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VulsmtzerZageblait Sonnabend, s«. Oktober 19S9 2. Beilage z« Nr. 231 81. JahrgangM^ Der s. November vor dem NecWausslyO. Im Rechtsausschutz des Sächsischen Landtages wurden die Beratungen über die Regierungsvorlage bctr. Aushebung des 9. - N o v e m b e r-F e i e r t a g e s fortgesetzt. Die Regie rung gab zunächst die Erklärung ab, daß der Reichsinnen minister Hosse, die Frage der Einsührung eines allgemei nen V olks fei erläge s werde demnächst in Fluß kom men. über die Aussichten dieser zurzeit im Rechtsausschutz des Reichstages lagernden Materie lasse sich Bestimmtes nicht sagen. Der Reichslilnenminister hege aber die Hoffnung aus ein Zustandekommen. — Der sozialistische Sprecher, Abg. Edel, kündigte den schärfsten Widerstand der sozialistischen Partei und der Gewerkschaften an. Der Ausschußvorsitzende, Abg. Hickmann (Dt. Vp.), legte dem Ausschuß einen An trag zur Abänderung der Regierungsvorlage in dem Sinne vor, daß neben dem 9. November auch der 1. Mai seines Feierlagscharakters entkleidet werde. Der von sozialistischer Seite gestellte Antrag, den Ministerpräsidenten um Teilnahme an den Ausschußverhandlungen zu ersuchen, wurde einstimmig angenommen. — Tieklandsrinder Dresden-Reick am 12. Veranstaltungen -er sächsischen Landwirtschast. Wie die Pressestelle der Landwirtschaftskammer mitteilt, soll bei Eingang genügender Anmeldungen die nächste Ber st e i g e r u n g schwarzbunter Tieklandsrinder auf dem Pferdeausstcllungsplatz in Dresden-Reick am 12. Dezember stattfinden. Die zuständigen Geschäftsstellen des Landesverbandes sächsischer Herdbuchgesellschaften sind bis zum 1. November von den Anmeldungen in Kenntnis zu setzen. Die Landwirtschaftliche Schule zu Pirna veranstaltet am 29. und 30. Oktober in Krietzschwitz bei Gutsbesitzer Nietzsche sowie am 1. und 2. November aus Rittergut Ditters bach bei Dürröhrsdors einen Kursus über Heißmist- bereitung. Ein Laienspiellehrgang des Landesvereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege wird unter Leitung von Rudolf Mirbt (Breslau) vom 7. bis 11. November imBe 1 hlehem - stist Hüttengrund bei Hohenstein-Ernstthal veranstaltet. Für Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer werden 22,75 Mark berechnet. Sofortige Anmeldung an die Geschäfts stelle des Landesvereins Sachsen für ländliche Wohlsahrts- und Heimatpslege, Dresden-A., Sidonienstraßc 14, erbeten. Auf Entdeckungen im Sachsenlande. Spielschachteldörfer auf dem Erzgebirgskamm. Hart an der böhmischen Grenze, in einem Zipfel des Sachsenlandes und in einer Höhenlage des Erzgebirgs kammes von 600—800 Metern, liegen die erzgebirgifchen Spielzeügmacherdörfer, deren industrieller Mittelpunkt das D o r f S e i fs e n ist. Alls bescheidenen Anfängen im 16. Jahrhundert, als durch das Erliegen des Seiffener Zinn bergbaues die brotlosen Bergleute zum Schnitzmesser griffen, hat sich in vier Jahrhunderten in der gebirglichen Weltabgeschiedenheit eine eigenartige Industrie ans moderner technischer Grundlage entwickelt In märchenhafter Landschaft liegen, ebenso wie die Spielschachtelstädte, die hier fabriziert werden, die Spiel zeugmacherdörfer. Vor allem Seiffen mit seinen weiß schwarzen „Häuseln" um Schule, Kirche und Rathaus, auf Berghöhe spielzeughaft gruppiert und ungezwungen die einzeln stehenden Häuser bergab zum Serffener Grund, bergauf klettern lassend, bis sich auf der Höhe die an der Straße zerstreut liegenden sauberen Häuser des Reifen dreherdorfes Heidelberg anschließen. Straßauf, straßab dienen Hütten, Häuser, Fabrik- werke der S P i e l z e u g f a b r i k a t i o n. Allerorten klingt das Singen der Sägen, Fräser und Dreheisen, dringt em Ruch von frischem Holz, Leim, Lacken und Farben ans den Hausern. In jeder Hütte, jeder Wohnung, jeder Werk statt wird gedrechselt, geschnitzt, geleimt, gemalt, gebastelt, gepackt — die ganze Welt hat ja Bedarf au den treuherzig- bunten, dabei so sündhaft billigen erzgebirgifchen Holz spielsächelchen. Wir kennen sie alle selbst aus unserer eigenen Jugend, diese bunten Holzpferdchen und Holzschäfchen, steifhölzernen Stadtbürger zwischen farben bunten Spielschachtelstädten mit Kirche und Rathaus — oh, die Reihe ist schier unerschöpflich. Betritt man eines der dortigen Spielwarenmusterläger, so werden auch die ganz Klugen, die vom Leben gehärteten Erwachsenen gern wieder zu Kindern und möchten am liebsten den ganzen Spielwarenkram mit heimnehmen. Klopft man als Fremder an die Türen der Spielzeug- mackerbäuser. so wird man überall freundlich aufaenom- men. Denn die Spielzeugmacher sind biedere, gutmütige, sinnierliche Leute — es ist erklärlich, daß der lebenslange Umgang mit kindlichem Spielzeug keine harten Charaktere bilden läßt. In der einen Hütte schauen wir einem alten Schnitzer, der schon längst über das biblische Alter hinaus ist, zu, wie er aus hartem Buchenholz seine grotesken erz- gebirgischen Nußknacker schnitzt, die dann beim Nuß knacken ihr Maul sperrangelweit aufreißen. In einer anderen Hütte ist der verheiratete Sohn gerade dabei, den kaum zentimetergroßen H o lz schäfche n — rote Hals bänder anzumalen. Ein dritter drechselt just wunder hübsche Spielschachtelbäumchen. In einem vierten Hause werden Holzkühen die Euter angeleimt. Ist man durch eine Reihe von Häusern gegangen, durch Werkstatt oder Wohnstuben, in denen immer die Ofenbank nach Landes sitte um den Ofen steht, so werden einem alle diese Spiel- zeugmacher in blauer Schürze, mit Brille und unvermeid licher Tabakspeife zu lebhaften kleinen Herrgöttern, die alles, was da fleucht und kreucht auf dieser Erdenwelt, all täglich aufs neue aus grünem Fichtenholz zaubern, und recht kunterbunt. In Heidelberg, der Heimat der in der Welt nur hier zu findenden Spaltreifendreheret, die bis zu seltener Vollkommenheit hier entwickelt ist, wird bereitwilligst auch diese Kunst gezeigt. Wie spritzen da die Holzspäne, wenn das Dreheisen an dem in der elektrisch angetriebenen Drehbank eingespannten Fichtelholzklotz an gesetzt wird und in kurzer Zeit der fertige Reifen, aus dem dann die Tiere leicht abgespalten werden, abgenom men wird. Ein bescheidener Wohlstand scheint in den sauberen Hütten zu Hause zu sein — er beruht jedoch nur auf der außerordentliche» Genügsamkeit des Gebirglers. Früher war ja die soziale Lage der Spielzeugmacher er schütternd. Die Verhältnisse haben sich nach dem Kriege in manchem gebessert. Daß der Verdienst eines solchen Hausindustriellen mit 20 bis 40 Pfennigen Stundenlohn, in den Fabriken 45 Pfennige pro Stunde, alles andere als auskömmlich ist und keine Reichtümer ansammeln läßt, liegt auf der Hand. Die Zufriedenheit der Spielzeugmacher ist zu bewundern. Der Besuch dieser erzgebirgifchen Spielzeugmacher dörfer in ihrer märchenhaften Landschaft wird zu einem unvergeßlichen Erlebnis eigener Art. Umwebt sich dann in der Erinnerung fast mit dem Zauber eines Märchens. Dresdens Schädigung durch den Fall Aron. Aus einem Bericht des Rates der Stadt Dresden geht hervor, daß der Stadt Dresden durch die Beschaf- siungsstelle für Kommunal- und Hypothekenkredite in Berlin im Mai 1929 ein Lombarddarlehen in Höhe von drei Millionen Mark vermittelt wurde. Als Lombardunterlage dienten nominell 750 000 siebenprozentige Dresdener Stadlanleihe von 1926, 982 000 achtprozentige Stadtanleihe von 1926 und 3 750 000 fünfprozentige Goldpfandbriefe. Als- Treu händer für die Verwahrung der lombardierten Wert papiere und des Zinsendienstes wurde auf Vorschlag der Beschaffungsstelle Notar und Rechtsanwalt Dr. Aron, Berlin, über den zufriedenstellende Auskünfte Vorlagen, bestellt. Nach den bisherigen Ermittelungen steht fest, daß das Lombarddepot bis auf den Betrag von 65 000 Mark vorhanden ist. Es sind Schritte cingeleitet worden, den weiteren Verkauf der der Stadt Dresden gehörigen Papiere zu verhindern und den Schaden im Rahmen einer Gesamtregelung auszugleichen. Welche Aufwendungen der Stadt aus der Auslösung des Depots erwachsen können, ist zurzeit noch nicht zu übersehen, ebensowenig, ob ein etwa entstehender Schaden durch die getroffenen Sicherungsmaßnahmen oder durch Negreßansprüche aus geglichen werden kann. Das Kollegium nahm hiervon Kenntnis und nahm weiterhin einen Antrag an, den Rat um einen genauen Bericht über die Finanzlage der Stadt zu ersuchen. Der Rat soll weiterhin Auskunft geben, zu welchen Bedingungen die von der Stadt aufgelegte An leihe von 20 Millionen Mark ausgenommen worden ist und ob gegenüber den Geldgebern bestimmte Verpflich tungen übernommen wurden. Deutsche Heldengräber in aller Welt. Anläßlich des zeknjährigen Bestehens des Dolksbundes für Kriegsgräberfürsorge wurde in der Berliner Neuen Wache eine Seldengräberausstellung ver- anstaltet, die ein anschauliches Bild von dem Wirken des Bolksbundes gibt. Eindrucks volle Bilder und Modelle von den Ruhestätten unserer Ge fallenen. Ehrenmale und Ge- denksteine sind wiedergegeben Wir sehen die schlichten Hügel, die den unbekannten deutschen Soldaten decken, und die letzten Ruhestätten derjenigen, deren Namen man kennt. Ties be wegt uns die Inschrift man chen Kreuzes, das In Feindes- land steht. - Unser Bild zeigt die Neue Wache in Ber- lin im Schein der Fackeln, die zu Ehren der toten Helden während der Kriegsgräber- Ausstellung brennen. Bestätigtes Todesurteil. Der Erste Strafsenat des Reichsgerichts hat die Revi sion des 22 Jahre alten, aus Lichtentanne (bei Zwickau) stammenden tzilfsheizers Erich Zäuner ver worfen, der am 6. August 1929 vom Schwurgericht Zwickau wegen eines am 15. März d. I. an seinem Kinde begangenen Mordes zum Tode verurteilt worden war, und damit dieses Todesurteil bestätigt. Sie Schreckensnächte von Zöblitz mdGeyer 31. Oktober bis 1. November 1 854. Die heute noch durch ihre Serpentinsteinindustrie weit über Sachsens Grenzen hinaus bekannte Erzgebirgsstadt Zöblitz wurde vor 75 Jahren in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1854 fast gänzlich durch ein furchtbares Feuer zerstört. Dieses war am 31. Oktober kurz nach 7 Uhr abends durch Fahrlässigkeit eines Knaben in einem Schuppen entstanden. Der Brand verbreitete sich mit Windeseile über die ganze Stadt. Es sielen ihm 102 Wohngebäude mit 82 Hinterhäusern und 23 Scheunen zum Opfer, darunter die Kirche mit der berühmten Silbermannschen Orgel, das Rathaus, die Schule sowie das Justizgebände und die Apotheke.' An die 225 Fami lien mit insgesamt 1100 Köpfen wurden in dieser Schreckensnacht obdachlos. Die meisten Geschädigten waren bis auf vier Familien nicht versichert. Trotz zahl reicher aus der Umgebung herbeigeeilter Feuerwehren spottete die Macht dieses gewaltigen sächsischen Stadt brandes allen Bemühungen, zu löschen, und ein bitteres Elend der meisten Abgebrannten war mit dem damals schon frühzeitig cinsetzenden Gebirgswintcr die Folge des frevelhaften Leichtsinns jenes Knaben, der über die Mitbewohner seiner Vaterstadt Schrecken und Not ge bracht hatte. In der gleichen Brandnacht wurde die Erzgebirgs stadl Geyer von einem furchtbaren Schadenfeuer herm- gesucht, das innerhalb von wenigen Stunden über 80 freilich meist aus Holz gebaute Wohnhäuser mit vielen Hintergebäuden einäscherte. Die Reihe der großen Brände setzte sich dann im Verlaufe des Novembers durch weitere Stadtbrände von erzgebirgifchen Orten in verhängnis voller Weise fort. Für und wider das Volksbegehren. Der Reichspräsident erklärte in einer Unter haltung mit dem Reichstagsabgeordneten Schmidt- Hannover auf eine Anfrage: Er stehe nach wie vor dem Volksbegehren als solchem in voller Neutralität und Ueber- parteilichkeit gegenüber. An dieser seiner grundsätzlichen Haltung, wie er sie in seinem Schreiben an den Reichskanzler vom 16. d. M. dargelegt habe, ändere auch die Aeußerung nichts, die er in seiner Besprechung mit dem Reichskanzler am 18. d. M. getan habe. — Geheimrat vr. Hugenberg hat nach der Rückkehr von seiner Vortragsreise in Süd- und Westdeutschland an die Direktion der Deutschen Welle ein Schreiben gerichtet, in dem er unter Hinweis auf die Rund- funk-Ministerreden über das Volksbegehren erklärt: „Ich nehme'für mich in Airspruch, nicht über den Young-Plan, sondern im Zusammenhang damit auch über das Volks begehren in Einzelrede zu sprechen, so wie es nicht nur die Minister getan haben, sondern auch anderen politischen Per sönlichkeiten ermöglicht worden ist. Herr Geheimrat Ouaatz ist, trotz der Ihnen bekannten Vorkommnisse, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, nach wie vor, und zwar auf der nunmehr von Ihnen vorgeschlagenen Grundlage, zu einer kontradiktorischen Behandlung der finanzpolitischen Seite des Young-Plans bereit." — In einer Kundgebung m Berlin sprach Graf Westarp über das Thema „Die Versklavung des deutschen Volkes". Er erhob schwere An- klage gegen die Neichsregierung, daß sie den Kampf vom außenpolitischen aus das innenpolitische Gebiet geschoben habe. Das Schlimmste aber sei, daß die Regierung gegen die vaterländische Bewegung jetzt mit Gewalt und Ver fassungsbruch vorgehe. Die Behauptung, das Volksbegehren sei ein Verstoß gegen die Republik, bezeichnete der Redner als bewußte Unwahrheit. — In Bremen sprach der Stahl he lmführer Seldte über Volksbegehren und Young-Plan und erklärte, er hoffe, daß trotz allen Terrors von links die notwendige Zahl dec Stimmen erreicht werde. Die Klage vor dem Staatsgerichtshof sei nicht verloren, aber Severing habe erreicht, daß das Urteil zu spät komme. Das Wort Schliessens: „Macht den rechten Flügel stark!" gelte nicht nur für Frankreich, sondern auch für den Kampf des Bürgertums. Ler Stahlhelm sei, ganz gleich wie das Volks begehren ausgehc, bereit, zur Waffe zu greifen, um seinen Kampf weiterzufUhren. Durch den Rundfunk wurde auf den im Aufruf des Reichsausschusses enthaltenen Satz: „Auf zwei Menschen alter hinaus soll nach dem Willen der jetzigen Parteiregie rung das deutsche Volk für das Ausland fronen" amtlich u. a. feslgestcllt: „Nach dem Dawes-Plan sind unsere Tribut- verpflichtungen zeitlich unbegrenzt gewesen. Erst der Young- Plan bringt erstmalig eine zeitliche Begrenzung der zeit lichen Reparationszahlungen. Sich den Zahlungsverpflich tungen zu entziehen, ist das deutsche Volk nicht in der Lage. In Chemnitz betrug am Freitag die Gesamtzahl der Eintragungen 24 250. Chemnitz ist damit die erste Groß stadt, die die erforderliche Mindestzahl aufgebracht hat. In Potsdam wurde die Gesamtzahl von 7000 Eintragungen überschritten. In Stettin wurden 6158 Eintragungen gezählt.