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Nr. 18 Außenpolitische Llmschau. Der französische Kinderschreck über deutsche Rüstungen. — Polen beansprucht für sich Aufrüstung. — Der Vater des Dawes-Plans hat ein neues Amt. Die am 2. Februar in Genf beginnende Weitab- rüstungskonferenz wird von den Franzosen jetzt schon in dem Sinne zu beeinflussen versucht, wie er ihnen recht ist: Stimmungsmache überall. Wieder einmal haben Männer von Einfluß, wie General Bourgeois und Senator Eccard, vor dem Auswärtigen Kammerausschuß Ausfüh rungen über den deutschen Rüstungsstand gemacht, die bei den Mitgliedern des Ausschusses „einen tiefen Eindruck" hinter ließen, über die man aber nirgend erstaunter sein wird als in Deutschland selbst. Wir sollen im Widerspruch zum Versailler Vertrage ein mächtiges Heer organisieren, sollen imstande sein, im Kriegsfälle eine erste Stoßarmee von bedeutender Stärke auszustellen, wir erzögen die Kinder im Geiste der Re vanche, der deutsche Haushalt werde zu 50 Prozent für rein militärische Zwecke verwendet und ähnlicher offenkundiger Unsinn mehr. Wollte Gott, es wäre so! Immerhin, man weiß in Frankreich, daß solch Geschoß, zurZeitabgefeuert, auch anderswo Eindruck macht, und so sollte man bei uns auf diesen neuesten französischen Gistgasangriff gebührend ant worten, die Sachlage unwiderleglich richtigstellen und auf das in jedem Falle unangreifbare Recht Deutschlands auf Ab rüstung der anderen gerade im Anschluß an diesen neuesten französischen Giftpfeil eingehen. Es kann nicht genug darauf hingewiesen werden, daß Teil 8 des Versailler Doku ments vom 28. Juni 1919 ausdrücklich ausspricht, man habe Deutschland seine Verpflichtungen nur auferlegt, um die Ein leitung einer allgemeinen Rüstungsbeschrän kung aller Nationen zu ermöglichen oder — wie es in einer damals vorbereitenden Erklärung vom 16. Juni 1919 heißt — diese Bedingungen stellten den ersten Schritt zur all gemeinen Herabsetzung und Begrenzung der Rüstungen dar, die herbeizuführen zu den ersten Aufgaben des Völker- bund es gehören müsse. Leider entsprecht der im Völker bünde vorherrschende Geist keineswegs diesen klingenden Wor ten; wie sehr das insbesondere den Franzosen bekannt ist und wie sehr man diesen antideutschen Geist auch aufnahmefähig noch für andere Torheiten hält, das beweisen weitere franzö sische Angaben über deutsche Rüstungen. So behauptete man in diesen Tagen, Deutschland könne sich im Bedarfsfälle in wenigen Monaten 1500 schwere Geschütze beschaffen, die in Holland teils lagerten, teils in diesem Lande zugunsten Deutschlands bald hergestellt werden könnten. Offenkundige Märchen! Wenden wir uns nun einmal dem getreuen französischen Söldner im Osten, dem Polen, zu. Hier ist genau dasselbe Bestreben erkennbar: einmal sucht man die eigenen Rüstungen bis ins Grenzenlose zu steigern, zum anderen arbeitet man auch in diesem Lande mit dem hervorragenden Zustande un serer kleinen Reichswehr, die derart ausgezeichnet ge schult sei, daß man einer ernsthaften Nüstungsherabsetzung in Polen nicht das Wort reden dürfe. So könne beispiels weise die Verminderung der Dienstzeit im polnischen Heere auf ein Jahr gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Sehr lehrreich ist auch die von der polnischen Re gierung dem Generalsekretär des Völkerbundes im Oktober vorigen Jahres überreichte Denkschrift, in der ausdrücklich betont wird, daß Polen zu einer Herabsetzung seiner Rüstungen nur schreiten könne, wenn gleichzeitig ein neues System der allgemeinen Sicherheit geschaffen würde. Ver sailles genügt also nicht! Freiheit für eigene Aufrüstung werde für Polen durch sechs Faktoren bestimmt — deren einer die Militärstärke der Nachbarstaaten sei, und so habe man sich eine Landarmee von 17 895 Offizieren und 265 980 Mann schaffen müssen. Der Militürhaushalt für 1931/32 be trage 847,6 Millionen Zloty — 1 Zloty - 0,47 RM. — Nun, davon läßt sich einiges beschaffen, — so war's im laufenden Finanzjahre möglich, die Armee zu motorisieren uno ihre Ausrüstung mit Panzerwagen durchzuführen. Vor allen Dingen wurde die Artillerie motorisiert, es wurde ferner die Armee mit einer neuzeitlichen Waffe aus gestattet. Im Dezember hörte man, daß der sogenannte General Dawes, der Hauptverfasser des Dawes-Planes und der zeitiger amerikanischer Botschafter in London, zum Führer der amerikanischen Abordnung für die Genfer Abrüstungs konferenz vom 2. Februar ernannt wurde. Das ist abge ändert worden — man will Herrn Dawes jetzt zum Präsi denten der amerikanischen Wiederaufbau-Gesell schaft haben, die eine völlig neue Idee darstellt. Es ist dieser Plan aber unbedingt ein Anzeichen dafür, daß auch in Amerika die Krise einen großen Umfang gewonnen hat, — amerikanischen Prinzipien entsprichts sonst nicht, eine Stelle zu schaffen zur Kontrolle des gesamten Finanzwesens. Per sönlich geeignet ist Herr Dawes für diesen Posten, — er ist Bankfachmann, seine Betitelung als Brigadegeneral erwarb er erst im Weltkriege, als er Generaleinkaufsagent für das amerikanische Expeditionsheer war. Sein Name ist bei uns in Deutschland mit dem unseligen Dawes-Plan verbunden, der sich kaum weniger unheilvoll auswirkte wie der Poung- Plan. OerLliches und Sachfisches (Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.) Pulsnitz. Wohltätigkeits-Konzert. Wir weisen nochmals auf das heute abend im Schützenhaussaale statt- sindende Wohltätigskeits-Konzert hin. Pulsnitz. Landwirtschaftlicher Verein Puls nitz. Am 20. Januar hielt der Landwirtschaftliche Verein Pulsnitz und Umgebung seine diesjährige Hauptversammlung im „Bürgergarten" in Pulsnitz ab. Gegen 4 LIHr eröffnete der Vorsitzende, Dr. Weitzmann-Pulsnitz M. S. die Versammlung, Lie von der erfolgreichen Tätigkeit des vergangenen Vereins- jahres in einem ausführlichen Jahresbericht des Schriftführers, Gutsbesitzers Zinke, Zeugnis ablegte. Wenn auch die schwere Notzeit an dem Dereinsleben nicht spurlos vorübergegangen ist, so zeigte doch der Bericht deutlich den eisernen Willen zur Erhaltung der Scholle im Kampf ums Dasein. Nach Richtig- sprechung der Kassengeschäfte schritt man zu den Wahlen, in Lenen das bisherige Regiment geschlossen wiedergewählt wurde. Von einer Abhaltung eines Stiftungsfestes in gewöhn lichem Rahmen wurde fast einstimmig Abstand genommen, und Pulsnitzer Tageblatt — Freitag, 22. Januar 1932 der Notzeit entsprechend ein Heimatabend in engstem Kreise in Aussicht genommen. Gleichzeitig sprach man sich auch für Senkung der Mitgliedsbeiträge aus. Zum Schluß erhellte ein Referat des Landwirtschaftsrats Dr. Paul-Kamenz die wahre Notzeit, indem er betonte, dast uns ein Schuh gegen aus ländische Einfuhr nottäte, um unsere Produkte einigermaßen zu verwerten. Während der Agrarindex auf 98, für Schweine auf 68, für Rindvieh sogar auf 56 gesunken ist, so daß der Landwirt heute nur die Hälfte des Friedenspreises erhält, ist der Index für andere Erzeugnisse, z. D. der elektrische Strom, heute noch weit über dem Friedensstand, z. B. 246. Wir fordern erneut Angleichung aller Preise. Gegen 7 Llhr war die Versammlung beendet. , Pulsnitz. Die Gewinnlisten der 18. Carola-Geld- Lotterie sind eingetroffen und liegen in der Lotteriegeschäfts- stelle des Herrn Max Greubig zur Einsichtnahme aus. Die selben sind daselbst auch käuflich zu erwerben. — Die Lage des Gastwirtsgewerbes in der Oberlausitz. Lieber die Lage des Gastwirtsgewerbes zu Ende des Jahres 1931 berichtet die Industrie- und Handels kammer zu Zittau in ihren Mitteilungen von Mitte Januar wie folgt: Das Gaststättengewerbe leidet unter dem Rückgang seines Umsatzes: Der Ausschank von Bier ist istark gesunken/ weil der hohe Bierpreis den Genuß manchem Biertrinker un erschwinglich macht. Die Saalbetriebe klagen darüber, daß der LImsatz bei Dereinsversammlungen und Vereinsvergnügungen sehr gering ist, denn die Teilnehmer schränken sich in ihren Ausgaben stark ein. Dem Hotelgewerbe fehlt der Reiseverkehr: die 'Zahl Ler Liebernachtungen ist zurückgegangen, und die Reisenden bevorzugen immer die billigen Hotelzimmer. Die Wirte haben nur einen kleinen Teil ihrer Zimmer besetzt gehabt, haben aber bisher die Aufwertungssteuer (Mietzins steuer) nicht nach den besetzten, sondern nach den vorhandenen Zimmern berechnet bekommen. Diese Härte ist erst durch eine Verordnung des sächsischen Finanzministeriums vom 19. 12. 1931 beseitigt worden. (Ministerialblatt für die Sächs. innere Verwaltung Nr. 23.) Im allgemeinen läßt sich feststellen, daß der LImsatz im Gaststättengewerbe im letzten Vierteljahr zurück gegangen ist. Eine Belebung wird erst dann wieder erwartet,, wenn die übermäßige Besteuerung des Bieres und auch des Branntweins auf ein erträgliches Maß zurückgeführt wird. Nicht unerwähnt dürfen aber zwei Maßnahmen bleiben, von denen sich die Wirte eine Erleichterung ihres Geschäftsbetriebes versprechen: 2n der Sitzung des Beirats der Reichsmonopol verwaltung für Branntwein am 26. 9. 1931 ist unter anderem beschlossen worden, die Mindestweingeiststärke für einfache Trinkbranntwelns, die dem Massenverbrauch dienen, von bisher 32 auf nunmehr 25 Raumhundertteile zu ermäßigen, soweit diese Branntweine im Bezirk der Provinz Schlesien und der Kreishauptmannschaft Bautzen zum Verbrauch gelangen. Lim das Schankwirtschaftsgewerbe vor weiterem Verfall zu be wahren, hat das sächs. Wirtschaftsministerium unterm 22. 12. 1931 verfügt, daß bis zum Jahre 1934 in Sachsen (von gewissen Ausnahmen abgesehen) keine neuen Schankwirtschaften errichtet werden dürfen, und zwgr ohne Rücksicht auf die Getränks deren Ausschank beantragt wird. Handwcrksmeistcrprüfungen. Die wirtschaftlich schwie rigen Zeiten haben es erfreulicherweise nicht vermocht, di« Zahl der Anmeldungen zu den Handwerksmeisterprüfun gen in einem auffälligen Ausmaße herabzudrücken. Nach wie vor ist die Beteiligung an den Meisterprüfungen be friedigend. Auch Handwerkern, die sich in Gehilfenstellun!, befinden, ist die Ablegung der Prüfung im Interesse ihres Fortkommens anzuräten. Die nächsten Prüfungen finden im Frühjahr 1932 statt. Handwerker haben ihr Gesuch um Zulassung bis spätestens zum 15. Februar 1932 an die Gewerbekammer einzusenden. Später eingehende Meldun gen müssen bis zum Herbst 1932 zurückgestellt werden. Im Zulassungsgesuch ist anzugeben, ob sich der Gesuchstelle: schon einmal zur Meisterprüfung angemeldet hat, und ob er einer Innung angehört und welcher. Beizufügen sind ein selbstverfaßter und eigenhändig geschriebener Lebens lauf, Zeugniste über die Gesellenzeit, Zeugnisse gewerb licher Bildungsanstalten, Lehr- und Gesellenprüfungszeug nis, Wohnungsmeldeschein, polizeiliches Führungszeugnis, Vorschläge für das Meisterstück, Prüfungsgebühr (40 Mk., im Maurer- und Zimmererhandwerk 80 Mark). Kamenz. Auf dem letzten Wochenmarkt kosteten u. a.: Weißkraut 10, Rotkraut 10-12, Spinat 15—20, Rosen kohl 25—30, Grünkohl 15, Möhren 8—10, Zwiebeln 15—18, Sellerie 15—25, Meerrettich 60—70, Tomaten 50—70, Aepfel 1. Sorte 20-25, 2. Sorte 5-15, Wein 60-65, Walnüsse 40—60, Haselnüsse 55—60 Pfg. Las Pfund, Blumenkohl 30—50, Kohlrabi 5—10, Endivien 10—20, Salat 10—20. schwarze Rettiche 5—10 Pfg. das Stück, Radieschen und weihe Rettiche 10 Pfg. das Bündel. Hauswalde. Nächtliches Feuer. Vorgestern abend gegen 8,45 LI.hr ertönte im Orte Feueralarm. Es brannte die Scheune des Gutsbesitzers Erwin Oswald. Die Flammen breiteten sich sehr rasch aus und ergriffen auch das angebaute Seitengebäude und ferner bas Auszugshaus, in dem Frau Hartmann wohnte, deren Möbel aber gerettet werden konnten. Tags zuvor war in der Scheune noch gedroschen worden. Die Erntevorräte, landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte sind verbrannt, es gelang aber den Feuerwehren, das Wohnhaus zu erhalten, während die Nachbarwirtschaft sehr gefährdet war. An den Brandplatz waren außer der Ortswehr die Nachbarwehren von Bretnig, Ohorn, Frankenthal, Großröhrs dorf, die Fabrikfeuerwehr der Firma C. G. Grohmann, Groß röhrsdorf, und Rammenau geeilt. Der Brandgeschädigte soll nur niedrig versichert haben. Die Brandursache ist unbekannt, doch sind darüber die Ermittlungen noch im Gange. Leipzig. Die Leipziger Bäcker verteidigen den Drotpreis. Die Bäcker-Zwangsinnung Leipzig hielt am Mittwoch nachmittag im „Sanssouci" ihre erste diesjährige Jnnungsversammlung ab, in der im Rahmen einer längeren Aussprache über die Auswirkungen der letzten großen Not verordnung auf das Bäcksrgewerbe auch die Gestaltung des Leipziger Brotpreises eingehend behandelt wurde. Wie bisher schon der Preisausschuh, so hat jetzt auch die Vollversammlung der Innung eine weitere Senkung des Brotpreises abgelehnt. Dresden. Keine örtlichen Verwaltung s- Ausschüsse. Wie berichtet, hat Ler Rat beschlossen, aus Einsparungsgründen das Johanustädter Krankenhaus ab i. April zu schließen. Weiterhin beschloß der Rat, das Ortsgesetz über die örtlichen Verwaltungsausschüsse auf zuheben. Diese wurden im Zusammenhang mit den Ein gemeindungen 1921 geschaffen, um eine Dezentralisation der Verwaltung zu erreichen und örtliche Erfahrungen der einzelnen Stadtteile für die Gesamtheit nutzbar zu machen. Man hat ja den einverleibten Ortschaften so manches oersprochen . . . Dresden. Doppelselbstmord. In der Großen Plauenschen Gaffe verübte ein 77jähriger Schneidermeister mit seiner Ehefrau infolge schlechter wirtschaftlicher Lage surch Vergiften mit Gas Selbstmord. Seite 2 Meerane. Bürgermeister als Kreditbc- trüger. Das Schöffengericht Zwickau verurieilte den 2. Bürgermeister der Stadl Meerane, Dr. Bethke, wegen Kreditbelruges in ach, Fällen zu drei Monaten Gefäng nis. Dr. Bethke, dessen wirtschaftliche Lage äußerst un günstig war, da sein Gehalt wegen älterer Verpflichtungen zum größten Teil gepfändet wurde, hat sich besonders Betrügereien gegenüber Geschäften in Dresden, Chemnitz und Leipzig zuschulden kommen lassen. Von der Aberken nung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter wurde Abstand genommen, da die Verfehlungen des An geklagten nicht in amtlicher Stelle erfolgten. Oie Besteuerung der Lusi. „Bczeignngsgcld" für Lichtreklamen. Die Sächsische Einzelhandels-Gemeinschaft hat vor urzem Gelegenheit genommen, in einer an den sächsischen Beauftragten des Reichskommissars für Preisüberwachung, Herrn Ministerialrat Dr. Schelchcr (Ministerium des In tern), gerichteten längeren Eingabe eingehend die Gründe mrzulegen, die gerade in der gegenwärtigen Zeit gegen die Erhebung des Bezeigungsgeldes geltend zu machen sind. Ls wird in der Eingabe besonders auf den Unterschied hin zewiesen, der zwischen Sachsen und Preußen insofern »efteht, als das Reichsgericht in mehreren Entscheidungen die Erhebung derartiger Gebühren mit Wirkung für alle preußischen Gemeinden als unzulässig erklärt hat. Zerade auch dieser Umstand ließe die Weitererhebung der Abgabe in Sachsen als besonders ungerecht erscheinet!. Un- virtschaftlich sei die Gebührenerhebung auch deswegen, veil ihr Ertrag in einem durchaus unangemessenen Ver hältnis zu dem erforderlichen Verwaltungsaufwand stehe. Was sür Preußen gilt, gjlt eben trotz Reichsgerichts- mtscheidung nicht auch ohne weiteres für Sachsen: Ein Zustand, der an die deutsche Kleinstaaterei von anno dazu- nal erinnert! Reform -er Sozialversicherung nicht vor Februar. Meinungsverschiedenheiten zwischen Reich und Ländern. Proteste der Betroffenen. Die Beanspruchung des Reichskabinetts durch die Außen politik hat dazu geführt, daß die Reform der Sozialversiche rung zuriickgestellt worden ist. - Es handelt sich dabei um eine Reform der Invalidenversicherung, der Unfallversicherung und der Krankenversicherung, die mit dem Ziel, Ersparnisse zu ermöglichen, durchgeführt werden soll. Der Verfassungs- ausschuß des Reichsrats hat den Beschluß gefaßt, daß in der Invalidenversicherung die Träger der Versicherung zwar be stehen bleiben, daß aber die Ausführungsorgane unter die Zuständigkeit der Länder fallen sollen. Im einzelnen wollen die Länder die Arbeitsbereiche der sogenannten Landesräte, d. h. der Versicherungsbeamten, vermindert sehen. Demgegen über weist man vom Reich darauf hin, daß das Reich in An betracht der Illiquidität der Invalidenversicherung monatlich etwa 12 Millionen zuschietze. Wenn die Länder auf ihrer Forderung bestehen würden, müßten sie auch die finanziellen Lasten übernehmen. Vom Reich wird eine Lösung empfohlen, die die Versicherungsümter mit den Oberversicherungsämtern vereinigen will. In der Unfallversicherung wird in Kreisen de» Reichskabinetts eine Reformmöglichkeit darin gesehen, die drei Träger der Unfallversicherung unter eine einheitliche Spitze zu bringen. Im Reichsarbeitsm in isterium hofft man, daß das Reichskabinett sich noch im Februar Uber die Reform schlüssig werden wird. Die Nachrichten über eine Reform der Sozialversicherung haben bereits zu verschiedenen Protesten der Be troffenen geführt. Es wenden sich dagegen die Landes versicherungsanstalt der Invalidenversicherung, die Berufs genossenschaften der Unfallversicherung und die Reichsknapp- schaft. Schließlich wehren sich auch die Krankenkassen — außer den Ortskrankenkassen — gegen eine weitere Zentralisierung. Keine Tributbelastung der Reichsbahn mehr! Eine Eingabe der we st deutschen Wirtschaft an den Kanzler. Der Langnamverein und zwcrunddreißig andere Unterzeichner, darunter fast sämtliche rheinisch-westfälischen Industrie, und Handelskammern, führende Verbände der Stein- und Braunkohle, der eisenschaffenden und -verarbei tenden Industrie, des Holzoewerbes, der Textilindustrie und der Banken sowie gemischtfachliche regionale Verbände, haben an den Reichskanzler und den Reichsverkehrs- Minister eine Eingabe gerichtet, die sich gegen die An- deutungen wendet, die der Baseler Sonderausschuß hinsichtlich einer etwaigen Fortdauer der Tributbelastung der Reichsbahn gemacht hafi Die Feststellung des Baseler Ausschusses über die Reichsbahn lasse die Befürchtung aufkommen, daß inner halb des Sonderausschusses die Ansicht vertreten worden sei, die Reichsbahn könne künftig unter günstigeren Verhältnissen wieder an der Aufbringung von Tributlasten Mitwirken. In der Eingabe heißt es weiter: Es sei völlig verfehlt, aus den Betriebsergebnissen vergangener Jahre irgendwelche Schlüffe auf die spätere Entwicklung des Reichsbahnunter nehmens ziehen zu wollen, zumal doch bisher die Sach, ausgaben fast stets so weit gekürzt worden seien, daß nur eine unzulängliche Erneuerung und Unterhal tung der Anlagen habe stattfinden können, wie es mit den Aufgaben der Gesellschaft als Treuhänderin des Reichs eisenbahnvermögens nicht mehr vereinbar gewesen sei. Wenn im Baseler Bericht ferner auf die ähnliche Entwicklung der Betriebszahlen bei der Reichsbahn und den ausländischen Bahnen hingewiesen sei, so werde dabei die Tatsache über sehen, daß die Betriebszahlen der Reichsbahn nur deshalb in etwa gleicher Höhe mit denen ausländischer Bahnen liegen, da die Reichsbahn gerade unter dem Zwange der Tribute die Tarifschraube am stärksten habe anziehen müssen. Die Eingabe schließt: „Sie, sehr geehrter Herr Reichskanzler, haben sich noch vor kurzem erneut zu dem Gedanken bekannt, daß Deutsch ad nicht in der Lage sei, in Zukunft Tribute zu zahlen. Das muß selbstverständlich auch für die Tributlasten der Reichsbahn gelten."