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Die junge Dame schau erte unwill kürlich zusam men. Mit gro ssen Augen sah sie in Hans Jürgens ver legenes Ge sicht. Aber ehe sie noch ein Wort sagen konnte, war er in die Küche gegan gen, und man hörte ihn eif rig darin han tieren. Nun wandte sich die junge Dame an den Chauffeur. „Was sein gewesen mit die Auto, Chauffeur, warum konnten Sie es nicht bringen zum Stehen vor die Fähre?" Er sah zur Erde. Mit einem Seufzer sagte er: „Sie haben gesehen, Miß, wie ich mich bemüht habe, den Wagen zum Stehen zu bringen, nicht wahr?" „H-, ich haben gesehen und habe,! gehört, daß Sie geschrien haben sehr ärgerlich. Und da sein ich aufgesprungen, weil ich gebangt, daß die Auto wird fahren in den Fluß. Oh, was haben ich gehabt für Angst! Wie sein das nur gekommen, daß die Auto nicht stillgestanden hat?" „Die Bremsvorrichtung ist kaputt gewesen. Als ich es merkte, konnte ich den Wagen nicht mehr herumreihen. Und selbst wenn das geglückt wäre, o mein Gott — wir wären viel leicht irgendwo angerannt, und dann ... dann ..." Seine Stimme begann zu zittern — „Nun wird man mir an allem die Schuld geben, und ich werde vielleicht meine Stellung ver lieren und gar meinen Führerschein! — Und was wird dann aus meiner Frau und meinen Kindern!" „Sein Sie ohne Sorge. Ich werde bitten mein Vater, daß er dafür eintritt, daß Sie nicht verlieren Ihre Stellung und Ihre Führerschein. Er wird sorgen dafür, daß Sie nicht haben Schaden." Eben öffnete sich die nach der Küche führende Tür. Zans Jürgen trat ein, ein Tablett in der Hand haltend, auf dem eine Kanne Tee stand, drei große Tassen und ein Teller mit Butterbrot. Er setzte alles auf den mit einer Wachstuchdecke belegten Sofatisch. Dann entnahm er einem Wandschränkchen -eine Flasche, die noch einen Rest Rum enthielt, und eine Zuckerschale. Nachdem er selber die Tassen gefüllt und sie vor die junge Dame und den Chauffeur hingesetzt hatte, nahm auch er Platz. „Sie müssen den Tee so Heitz wie möglich trinken, Miß, ich fülle noch mal nach. Ordentlich warm werden, das ist jetzt die Hauptsache für Sie, damit Sie sich nicht erkälten. — So, auch etwas Rum! Trinken Sie tüchtig. Ihre Sachen hängen schon draußen, unsere auch. Aber eine Weile wird es noch dauern, bis sie trocken sind." Lächelnd sah sich die junge Danie in dem Zimmer um, während sie die große Tasse an den Mund setzte und gehor sam trank. Freundlich reichte Hans Jürgen ihr den Teller mit den Butterbroten. „So ein kaltes Bad macht hungrig, Miß, und etwas an deres habe ich leider nicht anzubieten, bitte, langen Sie zu." Wie vornehm sein Benehmen, wie edel seine Bewegungen! Sie fühlte, daß er in herzlichster Weise Gastfreundschaft bot und daß sie ihn kränken würde, langte sie nicht zu. Herzhaft biß sie mit ihreu weißen Zähnen hinein und trank dann wieder einen tüchtigen Schluck. „Oh, so schön warm werden mich an diese Tee, ich müssen Ihnen immer wieder danken." Mit schelmisch liebenswürdigem Lächeln sagte sie es. Er wurde unwillkürlich rot. — Unverwandt mußte er sein reizendes Gegenüber ansehen. Wie ein Wunder fast erschien es ihm, daß er eine so vornehme junge Dame in seiner schlichten Häuslichkeit beherbergen durfte. * * * Der Chauffeur war mit einem Briefe der jungen Dame nach der Stadt gesandt, der ihren Vater von dem Geschehenen in Kenntnis setzen sollte. Er enthielt ferner die Bitte, sie mit Kleidern, Schuhen und Wäsche zu versorgen, und alles das, wenn irgend möglich, selbst herauszubringen und sie von dem Fährhause abzuholen. Nun befanden sie sich ganz allein in dem engen Stübchen. Eine leichte Verlegenheit hatte sich der beiden jungen Leute im Zimmer drinnen bemächtigt. Wer vermochte zu sagen, woran jeder von ihnen in diesem Augenblicke dachte. Aus einmal fiel es Hans Jürgen ein, daß es wohl an der Zeit sei, sich der jungen Dame endlich vorzustellen. Er tat es und bat sie, auch ihm ihren Namen zu nennen. „Ich heißen Mildred Warren. — Wohnen Sie ganz allein hier in diese kleine Haus?" „Ja, Miß Warren, seit dem Tode meiner Eltern." „O, Ihr Vater sein auch gestorben?" „Ja — Aber jetzr, da wir allein sind, können wir wieder Englisch sprechen. Ich tat es bisher nur nicht, weil der Chauffeur zugegen war." Sie sah ihn forschend an. „Ach ja — Sie sprachen schon einige Worte Englisch zu mir." „Sie sprechen es sehr gut, haben Sie es in England ge lernt? Oder in Amerika?" Er lachte. „Nein — weder da noch dort. Das wenige, was ich kann, habe ich mir durch Selbststudium angeeignet. Überhaupt — ich bin noch niemals über unsere Stadt da drüben hinausgekommen, und seit meines Vaters Tode sitze ich Tag für Tag an der Fähre." Sie sah ihn erstaunt an. „Noch nie von hier fortgekommen!" „Nein — ich hatte einst wohl auch daran gedacht, in die Welt hinauszugehen. Studieren wollte ich, und meine Eltern wollten mir das auch ermöglichen und verzichteten auf manche kleine Annehmlichkeit, um mir eine gute Schulbildung zuteil werden zu lassen." Mildred blitzte ihn mit ihren schönen Augen an. „Nun, das sein Pflicht von eine jede Vater, soweit es in seinen Kräften steht." Hans Jürgen errötete jäh, und seine Stlrn zog sich wie im Schmerz zusammen. Die junge Danie stutzte plötzlich. Er er« innerte sie mit dieser zusam- mengezoge- neuStirn und mit den vor unterdrückter Erregung dunkel erschei nenden Au gen an irgend jemand, doch ohne daß ihr einfiel, an wen. „Der, den ich Vater nann te", fuhr Hans Jürgen nur ei nein leichten Seufzer fort,