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Nr, 243, Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 17. Oktober 1929. Seite 6. 22 351 planmäßige Beamte, 4378 ntchtplanmaßtge Beamte, 14 864 ständige Lehrer an Volks- und Berufsschulen und 2094 nichtständige Lehrer an Volks- und Berufsschulen; zusammen 43 687 Beamte. Das sind 164 Stellen mehr als im vorausgegangenen Jahre. Außerdem kommen noch Dienstbezüge für 1749 Angestellte in Betracht. Die Zahl der Angestellten ist gegen den vorigen Haushalt um insgesamt 156 Köpfe gestiegen. In dem am 12. Juli vom Landtag verabschiedeten Staatshaushaltsplan für 1929 entfallen auf persön liche Ausgaben 233 857 318 Mark, das sind 61,6 Prozent aller Ausgaben. An staatlichen Beiträgen zur Krankenversiche rung für Staatsbeamte und Lehrer sind für das laufende Etatsjahr vom Landtag 816 200 Mark bewilligt worden. In Frage kommen der Krankenunterstützungsverein säch sischer Beamter a. G., die Krankenkasse des Sächsischen Philologenvereins sowie die Krankenkassen der sächsischen Lehrer und sächsischen Polizeibeamten. Ferner ist dem Sächsischen Landtag bekanntgegeben worden, daß der Staat gegenwärtig für 524 Warte geldempfänger, 7329 Ruhegehaltsempfän ge r, 8312 Witwen und 1995 Waisen rund 53 Millionen Mark Ruhegelder zu verausgaben hat. Hinzu treten für die gleichen Zwecke bei der Polizei und bei den Staats theatern in Dresden noch etwa 4)4 Millionen, so daß sich für den Sächsischen Staat eine Gesamtruhegelderlast von 57)4 Millionen Mark jährlich ergibt. ; Hilfe des Reiches für Sachsen? Über die Verhandlungen des sächsischen Finanz ministers Weber und des Arbeitsministers Elsner mit dem Reichsfinanzminister Dr. Hilferding erfahren die Dresdener Neuesten Nachrichten, daß der Reichsfinanz minister in einigen Punkten bereits feine Hilfe zu - gesagthabe, während in anderen die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien. Es handele sich um ein umfangreiches Programm, das in erster Linie die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten durch pro duktive Notstandsarbeiten und eine erhöhte Bautätigkeit ins Auge fasse. Wahrscheinlich werde noch im Laufe dieser Woche das Programm in seinen Einzelheiten bekannt Werden. Aufhebung des Novemberfeieriageö. Dem Landtag ist eine Regierungsvorlage zugegangen, durch die dem 9. November in Sachsen der Charakter als gesetzlicher Feiertag genommen werden soll. Bei der gegen wärtigen Zusammensetzung des Landtages, der am Dienstag nächster Woche zu seiner Herbsttagung zusam mentritt, besteht Aussicht auf Annahme der Vor lage. Der 1. Mai dürfte weiter allgemeiner Feiertag in Sachsen bleiben, wenn auch ein deutschnationaler Antrag Vorliegt, der auch diesen Feiertag beseitigen will. Erneuerung eines sächsischen Oollarkredits. Zu kürzlich verbreiteten Meldungen über den Abschluß einer M-Millionen-Dollaranleihe des Freistaates Sach sen Wird jetzt aus Newyorl berichtet, daß die Bankers Trust Kompany, die als Emissionsbank genannt wurde, erklärt hat, daß sie einen vor etwa Jahresfrist dem Freistaat Sachsen ge währten Kredit jetzt tatsächlich erneuert habe. Die Höhe dieses Kredites bleibe erheblich hinter dem genannten Betrage von 20 Millionen zurück. Die Bankers Trust Company er klärte ferner, daß die ganze Transaktion ein reines Bank geschäft sei und daß eine öffentliche Emission von Bonds nicht « Betracht käme. Kirchen-Rachrichten Pulsvitz Sonntag, den 20. Oktober, 21. «. Trin., '/,9 Uhr Abend, mahl. 9 Uhr PredigtgottrSdienst (Luk. 10, 38—42); Pfarrer Grobe. Lieder: Nr. 4. 265, 6 und 7. 313. 226, 2. Sprüche: Nr. 93. 98. r/,11 Uhr Kindcrgottesdtenst (Matthäus 6, 25-32). 2 Uhr Lausen. Donnerstag, 24. Okt-, 8 Uhr Bibelstunde in Friedersdorf,- Pf. Schulze. Ohorn Montag, den 21. Okt., 9 Uhr Kirchweihpredigt. 10 Uhr Kin- dergvttesdienst; Pfarrer Grobe. — Mittwoch, den 23. Okt., 8 Uhr Bibellesen (Schule). Landeskirchliche Gemeinschaft Sonntag nachm. 2 Uhr Sonntagsschule. Abends ^/.9 Uhr Vortrag. Dienstag abends Uhr BIbelstuude. Lichtenberg Sonntag, den 20. Oktober, vorm. 9 Uhr PredigtgotteSdienst; Pfarrer Rau. Vorm. 11 Uhr Kindergottesdienst im Konfirmanden zimmer. Nachm. 2 Uhr TausgotteSdienst. Großnaundorf Sonntag, den 20. Oktober, Vorm. 9 Uhr Lesegottesdienst. Reichenbach Sonntag, den 20. Oktober, vorm. 9 Uhr PredigtgotteSdienst; anschließend Kindergottesdienst. j Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom lü. Oktober. Dresden. Die Tendenz der Börse war schwach. Ungünstige Wirtschaftsnachrichten ließen die Kaufneigung ganz erlahmen, so daß kleinstes Angebot schon zu mehrprozentigen Verlusten führte. So verloren Schubert u. Salzer 15, Polyphon 11, Aktienfärberei Münchberg 5, Sächsische Malzfabrik gegenüber ihrer letzten Notiz vom 14. d. M. 5, Dr.-Kurz-Aktien und Ver einigte Photoaktien je 4, Wanderer und Pöge-Stammaktien je 3,5, Rizzibräu 3,25, Dittersdorfer Filz 2,6, Albmnin-Genutz- scheine 5, Zwickauer Kammgarn, Kraftwerke Thüringen und Krause u. Baumann je 2 Prozent. Höher lagen Paradies betten und Triptis um je 2 Prozent. Die übrigen Kursver änderungen hielten sich unter 2 Prozent. 10proz. Sächsische Bodenkreditpfandbriefe lagen 0,75 Prozent höher, während Reichsanleihcablösungsschuld (Neubesttz) und Schutzgebiets anleihen etwas nachgaben. / Leipzig. Die Börse verlief in schwächerer Haltung. Das Geschäft war sehr still. Größere Verluste erlitten Schubert u. Salzer um 12, Polyphon um 7,5 und Riebeck-Bier um 2 Prozent. Anleihen still. Freiverkeyr nachgebend. Chemnitz. Die Börse verkehrte in schwacher Haltung. Schubert u. Salzer büßten 12, Maschinenfabrik Kappel 7,5 Prozent ein. Auch Schönherr, Reinegger, Peniger Maschinen sowie Bankaktien und die meisten Diversen hatten Einbußen zu verzeichnen. Höher lagen nur Köbke um 4 Prozent. Frei verkehr ruhig. Chemnitzer Produktenbörse. Weizen, inländ., 76 Kg. 240 bis 245; Roggen, sächs., 72 Kg. 190—193; Sandroggen 72 Kg. 196—201; Sommergerste 225—235: Wintergerste 185—195; Hafer 188—195; Hafer, neu 175—180; Mais für Futterzwecke 207—212; Mais Cinquantin 225—230; Weizenmehl, 70proz. 42; Roggenmehl, 60vroz. 31,75; Weizenkleie 12,50; Roggenklete 11,75; Wiesenheu (vrahtgepr.) 14; Wiesenheu (lose) 13; Gc- treidestroh (drahtgepr.) 5. Tendenz: Ruhig. _ Berliner Börse vom Mittwoch. Die Vorbörse hatte noch ziemlich frermtürche Tendenz, der sehr schwache Beginn der »Miellen Börse bedeutete daher eine ebenso große, wie nnangenehme Uebovrceschung. Der plötzliche TendenLumschwuna wurde veranlaßt duvcb Abaaben des Auslan des, insbesondere'in Thade-ALtien.' Hiervon ausgehend, schwächte Ah zunächst der Elektromavkt sehr stark ab, und auch die übrigen Papiere, insbesondere die in ihrer Tendenz vom Ausland be stimmten Werte, hatten schwere Verluste. Di« allgemeine Stim mung litt auch unter dem Ausamm"::''ruch der sehr bedeutenden Chemnitzer Firma, di« im Häute. : > Fellhandel ein« führende Rolle spielt. Effektenntarkt. Heimische Renten logen ziemlich schwach, bei dem Alt- btsttz betrug der Rückgang nicht weniger als OM) Prozent. Bon ausländischen Anleihen waren Mexikaner stark angeboten. Echiffahrtsaktien einige Prozent höher. Bankwerte gedrückt. Der Montanmarkt war, von vereinzelten Ausnah men abgesehen, verhältnismäßig widevfürndsstchig. Kali- aktien verloren 2 bis 6 Prozent. Die Farben aktie Mng trotz größerer Interventionen im Verlaufs um 4 Prozent zurück. Elektrowsrte: Im Mittelpunkt des Interesses standen Chade, di« ungeachtet der letzttägigen starken Rückgänge erneut 18 Rm. verloren. Sehr stark gedrückt waren ferner Siemens, die bis 11 Prozent niedriger lagen. Berliner Produktenbörse: Still. Die Unternehmungslust ist nach wie vor sehr gering. Di« leichte Anregung festerer Meldungen Amerikas blieb hier un beachtet. Weizen behauptete seinen Preisstand, wurde sogar zeitweilig in Inlandsware mehr gefragt; Roggen im Preise für prompte War« nachgiebig, ohne daß nennenswerte Mengen angeboten find, da die Kauflust der Müller infolge schlechten Mehlgeschäfts stockt. Amtliche Notierung der Mkttagsbörse ab Station Mehl und Kleie brutto einfchl. Sack frei Berlin. IM lg I». 10. 29 15. 10. 29 100 kg 16 10 2k 15.10. 29 Welz. 232.0-233.0 Mehl 70 märk. 234.0-235.0 Weizen 28.0-33.5 28.033L Okt. 246.00 246 0 Roggen 23.5 26.5 23.7-26.6 Dez. 253.60 254.0-253.l Weizenkleie 11.5-12.1 11.6-12.2 März Rogg. märk. 263.50 265.7-262.5 Roggenkleie Weizenkleie- 10.0-10 5 10.2-10.7 174.0-178.0 177.0-181.0 melasse —- E» Okt. 187.0-188.5 1910 Raps (1000 üg) E— 195.2-196.0 1. 6.5-195.0 Leinsaat (do.) »E» E—» März >07.5-208.0 208 5-207 5 Erbsen, Vittoria 35.0-42.0 35.0-42.0 Kl. Speiseerbsen 28.0-33.0 28.0-33.0 Gerste Brau 190.0-216.0 196.0-216.0 Futtererbsen Peluschken 21.0-230 21.0-23.0 Wint. Futt. 112.0-188.0 1720-188.0 Äckerbohnen Wicken Haser Lupinen, blau — 1700-180.0 „ gelb E» märk. 170.0-180.0 Seradella, neue — Oft — — Rapskuchen 18.5-19.0 18.5-19.0 Dez. 187.0-187.5 188 0-187.0 Leinkuchen 24.1-24.4 24.1-24.4 März 199.50 201.5-200.5 Trockenschnitze! Soya-Extrakt Schrot II.4-11.6 11.4-116 MaiS Berlin 19.8-20.2 19.8-20.2 Plata — — Kartoffelstöcken 15.6-162 15.8-16.7 Wild- und Geflügelpreif«: Wild und Wild- geflügel: Rehböcke, Io, >4 Kilogramm 1,45—1^3, do. Ila, 1,10—1^5; Rotwild, inännlich. Io OM—0,73, do. Spießer, la 0,73-0,80; Wildenten, Io, Stück 2M—2,20; Krickenten, la- 0,75—1,00; Kaninchen, wild«, große 2,00—2L5, do. schwache IM) bis 1^5. — Geschlachtetes Geflügel: Hühner, hiesige, Sulppen, la, 54 Kölogram-in 1,05—1^0, ^o. Ila 0^0—1,05, vO. junge, hiesige, la 1Z0—1,30, Ho. Ila 1,00—1^0; Poulets, ungar* Io 1,30—1,35; Hähne, alte, 0^0—1M; Tauben, hiesige, junge, Io, Stück 1,00—1^0, do. Ila 0,65—0,75; Gänse, la, N Kilogramm 1^0—1,15, do. Ila 0,90—1,05, ungarische Staps-, Io 1^7—iMtt Luten, ls 1,30—1,40, do. llo 1,00—1M, do. Hamburger, junge, Io 1,40. Die Preise sind die amtlichen Berliner Markthallenpreise, einschließlich Fracht, Spesen und Provision. (Ohne Gewähr.) Metallpreise in Berlin (kür 100 Kilogramm in Mark): Elektrolytkupser wirebars 170^0; Oriq.-Hüttenaluminium, 98 bis 99 Prozent, in Blöcken 190; do. in Walz- oder Drahtbarren, 99 Prozent 1Ä; Reinnickel, 98—99 Prozent 350; Antimon-, Regu lus 64—68; Feinst Iber für 1 Kilogramm 68,25—70. Oopzkrigcht 1S29 bi Karl Köhler L To., Berlin-Zehlendorf. ZU Nachdruck verboten Aber — bas Wasser lief, das Wasser schwoll! und schon stand es bis zum Rande des kleinen weißen Beckens, und noch nicht hatte die arme Lilli entdecken können, wie man den Hahn ab stellte und wie man das Wasser ablaufen ließ. Lilli stand auf dem Punkt, ihr ganzes Prinzessinnendasein zu verwünschen und sich an ihren kleinen, einfachen Waschtisch bei Onkel Braun zurückzuwünschen. Voller Wut stampfte sie auf, trat dabei Pinscherlein auf das Pfötchen, denn er wollte doch sehen, was das neue Frauchen da machte, und quiekte nun wieder mordsmäßig, auch auf dem Punkt angelangt, daß es gestern in der Hundepension weniger aufregend gewesen sei, als hier in die sem merkwürdig rüttelnden Zimmer. So was hatte Pinscherlein in seinem Lebensjahr noch nicht gesehen. Auch hatte er bisher immer genau gewußt, daß seine kleinen, weißen Beinchen ihm ge hörten, aber hier war ihm manchmal, als wäre dies nicht der Fall. Voller Mitleid und Angst beugte sich Lilli zu ihm hinunter, stieß dabei an den Rand des Beckens, welches sich dadurch etwas hob, und siehe da — das Master lief ab. Ein Rätsel und ein Problem war gelöst. Nun hieß es nur noch den Lauf des Waf ers zu stillen. Man schob hin, man schob her, hob den Hebel, enkte den Hebel, nichts — das Master lief. Und dazu noch jetzt v heiß, daß Lilli die Hände unmöglich darin waschen konnte. Wieder half die Wut! Sie schlug mit der kleinen Faust da gegen — und schon war der Knopf für das Master wieder an seinen Platz gedrückt. — So — nun ausziehen! Hin und her purzelte Lilli, immer in Todesangst, Pinscher lein wieder zu treten. Endlich baumelten an den verschiedenen Haken die neuen Kleider, der Pelz, die Wäsche, und sie schlüpfte in den Schlafanzug, von dem man ihr in dem Modesalon erklärt hatte, daß er unerklärlich sei für eine Fahrt im Schlafwagen. Na — schön war was anderes. Eine Arbeit war es, in dem wackeln dem Zug in die Beinkleider zu steigen. War sie mit dem rechten Bein drin, mußte sie balancieren, damit sie auch mit dem linken hineinkam, und schon rutschte die ganze Sache wieder runter und sie konnte von vorn anfangen. So — nun ins Bett! Von welcher Seite war wohl diesem Schlassack am besten beizukommen? Sicher von oben. Also Lilli setzte sich auf das Kopfkissen und wollte eben in die Decken rutschen, als ihr Blick auf Pinscherlein fiel, der mit nicht mißzuverstehender Miene an der Tür stand und mit dem Schwänzlein wedelte. O Himmel! Lilli hatte schon früher, da Mutti noch lebte, einen kleinen Hund gehabt, und der hatte auch immer so an der Tür gewedelt, wenn er einen nicht im Zimmer zu erledigenden Wunsch hatte. Was tun? — Lilli kletterte wieder aus dem Bett heraus und versuchte die Tür zu öffnen. Aber Lilli und sämtliche Mecha niken im Schlafwagen waren feindliche Mächte — die Tür blieb zu. Also das Fenster! Wiederum erst vergebliche, dann uner wartet erfüllte Versuche des Oeffnens. Und nun hielt Lilli Pin- scherlein zum Fenster hinaus — und er hatte nichts dagegen. Sv — nun aber schlafen! Diese wohlverdiente Sache sollte ihr aber auch nicht werden, denn Pinscherlein hatte beschlosten, seine Nachtruhe auf Lillis Brustkasten zu halten, da er sich ja befreit fühlte, und rollte sich auch gleich an seinem Platz zusammen und — schnarchte, schnarchte, wie nur ein mit gutem Gewissen belasteter Hunb schnarchen kann. Also — Schlaf nicht zu finden — Aber doch kam ihr in der vierten Stunde des Morgens ein leichter Schlummer, aus dem sie wieder aufschreckte, denn — ihr war fürchterlich übel im Magen, und sie konnte und konnte nicht an das wirklich sehr schöne Souper denken, was sie mit Papa noch im Hotel genosten hatte. Oh — war das Leben schwer! Und heiß wurde ihr. Und Schweißperlen standen auf der Stirn. Und der Kopf schmerzte. Und es war gar nicht so schön, Prinzessin zu sein. Aber auch die fürchterliche Nacht hat ein Ende, und Lilli begrüßte das Helle Morgenlicht mit dem fürs Leben gefaßten Ent schluß, nie wieder eine Nacht im Schlafwagen zuzubringen. Gegen Mittag kam Herzog Ernst und Lilli nach verschiedent- lichen Umsteigen in Hochheim an, wo ihn das große Auto er wartete. Als er mit Lilli den Bahnhof verließ, begegnete ihnen eine junge, elegante Dame im Reisekleid, welche mit unverkennbarem Intereste auf Lilli sah, nicht bemerkend, daß der Blick Herzog Ernsts etwas länger, als solche Begegnung ergab, auf ihrem Ge sicht ruhte. Diese Frau interessierte ihn, das eigenartige, nicht unbedingt schöne, aber ungemein reizvolle Gesicht erregte seine Aufmerksamkeit. Wäre er allein gewesen und nicht von den Schmerzen im Fuß geplagt, so hätte er sicher versucht, zu erfah ren, wer diese Dame sei. Aber so begnügte er sich nur mit einem kurzen Blick zurück und half dann Lilli in das Auto, denn er blieb trotz seiner Schmerzen seiner kleinen Tochter gegenüber der Kava lier. * , M ' ' Wundervoll lag die goldene Herbstsonne aus dem in jubeln der Farbe leuchtenden Laub des Schlvßgartens. Frau von Schlicht saß eben mit den drei Gästen des Haukes am Dinertisch, als ihr der Brief Seiner Hoheit gebracht wurde. Mit begreiflicher Neugier öffnete sie ihn sofort, schnell den Inhalt überfliegend, und sah dann die andern drei ratlos an. „Was ist denn, Tantchen? Böse Nachrichten?" „Sie sehen aus, gnädige Frau, als hätten Ihnen eben die Hühner das Brot weggegessen," meinte Willi auch seine Ansicht kund tun zu müssen. „Ich bin total überrascht. Der Herzog schreibt mir eben —" „Hat er nun ein Kind?!" „Ja — lieber Graf, Sie haben den Nagel auf den Kopf ge troffen. — Die bei Herrn Fall bestellten Zimmer für eine junge Dame sind für — des Herzogs Tochter!" Einen Augenblick Pause an dem runden Tisch, dann fragte Willi mit stieren Augen: „Eine Tochter hat er? Eine richtige Tochter?! Ja, wo hat er denn die dazu gehörige Frau!?" Willi brüllte das letzte Wort fast und Rose-Marie zuckte da bei nervös zusammen, zumal sie mit angespannter Aufmerksamkeit auf den weiteren Bericht der Tante wartete. „Bitte, Tantchen, wenn du darfst, erzähle uns doch, was du weißt." „Das darf ich sicher tun, denn die Angelegenheit ist ja ganz offiziell. Also, hört, ich werde vorlesen. — Erst kommen ver schiedene Sachen wegen des Umbaues, dann also: „Es ist in meinem Leben eine starke Veränderung eingetre ten, liebste Schlicht, und ich weiß, Sie werden sich darüber freuen, wissen Sie doch nur zu genau, daß ich keinen Menschen auf der Welt habe, der zu mir gehörte, der mich —" „Der Junge ist gut! Und ich, bin ich nicht sein von Herzen geliebter Vetter?" fragte Willi, sanft angetückscht, aber Frau von Schlicht ließ sich in dem Vorlesen nicht stören, sah ihn nur einen Moment lächelnd an. „— der mich lieb hat. Und so habe ich mich entschlossen und habe hier in M. ein junges Mädel, welches ohne Eltern hier lebt, adoptiert. Ich weiß, daß ich diesen Entschluß nie bereuen werde, denn Lilli ist ein ganz reizender, lieber Kerl, und auch Sie werden das junge Mädchen sehr lieb gewinnen und sich freuen, daß Sie, wenn ich auf Reisen bin, nicht immer so allein sein müs sen. Wir kommen in der nächsten Woche nach Hochheim, bis da- hin wünsche ich, daß alles im Hause fertig ist. Bitten Sie aber Herrn Fall, daß er in Hochheim bleibt, bis ich komme, da ich noch verschiedene Pläne habe. Damit Sie unterrichtet sind — wenn mein Vetter Hatzfeld kommt, so grüßen Sie ihn herzlich von mir und er könne wegen mir so lange in Hochheim bleiben, als er.es aushält. Alles andere besprechen wir, wenn ich dort bin. Mit den herzlichsten Grüßen Ihr Ihnen geneigter Ernst Hochheim-Talburg. (Fortsetzung folgt.)