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Nr. 300 Pulsnitzer Tageblatt. — Sonnabend, den 28. Dezember 1929. Seite 6 Steuererleichterungen für Arbeitnehmer Für Lohnfteuererstattun» und Erhöhung de» steuerfreien Anträge einreichen Am 1. Januar nächsten Jahres können seitens der Arbeitnehmer wieder Lohnsteuererleichterungen für das Jahr 1929 beantragt werden. Der Erstattungsantrag muß bis zum 31. März 1930 spätestens gestellt werden und zwar bei dem Finanzamt, in dessen Bezirk der Arbeitneh mer am 10. Oktober 1929 seinen Wohnsitz gehabt hat. Dem Antrag muß beigefügt werden: Die Steuerkarte 1929, Bescheinigungen der Arbeitgeber, aus denen die Höhe des Arbeitslohnes, die einbehaltene Lohnsteuer und sonstige Angaben hervorgehen; im Falle des Verdienst ausfalles infolge Krankheit eine Bescheinigung der Krankenkaffe, infolge Erwerbslosigkeit, Aussperrung oder Streik eine Bescheinigung der Arbeitslosenversicherung oder eines Berufsverbandes; im Falle des Vorliegens besonderer wirtschaftlicher Verhältnisse Rechnungen und sonstige Belege. Anträge auf Erstattung können gestellt werden, wenn infolge Vcrdienstausfalles (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Aussperrung) der steuer freie Lohnbetrag von 1200 Mark und die nach dem Familienstande freibleibenden Beträge im Lause des Jahres 1929 nicht voll berücksichtigt worden sind; wenn im Jahre 1929 die Leistungsfähigkeit durch beson dere wirtschaftliche Verhältnisse (außerordentliche Belastung durch Unter halt oder Erziehung dec Kinder, mittellose Angehörige) wesentlich beein trächtigt worden ist. Die Höhe der Rückerstattung beträgt niemals mehr als im Kalenderjahr 1929 an Lohnsteuer eingehalten worden ist. Es kann aber im Falle des BorliegenS besonderer wirtschaftlicher Verhältnisse ein vom Fianzamt nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmter Betrag festgesetzt werden. Auch können Anträge auf Erhöhung des steuerfreien Betrages für das Jahr 1930 dem zuständigen Finanzamt eingereicht werden, wenn ausführlich zu begründende, besonders wirtschaftliche Belastungen vorliegen (z. B. durch Unterhaltung mittelloser Angehöriger usw) oder wenn der monatliche Pauschsatz von 40 Mark für Wsrbungskosten und Sonderleistungen (Ausgaben für Fahrt zwischen Wohnung und Arbeits stätte, für Werkzeuge, Berufskleidung, Versicherungen, Kirchensteuer, BerufSverbandsbeiträze usw,) überschritten wird. Diese Anträge werden zweckmäßig sofort nach Erhalt der Steuer karte 1930 unter Beifügung der Belege gestellt, damit die eintretende Ermäßigung bei der ersten Lohn- oder Gehaltszahlung im Januar durch den Arbeitgeber berücksichtigt weiden kann. Doch noch Zeppelin-Nordpolflug? Kopenhagen. Aus Oslo wird gemeldet, daß im Gegen satz zu den Meldungen aus Friedrichshafen, wonach der Nordpolflug des „Graf Zeppelin" wegen der Schwierig keiten der Versicherung aufgegeben würde, Fridjof' Nansen erkläre, daß dieses mcht der Fall sei. Wohl werde der Termin vielleicht etwas verspätet werden, aber er glaube zuverlässig daran, daß die Frage der Versicherung noch ge ordnet werde. Die Verhandlungen seien noch im Gange. Es sei zu hoffen, daß die ganze Sache in Ordnung käme. ckark 1» kslnsm Usus« -»KI«». ZV!« okt kommt «» vor, Vak man m>u>t« Irgeml votMe 5Mm«r«n lelsvt. öson wirkt von »opk-ilii»««» cis« 2»kntlet»cji oü«r «ja nobler 2skn. »cM.a, KNeüllia, Kreme- ooer olleclerscvmerren qusten «inen « 1 « dringt UurmeMergelst s « IIoI- ölisn verlenge übern» »»«UMrLIliL LKKzkOb. c-rmol tut wollt! prel« ki^k. I M unct 2.7S. a-ur-»«»t-k--lt»rllL, (Nmele) l-öwen-^potlielce 11. VLrnine; Ontrrl-Oroxerie » X Zentseb ktokren-vrogerie Ne > ix Herberg Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 27. Dezember Dresden. Die Börse verlies in schwacher Haltung: bei sehr geringen Umsätzen gab es überwiegend Kursabschwä chungen, die jedoch nur in wenigen Fällen über 2 Prozent hin ausgingen. Es verloren Bautzener Brauerei unter Berück sichtigung ihres 17prozcntigen Dividcndcnabschlagcs 8 Pro zent, Malzfabrik Mellrichstadt und Somag je 4, Dresdener Nähzwirn 3, Schubert u. Salzer 2,75, Deutsche Ton 2H Residenzbaubank 2,25, Kommerz- und Privatbank, Polyphon und Vereinigte Photogenußscheinc je 2 Prozent. Dagegen lagen höher Grüner Bräu um 5, Heidenauer Papier um Z und Jndustriewerke Plauen um 2,5 Prozent. Von Renten aewannen 8vrozentiae Dresdener Stadtanleibe von 1928 und siprozentige Sächsische Staatsanleihe von 1927' je 0,25 Prozent, während Zwickauer Stadtanleihen 1,5 Prozent verloren. Leipzig. Die Börse verkehrte in etwas freundlicherer Hal tung. Die Kurse hatten in der Mehrzahl kleine Aufbesserungen zu verzeichnen. Größere Gewinne wiesen Leipziger Piano mit 3,25, Böhme mit 3 Prozent auf. Dagegen verloren Polyphon und Daiiatbank je 2 Prozent. Anleihen ziemlich unverändert; Freiverkehr ruhig. Chemnitz. Die Börse zeigte eine freundlichere Stimmung. Maschinenaktien und die Diversen erzielten Ausbesserungen bis zu 2 Prozent. Nur Dresdener Schnellpressen, Sachsenwerk und Schubert u. Salzer lagen etwas niedriger, ebenso von Bank aktien Adka, Darmstädter und Bank für Brauindustrie. Textil aktien unverändert. Dresdener Produktenbörse. Börsenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 27. 12. 23.12. 27.12. 23. 12. Weizen Weiz.-Kl 11,8—12,2 11,8—12,2 77 Kilo 241—246 287—242 Rogg.-Kl 11,5—12,7 11,5—12,5 Roggen Kaiseraus- 73 Kilo Wintergerst 171—176 170-175 178-178 110-175 zugmehl Bäcker- 44,7—46.2 44,5—46,0 Sommergsi 198—210 198—210 mundmehl 38,7—40,3 38,5—40,0 Hafer, inb 151—156 152—157 Weizen- Raps, tr. — — nachmehl 15,5—16,0 15,5—16,0 Mais Znland- Laplata 185—187 185—187 n'eizenm. Cinqu. 21,0—23,0 21,0-22,0 Type 70 N 34,7—35,7 34,5—35,0 Rotklee —- — Roggen- Trocken- mehl 0 I schnitzel 10,7-10,9 10,7-10,9 Type 60 A 29,2—30,2 29,5^0,5 Zucker- Roggen- schnitzel —— mehl I Kartoffel- Type 70 H 27,7—28,7 28,0—29,0 flocken 17,0—17 3 17,0-17,8 Roggen- Futtermehls,8—14,8 13,8—14,8 nachmebl 15,5-16.5 15.5—16.5 i Berliner Börse vom Freitag. Die Börse stand völlig im Zeichen von Zwangsverkäufen, denen sich noch freiwillige Posttionslösungen von solchen Kreisen, die reportmüde geworden sind, zugesellten. Größere Abgaben sollen insbesondere für Rechnung der Firma Siegfried Brann erfolgt sein. Die neue BanLschroierigkeit in München verstimmte, und zwar um so mehr, als Gerücht« verbreitet waren, daß auch ein Bankgeschäft in Düsseldorf in Schwierigkeiten sei. Auch die Zah len, die der Reichsbankausweis vom 23. d. M. zeigt, waren nicht so, daß die Börse daraus eine Anregung hätte ziehen können, lieber die Gesamtlage läßt sich sagen, daß in der abgelaufenen Liquidationsperiode die Baiffe-Engagements sehr empfindlich zu sommengeschrumpft sind, da di« Nachfrage nach Stücken, ein siche rer Gradmesser für den Umfang der Baiffe-Gngagements, verhält- nismäßig sehr klein war. Gesucht waren fast ausschließlich die Aktien der Darmstädter und Nationalbank. Effektenmarkt. Heimische Renten veränderten sich nur wenig. Von ausländischen Anleihen waren Türken uneinheitlich. Bos nier nach schwächerem Beginn erholt. Schiffahrtswerte gingen zeitweilig etwa auf ihren bisher niedrigsten Stand zurück. Banken verloren im Durchschnitt 1 Prozent, zum Teil aber auch 2 Prozent. Von Montanaktien waren insbesondere Laurahiitte angeboden. Kaliwerte verloren bis zu 2 Prozent. Auch die Farbenaktie war etwa 2 Prozent niedriger bei kleinsten Umsätzen. Von Elektroaktien waren Chade stark gedrückt, in denen größere Zwangsverkäufe angeblich auch für di« in Schwierigkeiten geratene belgische Bank vorgenommen worden sein sollen. Berliner Produktenbörse: Weizen fester. Die internationale Höherbewertung des Weizens begründete sich in der Veranlagung des argentinischen Marktes. Die höchsten Preisspitzen konnten indessen in Uebersee in den zwischenzeitlich abgehaltenen Terminbörsen Amerikas sich nicht voll behaupten, weshalb die Wertsteigerungen bei uns nicht so beachtlich waren, wie dies sonst vielleicht der Fall gewesen sein dürfte. Immerhin notierte Weizen etwa 2 Mark teurer. Beim Roggen dagegen wirken die verschiedensten Unlustmomente zusammen neben der neuen Zollvorschrift, bei der eine Exportst«igerungsmöglichkeit für Roggen über die vorher vorhanden gewesenen, Möglichkeiten hin aus nicht zu erblicken ist. Der Konsum verhält sich in fast allen Artikeln abwartend. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. MU tg 2k. I2 29 24 12 >9 wo K8 27.12 2! 24.12 29 Weiz. 246 0- 247 0 244 0-451 Riehl 70°/„ mark. Weizen 29 2 bb O 29.2 35.0 Dez. 258.00 255 50 Roggen 23.2 26 9 23 2 26 9 März 273.7-2 1.k 272 0-272.5 Weizenkleie 11 0 11.5 11.0 11.5 Mai Rogg. mark. 281.50 281.50 Roggenkleie Weizenkleie- 9.75-10 2 9 75 10.2 168 0-170.0 170.0-172.6 Melasse — Dez. 184.00 Raps (1000 leg) — — März Mai 201 0-200.0 211.7 211.2 209 5-201 5 212.0-213.0 Leinsaai (do.) Erbsen, Viktoria 29.0-38.i 29.0-38.0 K!. Speiseerbssn 24.0-28.1 24.0-28.0 Gerste Brau 187.0-203.0 187.0-2031. Futtererbsen Peluschken 21.0-22.1 200-21.0 21.O-S2.0 20.0-21.0 Wirrt. Futt 167.0-177.0 167.0-177 0 Ackerbohnev Wicken 18 5-P.O 23.0-26.0 18 5-20.0 23.0-26.0 Hafer Lupinen, blau 13.7-14.7 13.7-14.7 „ gelb 16.5 17 5 16.5-17.5 märk. 150 0 158.0 150 0-158 6 Sera della, neue 26.0 31.0 26.0-34.0 Dez. — — Raps uchen 18.4 18 9 18.4-18.9 März 173.5-173.0 173.75 Leinkuchen L3.8 24.6 23.8-24.0 Mai 186 5-186.0 186.75 Trockenschnitze 8.20 8 40 8 20 8.40 MaiS Soya-Lxlrak' 17.5-18.0 Berlin — — Schroi 17.5 18.0 Plata — — Kartoffelflocke, i4.5 >51 >4 5 IS.1 Metallpreise in Berlin (für 100 Kilogramm in Mark): Elcktrolytkupser wirebars 169,75, Orig.-Hüttenaluminium 98—99 Prozent, in Blöcken 190, do. in Walz- oder Drahtbarren, 99 Prozent 194, Reinnickel, 98—99 Prozent 350, Antimon-Regu lus 63—67, Feinsilber für 1 Kilogramm 64,75—66^50. — Die Viehmärkte der Woche. Mitgeteilt vom Deutschen Landwirtschaftsrar. Rinder Kälber Schafe Schweine Augsburg . 22—56 73—86 — 60—8o Berlin . — — —- — Bremen . —— — —- Breslau — — — — Dortmund . 27—63 60—98 —— 76—81 Danzig 1414—40 28—64 16—33 56—61 Dresden . . 24—58 70—95 44—69 79—83 Chemnitz . — 75—94 — 65—82 Düsseldorf . 22-63 55—115 —— 70—84 Elberfeld — — — — Essen . . . 28—65 60—130 — 73—85 Frankfurt . 28—60 80—96 — 82—85 Hamburg . . 16-62 45—105 20—66 65—80 Hannover . 30—60 65—98 — 78—80 Karlsruhe r . 17—60 62—84 — 65—88 Kassel . . — — — — Kiel . . . . 20—58 33—84 41—65 50—73 Köln . . . 25—61 — — 70—83 Leipzig . 25—60 75—96 45—74 67—83 Magdeburg — — — —— Mannheim . 16—62 80—94 45—76 72—88 München . — .— —» — Nürnberg . . 25—58 100-112 —— 80—85' Plauen . L — — — — Stettin . 15—55 40—90 20-62 69—83 Stuttgart . — — —— — Wiesbaden . 25—62 65—90 42—54 76—80 Zwickau . 1O SV <-75 105 *80—SS -70-110 *) Nach Schlachtgewicht. Die Preise sind Marktpreise für nüchtern gewogene Tiers und schließen sämtliche Spesen des Handels ab Stall und-Fracht, Markt- und Derkaufsspesen, Umsatzsteuer sowie den natürlichen Gewichtsverlust ein, müssen sich also wesentlich über d!« Stall preise erheben. (Ohne Gewähr.) Kirchen-Rachrichte« Lichtenberg Sonntag »ach Weihnachten, den 29. Dez, vorm. 9 Uhr Lesegottesdienst. — Dienstag, den 31. Dez., nachm. 5 Uhr Silvester gottesdienst. Sammlun« für den allgemeinen Kirchensonds. — Mitte wach, den I. Jan. 1930, Neujahrsfest, vorm. 9 Uhr Predigtgott«»- dienst. Sammlung. V>l1 Uhr Kindergottesdienst. Der neue Inspektor Lop/rhrdt bxLIsrtln keucdvv!ingsr,N»II« a.s.S. s28 Es klopfte. Platen, der eben mit dem Packen seiner Sachen beschäftigt war, öffnete. Jochen stand vor ihm. „Dat gnädige Frölen läßt den Herrn Inspektor bitten, doch mal runner zu kommen in den Gemüsegarten." „Ich komme sofort!" Eben hatte er sie selbst um diese Unterredung bitten wollen. Jedenfalls wußte sie bereits um die Flucht des Bruders... Als er den Garten betrat, kam sie ihm hinter den Stachelbeerbüschen mit weit ausgestreckter Hand entgegen, mit einem so warmen, leuchtenden Blick, so rosig über haucht, daß es ihn heiß überlief. So hatte er sie stets in seinen Träumen erblickt. »Ich danke Ihnen", rief sie schnell, seine Hand er greifend. „Fritz hat mir alles erzählt, wie tapfer Sie für ihn eingetreten sind." „Pah — große Tapferkeit! So wissen Sie auch — „Daß er fort ist! Ich selbst habe ihm dazu Verholfen und freue mich dessen. Je älter und selbständiger der Junge wird, je heftiger würden Vater und er aneinander geraten. Und ein ordentlicher Landwirt wird er ja doch nie werden." „Das glaube ich auch. Er muß studieren. Was, das wird sich finden. Jetzt ist es gerade noch Zeit, einen tüch tigen Menschen aus ihm zu machen. Ein intelligenter Kopf, ein gutes, edles Herz... Man muß ihn nur zu be handeln verstehen. Bei Ihrem Onkel ist er in den rechten Händen. Es wäre schade, wenn er hier zugrunde ginge oder ein unzufriedener Berufsversehler würde." „Aber ich habe Angst. Wenn ihn Papa nun wieder holt?" „Einen Menschen in dem Alter kann man nicht zwingen, wenn er fest entschlossen ist — und man kann ihn auch nicht einsperren. Ihr Vater wird sich hüten, eine große Haupt- und Staatsaktion vor seinen lieben Nach barn daraus zu machen, die doch alle gegen ihn wären." Lisbeth nickte schweigend; dann schritten sie stumm nebeneinander her. Im Dahingehen pflückte er einen kleinen Zweig mit den rotgrünen Beeren, die er nun langsam und mechanisch zwischen den Fingern zerdrückte. Er fühlte, daß jetzt die Stunde gekommen war, und ihm bangte davor. „Ich werde nun ebenfalls gehen müssen. — Das wissen Sie ja wohl auch?" „Ja! Fritz hat mir alles erzählt." „Und es tut Ihnen vielleicht ein bißchen leid?" Sie blickte ihn ernst und fest an und fragte: „Warum sind Sie hierher gekommen?" „Sie haben recht. Ich bin Ihnen die Antwort darauf schuldig. Und wenn ich nicht eher gesprochen habe, so... Ich will ganz offen sein: Sehen Sie, es sind jetzt sechs Jahre her... ich war noch Student... da war ich — ver lobt. Ich liebte das Mädchen, die Tochter eines kleinen Beamten, wie — nun, wie man eben zum ersten Male und in diesen Jahren liebt. Es sollte noch einige Zeit geheim bleiben... wir waren beide noch so jung. Das war mein Glück." „Sie — hatte einen anderen gern?" fragte Lisbeth leise. „Ach nein — gar nichts Romantisches! Sie wäre sehr gern meine Frau geworden. Aber ich kühlte mich ab... gründlich! Ich hatte mich in meiner jugendlichen Torheit ganz einfach in dem Mädchen getäuscht. Sie war doch nicht das Weib, das ich suchte und in ihr zu finden wähnte. Ein schönes Lärvchen, ein Plappermäulchen — wenig Hirn und Herz, das war alles! Als ich das endlich merkte, machte ich ein schnelles Ende und reiste ab. Ich habe es nie bereut. — So 'ne Heirat ist eben doch 'ne verdammt ernste Sache, die man sich nicht lange genug überlegen kann. So auf Lebens zeit aneinander gekettet! Die meisten Menschen tappen da viel zu schnell hinein. — Was, das ist 'ne seltsame Liebes erklärung ? Denn daß ich Sie lieb habe, Lisbeth, müssen Sie ja schon in Berlin gemerkt haben. So etwas meW jedes Mädchen." Er schien eine Antwort zu erwarten. Da sie aber wort los, mit niedergeschlagenen Augen neben ihm stand, das Antlitz in zarte Glut getaucht, so griff er nach ihrer Hand und preßte sie fest in der seinen. „Na, sonst wäre ich Ihnen ja nicht nachgereist. Aber da waren Sie plötzlich kühl wie Eis. Und man holt sich doch nicht gern 'nen Korb — nicht wahr? Gott, Lisbeth — liebes, süßes Mädchen, ich will Ihnen das alles später aus führlicher erzählen. Nur geben Sie mir jetzt keinen Korb! Ich würde ihn nicht mehr ertragen. Denn das weiß ich nun gewiß nach der langen Probezeit — diesmal habe ich mich nicht getäuscht!" Die feine Röte war purpurner Glut gewichen. Sie sprach noch immer nichts, als er sie mit atemloser Span nung ansah. Sie lächelte nur — ein liebes, sanftes Lächeln. Ihre Hand drückte leise die seine, und ein Blick traf ihn, so warm und leuchtend, daß er sie liebestrunken an sich preßte. Zum Glück deckten sie die Stachelbeerhecken gegen das Haus und jeden Lauscher. „Aber um Gottes willen, was soll daraus werden?" fragte sie seufzend, als er sie endlich losliess, während sie ein lose gewordenes Kämmchen wieder in die goldene Haarflut drückte. „Was soll denn werden, mein Schatz? 'ne vergnügte Hochzeit und so weiter." „Aber der Papa läßt mich ja nicht heiraten. Er hat es mir hundertmal gesagt." „I, dann rücken wir aus, wie Fritz, und heiraten ohne seine Erlaubnis." „Das geht doch nicht", sagte sie ernsthaft. „Bis zum einundzwanzigsten Lebensjahre muß ich doch seine Ein willigung haben." Er blieb stehen und blickte sie erstaunt an. „Woher weißt du denn das?" „Ach, zufällig — aus Papas Bürgerlichem Gesetzbuch' , stotterte sie verlegen. (Fortsetzung folgt.)