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Nr. 237/ Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 10. Oktober 1929. Seite 6. Aus dem Genchisfaal. Assessor vr. Caspary rehabilitiert. Wie erinnerlich, war gegen die bei der Barmat-Untersuchung tätigen Staats anwälte seinerzeit ein Disziplinarverfahren anhängig gemacht worden, in dem ihnen erhebliche Vorwürfe hinsichtlich der Amtsführung bei der Untersuchung gegen die Barmats ge macht worden waren. Der damalige Assessor vr. Caspary ist jetzt, nachdem auch der Große Disziplinarsenat zu einem freisprechcnden Urteil gekommen ist, zum Staatsanwalt beim Landgericht II in Berlin ernannt worden. Die Ernennung erfolgte, nachdem der Senat im Urteil ausdrücklich festgestellt hatte, daß die Beschuldigungen gegen vr. Caspary nichts Er weisbares ergeben hätten, vr. Caspary habe nach den Er gebnissen der beiden Verhandlungen die Untersuchung weder im Dienst einer politischen Partei geführt, noch habe er außenstehenden Personen Dinge mitgeteilt, die die Barmat- Untersuchung betrafen oder die unter das Dienstgeheimnis gefallen wären. Sonne «nd Mond. 12. Oktober: Sonne: A. 6.21, U. 17.11. Mond: A. 15.44, U. 23.38. Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 9. Oktober. Dresden. Die Börse verkehrte in überwiegend schwacher Haltung. Bei größerer Verkaufsneigung gingen die Kurse Weiler zurück. Kurserhöhungen lagen nur vereinzelt vor. Es verloren Erste Kulmbacher 5,25, Bergmann und Polyphon je 4, Dr. Kurz-Genutzscheine 3,25, Dresdner Albuminaklien 3, dgl. Geuutzscheine 4, Reichelbräu und Peniger, sowie Reichs bank je 3, Sachsenwerk Stammaktien 3,50, Wunderlich 2,75, Sächsische Bank und Großenhainer Webstuhl je 2,50, Sächsische Bronze und Vereinigte Strohstoff je 2,25, Vereinigte Pyoto- genußscheine, Rizzi, Sächsische Elektrizitätswerke, Ditters- dorfer Filztuch, Baumwollspinnerei Zwickau, Bank für Bau ten, Görlitzer Waggon, Rockstrohwerke und Darmstädter Bank je 2 Prozent. Dagegen vermochten Deutsche Werkstätten ihren Kurs um 2,50 und Kraftwerke Thüringen um 2 Prozent zu erhöhen. Fünfprozentige Landeskulturrentenscheine, Serie 3, lagen 1,25, achtprozent. Zwickauer Sladtanleihe 0,5 niedriger. Leipzig. Die Börse verkehrte ebenfalls in recht schwacher Haltung. Die Umsätze hielten sich in engen Grenzen. Größere Verluste erlitten Polyphon um 15 Prozent, Schubert u. Salzer und Meuselwitz um je 5, Siemens Glas, Steingut Colditz, Stöhr und Berliner Handelsgesellschaft mit je 4 Prozent. Färberei Glauchau dagegen stiegen um 2 Prozent. Frciver- rehr behauptet. Chemnitz. An der Börse war die Tendenz schwächer. Auf allen Marktgebieten gab es weitere Rückschläge. Zumeist hielten sich die Verluste zwischen 1,50 und 2,50 Prozent. Gute Meinung bestand für Deutsche Werkstätten, die sich um 2,50 Prozent erholten. Chemnitzer Produktenbörse. Weizen, inländ., 76 Kilogr. 240- 245: Roggen, stichst 72 Kilogr. 193—1S6; Sandroggen, 72 Kilogramm 199—204; Sommergerste 225—235; Wintergerste 185—196; Hafer 188—195; Hafer, neu 175—180; Mais zu Futterzwecken 210—215; Mais, Cinauantin 225—230; Weizen mehl, 70 Prozent 42, Roggenmehl, 60 Prozent 32,25; Weizen kleie 13; Roagenkleie 12,25; Wiesenheu, drahtgepreßt 14; Wiesenheu. lose 13; Getreidestroh, drahtgeprrßt 5. Berliner Börse vom Mittwoch. Die Börse eröffnete wieder sehr schwach. Me Kursrückgänge betrugen anfangs his zu 6 Prozent. Eine Ausnahme machte nur «in Papier, nämlich Svenja, das international sehr fest lag. Bemerkenswert ist, daß die Interventionsbanken größere Akti vität zeigten als je und damit noch weitere Rückgänge verhinder ten. Am Verlaufe konnte sich eine etwas bessere Auffassung durchsetzen. Man weist darauf hin, daß vom Standpunkt der Rentabilität aus gesehen- das Kursnioeau im allgemeinen kaum als überböbt zu bezeichnen sei» Ku einer überaroßen Nervosität dürfte in der Tat keine Veranlassung sein. Die starken Rückgänge in den letzten Tagen sind vielmehr vielleicht doch noch positions technisch zu werten, insofern- als es viMercht nicht möglich War den erforderlichen Nachschuß auf die Engagements zu leisten, und damit die Frage einer Positionsverringerung akut wurde. Am Geldmarkt sind größer« Veränderungen nicht fest zustellen. Effektenmarkt. Heimische Renten waren vernachlässigt- Don auslän dischen Anleihen waren Mexikaner stärker angebotsn, auch Ana tolier ziemlich schwach. Schiffahrtswerte gut erholt. Zn Banken wurde stark interveniert. Montanwerke lagen zunächst zum Teil sehr schwach in Auswirkung des Berichtes der Der. Stahlwerke. Kaliaktien waren das einzige Markt gebiet, aus dem bereits anfangs die Interventionen der Danken Erfolg hatten» Hier konnten Abschwächungen vermieden werden, später ergaben sich sogar Kursgewinne, die bis zu 5 Prozent gingen. Die Farbenaktie erreichte zunächst mit 1S2P6 (minus 5) einen neuen Tiefstand, erholte sich aber dann uw 3 Prozent. Elektrowerte sehr schwach. Berliner Produktenbörse: Stetig. Auslandsstimmung für Weizen befestigt, Jnlandsamgebot weiter mäßig. Mühlennachfrage hält an. Preise am Lieferungs- inarkt etwas teurer. Roggen mehr zu kaufen. Infolge schwie rigen Mehlabsatzes erwerben Müller nur sehr vorsichtig Mate rial. Preise leicht gedrückt. Stützungskäufe erfolgten. Hafer fest. Braugerste gefragter. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station Mehl und Kleie brutto etnschl. Sock frei Berlin WO Kg 9 10. 29 8 10. 29 100 kz 9 10 29 8.10. 29 Welz'. Mehl 70 märk. 243.0-245.0 235.0-237.0 Weizen 28.5-33.7 28.5-33.7 Ott 249.00 250.0 Roggen 24.6-27.4 24.6-27.4 Dez 258.10 258.5-258.0 Weizenkleie 11.6-12.2 11.6-12.2 März Rogg. märk. 267.5-268 5 267.5-266 L Roggenkleie Weizenkleie- 10.5-11.0 10 5-11.0 183.0-185.0 184.0-1870 melaffe — Ott 196.00 1 5.0 194.0 Raps (1000 kg) — — Dez. 205.0-205 5 205 0 204.0 Leinsaat (do.) —— — März Gerste Brau Wint. Futt 214 5-215.0 215 0-213.0 Erbsen, Vittoria 35.0-44.0 35.0-44.0 Kl. Speiseerbsen 28.0-33.0 28.0-33.0 -96.0-216.0 ,78.0-188.0 196.0-216.0 172 0-188 0 Futtererbsen Peluschken Ackerbohnen Wicken 21.0-23.0 21.0-23.0 Hafer Lupinen, blau t —— 173.0-183.0 1730-183.0 „ gelb — märt. Seradella, neue — —- Ott 183 00 184.0 Rapstuchen 18.5-19.0 18.5-19.0 Dez. 19600 196.0 Leinkuchen 24.3 24.6 24.3-24.6 März 206.25 206.S-206.0 Trockenschnitzel 11.7-119 11.7-11.9 Mais Soya-Extrakt Berlin 204.0-205.0 204 0-205.0 Schrot 19.8 20.3 19.8-20.3 Plaia —- — Kartoffelstöcken 16.0-16.6 16 0-16.6 Luppsn- wüpssl Ss/L Apr"/7?sz3 ZL/m/örck ö/ameoüoa/ ä/özz^zn tt--7ckroz- ckstzszvsp-se Sez-^zsSsie /lszro/Tv/ cköazFM ötu?Üd>zz!zM /ES/ o/A. Wild- und Geflügelpreise. Wild und Wild geflügel: Rehböcke, 1a), je -4 Kilogramm 1,45—1P0, do- La) 1,10—1,25, Rotwild, männlich, 1a) 0,60—0,67, do. 2a) OM bis 0,59; do. Spießer, 1a) 0,70—0,75; Rebhühner, junge, inst 1a) Stück 2,30—2,40, do. 2a) 1P0—1,60, do. alte, 1a) 1,40—1P0; Fasanen, Hähne, junge, 1a) 3,00—ZPO, do. 2a) 2,00—2,25, do. alte 2P0—3,00, do. Hennen, 1a) 2,10—2P0, do. 2a) 1P0—1,75. — Geschlachtetes Geflügel: Hühner, hiesige, Suppen, 1a) je -4 Kilogramm 1,05—1,20, do. 2a) 0,80—1,05, do. jungem hiesige, 1a) 1,20—1P0, do. 2a) 1,00—1,10; Poulets, ung., 1a) 1,35—1,40; Hähne, alte, OPO—1,00, do. junge, 2a) 0P5—0,70; Gänse, 1a), je 54 Kilogramm 1,10—1^0 do. 2a) 0F0—1,05, do. ung. Stopf-, 1a) st20—1^5; Enten, 1a) 1M—1,40 do. 2a) stOO bis 1,20, do. Hamburger, junge, 1a) 1,45. Die Preise sind di« amtlichen Berliner Markthallenpreise, einschließlich Fracht^ Spesen und Provision. (Ohne Gewähr.) Aus der Geschäftswelt Fröhliche Gesichter strht man auch am Waschtag bei Müller», nachdem die Miele- Elektro > Waschmaschine die Schrecken des Waschtages gebannt bat. Alle geplagten Hausfrauen sollten es wissen, daß die Miele- Eiektro-Waschmaschine für 20 bis 30 Pfennige die Vierwochen- wüsche einer fünfküpstgeu Familie ohne Dor- und Nachwaschen blendend sauber wüscht. Dazu spart ste viel Zeit und hinterlützt keine schmerzenden Rücken, keine wunden Hünde und keine verdrießlichen Gesichter. Der kostbare Wüscheschatz behült bei der schonenden Behandlung durch die .Miele" lange seinen vollen Wert- Und dabei ein Preis für die »Miele - Elektro", der es in der Tat jeder Familie mvgllch macht elektrisch zu waschen! In den einschlägigen Geschäften^wird Ihnen bereit- willigst Auskunft gegeben. Kirchen-Nachrichten Pulsvitz Sonntag, 13. Oktober, 20. nach Tri«.: V'9 Uhr Abend mahl. 9 Uhr Predigtgottesdicnst (Luk. 13, 6—9). Pfarrer Grobe. Lieder Nr. 2. 159. 378. Sprüche Nr. 82. 83. >/,11 Uhr Kinder- gottesdienst (Matth. 18, 21—35). 2 Uhr Jugenduntcrredung Puls nitz M. S. Knaben und Mädchen 1829 und 1928 konfirmiert. Jak. 1, 22—27. Neue Testamente mitbrtngen. Konfirmandenzimmer — Montag, 14. Oktober: 8 Uhr Vorbereitung für den Kindergottes dienst und Bericht über die Annaberger Tagung. — Donnerstag, 17. Oktober: 8 Uhr Bibelstunde tm Konfirmandenzimmer (Jak. 1,8—5). Landeskirchliche Gemeinschaft Sonntag. 13. Oktober: 2 Uhr Sonntagsschule. 4 Uhr Ju gendbund für E. C. 8'/« Uhr Bortrag. Ohor« Sonntag, 13. Oktober: '/«11 Uhr Kindergottesdienst (Turn halle) Luk. 7, 36-50). vbersteina Montag, 14. Oktober: 9 Uhr KirmeSpredigt in der Schule- Pfarrer Schulze. Lichtenberg 20. Sonntag nach Trin., 13. Oktober: V>9 Uhr Predigt gottesdienst. 10 Uhr Kindeigottesdienst. — Getauft: Lothar, Sohn des Bauarbeiters Paul Richard Großmann in Lichtenberg und seiner Ehe frau Elisabeth geb. L-y. Liddy Christa, Tochter der Martha Liddy Gärtner in Lichtenberg. - Getränt: Erich Arthur Ziegenbalg, Wirt- schaftsgehilfe und Flora Margarita Herrlich, Haustochter, beide in Lichtenberg. Reichenbach 20. Sonntag nach Trin.» 13. Oktober: 9 Uhr Predigt- gotteSdienst Kirchen - Vereins -Nachrichten Dienstag, 15. Oktober: 8 Uhr im Saale des Herrnhauses Frauenverein Pulsnitz. Es rezitiert Herr Göthel, Dresden. Dienstag, 15. Oktober, Frauenverein im Restaurant Waid- mannSruhe in Reichenbach. Oop^risskt 1929 Karl Köhler L To., Berlin-Zehlendorf Wi Nachdruck verboten „Du führst da die drei gefährlichsten Punkte an, die ein Mann besitzt. Ich wundere mich, daß der Herzog noch immer nicht verheiratet ist, wo er doch so ganz und gar der Typ Mann ist, der den Frauen gefährlich werden kann." „Wahrscheinlich werden ihm die Frauen nicht gefährlich, Tantchen. Er wird sich hüten vor den Schlingen der Ehe." „Ganz im Gegenteil, Kind — wenigstens früher. Er wollte doch unbedingt heiraten und reiste damals auch viel herum, und suchte sich eine Frau. Aber er muß wohl unten in Italien ein bitteres Erlebnis gehabt haben, was ihn-für längere Zeit ver wundet hat. Ich wundere mich ja nicht genug, daß er es so lange in M. aushält." „Vielleicht hat er dort gefunden, was er in der weiten Welt gesucht hat." In Rose-Marias Frage lag etwas atemlos auf Antwort Wartendes. „Aber, Kind, wo denkst du hin. In M.?" Frau von Schlicht schüttelte lächelnd den Kopf. „Ausgeschlossen, Kind, da lebt keine Gesellschaft. Aber vielleicht tut ihm die Ruhe dort gut wegen seinem Fuß." „Was ist mü dem Fuß? Ist er krank?" Rose-Maria sah ihre Tante groß an. „Krank nicht direkt, Kind. Er hat sich in W. beim Tennis den Fuß verstaucht und hat seit der Zeit eine sehr langwierige und manchmal sehr schmerzhafte Sehnenzerrung." Unmerklich war das leichte Aufatmen Rose-Marias. „Wann will der Herzog wieder zurückkommen? Ich möchte nicht mehr im Hause sein, wenn er kommt." „Kind, was redest du doch für Torheiten. Wenn auch der Herzog hier ist — er würde dich ja doch nicht bemerken, wenn wir nicht wollen, denn er lebt ja drüben im anderen Flügel. Und der Park ist auch groß genug, daß man sich, wenn man will, aus dem Wege gehen kann. Aber warum bist du so ängstlich?" „Das ist nicht ängstlich, Tantchen. Ich bin nur nicht gern Gast bei jemand, der mich nicht kennt. Ist der Herzog nicht da, '0 habe ich wenigstens den kleinen Selbstbetrug, daß ich bei dir zu Gaste bin." , , „Dummes Kind, das bist km doch auch, denn der Herzog hat mir diese vier Zimmer hier bis an mein Lebensende als Wohnung vermacht. Ich denke doch, daß ich in meiner Wohnung Gäste sehen kann, so viel und so ost, wie es mir zusagt, nicht wahr, meine liebe Rose-Maria? Also bitte nicht wieder diese über triebene Ansicht. Gesetzt den Fall, ich würde dich einmal bitten, zu mir zu kommen, und der Herzog ist zufällig da — willst du mir dann glatt absagen?" „Hast ja recht, Tantchen. Aber man hat so seine Ideen, wenn man als Frau auf eigenen Füßen steht. Man hat mir ge sagt, daß die selbständigen Frauen alle etwas verschroben sind. Mußt mich schon so verbrauchen, wie ich bin." Rose-Maria umschlang die zarte Gestalt ihrer Tante und deutete dann lachend aus dem Fenster. „Sieh mal, Tantchen, dort ergeht sich schon Graf Hatzfeld. Und er sieht beträchtlich teehungrig aus, nicht wahr?" „Das soll heißen, daß eine gewisse Rose-Maria Jung auch nicht abgeneigt wäre, den Tee zu nehmen?" „Stimmt, Tantchen. Du mußt wissen, daß ich seit heute mittag, außer dem wie üblich sehr schlechten Mittagessen im Speisewagen, noch nichts gegessen habe. Jetzt meldet sich mein Magen sehr gebieterisch." „Dann wollen wir diese Bestie nur schnell füttern." Bald saß Frau von Schlicht mit Rose-Maria und Willi an dem reizvoll gerichteten Teetisch, der mitten in einer Hecke von herrlichem Wein vor dem entzückenden chinesischen Pavillon stand. Willi und Rose-Maria hatten schon ganz beträchtliche Lücken in die zierlich belegten Sandwichs geschlagen, und beschäftigten sich nun beide, indem der eine immer wartete, bis der andere sich zu gelangt hatte, mit den kleinen Kuchen. „Bitte, nach Ihnen." Willi besann sich auf seine gute Erziehung, wenn auch schweren Herzens, denn seine arme Seele ahnte, daß Rose-Maria ganz sicher das hübsche, runde Buttercremetörtchen nehmen würde. Und richtig. — Sie nahm es, biß mit ihren herrlichen Zähn chen hinein und sagte: „Hm, Tantchen, das ist ja wundervoll! Der alte Berger ist ja ein wahrer Künstler —" Willi machte ein Gesicht, als wollte er sagen: „Auch das noch." Aber er sagte es nicht, sondern ergriff mit der Miene eines Märtyrers nach einem ganz einfachen Blätterbrezelchen. Ohne Buttercreme, bitte. Und nun erst, nachdem sein heißester Hunger gestillt war, und er eigentlich nur noch aus Wissenschaft dies und jenes verzehrte, fiel es ihm auf, daß auf dem Tisch noch ein viertes Gedeck lag. „Nanu — wer kommt denn da noch zum Tee?" „Herr Fall trinkt immer den Tee mit mir. Er scheint sich heute arg zu verspäten." „Herrn Fall kenne ich nicht! Ist das eine Liebe von Ihnen, Frau von Schlicht?" „Stimmt — und dazu noch eine stille. Denn der Mann war hier in der Umbauzeit meine einzige Stütze und mein Trost." „Was ist denn das für ein Märchenjüngling?" „Es ist der Baumeister und Innenarchitekt des Herzogs." „Und da heißt der Mann Fall! Na, wenn dem nichts ein fällt, dann weiß ich nicht. Das erinnert mich wieder an einen Schulkameraden, der hieß Klau, und sein Vater war Bank direktor." „So etwas ist peinlich," warf Rose-Maria lachend dazwischen, „dann ist ein Baumeister, der Fall heißt, schon weniger unan genehm." „Ich bin unangenehm? Wem bin ich unangenehm? Muß ich mir das gefallen lassen?!" Eine sonore, vergnügte Stimme drang durch die dichte Hecke, und Frau von Schlicht lachte leicht auf. — „Lupus in fabula." „Meine Gouvernante sagte in solchen Fällen immer, daß der Horcher an der Wand — usw.", mcsnte Willi noch unbedingt hin- zufügen zu müssen, ehe man sich zur allgemeinen Begrüßung er hob, denn Baumeister Fall trat jetzt an den Teetisch. Er war ein schöner, großer, kräftiger Mann, ein Künstler typ mit traditionellem Vollbart, der aber dem Gesicht gut stand. Die mächtige Figur war elegant, aber etwas nonchalant gekleidet. Er küßte der alten Dame zuerst die Hand und fragte dann ver gnügt: „Wen haben wir denn da? Das-ist ja erfreuliches Menschen material. Darf ich bitten, mich bekanntzumachen. Ich möchte doch wissen, wer es ist, der mich unangenehm findet. Ich finde mich zwar immer zum Rausschmeißen, aber man möchte doch wis sen, was andere an einem stört." Vergnügt sah er Willi an, der ihm: bei der Vorstellung herz lich die Hand reichte, denn dieser Mann-gefiel ihm auf den ersten Blick. , . „Wenn Sie nicht mehr auf viel ButüercremetSrtchen Anspruch erheben, so werden wir Sie bedeutend weniger unangenehm finden, wie Sie sich selbst." „Buttercreme!? Brrrrr! Wollen Sie »mich anorden? Gnä diges Fräulein, wie kann man so etwas nur essen, zumal wenn man ein Mann ist?" „In solchen Momenten fühle ich mich nie als Mann. — Aber — ich will ja nicht petzen — Fräulein- Jung: hat vier Stück von den Törtchen gegessen " „Pfui, so genau haben Sie gezählt!" „Hm — jedesmal gab es mir einen Stich- ins Herz, wenn Sie mir wieder so ein wonniges Ding wegaßem" „Ich werde dem alten Berger sagen, daß er morgen einen ganzen, großen Teller davon richten soll." Frau von Schlicht reichte Lutz Fall^idie schon, etwas ver- mauserte Platte mit den Sandwichs hin. (Sorlsetzung folgt.), r - L