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Für Herz und Haus Zweites Kapitel Martin Overhof stieß mit beiden Händen das Fenster auf. Ihm gerade gegenüber prangte, auf einem Hügel liegend, das alte Schloß Falkenberg. Es war ihm ein alltägiger Anblick. Seine Hände ballten sich, so oft sein Blick dort hinüberfiel. Sein Großvater hakte ja noch auf Falkenberg dienen müssen, und der gleiche Großvater hatte noch die Peitsche der großen Herren dort oben zu spüren bekommen. Ihn hatten die Hunde aus dem Schloßhof von Falkenberg gehetzt. Ieden Morgen sagte sich Martin Overhof das immer wieder, denn er wollte diesen Haß nicht vergessen und an einem Tag die Abrechnung vorlegen, die er mit den Falkenberg halten mußte. Martin Overhof wandte sich der Tür zu, durch die der Ver walter des Gutes hereinkam, um den täglichen Bericht zu er statten. „Gibt es sonst etwas Neues?" Mit einem hastigen Nicken entgegnete der Verwüster: „Der Brunnen im Hofe droht zusammenzubrechen. Er muß zugeschüttet werden..." Aber sofort schwieg der Verwalter wie bestürzt, denn er sah, wie sich das Gesicht Overhofs rötete, wie die Zornadern an den Schläfen zu Stricken anschwollen. Dabei reckte er sich empor und schien zu wachsen, während er mit gereizter Stimme rief: „Der Brunnen bleibt, er bleibt so, wie er ist, denn ebensogut könnte ja der Haß zwischen den Overhof . und Falkenberg sterben. In diesen Brunnen stürzte meine Schwester, aus diesem Brunnen wurde sie als eine Tote hervorgeholt. Und ein Falkenberg trug allein die Schuld daran. Ich will den Brunnen immer wieder sehen, damit der Haß am Leben bleibt." Der Verwalter kannte den Zorn dieses Mannes, der hem mungslos war, wenn er zum Ausbruch Kam. Hastig bemerkte er nur: „So werde ich an dem Brunnen nichts ändern..." „Nein, er soll mit einem eisernen Gitter umzäunt werden, aber es muß alles daran unverändert bleiben." Und nach einer kurzen Pause mit einem Hochwerfen des Kopfes: „Sind für die Ankunft meiner Tochter alle Vorbereitungen getroffen worden?" „Es ist alles geschehen, wie es bestimmt war. Ich werde so fort Meldung erhalten, wenn das Auto zur Fahrt an die Bahn bereitskehk." Der Verwalter verließ darauf das Zimmer, in dem der Be sitzer des mächtigen Gutes Overhof allein zurückblieb. Während dieser sich wieder in die vor ihm liegenden Papiere vertiefte, wurde leise die Tür geöffnet, und eine kleine, un scheinbare Frau blieb in deren Nähe stehen. Es war Frau Christine Overhof, die Frau dieses Mannes, für den alle an deren nur Marionetten waren, die sich seinem Millen unter ordnen mutzten. Overhof hob den Kopf und schaute auf seine Frau. Ohne sich aus seinem Schreibkischstuhl zu,erheben, bemerkte er nachlässig: „Ich werde bald fertig sein. Außerdem ist das Auto noch nicht gemeldet." Geduldig wartete sie noch eine Weile, um dann verschüchtert eine Bemerkung dazwischen zu werfen: „Martin, du darfst mir nicht zürnen, aber du weißt, daß ich Regina über alles liebe — sie ist sa unsere Einzige." Mit einem Ruck hob Martin Overhof seinen mächtigen Schädel: „Ist das meine Schuld? Wir hatten einen Zungen. Unser Klaus war ein Overhof, wie ich mir einen solchen wünschte. Aber den haben jene dort drüben in den Tod geschickt." Ein erschreckter Aufschrei kam von den Lippen der müden Frau: „Martin, das darfst du nicht sagen. Du weißt, daß du um dieser Bemerkung willen bereits einmal verurteilt worden bist." Da sprang Overhof auf und stieß den schweren Schreibkisch- skuhl heftig zurück: „Ia, das haben die dort drüben erreicht, daß ich wegen Be leidigung verurteilt worden bin. Aber widerrufen habe ich nichts und habe es sogar ertragen, daß ich zehn Tage im Ge fängnis sitzen mußte. Aber in diesen zehn Tagen habe ich an nichts anderes gedacht als an meine Rache." „Mann, Martin, kann denn dieser Haß nie ein Ende fin den?" „Kannst du denen dort drüben vergessen, daß dein Einziger, unser Klaus, in den Tod gehetzt wurde? Der Sohn des Herrn auf Falkenberg, der stolze, eitle Harald, für den wir immer nur die Bauern geblieben sind, hat unseren Klaus auf Patrouille geschickt, von der er wissen mußte, daß keiner lebend zurückkommk. Der dort drüben ist der Mörder." Er ballte die Fäuste und reckte sie drohend empor, wobei seine Worte zischend über die Lippen sprangen: „Aber ich werde meinen Jungen rächen. Habt ihr dort drüben mir den Söhn genommen, so werde ich euren stolzen Besitz einmal dem Erdboden gleichmachen." Es war wie ein Schwur, der nicht zum erstenmal wiederholt wurde. Ängstlich rief Frau Christine darauf: „Markin, bedenke, daß solche Worte Frevel sind." Aber im gleichen Augenblick schritt Overhof auf seine Frau zu und packte ihre beiden Hände, die er an sich ritz, wobei er mit flammenden Augen in ihr Gesicht blickte und mit keuchen der Stimme erklärte: „Das nennst du Frevel? Meine Schwester lag unten im Brunnen, mein Großvater wurde von den Falkenberg aus gepeitscht, und der Iüngste von denen dort drüben hat unseren Klaus in den Tod gehetzt. Nein, ich warte auf nichts anderes, als bis auch meine Stunde gekommen ist. Und daß sie bald kommt, dazu habe ich unsere Regina zurückgerufen. Der Bräutigam, den ich ihr bestimmt habe, ist im Besitze von Schuld verschreibungen, die als Hochzeitsgabe an Regina übergehen sollen. Und mit ihnen werde ich die Falkenberg so zusammen schnüren, daß ihnen die Luft ausgehen soll. Und ich selber will dann drüben erscheinen und sie hinauswerfen lassen, wie es meinem Großvater geschehen ist..." „Martin, du sprichst immer nur von deinem Haß, aber nie von dem Glück unseres Kindes." Er machte eine kurze, abwehrende Bewegung: „Ich kenne kein Glück ... Ich kenne nur meinen Willen." Im gleichen Augenblick wurde die Tür geöffnet, und ein Diener brachte die Meldung: „Das Auto steht bereit." Drittes Kapitel „Endlich haben wir dich wieder daheim. Wir brauchen dich und deine Hilfe, Harald." Iutka von Falkenberg, die ebenso groß und hochgewachsen war wie ihr Bruder Harald, hielt seine Hände, die sich ihr ent gegengestreckt hatten, als er die Diele des Schlosses betrat. Harald trat dann an ihre Seite und ging mit ihr durch die Diele. Mährend er die Treppe emporstieg, entrang sich ein schwerer Seufzer seinen Lippen, denn erst jetzt bei seiner Heimkehr kam es ihm doppelt schwer zum Bewußtsein, wie arm die Falken berg geworden waren. Durfte er es unter diesen Verhältnissen wagen, einmal eine junge Frau hierher zu führen? Dabei lasteten seine Hände nach dem kleinen Schmuckstück, das er wie einen Talisman auf seinem Herzen trug. Und kaum hatte er sein Zimmer erreicht, da flüsterte er leise vor sich hin: „Regina, ich liebe dich, ich muß dich wiederfinden, und wenn du mich so lieb hast wie ich dich, dann wirst du auch die Armut