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Beilage zu Nr. 4 Mittwoch, 6. Januar 1932 84. Jahrgang SW Die Schäden der Aochwasserwelle Hochwasierverwüstungen im Harz. Infolge des Tauwetters der letzten Tage führen die Ge birgsflüsse Hochwasser. Die Fluten haben weite Strecken überschwemmt und in vielen Städten und Dörfern die Straßei: unter Wasser gesetzt. Unser Bild zeigt den Bahn damm der Strecke Goslar— Lautenthal — Clausthal im Harz, der unterspült und zum Teil eingestürzt ist. Der Ver kehr wird durch Autobusse auf- rechterhalten. Das laue, unfreundliche und regnerische Wetter, das der kurzen Frostperiode gefolgt ist, wird »ach Ansicht der Meteorologen noch weiter auhälten. Im Bereichs der ab' ziehenden Kaltluftmajfen lagen Dienstag nur noch Ost preußen (durchschnittlich 2 Grad unter Null) und Ober sch l e s i e n (etwa minus 1 Grad). Der breite warme Lnst- strom, der gegenwärtig über Deutschland zieht, hält die Tem peraturen vorläufig auf der gleichen Höhe. Allerdings find gleichzeitig damit aber auch, besonders im Nordea, Regen- fälle an der Tagesordnung. Hochwasser in ganz Sachsen. Aus dem ganzen sächsischen Gebiet häufen sich die Mel dungen über eine katastrophale Auswirkung des plötzlichen Tauwetters, verbunden mit dem tagelang andauernden Regen. Das große Gebiet der Zschopau von der Land brücke in Flöha über Altenhain, Braunsdorf, Cunnersdorf, Frankenberg, Krumbach bis nach Mittweida bietet mit wenigen Unterbrechungen den Anblick eines gewaltigen Sees, dessen Ausmaß noch das des letzten großen Hoch wassers vom Jahre 190V überschreitet und in dessen Mitte eine breite, reißende Strömung den eigentlichen Flußlaus anzeigt. Das Wasser trägt in Menge Bäume, Gartenzäune, Tierkadaver, Heu u. a. m. mit sich. Eine große Anzahl ! Brücken mußten gesperrt werden. In Frankenberg mußte die Feuerwehr eingreifen, um den stark gefährdeten Zscho paudamm zu hallen. Ähnliche Meldungen treffen aus dem Mulde gebiet ein, wo sich besonders zwischen Wurzen und Camenz, wo sich das Wasserwerk der Stadt Leipzig befindet, ein riesige: See gebildet hat, aus dem nur hier und da Baumwipfel herausragen. Dank der neuen Uferbefestigungen scheinen hier vorläufig Gebäude noch nicht in Gefahr zu sein. Das Röder Hochwasser, das sich besonders bei Groß harthau, Seeligstadl, Arnsdorf, Fischbach und Klein wolmsdorf ausbreitele, und dort stellenweise bis aus wenige Meter an die Dresden—Görlitzer Eisenbahnlinie heranreichte, hat bei der Stadt Radeberg mehrfach zu der polizeilichen Sperrung tiefer gelegener Wege geführt. Die Elbe weist bei Bad Schandau einen Wuchs von dreiviertel Meter auf. Da aus Böhmen sehr starkes Hochwasser gemeldet wurde, woran das Riesengebirge nock nicht einmal beteiligt ist, hat man alle Vorbereitungen ge troffen, um dem Hochwasser zu begegnen. Ein Todesopfer in Herrnskretschen. Der Schifsssteuermann Wirsan stürzte nachts in den hochgehenden Kamnitzbach und wurde von diesem fort geschwemmt. Seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Dammbrüche bei Flöha und Erdmannsdors. In Flöha brach der Zschopaudamm in einer Breite von 75 Metern. Die Chemnitzer Technische Nothilfe ent sandte mittels Lastwagen 60 Nothelser und 300 Sandsücke. Die Rothelfer fanden sehr schwierige Arbeit vor, da Flöhe zu erheblichen Teilen unter Wasser steht und auch die Einmarschstraßen überflutet sind. — Ter Bereitschaftstrupp Freiberg der Technischen Nothilfc wurde nach Erd mannsdors angeforderl, wo ebenfalls ein Dammbruck erfolgt war. Erdrutsch in Klingenthal. Das Hochwasser im Klingenthaler Bezirk if zum Stillstand gekommen, stellenweise ist bereits geringe, Rückgang eingetreten. Durch die untere Schwarzenbergei Straße fließt noch immer ein breiter Bach, der die Straß« metertief aufgewühlt hat. An einem Steilhang über dei Bergstraße löste sich ein gewaltiges Wiesenstück unt schwamm zu Tal. Es tras ein in der Bergstraße stehendes Haus und drückte die Hinter- und Vorderwand ein; Vör den durch das Haus schießenden Erd- und Wassermassev wurde fast die gesamte Einrichtung vernichtet. Teilweises Abflauen. Das Hochwasser des C h e m n i tz flusses ist zum Stillstand gekommen und befindet sich im allmählichen Absinkcn. Innerhalb des Stadtgebietes Aue ist das Wasser der Mulde überall in das Flußbett zurückgetreten. Aucl sonst ist der größte Teil der überschwemmten Gebiete wie der freigclegt. Erst jetzt läßt sich der angerichtete Schaden übersehen. Mehrere Sportplätze gleichen Steinwüsten Tas S eh w a r z w a s s e r Hal vor einer Eisenbahnbructc ein tiefes Loch gerissen und Steine von über einem Zentner Schwere fortgespült. Das Stadion ist noch immer überflutet. Das Muldcuhochwasser in Eilenburg. Tas Hochwasser überraschte in Eilenburg die Be wohner des Schützenhauses, die ans Kähnen in Sicherheil gebracht wurden. Die Zelluloidfabrik und die Kattunmanu faktur haben sämtliche Leute heimgeschickt, weil nicht mehr gearbeitet werden kann. Bei der Pianofortefabrik ist ein Damm gebrochen, so daß der Holzplatz bereits ganz unter Wasser steht. An mehreren Stellen steht das Wasser bis knapp unter der Dammoberfläche, so daß jeden Augenblick mit einer Überflutung der Dämme gerechnet werden muß. Überflutet sind auch die Ortschaften Kollau und Kanitz sowie auch Teile von Groitzsch und Wedelwitz. Teils überwundene - - Der Zufluß zu den Harzgewässern hat weiter nachgelassen. Sie hatten Dienstag bereits die typische gelbe Farbe des Hochwassers verloren. Die Bode trägt rein Treib holz mehr. Der Wasserspiegel fiel auffällig. Lin kalter Nordweststurm verjagte das Regengewölr Uber dem Harz, und es herrscht klares Wetter. Die Hochwassergefahr gilt somit im Harz ähnlich wie im Rheingebiet als überwunden. Mittel- und Niederrhein sowie Main, Mosel und Lahn mel den zwar noch weiter steigendes Wasser, dagegen beginnen am Oberrhein die Wassermassen bereit» wieder abzu fließen. - - teils steigende Hochwassergefahr. Nur im Gebiet von Ehrenbreitstein lösten sich nachts am Hange des Festungsgeländes große Felsmassen und stürzten in die Tiefe. Zahlreiche zentnerschwere Steinblöcke sausten durch die Weinberge hin ab auf die Landstraße. Der Verkehr wurde über die Höhen umgeleitet. Auch in Schlesien führte im Laufe des Montag und Dienstag die im Gebirge eingetretene Schnee- fchmelze zu Hochwasser und Ueberschwemmungen vor allem in den Kreisen Görlitz und Landeshut. In Landeshut ist der gieder aus den Ufern getreten und hat weite Flächen unter Wasser gesetzt. In der Ortschaft Oberzieder sind meh- rere Anwesen völlig vom Wasser eingeschlossen. Im Kreise Görlitz führt die Neisse Hochwasser und ist an ver schiedenen Stellen über die Ufer getreten. In Chemnitz und im Erzgebirge ist das Hochwasser infolge des Auf hörens der -Niederschläge stark zurückgegangen. V0U oen! pro-MS^6 dv Martin keucdtwsnser, ttsllv (Saale) s9 Für eine stille, zufriedene Ehe war er gar nicht ge schaffen. Er konnte auch nicht die Treue hallen. Er hatte sie noch keiner Frau gehalten und würde das auch niemals können. Mochte die Frau auch noch so schön und be gehrenswert sein, es gab immer wieder andere Frauen. So durchraste Harald Kardorf das Leben; dann aber blieb ec wieder Wochen-, ja sogar monatelang für sich allein. Er war mit Leib und Seele Landwirt; doch dann kamen eben voch wieder Stunden, da er sich krank sehnte nach Wein, Weib und Gesang. Dann hielt ihn nichts mehr, und er ließ in H^genhöhe alles stehen und liegen. Er konnte es sich leisten, weil der Inspektor eine Arbeitskraft ersten Ranges und die Treue und Ehrlichkeit in Person war. Er wäre auch jetzi bereits wieder über alle Berge ge wesen; doch er hatte immer wieder auf ein Zusammen treffen mit dem blonden Mädel gewartet. Er hatte mit den beiden tollen Freunden eine unsinnig hohe Wette ab geschlossen, daß er, sobald ihm das reizende Mädel noch einmal in den Weg laufe — es sei, wo es sei —, dieses Mädchen küssen würde. Der Wagen hielt. Herr von Melenthin empfing seinen Gast und führte ihn dann zu seiner Familie. Da war eine sympathische Mutter mit feinem, klugem Gesicht, ein hoch aufgeschossener Sohn, der gerade seine Ferien als Gym nasiast daheim verbrachte, und dann waren noch zwei lustige Mädel, die allerdings auf irgendeine Aehnlichkeit mit ihrer seinen, stillen Mama nicht den geringsten An spruch erheben konnten. Sie saßen zwar ein bißchen scheu da; aber der Schälk blitzte ihnen doch nur so aus den lustigen Augen. Harald Kardorf faßte sie denn auch an der richtigen Seite an, und bald war ein lustiges Geplänkel im Gange, i bei dem sich alle Anwesenden sehr amüsierten. Frau von Melenthin bedauerte es wohl zum ersten Male in ihrem Dasein als Mutter, daß ihre beiden Töchter mit so wenig körperlichen Reizen gesegnet waren. Ganz nebenbei erwähnte Kardorf, daß er seinen Besuch bei den Hagens bereits gemacht habe. Das Ehepaar Melenthin blickte sich daraufhin vielsagend an. Es war doch klar, daß man nun auch wieder mit den Hagens ver kehrte. Ein schicklicher Vorwand war bald gefunden worden. Als Harald Kardorf aus Melenthin wegfuhr, dachte er amüsiert: „Die haben mir gefallen. Geben sich wenigstens, wie sie gewachsen sind. Wie treuherzig mir Melenthin offen barte, daß sie sehr sparsam sein müßten, wenn es immer schön um den Ring gehen solle." Hm, da hatte es ihm gefallen. Da würde er vielleicht sogar einen näheren Verkehr anbahnen. Aber mit den Hagens beUeibe nicht! Mit denen nicht! Die Mutter fiel ihm auf die Nerven — und die Tochter? Nun, hoffentlich bildete die sich nicht etwa Unmögliches ein. Sie hatte ihm nicht leid getan, die stolze Brigitte mit dem müden Zug um den Mund. Der scharfe Frauenkenner hatte es nur zu leicht feststellen können, wie schön, wie berückend schön Brigitte von Hagen einst gewesen sein mußte. Nun, er konnte sie nicht aus ihrer Welt heraus helfen. Dann fuhr Kardorf zu dem Landrat Kaskel. Dieses Paar hatte keine Kinder. Der Landrat fiel sofort mit poli tischen Fragen über seinen Gast her, und die Frau Landrat strickte eifrig an einem weißen, baumwollenen Strumpf. Während Kardorf den Ausführungen des Landrats scheinbar eifrig folgte, der ihm die Unmöglichkeit der jetzi gen Verhältnisse auseinandersetzte, suchte er zu ergründen, ob dieser häßliche baumwollene Strumpf dort, an dem die klappernden Nadeln eifrig gehandhabt wurden, für einen Mann oder für eine Frau bestimmt sei. Nachdem er sich dergestalt die vorgeschriebene Besuchszeit notiert hatte, fuhr er nach Hause. Das Bewußtsein seines Junggesellendaseins hob ihn über jede Verpflichtung hinweg. Die Nachbarn kamen nicht auf ihre Kosten, wenn sie dachten, Schloß Hagenhöhe würde seine gastlichen Pforten öffnen. Morgen mußte er noch einmal fahren. Da waren die Teblers! Mit drei schönen Töchtern gesegnet! Und reich! Der Alte in allen möglichen Ehrenämtern! Dann kamen Graf und Gräfin Landsbrück! Beide steif und unnahbar! Beide auf eine ungeheure Ahnenreihe zurückblickend. Beide hochgebildet und zum Davonlaufen häßlich. Brr! Das konnte fidel werden. Dann war noch der Minister außer Dienst da, der sich hier in diesem Winkel zur Ruhe gesetzt hatte, weil es was zum Schießen und was zum Angeln gab. Seine Exzellenz war kurzsichtig, und es sollte zuweilen passieren, daß er die Grenzsteine nicht genau unterscheiden konnte. Aber Exzellenz lächelte dann so treuherzig und meinte: „Verzeihung! Verzeihung! Ich war tatsächlich der Meinung, ich befände mich noch auf Baredauer Gebiet. Wir müßten dann - Hm, aha!" Daraus folgte nichts mehr, sonvern Exzellenz putzte seine Brille und wartete, was der Geschädigte entgegnen würde. Da man der liebenswürdigen Exzellenz aber doch nichts auf die freundliche Entschuldigung, die im Grunde genommen nicht einmal eine war, erwidern konnte, so lief die Karre, wie sie eben lief. Das alles hatte Inspektor Bomke seinem Herrn pflicht schuldigst gemeldet. Exzellenz war verwitwet, und seine zwei flotten Söhne kosteten ihm ein hübsches Sümmchen. Töchter waren keine da, nur die Schwester Seiner Exzellenz stand dem Haushalt in Baredau vor, und es ging dort unter ihrem Regiment alles wie am Schnürchen. Ja, also morgen kam diese Familie an die Reihe. Und dann war Schluß, Schluß, Schluß! Dann würde er seinem alten Herrn berichten, daß er seinen Willen respektiert, und nun sollte der ihn auch zufrieden lassen. In Hagenhöhe empfingen ihn seine Freunde in fröh lichster Laune. Sie saßen in der kühlen Halle und würfel ten. Im Kühler stand Sekt, und die Sieberten, Kardort Mamsell, schien die besten Bissen aus der Speisekammer zusammengesucht zu haben.