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pulsMerIayeblatt Sonnabend, 23. November 1S29 Beilage z« Nr. 272 81. Jahrgang ringöustiar finanzielle Lage der sächsischen Arbeitslosenversicherung. Die Envv«r»ürtz de» Srnnahmeu und Ausgaben des Landesulbeitsawies Sochseu un Sommerhalb- jahr 1929 (April btS Septenider) vca mit einem Halb- jahrsfeblbetrag von UM Millionen Marl recht un günstig abHelchniiren. wie es jedoch angesichts der be sonders ungünstigen ÄrbeitSmürltlag« in Gochsen nicht verwunderlich ist. Die GesamrauSgaben beliefen sich mit 96,9 Millionen Marl von April dis September 1929 fast doppelt so hoch wie di« Gesamtausgaben im vorigen Sommeryalbjahr (SOL Millionen Mark). Davon war der Aufwand für dir Arbeitslosenversicherung im Halbjahr 1929 mit dO,14 Millionen Mark über doppelt so hoch wie im Svmmerhalbjahr 1928 (24,89 Millionen Mark) und bar schon fast die Hohe des Aufwandes im Winterhalbjahr 1928/29, die 64,46 Millionen Mark betrug, erreicht. Die Ausgabe für Maßnahmen zur Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit hielt sich in den drei letzten Halbjahren ungefähr auf gleicher Höhe, während die Verwaltungsausgaben im Sommerhalbjahr 1929 gegenüber den vorhergehenden Halbjahren gesunken sind. Höhere Ausgaben als die Verwaltungskosten verursachte die Krankenversicherung der Arbeits losen. In den Monaten April bis September 1929 be trugen die Krankenkassenbeiträge in der Arbeitslosenver sicherung 6,3 Millionen Mark, das sind 14,8 Prozent des reinen Unterstützungsauswandes in der Arbeitslosenver sicherung. Die Aussichten für das Winterhalbjahr 1929/30 sind entsprechend der sächsischen Arbeitsmarkt- und Wirt schaftslage außerordentlich ungünstig. Sachsen, das früher regelmäßig zu den Überschußgebieten gehörte und einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen an die Hauptstelle der Reichsanstalt abführen konnte, ist binnen kurzer Zeit infolge der mehrfach geschilderten ungünstigen indu striellen Entwicklung zu einem Notstandsgebiet geworden, das mit Ausnahme des Monats Juli in jedem der übri gen fünf Monate des Sommerhalbjahrs 1929 einen Fehl betrag der Einnahmen aufwcist. Es wäre erwünscht, wenn bei allen künftigen in die Wege geleiteten Notstands maßnahmen der ungünstigen Arbeitsmarktentwicklung stärker als bisher Rechnung getragen werden könnte. Reichstagsabgeordnete in Sachsens Weinbergen. In dieser Woche besichtigten verschiedene Neichstaas- abgeordnete in Begleitung von Vertretern des Reichs wirtschaftsministeriums und des Landesverbandes für Obst- und Weinbau die Weinbaugelände in Meißen und in der Lößnitz. Dem sächsischen Weinbau und seinen Er. Zeugnissen wurde große Anerkennung gezollt. Vor der Stillegung der Linke-Hofmann-Busch-Werke. Die bisher in Abrede gestellte Schließung der Linke- Hofmann-Busch-Werke, Werk Werdau (Vorm. Sächsische Waggonfabrik) scheint nunmehr doch unmittelbar bcvor- zustehen. Die wesentliche Ursache dazu dürfte darin zu suchen sein, daß die Hauptverwaltung der Linkc-Hofmann- Busch-A.-G. die für das übernommene Werdauer Werk zu geteilte Waggonbauquote in Bautzen ausführen läßt. Daß sonach die Beschäftigungsmöglichkeit für Werdau, wo außerdem nur noch Karosserien von Omnibussen für die „Vomag" gebaut werden, sinken muß, ist ganz natürlich. 23 kaufmännischen und technischen Angestellten, die zum Teil schon über 20 Jahre im Werk beschäftigt sind, ist ge kündigt worden. Von der etwa noch 400 Mann starken Bctriebsbelegschaft steht die Kündigung von etwa 180 Mann unmittelbar bevor. Diese Maßnahmen müssen sich natürlich im Wirtschaftsleben der Stadt und des Bezirkes geradezu katastrophal auswirken. Ein Ostlandssommerreise als Weihnachtsgabe. Berlin. Der Seedienst Ostpreußen, die Schnellschiffsver bindung Swinemünde—Zoppot—Pillau—Memel dient der sich ständig ausbreitenden Bestrebung nach Reisen in den deutschen Osten durch die jetzt zu Weihnachten erfolgende Herausgabe von Gutscheinen, die im nach st eu Jahre zu jeder beliebigen Zeit gegen ver- billigte Rückfahrten zwischen den Anlaufstellen des Seedienstes Ostpreußen eingetauscht werden können. Die hübsch gedruckten Gutscheine sind mit Bersand- umschlag in allen größeren Reisebüros erhältlich. Sie kosten für die Strecke: , Swinemünde—Pillau oder umgekehrt 24 Rm.; Swinemünde—Zoppot oder umgekehrt 21 Rm.; Swinemünde—Memel oder umgekehrt 27 Rm.; Zoppot—Pillau oder umgekehrt 9 Rm.; Zoppot—Memel oder umgekehrt 1ö Rm.; Pillau—Memel oder umgekehrt 12 Rm. Totensonntag. Wenn die letzten Blätter gefallen sind, Die letzten, die herbstlich roten, Dann ist ein Sonntag für euch bestimmt — Das ist der Sonntag der Toten. Der Sonntag der Toten! Da wandert's hinaus Zum Friedhof bei Sonne und Regen, Zu den Lieben, die einsam da unten ruh'n. Auf die Hügel Blumen zu legen. Zu spät — zu spät! Der Herbststurm brach Die Bäume mit Wetterschauern ... Tut Liebes denen, die Gott euch ließ, Und laßt um die Toten das Trauern. Sie ruhen geborgen in Gottes Hut Im traumlos friedlichen Schlummer, Sie kennen nicht Not mehr und Erdcnpein, Nicht Sehnsucht und Herzcnskummer. Da denken sie ihrer im stillen Gebet Mit heißen, brennenden Tränen. Und rufen vergangene Stunden zurück In still erinnerndem Sehnen. Ihr wißt nicht, wovor sie das Leben bewahrt, Wie schwerem Leid sie entgangen; Gönnt ihnen den Frieden und stört sie nicht Mit eurem Sehnsuchtsverlangen. Ein Kranz, ein Sträußchen, das letzte ist's, Das sie ihren Toten noch geben —, Ach, daß sie ihnen mit Rosen geschmückt So spärlich ihr armselig Leben! Wenn die letzten Blätter gefallen sind, Die letzten, die herbstlich roten —, Dann wandert am Tage, der ihnen gehört, Zu den Lieben — von euren Toten. Zerstörung des Gleichgewichts zwischen Industrie und Landwirtschaft ist zugleich eine Zerstörung der Rentabilität der Landwirt schaft eingetreten, die auf die Dauer zwangsläufig zu einer Schrumpfung des Binnenmarktes führen muß. Ebenso ver hängnisvoll ist aber eine weitere Folge. Die Ueber- industrialisierung Deutschlands hat zu einer ungesunden Schwergewichtsverlagerung nach dem Westen geführt, die sich in einer gefährlichen Entblößung des deut schen Ostens äußert. Darauf glaube ich, gerade als west deutscher Bauer, mit Nachdruck Hinweisen zu müssen. Der deutsche Bauer un- das deutsche Volkstum. Die Führertagung des Reichs-Landbundes. Berlin. Freitag und Sonnabend fand im Reichs-Land- bundhaus die Führertagung des Reichs-Landbundes statt. Die Tagung stand unter dem Leitgedanken: „Der deutsche Bauer und das deutsche Volkstum." Am Freitag eröffnete der Präsident des Reichs-Landbundes, Reichsminister a. D. Or b. e. S ch i e l e, mit einer Begrüßungsansprache die Ta- quna Er führte dabei u. a. folgendes aus: Wir stehen dicht vor den schwersten Entscheidungskämpfen um praktische Hilfe tür die Landwirtschaft. Gerade in solchen Kämpfen um das nackte Leben gilt es, sich immer wieder auf die volkspoli- tisäien Grundlagen zu besinnen, aus denen unser Kampf -L innere und sittliche Rechtfertigung schöpft. Es mag Ihnen und der Welt draußen von unserem ungebrochenen Kampfeswillen zeugen, wenn wir inmitten dieser Kampfe unsere Blicke in dieser Führertagung über die praktischen Gegenwartsfragen hinausführen zu den Grundfragen unserer Nation. In der Ueberzeugung, daß nur eine gesunde deutsche Landwirtschaft Deutschlands Zukunft an Staat und Volk verbürgt, finden wir Kraft und Mut für die Kämpfe des Alltags um die praktischen Wirklichkeiten. Deshalb soll die Fuhrertagung - auch nicht mit Kritik und Klage ausgefüllt sein, obwohl hierzu genug Grund vorhanden wäre, sondern wir wollen den Weg weisen zu positiver Arbeit, zu schöpferischer Lösung der Lebensprobleme unseres Volkes. Wir müssen uns frei- machen von der Ueberschätzung städtischer Lebens- und Denkweise und städtischer Zivilisation. Die Landflucht hat ihre letzten Wurzeln in der Unter bewertung ländlichen und bäuerlichen Wesens, der sich unser ganzes Polk und besonders unsere Politik schuldig gemacht hat. Heimstättenpolitik und Siedlungspoli tik sind deshalb die beiden Pfeiler einer neuen, im wahren Zinne sozialen Bevölkerungspolitik. Jeder in der Landwirtschaft tätige Arbeiter setzt anderthalb Arbeitskräfte in der Industrie in Nahrung. Rechnet man vorsichtig mit einem allmählich herbeizuführen den Mehrbedarf an ländlichen Arbeitskräften von 500 000 Menschen, so ergibt das neue Arbeitsmöglichkeiten in der Industrie für dreiviertel Millionen Menschen, insgesamt also so viel neue Arbeitsplätze, daß auf diesem Wege der Block unserer Arbeitslosen fast völlig beseitigt werden kann. Darauf sprach Oberregierungsrat vr. F. Burgdör fer über das Thema „Der Geburtenrückgang und die be völkerungspolitische Bedeutung des Landvolkes". Er führte u. a. etwa folgendes aus: Das deutsche Volk hat aufgehört, ein wachsendes Volk zu sein. Auf Grund neuartiger Unter suchungsmethoden ergibt sich, daß die Geburtenziffer von heute nicht mehr ausreicht, um den Volksbestand zu erhalten. Geburtenrückgang und Landarbeiterfrage. Der Sonnabend, der zweite Tag der Führertagung des Reichs-Landbundes, wurde eingcleitet durch ein Referat des Direktors der Deutschen Arbeiterzentrale, Freiherrn von dem Bussch'e-Kessel, über „Geburtenrückgang und Landarbeiterfrage". Durch Geburtenausfall und Derschie- düng im Altersbau der Bevölkerung werden bereits in den nächsten Jahren rund drei Millionen jugendliche Arbeitneh- mer und Lehrlinge vorübergehend auf dem ArbeitsmarkL fehlen. Mit vorübergehenden Notstandsmaßnahmen ist dem bevorstehenden Arbeitermangel nicht abzuhelfen. Die land wirtschaftlichen Organisationen werden sich rechtzeitig darüber klar werden müssen, daß der Landwirtschaft infolge ihrer schlechten Rentabilitätslage künftig noch weniger Arbeits kräfte zur Verfügung stehen werden. Der Bedarf der Land- Wirtschaft an Saisonarbeitern dürfte daher in Zukunft eine schnell steigende Tendenz aufweisen. Or. Karl C. von Loesch, der über die deutsche Be völkerungsfrage im europäischen Raum sprach, erklärte: „Mit Riesenschritten nähern wir uns einem ausgesprochenen Be völkerungsverfall. So konnte es kommen, daß schon seit mehreren Jahrzehnten in den Grenzgebieten und im Aus landsdeutschtum eine Unterwanderung früher rein oder überwiegend deutscher Gebiete stattfindet und in der Ostmark die Polen, in Siebenbürgen, Rumänien, Ungarn die Zigeuner die Deutschen aus ihrer örtlich vorherrschenden Stellung zahlenmäßig in eine immer ungünstigere druckten. Die Führertagung des Reichslandbundes wurde ge schlossen durch eine S ch l u ß a n s p r a ch e d es Pr a s l - denten des Reichslandbundes, Reichstags- abgeordneten Hepp. Er führte u. a. aus: Mit der