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Freitag, L9. November L929 8t. Jahrgang Beilage W Nr. 277 Zmanz- und Mohlfahrtsfragen. Sächsischer Landtag. (17. Sitzung.) OL. Drcsden, 28. November. Vor Eintritt in die Tagesordnung wandte sich der Abg. Arndt (Soz.) gegen die in der letzten Plenarsitzung vom Finanzminister abgegebene Erklärung, daß die Verhandlungen wegen Gewährung eines Kredits seitens der Arbeiterbank gescheitert seien, und bemerkte, es handele sich nicht um eine Staatsanleihe oder um einen Kredit sür besondere Zwecke, sondern m Wirklichkeit um einen solchen für allgemeine Zwecke, 1>nd 11 Prozent verlangt worden. Dieser Satz anderer Banken. (Große Unruhe rechts.) -^em Vertreter des Finanzministeriums sei ein weiterer Vor- WÜW unterbreitet ivorden, nach dem bei einer Diskontierung de» Kredits durch die Staatsbank 9 Prozent gefordert werden sollten. Die Arbeiterbank habe sich auch bereit erklärt, den Kredit für Notstandsarbeiten zu geben, und zwar zu einem herabgesetzten Zinsfuß. Die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen gewesen. Finanzminister Weber antwortete darauf, er habe lediglich die Tatsache erwähnt, daß von der Arbeiterbank Zinssätze verlangt worden seien, die weit über das Matz dessen hinaus gingen, was bisher an Zinsen verlangt wurde. (Unruhe links.) Die Bedingungen seien für die Regierung nicht annehmbar gewesen. Die Frage sei in der Gesamtregiernng besprochen und entschieden worden. Ein Angebot von 11 Prozent Zinsen sei für den Sächsischen Staat unannehmbar; man würde damit überhaupt untergraben. (Sehr richtig! rechts.) Was solle denn die Wirtschaft für Zinssätze zahlen, wenn der Staat 11 Prozent zahle? Auch den zweiten Vorschlag habe die Regierung ablehnen müssen, da sie sich mit einer sofortigen Diskontierung durch die Staatsbank nicht einverstanden er klären könnte. (Große Unruhe links.) Sodann wird der Einspruch des Abg. Sindermann (Komm.) gegen seinen in der letzten Sitzung erfolgten Aus schluß mit den Stimmen der Sozialisten, Kommunisten und Nationalsozialisten gutgeheißen Auf eine sozialdemokratische Anfrage über die öffentliche Bewirtschaftung des Wohnraumes des Gutsbezirkes Zeithain- Lager antwortet ein Vertreter des Arbeits- und Wohlfahrts- ministeriums: Es handele sich um eine Meinungsverschieden heit zwischen der Amtshauptmannschaft Großenhain und dem Präsidenten des Landesfinanzamts Dresden. Nach Prüfung der Rechts- und Sachlage kann das Arbeitsministerium der Auffassung des Landesftnanzamtes nicht entgegentreten. Es sei aber bereit, falls sich in einzelnen Fällen Härten ergeben sollten, vermittelnd einzugreifen. Die Gesetzentwürfe über die Beiräte bei den Berg- behörden und zur Änderung des Gesetzes über die Landes- kulturrentcnbank werden ohne Aussprache an den Rechts- ausschuß verwiesen. — Sodann begründet Abg. Siegel (Komm.) eine Anfrage seiner Partei über die Durchführung von Landtagsbeschlüssen wegen des Ausbaues der Gewerbeaufsichtsämter. Er verlangt vermehrte Betriebskontrolle und erhöhte und ver mehrte Kontrolle besonders in den Betrieben, wo gesund heitsschädliche Fabrikate hergestclit werden. — Ministerialrat Thiele antwortet namens der Regierung, die Durchführung von vermehrten Bctriebskontrollen sei nur durch Erweiterung des Beamtenstabes und einer Bureaureform bei den Gewerbe aufsichtsämtern möglich. Die neuerdings getroffenen Maß nahmen müßten zur Vermehrung nud Verln sscrnng der Kon trolle beitragen. Der kommunistische Antrag, die Regierung zu ersuchen, die Reichsbahndircktion zu verpflichten, Bahnübergänge bei Landstraßen mit Schranken zu versehen, geht ohne Aussprache an den Ausschuß. Eine kommunistische Anfrage betr. die Durchführung von Landlagsbeschlüssen wegen Ausgabe verbilligter Fahrkarten auf staatlichen Kraftwageulinien an Angestellte, untere Beamte, Erwerbslose, Schüler und Jugendliche wird von einem Regierungsvertreter beantwortet: Die Durchsührunq des Antrages bedeute eine besonders einschneidende Maß regel; das Finanzministerium müsse in dieser Hinsicht erst Versuche vornehmen, die mit Einschränkungen durchgeführt werden sollen. Hinsichtlich der Ermäßigung von Schüler karten beständen ja bereits Vorzugspreise bis zu 80 Prozent normaler Fahr kosten. Da das Landesarbeitsamt er klärt hat, Ausgleichsbeträge für Fahrkartenausfälle bei Er werbslosen nicht zur Verfügung stellen zu können, sehe sich die Regierung nicht in der Lage, dem gekennzeichneten Wunsch zugunsten der Erwerbslosen zu entsprechen. Der letzte Punkt der Tagesordnung, der Antrag der Sozialdemokraten wegen Einführung des 5-Uhr-Ladcnschlusses am 21. Dezember, wird auf Einspruch der Wirtschaftspartei abgesetzt, da — -wie der Ältestenausschuß in einer Sonder sitzung feststellte — der Antrag verspätet an die Abgeordneten verteilt worden sei. Nächste Sitzung Dienstag, den 10. Dezember. Reichstag und Freiheiisgeseh. 10 3. Sitzung, Donnerstag, den 28. November. Der Reichstag verabschiedete in seiner Donnerstag-Sitzung den Gesetzentwurf über die Herkunftsbezeichnung des Hopfens und anschließend das Opiumgesetz. Letzteres soll am 1. Januar ^930 in Kraft treten. Die Aenderungsgesetze zum Hypothekenbankgesetz, zum Scheck gesetz und zum Wechselsteuergesetz wurden dem Rechtsausschuß überwiesen. Das Gesetz zur Verlängerung des Steuermilde- rungsgesetzcs bis zum 30. September 1930 konnte nur in erster und zweiter Lesung beraten werden, da di« Kommunisten Wider spruch erhoben. Dann wurden Anträge beraten über den 5-Uhr-Ladcnsrhluß am Weihnachtsabend. Für den 5-Uhr-Ladenschluß traten die Sozialdemokraten ein, die Deutschnationalen beantragten, daß noch 20 Minuten nach 5 Uhr bedient werden dürfe. Die Anträge gingen an den Sozialpoliti schen Ausschuß. Der Einspruch des Reichsrats gegen das Gesetz über die Beschränkung der Einnahmen aus der Lohnsteuer ging an den Steuerausschuß. Nachdem die Tagesordnung erledigt war, schlug Präsident Löbe vor, am Freitag, 2 Uhr, die erste und zweite Lesung des Gesetzes über die Versklavung des deutschen Volkes in Verbindung mit dem nationalsozialistischen Antrag über den Abstimmungstag für den Volksentscheid und den deutsch- nationalen Antrag über Aenderung der Reichsstimmordnung vor zunehmen. Die Deutschnationalen widersprachen der zweiten Lesung des Gesetzes. Ur. Frick (Natsoz.) protestierte gegen den 22. Dezember als Wahltag. Die Wahl dieses Tages sei ein Verfassungsbruch, der Goldene Sonntag sei ein Geschäststag. Da der Poung-Plc.n den Reichstag wahrscheinlich erst !m Februar beschäftigen werde, liege kein Grund vor, den Entscheid im Dezember anzusetzen, vr. Frick verlangte die Vorlegung der Beschlüsse der Haager Konferenz und des Organisationskomitees. Die nationalsozia listischen Anträge würden abgelehnt. Der deutschnationale Antrag wurde angenommen. Am Freitag steht also nur die erste Lesung des Freiheitsgesetzes auf der Tagesordnung. * Der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstages nahm in Abänderung seiner Beschlüsse vom Dienstag nach eingehender Aussprache mit großer Mehrheit einen sozialdemokratischen'Antrag an, der die Reichsregierung ersucht, die im Jahre 1925 dem deutschen Weinbau zur Verfügung gestellten Winzerkredite im Betrage von 30 Millionen Nm., soweit erforderlich, auch über ihre Fälligkeit hinaus zu verlängern und in besonderen Notfällen teilweise oder ganz nicdcr- z usch la gern Sssonösrs günstigss a.Vare, Lkli di 7.50. I.sinvl»lisus Voigl, 8eftlo6str. Goldenes Jubiläum des Papstes. Rom. Der deutsche Botschafter v. Bergen überreichte dem Papst ein Schreiben des Reichspräsidenten mit den per sönlichen Wünschen des Reichspräsidenten und denen der Reichsregierung zu dem goldenen Priesterjubi läum des Papstes. — Anschließend übergab der Bot schafter das Geschenk der Rcichsregierung an den Papst. Das Geschenk ist ein Doppelt des sogenannten roten Prunktafel- serviccs Friedrichs des Großen. 9 Kandidaten für den Friedens-Nobelpreis Am 10. Dezember wird das Nobel-Komitee des norwegi schen Storting den Namen des diesjährigen Trägers des Frie denspreises bekanntgeben. Als aussichtsreichste Kandidaten werden genannt (von links nach rechts): Amerikanischer Staatssekretär Kellogg, Schöpfer des nach ihm be nannten Friedenspaktes, Elsa Vrandström, dis bekannte schwedische Philantropin, die für die deutschen Kriegsgefan genen in Rußland unermüdlich tätig war, und Erzbischof Soedcrblom in Stock holm, der Vorkämpfer für die Einigungsbestrcbungen der evangelischen Kirchen. Die kleine Studentin * * * Generaldirektor Sünder ließ sich zu ungewöhulich früher Morgenstunde, kurz nach acht Uhr, beim Kommer zienrat melden. .Dringend!" hatte er dem Bureaudiener gesagt. l34 Zu Walters Versuchen kam Beate verschiedentlich ins Laboratorium. In Gegenwart Beates war Helga nicht zum geringsten Versuch ihrer Erfindungen zu bringen; sie sah Walters Experimenten zu und leistete ihm mit zu sammengebissenen Lippen Handreichungen. Aus Eifersucht? - - . . . »Fräulein Koelsch, zeigen Sie ^rau von Sundwig em- mal das Experiment der Luftsärbung; es ist auch für Laien interessant." »^ch möchte es lieber nicht tun, Herr Doktor. »Natürlich. Sie sind noch ängstlich", lachte Beate, „kein AE" dem, was Sie durchgemacht haben. Die kvn Gebranntes Kind scheut das Feuer." do-5 ie batw^°°s Empfindlichkeit gegen Bemitleidung; doch sie hatte sich verrechnet. „Angst kenne ich nicht, der Gedanke ist mir nie ge kommen. „Nun... Sie beweisen das Gegenteil." Beate wollte ihren doch dieses junge Ding war ihr Plotzl ch gewachsen. Ruhig und selbstsicher lehnte sie an der Retorte^daß Beate sie ganz erstaunt an sah, so fremd wirkte sie. In bedächtiger Langsamkeit fielen ihre Worte ins Leere. »Meinen Mut beweisen, Frau von Sundwig, das habe ich nicht nötig." Roman von P. Wild OopZTrlxkl Alru-tv Srüxmknn, Lssüockvv. „Direktor Sünder? So früh?" wunderte sich der alte Herr. „Ich lasse bitten!" „Etwas Ungeheuerliches ist geschehen — Verrat", sprudelte der Eintretende in brüsker Aufregung hervor. Der kleine, dicke Herr, der mit den etwas kurzen Armen lebhaft gestikulierte, wirkte in der gepflegten Sorgfalt seiner Kleidung fast wunderlich. Das übermoderne Aeußere paßte so gar nicht zu seiner Art, machte ihn grotesk. Der Kopf war häßlich, die Züge grob, breite, sinnliche Lippen wirkten unsympathisch. Doch schauten unter der wirklich schönen, hohen Stirn ein paar kluge, lebhafte Augen hervor, die das Gesicht beherrschten. Welcher Wille steckte in dem unscheinbaren Körper! Sünder war ein Selfmademan und verachtete ost die Bindung bestimmter Gesellschaftsformen, wenn sie ihm lästig dünkten, wie eben jetzt. Als er jedoch bemerkte, daß sie nicht allein waren, daß Beate von Sundwig im Raume war, grüßte er höflich und bat um eine Unterredung unter vier Augen. Trotz aller Aufregung verfolgten Sünders Blicke wohl gefällig die schöne Frau. Er war ein Kenner. „Eine Schönheit, Werder." „Meine Sekretärin." „Beneidenswert, Sie. kennen meine. Dies ist ein ästhe tischer Genuß." „Sind Sie hergekommen, mir das zu sagen?" „Tja, das ist etwas anderes, eine üble Sache, sehr übel. Ist jemand im Nebenzimmer?" „Nur die Sekretärin." „Schicken Sie die fort! Wir müssen ganz ungestört sein." „Wir sind es, oder nehmen Sie an, daß sie horcht?" „Ich nehme nichts an, doch ich bin Geschäftsmann, brauche Vorsicht, wo ich sie für notweudig erachte. Bitte!" Der Kommerzienrat war erstaunt. Was mochte Sünder haben? Er war weder ängstlich noch ein Wichtigtuer. Er klingelte. Beate trat ein, sah ihn fragend an. Sekundenlang ver wirrte ihn der Blick, und er schämte sich fast, daß sie den Grund ahnte, warum er sie aus dem Zimmer schicken mußte. „Wollen Sie ins Laboratorium meines Sohnes gehen. Ich bitte ihn, Ihnen die Tabellen der Schutzlusi einzu- händkgen. Falls er abwesend ist, wird Fräulein Koelsch sie ihnen geben. Selbstverständlich die neuesten." „Ja, Herr Kommerzienrat." „Sollten die letzten Neuerungen noch nicht eingetragen sein, kann Fräulein Koelsch Ihnen die Einzelheiten aus einandersetzen." „Ich habe leider keine chemischen Kenntnisse, Heri Kommerzienrat, und fühle mich unsicher zur wissenschaft lichen Ucbermittlung." „Ganz recht. Ich vergaß. Nun, dann soll sich Fräuleir Koelsch bereit halten, auf Anruf zu kommen, wenn mein Sohn nicht dort ist, oder die neue Analyse zusügen." Sie ging. ' Hinter ihrer weißen Stirn jagten die Gedanken. Nun würde sic es bald in Händen haben, das Geheimnis der Schutzlust. Der Wcrkherr selbst schickte sie, es zu holen. Mit ihren weichen gemessenen Bewegungen verließ sie den Raum. Unwillkürlich sahen Beide der Davoneilenden nach Sünder wartete, bis ihr Schritt auf dem Flur verhallte. Ruckartig mit seinen-unausgeglichenen unruhigen Be wegungen trat er ganz nahe zu dem Freund. „Kurz und gut. Das Geheimnis der Schutzluft ist ge stohlen. Man hat cs ansländischer Konkurrenz angebotcn." „Unmöglich." „Unmöglichkeiten gibt es nicht. Ich habe die Nach richt von eittchandfreier Seite. Glauben Sie, ich reise zu meinem Vergnügen in aller Morgenfrühe hierher? Mein Gewährsmann ist vorzüglich unterrichtet, hier sind Ab schriften der tabellarischen Auszeichnungen, ein Duplikat der angebotenen Papiere." (Fortsetzung folgt.)