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Nr. 29. Tendenz matt. Der Auftakt der mit so viel Tamtam angekündigten Ab- mstungskonferenz in Genf war beinahe noch matter, als man illgemein erwartet hatte. Der Kanonendonner auf den nandschurischen Feldern ist keine rechte Atmosphäre für Ab- mstungsberatungen, und er ist auch sichtlich allen Teil- whmern und Zuschauern in Genf auf die Nerven gegangen. Lie Wortführer von 1700 Millionen Menschen, die in Genf vertreten sind, d. h. die Delegierten von 64 Staaten, machten ei der Eröffnungssitzung nicht den Eindruck, als ob sie mit ehr viel Hoffnungen den Verhandlungen über die Abrüstung artgegensehen. Man hatte zwar alles getan, um die Eröff- rungssitzung zu einem großen Weltereignis zu stempeln, und n Genf hat der Beginn der Abrüstungskonferenz, obwohl nan ja an die vielen Konferenzen schon gewöhnt ist, etwas nehr interessiert, aber schon bei der Eröffnungsrede des rüheren englischen Außenministers zeigte sich Müdigkeit im Saale. Das ist ein schlechtes Vorzeichen, denn man sollte doch :rwarten, daß am ersten Tage die Kräfte noch frisch sind. Vas soll denn das werden, wenn die Verhandlungen bis in >en Juni, wie man erwartet, ausgedehnt werden? Wir vollen uns nicht zu Propheten machen und voreilig die Er gebnisse der Konferenz vorwegnehmen, aber nach dem matten Anfang sei doch das Urteil gestattet, daß die Konferenz ganz ien Eindruck macht, als werde sie, wie alle ihre Vorgänger, lur mit Datum und Tagungsort in der Geschichte verzeichnet tehen und dahinter der lapidare Satz: „Sie blieb ergebnis- os." Auch die Eröffnungsrede des früheren englischen Mi nisters Henderson läßt einige Schlüsse zu. Sowohl aus seinem Vaterlande, wie namentlich aus Frankreich, wird Herrn öenderson bescheinigt, daß seine Ausführungen rein akade- nisch waren. Das bedeutet in unserer Umgangssprache, daß eine Rede nichts Neues und Zielweisendes gebracht hat. Man vird das Urteil unterschreiben müssen, wenngleich auch Herr Henderson sich hier und da ein wenig hervorgewagt hat, o z. B., als er die Sicherheitsthese Frankreichs dahin be richtigte, daß es keine größere Bedrohung der Sicherheit gäbe, Us die Aufrechterhaltung der außergewöhnlichen Rüstungen. Man hat in Paris diesen Seitenhieb verstanden, und man ft bereits deshalb Herrn Henderson böse. Aber das will in icn ersten Tagen dieser Dauerkonferenz noch nichts sagen. Im übrigen hat sich Herr Henderson geflissentlich darauf .^schränkt, eine Geschichte der jahrelangen Vorbereitungs arbeiten der Abrüstungskonferenz zu geben, die Sicherheits bestrebungen zu erwähnen und Inhaltsangaben der ver schiedenen Paktsysteme zu machen. Alles gut und schön, doch wenig ergötzlich. Man hat z. B. aus Hendersons Munde nichts gehört über die Versprechungen im Versailler Diktat, und Herr Henderson hat kein Wort darüber verloren, daß sich m Versailles die Alliierten verpflichtet haben, die Abrüstung vorzunehmen, in der Deutschland voranzugehen gezwungen wurde. Der Versailler Vertrag wurde nicht einmal genannt, und das soll man festhalten. Für uns ist es wichtig, daß die Versprechungen von Versailles gültig bleiben, für die an deren aber, die bis an die Zähne bewaffnet sind, scheint dieser sogenannte Vertrag nur noch historischen Wert zu haben. Wozu, so fragt man sich weiter, zählte Herr Henderson eigentlich die unzähligen kleinlichen und unerquicklichen Formulierungen auf, durch die in den vergangenen Jahren die Abrüstungsfrage von interessierten Seiten systematisch sabotiert wurde? Es ist nicht gut, daß sich die Vertreter auf der Konferenz schon am ersten Tage in dieses Labyrinth von Gedankengängen und heimlichen Wünschen verwirren. Zunächst wird man nichts Sonderliches von der Ab rüstungskonferenz hören. Man hat auch diesmal wieder das alte Prinzip eingeschlagen, das man bei so vielen anderen Konferenzen aufgestellt und mit Erfolg durchgeführt hat: man hat Ausschüsse gebildet, die hinter verschlossenen Türen lagen, und deren Arbeiten geheimgehalten werden. Das scheint das Schicksal aller wichtigen Beratungen seit Ende des Weltkrieges zu sein; man hält es nicht für notwendig, daß die Welt über Einzelheiten zu viel und zu früh unter richtet wird. Dabei sagte doch Herr Henderson in seiner Er öffnungsrede, daß die Augen der Welt nach Genf gerichtet seien und daß die ganze Welt aufhorche. Der erste Eindruck ist jedenfalls nicht dazu angetan, die Welt in Spannung zu halten und zu großen Hoffnungen zu berechtigen. Bisher zeichnet sich die Abrüstungskonferenz in nichts von allen anderen Kongressen in dieser Art aus. Die matte Stimmung aus dem Konferenzsaal überträgt sich sehr schnell auf die ganze Welt, und es liegt allein bei den Konferenzteilnehmern, ob sich das Interesse an den Abrüstungsverhandlungen wach erhalten läßt, oder ob es einer Ernüchterung weicht. Oertliches und Sachfisches (Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet) — Die Ausgabe der Vierpfennigstücke. Am 15. Februar sollen die ersten Dierpfennigstücke durch die Reichsbank ausgegeben werden. Die Prägung ist seit einigen Tagen im Gange. Sämtliche in Deutschland vorhandenen Münzwerkstätten sind mit der Prägung der neuen Münzen betraut worden. In allen diesen Betrieben wird jetzt unter voller Ausnutzung Ler Maschinen gearbeitet. Insgesamt sollen 50 Millionen Dierpfennigstücke hergestellt werden. Die Prägung wird einige Wochen in Anspruch nehmen. — Ein herrlicher Sommer kommt! Englische Meteorologen prophezeien einen ganz wundervollen Sommer für dieses Jahr. Sie begründen diese Ankündigung mit dem sogenannten Clfjahres-Sonnenzyklus, der alle elf Jahre einen wahren Wundersommer mit sich bringen soll. 1921 und 1910 hätten dieselben Witterungsverhältnisse geherrscht wir 1932, und in beiden, um je elf Jahre zurückliegenden Jahren habe es einen herrlichen Sommer gegeben. Ebenso 1899 und 1888. Die Meteorologen prophezeien mildes und trockenes Wetter für die Jett vom Februar bis zum August. Im August werde das Wetter freilich etwas unbeständig fein, aber dafür könne man aus einen warmen und schönen September rechnen. Auch Ler übrige Teil des Jahres werde sich durch mildes und Pulsnitzer Tageblatt — Donnerstag, 4. Februar 1932 schönes Wetter auszeichnen. — Es wäre nur zu wünschen, daß diese Prophezeiungen Wahrheit werden! — Die Abhaltung einer sächsischen Sport lotterie genehmigt. Anläßlich einer Besprechung des Dorstandes des Derbandes Mitteldeutscher Dallspielvereine teilte die Derbandsleitung mit, daß die sächsische Regierung auf Antrag des Landesausschusses für Jugendpflege die Ge nehmigung zu einer Lotterie erteilt habe, deren Reinertrag zur Unterstützung der Leibesübungen im Freistaat Sachsen dienen solle. Die Lotterie soll noch im laufenden Jahr abge halten werden. Zur Osthilfe im rechtselbischen Sachsen. In der rechts- elbischen Landwirtschaft scheint die Meinung verbreitet zu sein, daß jetzt, nachdem die Frist zur Stellung von An trägen zur Eröffnung des Sicherungsverfahrens abge- lausen ist, auch Entschuldungsanträge nicht mehr gestellt werden können. Demgegenüber teilt der Kommissar für die Osthilfe (Landstelle) mit, daß jederzeit noch Entschul dungsanträge gestellt werden können, und zwar auch von denjenigen Landwirten, die seinerzeit eine Voranmeldung nicht eingereicht haben. Ferner galt früher bei der Ein reichung des Entschuldungsantrages als Voraussetzung, daß die Dringlichkeit des Falles im Rahmen der dem sächsischen Osthilfegebiet zugeteilten Mittel zu bescheinigen war und daß die Verschuldung mindestens die Hälfte des berichtigten Wehrbeitragswertes erreichen mußte. Diese beiden Vorbedingungen sind neuerdings hinfällig ge worden. Saatgut und Ernteertrag. Die Landwirtschafts kammer weist darauf hin, daß zur Sicherung und Steige rung der Ernte neben bester Bodenbearbeitung und ver nünftiger Düngung vor allem auch die Verwendung besten Saatgutes, also Verwendung von Originalsaal oder zu mindest anerkannter Absaat erforderlich ist. Von beiden Qualitäten ist genug vorhanden; sie bieten Gewähr für Gesundheit, Reinheit und hohe Keimfähigkeit. Warnung vor einem reisenden Betrüger. In der letzten Zeit tritt in verschiedenen Städten Deutschlands ein Betrüger unter falschem Namen auf. Er sucht Kapell meister auf, stellt sich als Vertreter eines Musikverlages in Wien, Zweigstelle Nürnberg, vor und bietet ein be sonders vorteilhaft erscheinendes Notenabonnement an. Für Zustellungskosten und als Vorschußzahlung für das erste Quartal hat sich der Betrüger, der sich als R. Freund ausgegeben hat, eine Abschlagszahlung geben lassen. Die Notenmappe ist nicht geliefert worden. Der Betrüger ist etwa 27 bis 32 Jahre alt und 1,70 bis 1,75 Meter groß. Ohorn. Goldene Hochzeit. Am 5. Februar feiern Herr Friedrich Reinhold Bürger. Rr. 63 c, und seine Ehefrau Amalie Pauline, geb. Herrlich, in körperlicher und geistiger Frische das Fest der goldenen Hochzeit. Wir wünschen dem hochgeachteten Ehepaar einen sorgenlosen gemeinsamen Lebens abend. St. Kamenz. Meister-Jubiläum. Wie wir erst nach träglich erfahren, konnte dieser Tage Herr Schuhmachermeister Oskar Hering sein 60 jähriges Meister-Jubiläum begehen. Kamenz. Betrügerischer Bettler. Am Montag in der 8. Abendstunde konnte ein Betrüger, der sich in der Umgegend von Straßgräbchen als Taubstummer ausgab und dadurch das Mitleid Ler Einwohner zu erregen suchte, festge nommen und dem Kamenzer Amtsgericht zugeführt werden. Bautzen. Aus dem Bezirksausschuß. In der Be- zirksausschuhsitzung wurde bekannt gegeben, daß mit 13 976 die Zahl der Erwerbslosen im Bezirk die bisher höchste Höhe erreicht hat. Infolge von Stillegungen, besonders in der Steinindustrie, ist die Ziffer erheblich gegenüber dem Stand am Jahresschluß emporgestiegen. Mitgeteilt wurde ferner, daß dem Bezirksverband seit November rund 253 000 AM an Ueberweisungssteuern und Reichs- und Landesmitteln unter Anrechnung auf seine Rückstände und laufende Beträge des Krisenfünftels gekürzt worden sind. Der Bezirksausschuß be schloß, die Höhe der Richtsätze in der gehobenen Fürsorge äb- zubauen, so daß diese nicht mehr 40, sondern nur noch 25 Prozent über den Sätzen der allgemeinen Fürsorge liegen. Bautzen. Einbrecher. Im Keglerheim erbeuteten Einbrecher zwei Geldkassetten aus Eisen, in denen sich etwa 800 Mark an barem Gelde befanden. Nach den Tätern wird gefahndet. Zittau. Unter dem Autobus. Auf dem Kaiser- Wilhelm-Platz wurde eine Frau von einem Stadtauwbus überfahren. Die Frau soll an dem Unglücksfall selbst die Schuld tragen, doch ist eine einwandfreie Klärung der Schuldfrage noch nicht erfolgt. Sie trug bei dem Anprall an den Kühler so schwere Verletzungen davon, daß sie ihnen bereits auf dem Transport nach dem Krankenhaus erlegen ist. Dresden. Oberregierungsmedizinalrat Dr. Stölzner 4- Nach einer schweren Krankheit ver starb Oberregierungsmedizinalrat a. D. Dr. Hans Stölzner im Alter von 60 Jahren. Chemnitz. Todesfolge eines Sportun falles. Der Dreher Reichel, der bei einem Fußballspiel in Euba mit dem Torhüter zusammengeprallt war, ist jetzt an den erlittenen inneren Verletzungen im Stadt krankenhause verstorben. Chemnitz. Fabrikbrand. In einer Eisengießerei im Stadtteil Altendorf brach im Dachstuhl der Kern macherei ein Feuer aus, das sich schnell ausbreitete. Der Feuerwehr gelang es, den Brand auf seinen Herd zu be schränken. Immerhin sind wertvolle Formstücke und an dere Einrichtungsgegenstände vernichtet worden. Chemnitz. Saidenbachtalfperrenbau ist N o tst a n d s a r b ei l. Der Rat beschloß, daß der Bau der Saidenbachtalsperre auch im Jahre 1932 als Notstands- arbcil weitergeführt und auS Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge ein Darlehen in Höhe von 1800 000 Mark bei der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Arbeiten in Berlin ausgenommen wird. Chemnitz. Wieder K a u t i o n s b e t r u g. Ein Kaufmann aus Dresden hat durch Inserat einen jungen Mann als Kassenboten mit 100 Mark Sicherheit gesucht. Nach den bisherigen Feststellungen hat er vier junge Männer als Kassenboten angenommen, von denen jeder 100 Mark bei einer hiesigen Bank einzahlen mutzte. Als die Boten die Stelle antreten wollten, war der Kaufmann verschwunden. Er hatte das Bankguthaben bis auf 27 Mk. abgehoben. (Wie lange noch sind Arbeitsuchende diesen Betrügern schutzlos preisgegeben?) Seite 2 Chemnitz. Selbstmord eines Industriel len. Ter Färbereibesitzer Mecklenburg hat seinem Leben durch Erschießen ein Ende gemacht. Der Fabrikant, der früher als schwerreicher Mann galt, soll die Tat wegen schwieriger wirtschaftlicher Lage unternommen haben. Er hat zahlreiche Ehrenämter bekleidet und gehörte unter anderem dem Vorstand des Arbeitgeberverbandes der säch sischen Textilindustrie an. Frohburg. Weide im Winter! Seit einigen Wochen werden in der Nähe der Stadt Schafe aus die Weide getrieben; ein um diese Zeit noch nicht geschautes Bild. Selbst der alte Schafmeister erklärt, daß er sich nicht erinnere, im Januar ausgetrieben zu Haven. Jöhstadt. Wieder Wintersport. Nachdem seit Montag wieder kräftiger Schneefall eingesetzt hat, wird nunmehr der Kreisjugendwerbetag für den Wintersport vom Ausschuß der Jugendpflege im Kreis Westerzgebirge veranstaltet werden können. Mittelfrohna. Raubgesindel auf der Dorf straße. Gegen vier Uhr morgens wurde im Ortsteile Fichtigsthal ein Einwohner von vier Personen angehalten. Einer der vier setzte ihm einen Revolver auf die Brust und unter diesem Zwange mutzte sich der überfallene seine sämtlichen Taschen durchsuchen lassen. Dabei wurde ihm fein Geldtäschchen mit einem größeren Geldbeträge und einem Ring entwendet. Ein Personenkraftwagen, der vor überfuhr, und dessen Insassen dem überfallenen zu Hilfe kommen wollten, wurde ebenfalls mit dem Revolver be droht. Beim Davonfahren wurde das Auto beschossen. Die Wegelagerer werden noch gesucht. Penig. Wie der Hauptmann von Köpenick! Vor Jahresfrist begaben sich die zurzeit wegen Hochverrats in Untersuchungshaft sitzenden Kommunisten Geißler und Wib- maier mit sieben anderen Kommunisten nach Aathendorf. Hier verkleideten sich Widmaier und Geißler und nahmen bei einem Gutsbesitzer, der dem Stahlhelm angehören soll, als „Vertreter der Staatsanwaltschaft" eine Durchsuchung des Gehöftes nach Waffen vor. Die Untersuchung der „Kriminal beamten" verlief ergebnislos. Nunmehr werden sich beide „Beamte" wegen Amtsanmaßung usw. vor dem Richter zu verantworten haben. Rlesenunlerschlagungen deim »Dresdner Aelsenlellen Aussehenerregende Entlassung. Seit Jahren hat, wie jetzt aufgedeckt wurde, der Prokurist Möbius der Brauerei zum Felsenkeller in Dres den große Summen unterschlagen. Es handelt sich, soweit bisher zu übersehen ist, um eine Summe von ungefähr 100 000 Mark. Raffinierte Fälschungen der Bücher hatten die Entdeckung der Unterschlagungen solange hinaus- zögern können. Aus Gründen, die nicht mit diesen Unterschlagungen im Zusammenhang stehen sollen,^sondern auf Grund von Meinungsverschiedenheiten über die Führung des Unter nehmens, würde ferner auch vor kurzem der lang jährige Leiter der Brauerei, Direktor Klapp, fristlos ent- lassen. Direktor Klapp hat gegen seine fristlose Entlassung Einspruch erhoben und wird wegen seiner vertraglich sehr weitgehenden Ansprüche Klage erheben. „Der Zauberer von Meißen." Zum 250. Geburtstag des Erfinders des Porzellans, am 4. Februar. Ein nebliger Herbsttag des Jahres 1701. Vor der Apotheke von Zorn am Moikemnarkt in Berlin drängen sich Neugierige und spähen durch die verhängten Fenster. An den Straßenecken kleben Anschläge, nach denen König Fried rich I. 1000 Taler Belohnung auf die Ergreifung des Apo thekergehilfen Johann Friedrich Böttger ausgesetzt hat. Um die Zornsche Apotheke an -er Spandauer Straße raunt das Gerücht. Ein halbwüchsiger Junge aus Schleiz, eben jener Johann Friedrich Böttger, Sohn eines kleinen Beamten beim Fürsten von Reuß, soll in Tiegeln und Retorten den Traum der Menschheit, Gold herzustellen, ver wirklicht haben. Eine Handvoll Silbermiinzen soll er vor den Augen des Apothekers in Gold verwandelt haben. Der König, dessen Hofhaltung Unsummen verschlingt, will selbst die Künste des Wunderknaben sehen. Aber der bekommt es mit der Angst zu tun, als er von der Absicht des Königs hört, und entflieht bei Nacht und Nebel dem heißen, gefährlichen Pflaster der preußischen Hauptstadt. In Wittenberg taucht er wieder auf. August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, läßt ihn kurzer hand festnehmen. Auf der Venusbastei in Dresden hantiert Böttger, dieser Hochstapler der Alchemie, wieder mit Kolben und Mörsern. Einen Derg von Gold hat er dem Herrscher versprochen. Aber bisher haben die Experimente nur einen Berg von Gold verschlungen. In drei Jahren sind die Kosten der Versuche auf 40 000 Taler angewachsen. Immer wieder mißlingen die Versuche. Seit einiger Zeit arbeitet der Komödiant mit dem Grafen Tschirnhaus zusammen, der versucht, mit allerlei Gestein, Ziegelscherben und Knochen, die er zum Schmelzen bringt, das Geheimnis der chinesischen Porzellanherstellung zu enträtseln. Lines Tages, als wieder die kochende Masse aus dem glühenden Tiegel zischend her ausfließt und erstarrt, haben sie rotes Porzellan hergestellt. Die letzte Substanz, die letzte Bindung fehlt noch: die „weiße Erde". Man experimentiert weiter. Böttger mischt Kaolin, eine Masse aus weißem Sand, das die Gabuns und die schönen Frauen am Dresdener Hofe als Haarpuder verwenden, mit seiner roten Porzellanmasse, und stehe da — das Geheimnis der Chinesen ist entdeckt: Weihes, kostbares, zerbrechliches Poerzellan erstarrt in der Pfanne. -t- Auf der Albvechtsburg in Meißen, wo August der Starke 1710 die Porzellanmanufakiur priveligiert hat, hat der ge heimnisvolle Goldmacher sein Laboratorium eröffnet und stellt zarte, hauchdünne Porzellangebilde her. Aber auch das „weiße Gold" bleibt zunächst noch Illusion. Die Manu faktur verschlingt Unsummen, der Günstling August des Stacken fällt in Ungnade. In einer Märznacht des Jahres 1718 bricht Lie Lebenskurve des Zauberers von Meißen ab. 35 Jahre hat dieser Charlntan, dieser Windbeutel, Ler schon als Knabe über alchimistischen Büchern gebrütet hatte, gelebt - - - Die Legende geistert durch das Land, und die Menschen bekreuzigen sich bei der Nennung seines Namens: der Teufel habe den Paracelsusjiinger geholt.