Volltext Seite (XML)
„Und wenn ich nun gar nicht erlöst sein möchte, Romeo? Wir Mädchen schwärmen alle für einen feurigen Romeo, der unser Herz im Sturm erobert." „Dann willst du mir gehören?" „Ich will mit dir tanzen..." „Romeo fordert mehr, Mädchen. Er dürstet nach deinen Lippen, die so süß sind und so verlockend." Jäh schaute sie zu ihm auf. Wieder begegneten sich die Blicke, und Harald sah deutlich, wie ihre Mangen, die von der seidenen Halbmaske nicht bedeckt waren, sich mit einer glühenden Röte überzogen. Da jauchzte sein Herz, und seine Hände zogen die schlanke Mädchengestalt noch fester an sich. Dann blieb er unzertrennlich von der liebreizenden Maske, und als sie, vom Tanzen müde, in einer Nische ausruhten, Seite an Seite saßen und sich immer wieder in die Augen schauten, da drängte Harald mit fiebernder Ungeduld: „Zeige mir endlich dein Ge sicht, du Elfenkönigin, und sage mir, wer du bist, damit ich dich nie wieder verliere." Sie aber preßte ihm die Hand auf den Mund und bat: „Zerstöre mit einem Namen nicht den Zauber dieser Stunde. Ich will nicht wissen, wie sie dich draußen im Leben des Alllags nennen, und du sollst nie er fahren, wer ich bin. Nur dann werden wir beide lange, oft und viel von dieser wundersamen Nacht träumen." „Und wir sollen uns nie Wie dersehen?" Sie schwieg für Sekunden, doch als sie sein betrübtes Ge sicht sah, schmiegte sie sich in seine Arme, hob das gefüllte Sektglas zu ihm empor und rief: „Wenn wirklich ein Mär chenwunder unsere Herzen ver zaubert hat, wenn es der Wille des Schicksals sein soll, daß wir uns für Zeit und Ewigkeit ge hören, dann muß die Liebe an uns ihre Kraft erweisen und uns draußen in der Welt wieder finden lassen, auch wenn wir nichts voneinander wissen, als daß du mein Romeo bist und ich deine Elfenkönigin..." „Aber dein Gesicht wirst du mich einmal sehen lassen." Da im gleichen Augenblick das Signal zur Demaskierung gegeben wurde, löste die Elfenkönigin lächelnd ihre Maske. Und Harald schaute in ein jugendfrisches Mädchenantlih, so daß er, von ihrem Reiz überwältigt, in die Knie sank, seine Lippen auf ihre Hände preßte und stammelte: „Wie schön du bist, Süßeste, du. Ich liebe dich und will dich nicht wieder verlieren. Schenke mir nur eine Gnade, eine ein zige, sage mir, wie du heißt, damit auch mein Herz dich so nennen kann." Er zog sie in seine Arme, hielt sie an seinem Herzen fest. Und unter dem heißen, zwingenden Blick seiner Augen hauchte sie: „Ich heiße Regina —" Für den Zeitraum einer Sekunde zuckte er erschrocken zu sammen, denn er erinnerte sich, daß die Tochter des Overhof- Bauern, der den Falkenberg ewige Feindschaft geschworen hakte, den gleichen Namen trug. Aber so jäh, wie dieser Ge danke aufblitzte, tauchte er in dem Glück dieser Stunde in das Nichts zurück. Und seine Stimme jauchzte: „Regina, du, du meines Herzens Königin." Seine Lippen suchten ihren Mund, der ihm so verlockend nahe war. Sie hörten nichts mehr von dem rauschenden Trei ben um sie her, waren ganz versunken in die Seligkeiten ihrer jungen Liebe. Erst als sich gellende Rufe immer wieder hören ließen und an ihr Ohr drangen, schreckten sie aus der Versunkenheit auf. Und sie sahen, wie Menschenmengen dem Ausgang zudrängten und lodernde Flammen gierig an Papiergirlanden und an Tausenden von Wimpeln emporleckten. „Feuer... Feuer ... Rette sich, wer kann..." Unheimlich erklangen diese Schreie. Ein wüster Tumult entstand. Harald verlor nicht einen Augenblick seine Besinnung, denn allzuoft hatte er in größter Lebensgefahr seine Geistes gegenwart beweisen müssen. Er faßte nach Reginas Hand und tröstete: „Komm und fürchte dich nicht, ich bringe dich in Sicher heit." Sie schmiegte sich ängstlich an ihn. Ihre Augen standen voller Tränen, aber sie klagte nicht. Sie wußte sich in seinem Schutz. Doch der Schrecken hatte Reginas Kräfte erschöpft. Ohn mächtig brach sie in seinen Armen zusammen. Er hob sie an seine Brust, bettete ihren Kopf an seine Schultern und flüsterte ihr wie tröstend zu: „Mein Leben für das deine. Ich rekte dich, oder wir gehen beide in den Flammen zugrunde, denn wir gehören zusammen, im Leben und im Tode." Dabei hetzte er weiter. Endlich sah er den Lichtschein eines Fensters und tastete sich zu diesem hin. Er schrie um Hilfe, und gleich darauf wurde ein Sprungtuch bereit gehalten. Als er jedoch geborgen war und hilfsbereite Hände sich seiner annahmen, forschte er vergebens nach Regina. Sie war nir gends mehr zu finden. Die vielen Sanitätsmannschaften hatten sich aller Bewußtlosen und Verletzten angenommen und sie fortgebracht. Anter diesen mußte sich auch Regina befunden haben. Doch während er langsam durch die Straßen ging, bemerkte er plötzlich an den Knöpfen seines Wamses ein feines, dünnes, goldenes Kettchen, an dem ein goldenes Herz mit einem Rubin hing. Vorsichtig löste er den Schmuck aus der Verschlingung und schaute mit leuchtenden Augen darauf nieder. Durch einen leichten Druck ließ sich das Herz öffnen und zeigte unter einem dünnen Glas eine goldblonde Locke. Da preßte Harald den Fund an seine Lippen und flüsterte: „Ihre goldenen Locken haben sie bei der ersten Begegnung an mich gefesselt. Nun soll mir dieses kleine Herz mit seinem Inhalt zum Talisman werden, damit ich sie wiederfinde. Re gina, dich liebe ich, Regina, dir gehöre ich, und gäbe es tausend Hindernisse, die sich unserem Glück entgegenstcllen wollten, ich werde um dich Kämpfen, denn du bist mir bestimmt, Regina." Ach, in welchem Erdenlcben Kält' es Stunden nicht gegeben, Reich an Wünschen, bangem Sehnen, Reich an stillgcweinlen Tränen!