Am 25. Dezember kam eine Kom pagnie vom ungarischen Infanterie-Regiment Bisko- wicz in Winterquartier. Der Stab lag in Pulsnitz. Diese Soldaten, von den Bewohnern Rothosen genannt, blie ben bis 13. März 1763 hier. Am 15. Februar 1763 wurde zu tzubertusburg der Friede zwischen Oesterreich- Preußen und Preußen-Sachsen abgeschlossen. Unser unglückliches Vaterland hatte nach sieben langen Kriegsjahren endlich Ruhe. Das Land war ver armt; von den Preutzen waren dem Lande gegen 70 Millionen Taler erpreßt worden, den Bauern das Vieh weggenommen, ebenfalls das Getreide, ohne ihnen auch nur Saatgut und Brotung zu belassen. Die Einwoh nerschaft Sachsens war um 90000 zurllckgegangen. Auch das sächsische Münzsystem war in Unordnung, indem die Preußen sich der sächsischen Münzstätten bemächtigt und minderwertiges Geld herstellten und verausgabten. Diese Münzen mit königlich-polnischem und kursächsischem Bild und Wappen mit einer früheren Jahreszahl (1753) wur den massenhaft in den Verkehr gebracht. Am 21. März 1763 wurde auch bei uns das für ganz Sachsen angeordnete Friedensfest gefeiert. Der Neue Humoreske von Karl Rimrod, Hagen Der Kandidat der Rechtswissenschaften Klaus Wengerath, der nach einem kurzen, von finanziellen Gründen diktierten Besuch bei seinem Erzeuger eben in die Universitätsstadt zum Referendarexamen zurück kehrte, saß schon seit zwei Stunden mit einem freund lichen alten Herrn allein im Schnellzugsabteil. Eine auf Klaus Wengeraths Knien aufgeschlagen liegende Abhandlung über das mit Recht so beliebte „ius Romanum" hatte des alten Herrn Interesse erregt, er hatte höflich gefragt, ob er einen jungen Juristen vor sich habe — und so waren sie beide ins Gespräch ge kommen. Klaus hatte den Namen des sympathischen Mit passagiers nicht recht verstanden, und hielt ihn für einen Lehrer. Mit freundlichem Kopfnicken hatte bereite Herr diese Meinung bestätigt. Eben ward er von seinem jungen Reisegenossen in die Schliche und Kniffe eingeweiht, in denen ein Prüf ling — und besonders ein gerissener Jurist — zu Hause sein muß. Er wand sich vor Lachen, wahrend Klaus eifrig und selbst äußerst fidel erzählte. „Wissen Sie, bei mir zum Beispiel ist dieses Examen eine ganz eigenartige Sache. Ich werde von einem Examinator geprüft, den ich gar nicht kenne. Soeben ist er erst an unsere älma mater berufen." Sein Gesicht nahm den Ausdruck an, den man bei gerissenen Börsenjobbern häufig findet. „Wir haben aber sofort unsere Erkundigungen über die Qualitäten dieses Neuen als Examinator ein^ezogm. Und wir wissen, daß er prinzipiell nur im römischen Recht prüft." Klaus Wengeraths Miene verkündete Triumph. „Infolgedessen haben wir natürlich alle nur für diesen Fall römisches Recht gepaukt. Der gute Mann wird sich über unsere exorbitanten Kenntnisse in dieser Ma terie wundern!" „Das glaube ich auch", versetzte der freundliche alte Herr, dem ein neuer Lachanfall Helle Tränen aus den Augen perlen ließ. Wenige Minuten später lief der Zug in die Bahn hofshalle der Universitätsstadt ein. Die beiden Reises genossen trennten sich, der alte Herr vergaß nicht, viel Glück zum Examen zu wünschen, was Klaus mit viel sagendem Lächeln dankend quittierte. * Der folgende Morgen sah im großen Hörsaal, der zum Prüfungsraum umgewandelt war, die hochnotpein liche Prüfungs-Kommission. Den Vorsitz führte der „Neue", auf den die im Borraum harrenden zehn Examinanden nnmerhin einigermaßen gespannt waren. Doch waren sie alle beruhigt, denn sie wußten im rö mischen Recht Bescheid. Nach einer Knappen Stunde kamen die ersten Fünf wieder heraus. Klaus Wengerath erschrak, als er ihre bleichen Gesichter und schlotternden Knie bemerkte. Doch todesmutig schritt er mit seinen vier Leidens genossen in die Höhle des Löwen. Daß er im nächsten Augenblick nicht der Länge nach aus das Parkett hinfiel, hatte er lediglich dem Pedell zu danken, der ihn rechtzeitig stützte. In der Mitte der Professoren saß mit faunisch lächelndem Gesicht der Reisegenosse vom Vortag, bereit, zu examinieren. Der Neue.... * Klaus Wengerath trat vom Examen wegen „Un wohlseins" zurück. Und das war gut so, denn seine neuen Kommi litonen flogen sämtlich durch, da das römische Recht so ziemlich der einzige juristische Stoff war, nach dem nicht gefragt wurde. Von Klaffenkampf bis Hochhaus. Namenserlebniffe eines Standesbeamten. Ein deutscher Standesbeamter erzählte kürzlich allerlei Drolliges aus seiner Praxis als Führer der Geburtsmatrikel. Immer noch gibt cs Eltern, die ihre Kinder Zeppelin« taufen, Sedania (nach Sedan) oder Tannenbergia. Auch Hindenburgia kommt vielfach vor, dagegen wird der Knabenname Hinden burg nicht eingetragen; am 7. Juli d. I. ist in Berlin hin gegen „Hoover" als Vorname bewilligt worden. Worte, die irgendwie politisch klingen oder moralisch anstößig sind, sollen vermieden werden. Wenn da so ein Pater kommt und will nun ausdrücklich, daß seine Tochter Bismarckine heißt oder Königgrätzia, dann soll er meinen Segen haben, aber ein Junge kann doch nicht Hindenburg gerufen werden. Das geht nicht. Einsprüche des Standesbeamten sind recht selten, aber neulich, als jemand seinem Sohne den Bornamen Klaffen kampf geben wollte, hat er doch von diesem Recht Gebrauch gemacht und das Gericht hat seinen Einspruch bestätigt. I m übrigen sind alle Vornamen in Deutschland gestattet. Daher kommen die Menschen ja auch auf die merkwürdigsten Ideen. Blättern Sie nur in dem Buch. Da heißen die Knaben Saladin Müller, Ptolemäus Lehmann, Epaminondas Schulze usw. Ein Architekt namens Meier kam her und ließ seinen Sohn auf die Namen Klaus Hochhaus eintragen, und als ich etwas verwundert guckte, sagte der strahlende Pater, er habe am Tage der Geburt seines Sohnes