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Pulsnitzer Ia-ebtatt Beilage zu Nr. 18 ! Freilag, 22. Januar 1932 ! 84. Jahrgang Tieue Arbeit für den Landtag. Anträge über Anträge. .Dem Landtag sind wieder eine ansehnliche Reihe von Anträgen und Anfragen zugegangen, von denen wir fol gende erwähnen: Ein Antrag Renner (KPD.) fordert die Verordnung über die Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft vom 14. Januar 1932 mit sofortiger Wirkung aufzuheben. — Ein Antrag der Volksrechtpartei nimmt auf eine Presse notiz, daß die Sächsischen Werke für 1931 keine Dividende verteilen können, Bezug und sag! dazu, daß das Gewinnergebnis der Aktiengesellschaft in keinem Verhältnis zu den Gesamtbezügen der Direktoren stehe. Da im wesentlichen der Ausbau der Sächsischen Werke beendet sei, fordert der Antrag, die Zahl der Direktoren und stellvertretenden Direktoren bei der Aktiengesellschaft Sächsische Werke und der Elektra-A.-G. herabzusetzen. — Eine kurze Anfrage der Volksrechtpartei befaßt sich mit der Schaffung der sogenannten Ausgleichskassen, die der Erweiterung des Kreditverkehrs und damit der Schaffung zusätzlicher Kaufkraft und Arbeit und der Ver minderung der Erwerbslosigkeit dienen sollen. Ist die sächsische Regierung bereit, erschöpfende Auskunft über das Problem der Ausgleichskassen zu geben, Bedenken ouf- zuzeigen und zur Frage der Beteiligung öffentlicher Kör perschaften Stellung zu nehmen? — Ein sozialdemokra tischer Antrag nimmt Stellung zur Frage der Sicherung der Rechte der Arbeitnehmer im Falle der Hinterziehung von Sozialverstcherungsbeiträgen und beschäftigt sich weiter mit der Gefährdung der er worbenen Rechte der Versicherten bei langer Arbeitslosig- keits insbesondere für die Wohlfahrtserwerbslosen. Ter Antrag fordert den Landtag ans, die Regierung zu er suchen: Bei der Reichsregierung und dem Reichsrat dar auf hinzuwirken, daß bei der angekündigten Reform der Sozialversicherung folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: a) für den Unlerstützungsanspruch in der Inva liden-, Angestellten- und knappschaftlichen Pensionsversiche- rnng soll bei Pflichtversicherten in erster Linie das versiche- rungspslichtige Beschäftigungsvcrhältnts, nicht aber die Tatsache der Beitragsleistung maßgebend sein. Aus der Hinterziehung bei Beiträgen durch den Arbeitgeber dürfen den Versicherten keinerlei Nachteile erwachsen; b) die Bei träge in der Invalidenversicherung sollen nicht mehr durch Kleben von Beitragsmarken entrichtet, sondern durch die Krankenkassen eingezogen werden; c) die Beitragsklassen und Grundlöhne in der Kranken- und Invalidenversiche rung sollen an die Arbeitslosenversicherung angeglichen werden; d) für Arbeitslose, die aus Mitteln der Wohl- fahrtssürsorge unterstützt werden, sollen die Zeiten un- kreiwilliger Arbeitslosigkeit auf die Anwartschaft angerech net werden, ohne daß die Beiträge entrichtet zu werden brauchen. Weiter fordert der Antrag, die Negierung zu beauftragen: 1 den Gemeinden und Bezirksfürsorgever bänden dringend zu empfehlen, bis zum Erlaß einer der Forderung entsprechenden reichsrechtlichen Bestimmung für die von 6^7 s»7 Frank und frei sah sie ihn an, als sie sagte: „Das Zusammentreffen überraschte mich; es war keine Zeki, die Umgebung aufzuklären. Es sind ja nur fremde Menschen — und meine Freundin Grete von Volkmar sowie deren Vetter wissen ja alles. Wir können uns also ruhig aussprechen.* Sein Blick brannte auf dem schönen Gesicht des jungen Weibes, das, lässig in den Sessel gelehnt, in seiner schlanken Figur ein entzückendes Bild bot. „Willst du nicht auch rauchen? Es plaudert sich besser.* Eva entnahm ihrer Tasche ein zierliches, goldenes Etui und steckte sich eine Zigarette an. Fast mechanisch vrannre anch er sich eine an. Dabei stand vor ihm jenes Bild in Hagenhöhe, jene Stunde, in der Eva ängstlich bekannt hatte, daß sie noch nie geraucht habe, er möge ihr nicht böse sein, daß sie ablehne. Und jetzt saß sie vor ihm und rauchte mit sichtlichem Genuß. .Darf ich fragen, Eva, was für Auen Grund du hattest, mir deine Neiseabsichten zu verschweigen? Du mußtest wissen, daß ich dich durchaus nicht behindert hätte.* "Das weiß ich, Harald; doch es ging dann alles ziemlich schnell Als mein Buch erschien, machte sich sowieso eine Reise nach Berlin notwendig. Von dort aus kam mir dann plötzlich die Reiselust, und dein Pater unterstützte meine Absicht noch.* „So, so. Mein Vater! Sieh an, Eva. Und - dein Buch? Du bist also tatsächlich Eva Hellberg?* „Ja!* „Ich habe es gelesen, und nun wird mir vieles klar. Ich halte die Absicht, nach Hagenhöhe zu kommen. Wäre es dir lästig?* WohlfahrtSerwerbslosen die Anwartschaft in der Invaliden-, Angestellten- und knappschaftlichen Pensionsversicherung in der gleichen Weise aufrechtznerhalten, wie es durch die Arbeitsämter für die Empfänger von Arbeitslosen- und Krisenunter stützung geschieht; 2. die Staatsanwälte anzuweisen, gegen die Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgcn mit aller Schärfe vorzugehen. — Ein Antrag Dr. Fritsch (NSDAP.) befaßt sich mit der geplanten Zusammenlegung der Fvrstämtcr Borstendorf und Loßnitz. Der Antrag hebt die Bedeutung Borstendorfs vom volks wirtschaftlichen wie vom forstwirtschaftlichen Standpunkt hervor und fordert Aufhebung der Verfügung des Finanz ministeriums auf Verlegung des Forstamlssitzes von Bor stendorf nach Loßnitz, weiter Auflösung des Forstamtes Loßnitz und Angliederung des Lößnitzer Reviers an das von Borstendorf. Schließlich ist noch folgende Anfrage der NSDAP, cingegangen: Im August 1931 wurde die Re gulierung des Albrechtsbaches bei Bautzen unter Heranziehung von Arbeitsfrciwilligen begonnen. Die Arbeiten wurden vom Staat vergeben, wo bei der ausfuhrenden Baufirma gegen ihre Vorstellungen bestimmte Auslagen hinsichtlich der Leistungswertung der Arbeitsfreiwilligen gemacht wurden. Die Firma ist nach einem bedeutenden Verlust zahlungsunfähig geworden. Wir fragen die Regierung: 1. billigt sie, daß ein Unter nehmen, das vielen Familien jahrelang die Grundlage ihrer Existenz bot, durch ein leichtfertiges Experiment ver nichtet wird?; 2. ist sie bereit, durch sofort zu ergreifende Maßnahmen den von ihr verschuldeten wirtschaftlichen Zu sammenbruch der betreffenden Firma abzuwenden?; 3. warum sind die bereits nach wenigen Wochen erhobenen dringenden Vorstellungen über die Unzulässigkeit der Or ganisierung des freiwilligen Arbeitsdienstes von den zu- ständigen Behörden, namentlich dem staatlichen Straßen- und Wasserbauamt Bautzen, gänzlich unbeachtet geblieben? Das Baugcsetz im Rechtsnusschuß. Der Nechtsausschuß des Landtages hat die Beratung des Baugesetzes fortgesetzt. In erster Lesung wurden die Kapitel Beschaffung, Herstellung und Unterhaltung der öf fentlichen Verkehrsflächeu und der Schleusenanlagen sowie die Entschädigungen, Erstattungsansprüche und Bau abgaben zum großen Teile unverändert angenommen. Bei der Beratung der Anliegerleistungen wurde beschlossen, daß die Sprengung von Straßen nicht mit zur Straßenreini- llung gehört, also den Eigentümern anliegender Grund- stucke nicht mit auferlegt werden darf. Bei Enteignungen Fällen das Enleignungsgesetz in Frage, ^"'^^uabgave wird nur im Baufalle fällig. Tas ist deswegen wichtig, weil verschiedene Gemeinden versucht haben, auch nach Erstellung eines Gebäudes die Ball abgaben noch zu erheben, zum Beispiel zur Errichtung von Schleusen, Wasserleitungen usw. Dies wird in Zukunft ausgeschlossen sein. haltet and lest dar „TWMt'B Was wir- aus -er Unfallversicherung? Die sächsische Arbeitgeberschaft beim Arbeitsministcr. Auf Anregung der Landesausschüsse der sächsischen Arbeitgeberverbände, des sächsischen Handwerks sowie der sächsischen Vereinigung von Berufsgenossenschaften sanden im sächsischen Arbeitsministerium Besprechungen mit dem Wirtschastsministerium statt, an denen auch Vertreter des Arbeits- und Wohlfahrtsministeriums und des Landes- versichernngsamtes teilnahmen. Die Vertreter der säch sischen Arbeitgeberschaft gaben dabei ihrer ernsten Besorg nis über die Pläne der Reichsregierung bezüglich der Reform der Unfallversicherung Ausdruck und überreichten der sächsischen Negierung eine Entschließung, in der es unter anderen! heißt: „Die unterzeichneten sächsischen Unternehmerverbändc insbesondere der Tertilindustrie, des Holz- und Bari gewerbes sowie der Landwirtschaft haben mit außerordent lichem Befremden Kenntnis genommen von den Absichten der Reichsregierung, Teilreformen bezüglich der Unfall Versicherung in Aussicht zu nehmen, ohne vorher mit den beteiligten Kreisen Verbindung zu suchen. Dadurch entstand in weitesten Kreisen der beteiligten säch sischen Wirtschaftszweige große Beunruhigung. Anscheinend ist über den Weg einer 'unbeschränkten Ermächtigung für den Herrn Reichsarbeitsminister eine Zusammenlegung bisher selbständiger Berussgenossenschaften und eine An gliederung der landwirtschaftlichen Betriebe sowie der kleineren handwerklichen Betriebe an die Landesversiche rungsanstalten geplant. Grundsätzlich bedeuten die an scheinend geplanten Maßnahmen nach unserer Aufsafsunc schwere Eingriffe in die Selbstverwaltung, eine Verbüro kratisierung und Schematisierung der Verwaltung ohne wirkliche Ersparnisse und Vereinfachung. Ganz im Gegen teil würde die da notwendig werdende Sektionsbildung zur Doppelarbeit und erhöhten Kosten führen. Jrgendwelcht Mehrbelastungen der Wirtschaft müssen aber den Bestrebungen der Reichsregierung aus Unkostensenkung geradezu ins Gesicht schlagen. Durch solche Zusammenlegungen sächsischer Träger der Sozialversiche rung wäre auch die Gefahr einer Aufhebung des sächsische!'. Landes- vcrslchcrüngsamtes gegeben, auf dessen Erhaltung wir insbesondere anch iw Interesse der sächsischen Versicherten entscheidenden Wer! legen müssen. In voller Einmütigkeit richten wir deshall an die sächsische Negierung die dringende Bitte, durch ihn Herren Vertreter im Reichsrai und durch Vorstelligwerder im Rcichsarbeilsministcrium gegen alle solche Bestrcbnn gen entschiedenen Einspruch zu erheben und ihre gann Autorität dafür einzusetzen, daß dieses gcsährliche Spiel durchkreuzt wird Insbesondere aber ersuchen wir di. verlangen, daß die Behandlung kemec-falls ohne Anhörung del ter- r Berufgenosscuschasten und Nnter- u^urervcrbande werter verfolgt wird. Die sächsischen Unter müssen cs ablehnen, eines Tages vor voll endete Tatsachen gestellt zu werden.* Alles Blut schoß ihr zu Herzen, doch sie sagte ruhig: „Wie kann mir deine Heimkehr lästig sein, Harald? Es ist deine Heimat, dein Besitz.* Sein Blick glitt über ihre feine, schlanke Figur. In seinem Innern regte sich etwas, dem er augenblicklich keine Bezeichnung zu geben verstand. Durch seine Stimme flackerte geheime Erregung, al' er fragte: „Und du, Eva? Was wirst du tun?* Sie zuckte mit den zarten Schultern, deren mattes A ihn plötzlich aufpeitschte. „Wann ich komme, weiß ich nicht, Harald. Ich Mochte erst die Welt und ihre Schönheiten kennenlernen. Zudem amüsiere ich mich glänzend und kann es säst nicht mehr begreifen, wie ich solange in jenem stillen Winkel habe leben können.* In seinem schönen, dunklen Gesicht zuckte es, als er fragte: * „Du amüsierst dich, Eva? Und — mit wem bist du zusammen? Entschuldige doch! Da ich sozusagen dein Ehe mann bin, interessiert mich das natürlich ein wenig.* Die kleine Hand Evas nestelte an der Perlenkette. An dieser Kette, die ein Vermögen darstellte. Die Brillanten an ihrer Linken sprühten hell auf, warfen bunte Strahlen umher. Eva lehnte den blonden Kopf zurück, lächelte ein wenig, und die weißen Zähne blitzten. Durch Kardorf zuckte der Gedanke: „Herrgott, und das ist meine Frau! Meine Frau!* Wie gebannt blickte er auf den lächelnden, schön geschwungenen Mund. „Wir trafen auf unserer Reise so viele nette Leute. Herren und Damen. Beste Kreise waren es immer, dafür sorgt schon Frau von Volkmar. Genügt dir das?* „Ja, es muß mir wohl genügen.* Zwischen den Zähnen hatte er es hervorgestoßen. Der Anblick- des jungen Weibes peitschte ihm die Nerven auf. Die ganze, fast ans Abenteuerliche grenzende Situation trieb ihm das Blut ins Hirn. Die schönen blauen Augen seiner Frau schimmerten wie Saphire. Eva fragte leichthin: o.» Pläne hattest du noch, bevor du an die Heimkehr denkst?* »Ich wollte demnächst — Doch das hat ja keinen Zweck. Das von dir verlassene Schloß würde mich verrückt machen.* „Weshalb? Du warst doch früher auch allein dort? Und ich komme doch wieder. Das heißt, ich weiß es nicht.* Er hatte sich weit vorgebeugt. „Du kommst wieder, Eva? Und wenn ich deine Rück kehr mit der meinigen zugleich verlange?* Die Rücksichtslosigkeit des Gewaltmenschen war mit ihm durchgegangen, um so mehr, als er sah, wie ihn die Herren von allen Seiten eifersüchtig musterten. Eva hatte sich erhoben. Stolz stand sie dicht vor ihm. „Du hast kein Recht, Harald, das zu verlangen. Du weißt, warum du kein Recht hast. Deine Wette steht zwischen uns!* Das kühle Lächeln der Weltdame auf den Lippen, ging sie vor ihm her, der ihr folgte und sich vorkam, wie vor den Kopf geschlagen. Das war Eva? Die stille, fügsame Eva? Und er hatte ihr nicht einmal zu ihrem Erfolg gratu- liert! „Eva, ich gratuliere dir zu deinem Erfolg. Verzeih, daß es erst jetzt geschieht; doch du wirst meine Verfassung verstehen* „Ich danke dir, Harald. Etwas muß der Mensch ja schließlich leisten, wenn ihn sein bestes Empfinden treibt.* „Und was — sollen wir jetzt sagen? Ich meine, was — wie willst du unseren Verkehr vor der Gesellschaft ge stalten?* „Wir sind uns fremd! Es geht uun nicht gut anders.* Sie waren bei der Gesellschaft angelangt. Neugierige Blicke empfingen sie. Soviel hatte man doch heraus, daß diese beiden Menschen sich heute nicht das erste Mal sahen. Philipp Vanderfelde aber nahm Kardorf beiseite. „Nun sag mir doch bloß, was das heißen soll? Du kanntest die schöne Frau bereits und läßt dir in aller Ruhe von ihr vorschwärmen? Ist das offene Freund schaft, Kardorf?*