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Rr 12 Pulsnitzer Tageblatt — Freitag, 15. Januar 1932 Seite 6 Nach dem Brand km Zirkus Sarrasani. Die große Brandkatastrophe, die Mittwoch den in Antwer pen gastierenden Zirkus Sar- rasani heimsuchte, hat die Ele fantenställe und die Garde robenräume völlig vernichtet. Auf dem Trümmerfeld such? das Personal verzweifelt nach etwaigen, vom Feuer ver schonten Habseligkeiten. Antwerpen. Direktor Stosch-Sarrasani äußerte sich u. a. über das folgenschwere Brandunglück, von dem sein Zirkus unternehmen in dem Ort Berchem bei Antwerpen betroffen wurde, folgendermaßen: „Wir sind ganz ratlos. Zunächst wollen wir versuchen, zu reparieren, so gut es geht. Wir haben den Erbauer unseres Winterzeltes aus Kassel nach hier berufen. Er wird umgehend mit einer Anzahl von Spezialisten nach Belgien abreisen. Das Schlimmste, was der Brand für uns gebracht hat, ist außer dem völligen Verlust der Kostüme, der Sättel und der Geschirre der der Elefanten. Diese Tiere sind so schwer verbrannt, daß sie in wenigen Tagen nicht mehr am Leben sein werden. Der Elefant „Prinzeß", der infolge seiner Schmerzen in den Festungsgraben von Berchem gesprungen war, ist bereits seinen Verletzungen erlegen. Wir erwarten neue Kostüme aus Dresden, um dann nach Unterbrechung von mehreren Tagen unser Antwerpener Gastspiel zu Ende führenzu können. Gent, Lille, unter Umständen Amiens und Paris soll unsere Marschroute sein. Wie und ob wir in Brüssel zum Spiel kommen werden, ist noch fraglich." Aus aller Welt. Berlin. Gnadengesuch des Geldbriefträ- ger-Mörders. Der Maurer Ernst Reins, der auf raffinierte Weise den Berliner Geldbriefträger Schwan er mordet hatte und vom Gericht zum Tode verurteilt worden war, l>at die gegen das Urteil vom 12. Dezember 1931 ein- gelegte Revision zurückgezogen und ein Gnadengesuch ein gereicht. Schwerin. Freudenbotschaft aus Amerika. Der in Waren wohnende Fuhrmann Peter Kocik hat aus Amerika eine amtliche Benachrichtigung erhalten, daß er zu sammen mit sechs anderen Verwandten einen in Amerika verstorbenen Onkel beerbt habe. Der Verstorbene war als junger Mann ausgewandcrt und hatte es in Amerika zu großem ReichtUP gebracht. Als Erben kommen nur die europäischen Verwandten, u. a. der in Waren lebende Fuhr mann Peter Kocik in Frage. Kolberg. SOIahre Altdamm — Greifenberg. Vor 50 Jahren wurde von der Altdamm-Colberger Eisen bahn-Gesellschaft die Teilstrecke Altdamm—Greifenberg er öffnet. Der erste, aus Lokomotive und einem Personen- wagen bestehende Zug befuhr am 5. Januar die Teilstrecke und wurde in Greifenberg feierlich empfangen. Die anfangs nur für den Güterverkehr bestimmte Strecke wurde am 1. April 1882 auch für den Personenverkehr freigegeben und bis Kolberg verlängert. Darmstadt. Fünfköpfige Familie gasver giftet. Hausbewohner fanden die Familie des Kassierers Drohmann im Schlafzimmer in ihrer Wohnung durch Gas vergiftet bewußtlos auf. Alle fünf Personen wurden sofort ins Krankenhaus gebracht. Zwei Kinder sind unterwegs be reits gestorben. Es heißt, daß der Mann sich im Dienst Un regelmäßigkeiten habe zuschulden kommen lassen. Rendsburg. Zwei Kinder im Rauch erstickt. In Osterrönfeld ereignete sich ein furchtbares Unglück. Die Witwe Anna Wieck hatte ihre beiden kleinen Kinder, einen einjährigen Jungen und ein zweijähriges Mädchen, allein in der Wohnung zurückgelassen. Als die Frau gegen Mittag zurückkehrte, fand sie die Wohnung mit dichtem Rauch an- gefüllt. Die beiden Kinder waren erstickt. Die Rauch entwicklung war dadurch entstanden, daß hinter dem eisernen Ofen liegendes Holz angcsengt und verkohlt war. Börse und Handel Amtliche Devise—Notierung. Brüssel 2K, Rom 7, Kopenhagen 6, London 6, Madrid 6K, Oslo 7, Paris 2K, Prag 6K, Schweiz 2, Stockholm 7, Devisen (tn Reichsmark) 14. Januar 13. Januar Geld Bries Geld Brief Kew Port . 1 k RM. 4,209 RM. 4,217 RM. 4,209 RM 4^17 8uenos-Aires1Pap.Peso 1,0Z3 1,VZ7 1,033 1M7 London . . . 1 L 14,41 14,15 14^5. 14,39 ilmsterdam . 100 Gid. 168,98 79,12 169,32 169/03 169M Kopenhagen. 100 Kron. 79,28 78,72 78,88 Stockholm. . 100 Kron. 80,17 80,33 79,92 80M Oslo .... 100 Kron. 78,17 78,33 78,02 78,18 Ztalien . . . 100 Lire 21^0 21,34 21M 2IL8 Schweiz. . . 100 Fres. 81,92 82,08 81,97 82,13 vmsis.... IVOFrcs. 16,50 16M 16^0 16^4 vrüffei . . . 100 Belga 58.49 58,61 58,44 58,56 Prag 100 Kron. 12,465 12,485 12,465 12,485 Wien .... 100 Schill. 49,95 50,05 49,95 50,05 Spanien. . . 100 Peseta 35,66 35,74 35,66 35,74 Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 8), Am terdam S, Wien 1V. New Vork 3K. Berliner Produktenbörse: Ruhiger. Dem Markt fehlte jegliche Anregung. Bei kleinem Angebot and ebensolcher Nachfrage bröckelten die Kurse eher leicht ab. I Dies gilt vorzugsweise für Weizen, ferner fürRoggen, aber kaum für Laser. Gerste war sogar eher fester. Mehl still. Amtlich« Rotieruug der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto einscht. Sack frei Bertin. IMI. 14.1.32 13.1.32 100 kg 14. 1. 32 13. 1. 52 Weiz. märk. 222.0-224.0 224.0-226.0 Mehl Weizenmehl Roggenmchl 27.5-31.2 27.0-29.2 27.5-31.2 27.1-29.2 Futt. Iomm. Dez. März Mai — — Weizenkleie Roggenkleie 9.50-10.0 9.50-9.75 9.56-10.0 9.50-9.75 241.2-239.7 247.00 242.5-241.5 250.0-248 5 Viktoria-Erbsen Kl. Speiseerbsen Fuitererbsen 21.0-27.5 21.5-24.0 15.0-17.0 21.0-27.5 21.5-24.0 15.0-17.0 Rogg. Peluschken 16.0-18.0 16.0-18.0 märk. 196.0-198.0 198.0-200.0 Ackerbohnen 14.0-16.0 14.0-16.0 Neue Wicken 16.0-19.0 16.0-19.0 Ernie 209.0 208.0 Lupinen, blaue 10.0-12.V 10.0-12.0 März 210.0-208.5 „ gelbe 14.0-15.5 14.0-15.5 Mai 212.00 212.50 Serradella 22.0-27.0 22.0- 270 Leinkuchen 11.9-12.0 11.9-12.0 Berste Basis 37 7° Brau 160.0-170.0 158.0-167.» Erdnußkuchen 1216 12.10 Futt. 152.0-157.0 150.0-155.0 » mehl 12.00 12.00 Hafer Trockenschnitzel Gojaschroi 6.50 6.50 märk. 135.0-143 0 135.0-143.0 Bas. 467» Hbg. 10.50 10.59 Dez. — — Sojaschrot Marz 154.0-153.7 156.0-154.5 Basis Slcttin 11.30 11.30 Mai 161.0 1 0.7 — Karioffelflocken 12.1 12 6 12.1 12.3 Die Preise für Milch, die nach Berlin zur Lieferung ge langt, betragen je Fiter frei Berlin: für -e-Milch für die Zeit vom iS. bis 21. Januar 12,2S, für 8-Milch 8, für tiefgekühlte Milch 12,7S, für molkereimäßig bearbeitete Milch 14 Pf. Die ^-Miich- menge ist auf 75 Prozent des ^-Milchkontingents der einzelnen Lieserstellen festgesetzt. Berliner Butterprcisc. Die Noticrungskommisswn be schloß, die heute vormittag fällige Festsetzung der Dutterpreise auszusetzen und erst heute nachmittag gegen 15 Uhr (nach Por- >iegen der Kopenhagener Notiz) eine Notiz vorzunehmen. Preisnotierungen für Eier. (Festgestellt von der amt- lichen Eiernotierungskommission.) Deutsche Eier: Trinkeier (voll- frische, gestempelte) über 65 Gramm 12, über 60 Gramm 10,50, über 55 Gramm 9Z0, über 45 Gramm 7,75, aussortierte kleine und Schmutzeier 5—6F0. Auslandseier: Dänen 18er 11,50, 17er 11, 15k—16er S, leichtere 7—7,75, Holländer 68 Gramm 11^0, 60—62 Gramm 9,25—9,75, 57—58 Gramm 9, leichtere?—8, Rumänen 6,50—7,75, Polen, normale 6^0, kleine, Mittel-, Schmutzeier 4,50—5^0. In- und auslänische Kühlhauseier: Normale 5—6. Kalkeier: Große 6, Normale 5. Die Preise ver. stehen sich in Reichspfennig je Stück im Verkehr zwischen Ladung,, beziehern und Eiergroßhändlern ab Waggon oder Lager Berlin nach Berliner Usancen. Witterung: trübe, Tendenz: schwäche». (Ohne Gewähr.) Kartoffelprcis-Notierung je Zentner waggonfrei mär kischer Station: Weiße Kartoffeln 1L0—1,60 RM, Rote Kartoffeln 1,70—1,90 RM, Odenwälder Blaue 1,80—2 RM, Andere Gelb- fleischige (außer Nieren) 2,10—2Z0 RM, Fabrikkartosseln, pro Stärkeprozent 8—9 Rpf. Berliner Magerviehmarkt. (Amtlicher Marktbericht vom Magervichhof in Friedrichsfelde.) Auftrieb 189 Rinder, darunter 161 Milchkühe, 28 Jungvieh, 70 Kälber, 410 Pferde. Verlauf: etwas lebhafter, gute Kühe gesucht. Es wurden gezahlt: Milch- kühe und hochtragende Kühe, je nach Qualität, 180—310 RM. Ausgesuchte Kühe und Kälber über Notiz. Tragende Färsen, je nach Qualität, 160—260 RM. Ausgesuchte Färsen über Notiz. Jungvieh zur Mast, je nach Qualität, 20—24 RM. Pferdemartt: Preise je nach Qualität: 1. —, 2. 500—800 RM, 3. 200—450 RM. Schlachtpferde 25—100 RM. Verlauf: langsam. (Ohne Gewähr.) Kamenzer Wochenmarkt bom 14. Januar 1932 Am heutigen Wochenmarkte wurde gezahlt pro Zentner (Preise in AM): Weizen, eff. Gew. 77 kg 10.75, Roggen, eff. Gew. 72 kg 9.80, Wintergerste 8.00, Sommergerste 8.50—9.00, Hafer 7.00—7.25, Weizenmehl (Kaiserauszug) 24.00, Roggen- mehl (60 Prozent) 16.75, Weizenkleie, grob 6.00, fein 5.70, Roggenkleie, grob (Bienert) 6.75, sein 6.00, Heu 2.25—250. Flegelstroh —, Futterstroh 2.00, Streustroh 1.80, Kartoffeln, Weitze 2.50, rote 2.75, gelbe 3.00 pro Zentner, Butter 1.10 das Pfund, Eier 0.10 und 0.11 das Stück. Ferkel 9.00—14.00, Läufer — das Stück. Gänse 0.80 bis 0.90 das Pfund. Für ausgesuchte Ware Preis über Rotiz. VOtt 6SK7 U0TUSSK6 Oopvttedt dv Starttn keucktwanxer, lisUe <8osle> s25 Herr von Hagen war sehr einsilbig geworden. Sein Haar war in den letzten Wochen ganz weiß und spärlich geworden. Von dem einstigen flotten Kavalier war nichts mehr übrig wie ein Bild, das im Speisezimmer des Rosen hauses hing. Vor einigenTagen war Eva bei ihm gewesen, Hane mit ihm allein zu sprechen verlangt. Und dann hatte sie ge fragt: „Papa, keine Vorwürfe, nur die lautere Wahrheit: Hast du von Harald Kardorf verlangt, daß er mich heiratet?" Herr von Hagen las in den ernsten blauen Augen seines Kindes und wußte, daß es nichts mehr zu verbergen gab. Daß es auch kein Kind mehr war, über dessen Kopf hinweg man einfach etwas tat, was man für gut befand. „Ja, Eva! Ich war bei ihm." „Ich wußte es bereits, Vater. Ich wollte nur noch deine Bestätigung." „Eva, warum hast du mich gefragt? Hat Kardorf dir das alles selbst gesagt und ist er — ist er etwa nicht gut zu dir?" Eva lächelte. Und dieses Lächeln tat dem alten Herrn mehr weh, als wenn sie laut geweint hätte. „Eva?" „Laß gut sein, Papa. Es ist nicht mehr zu ändern. Ich muß es tragen, daß Harald Kardorf mich heimlich haßt, weil ich ihm eine Kette am Bein bin. Mit meinem Willen ist das nicht geschehen — mit meinem Willen nicht." „Eva, tch fragte dich, ob Harald nicht gm zu dir ist?" „Er ist sehr gut zu mir, Papa. Er überschüttet mich mit Geschenken. Daß mir ein einziger Kuß von ihm lieber wäre als alle kostbaren Geschenke zusammen, das darf er niemals erfahren." „Eva, was — was soll das heißen?" „Nichts weiter, Papa, als vaß Harald Kardorf streng die Grenzen zwischen uns wahrt. Kannst du ihm das ver denken? Warum mußte für ihn der an sich harmlose Spaß f. so übel ausgehen? Warum konnte es nicht ein kleines ! Bauermädel sein, das herzlich über diese Wette gelacht und sich über ein Geschenk gefreut hätte?" Herr von Hagen sagte eine Weile nichts. Dann aber meinte er mit zuckenden Lippen: „DaS habe ich allerdings nicht ahnen können. Ich habe geglaubt, es würde eine gute Ehe zwischen euch geben. Ich werde mit ihm sprechen." „Das wirst du nicht tun, Papa. Du wirst mich ihm nicht zum zweiten Male anbieten ..." Kind, zwischen Eheleuten kann doch davon keine Rede sein." „Ich bitte dich, Papa, kümmere dich nicht mehr um Harald und mich. Ich werde mein Schicksal selbst in die Hand nehmen." „WaS willst du tun, Eva?" „Vorläufig muß ich warten, bis Harald Kardorf seine Freiheit von mir zurückverlangt." Ihr Pater hob erschrocken die Hand hoch. „Du denkst an eine Trennung?" Eva sagte leise: „Alter, guter Papa, du hast es gewiß gut gemeint, doch du darfst dich nicht wundern, wenn ein Harald Kardorf nicht aus Befehl eine Ehe mit einer unbedeutenden Frau führen kann." Herr von Hagen fuhr auf: „Du bist schön, Eva. Alle jungen Männer haben dich umschwärmt und verehrt, und wenn wir nicht so bettelarm geworden wären, dann wärest du heule sicher eine glück liche Frau." „Vielleicht, Papa. Vielleicht auch nicht. Sicher aber ist, daß du Harald nicht mit unseren früheren Nachbarn ver gleichen darfst. Ihm traue ich sogar zu, daß er mit einer bettelarmen Frau unsinnig glücklich sein kann, wenn er sie ! nur von Herzen liebt. Aber sie mutz eben so sein, datz er I sie lieben kann. Und ich bin weit von seinem Ideal ent fernt." Die müden Augen Hagens ruhten auf Eva. „Er hintergeht dich?" „Nein, es nimmt ihn mir niemand. Nehmen kann einem nur jemand etwas, an das man Besitzerrechte hat. Ich habe keine Rechte an Harald Kardorf. Er gab mir seinen Namen und hat damit vollauf gesühnt." „Bleib in Hagenhöhe", bat ihr Vater leise. „Du bist dort am sichersten geborgen. Glaub' mir, Kind, die Welt kann sehr^grausam sem." „Gewiß, Papa. Vorläufig bleibe ich in Hagenhöhe." An dieses Gespräch dachte jetzt Herr von Hagen, als seine Gattin ihrer Meinung über ihren Schwiegersohn Luft machte. „Die ganze Nachbarschaft wird sich amüsieren, wie schön sich Kardorf die Verwandten seiner Frau vom Halse hält." Herr von Hagen verzog gepeinigt das Gesicht, was seiner Frau ein verächtliches Lächeln entlockte. Brigitte dachte an den Grafen Osten, der drüben vaS alte, feudale Schloß Herversberg gekauft hatte. Er war neulich zum Antrittsbesuch gekommen und hatte sich Wtzr intensiv mit ihr unterhatten. Neue Hoffnung war in ihr aufgestiegen. Der Gras war zwar schon in höheren Jahren, war kahlköpfig und inager, saß zu Pferde, oatz es einem erbarmen konnte. Und .wenn er das Monokel auch nur ein mal vergaß, dann sah er schiech: aus. Aber was tat es? Gewiß, er war ein schlechtes Gegenstück zu Karoorss schöner, kraftvoller Männlichkeit; aber der Name! Gräfin Brigitte Osten! Das klang! Und ver Graf hatte Geld! Nicht soviel wie Kardorf. Aber er war immerhin sehr wohlhabend, und die Stellung, oie eine Frau an seiner Seite eiunahm, würde sehr exklusiv sein. Brigitte besprach diesmal ihre Hossnungen nicht Mil der Mutter. Sie war abergläubisch geworden und wollte ganz sür sich allein Zukunftspläne schmieden. Vielleicht, daß cs ihr dann eher gelingen würde, ans Ziel zu kommen. Dabei gönnte sie es der jungen Schwester von Herzen datz deren Eheglück gefährdet schien.