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Vellage zu Nr. 214 81. Jahrgang Freitag, 13. September 1929 Sem Landtag zugehende Gesetzentwürfe. Das Gesamtministerium hat beschlossen, dem Landtag «ach seinem Wiederznsammentritt folgende Gesetzentwürfe zugehen zu lassen: 1. Gesetz zur Änderung des Stempelsteuer- Gesetzes; 2. Gesetz über die Besteuerung der W a n d e r l a g e r; 3. Gesetz über die vorläufige Ablösung von Staats- leistnngen an die evang.-luther.'L a n d e s k i rch e und an sie röm.-kathol. Kirche; 4 Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Religions - zesellschaften; A Gesetz über die Beiräte bei den Bergbehörde n Von diesen Gesetzentwürfen entsprechen die unter 3, 4 ,nd 5 genannten den entsprechenden Vorlagen an den -origen Landtag. Liber eine Reihe von in Aussicht ge- üommenen weiteren Vorlagen an den Landtag finden Be sprechungen statt. Pflanzenschutz in der Landwirtschaft. Nie Pressestelle der Landwirtschastskammer weist darauf -in "dak Ernie- und Ertragsverluste m der Landwiri- 'cb'ast im Garten- und Weinbau vermieden oder nindeste'ns vermindert werden können durch rechtzeitige, sach- zemäße Schädlingsbekämpfung. Hier tun die Flug- und Merk blätter der Biologischen Reichsanstalt immer wieder die besten Dienste. Bei der jetzigen Jahreszeit dürften von besonderem Interesse sein die Flugblätter zur Bekämpfung der Feld- näuse, über wurmstichige Apfel und Birnen, übe, Leizgeräte, über Schwammspinner- und Reb ausbekämpfung, über Rosenkrankheiten usw. Ver- zeichnis der Schriften wird kostenlos versandt von Hauptstelle ür Pflanzenschutz in Dresden-A., Stübelallee 2. Neue Verhaftungen wegen der Bombenattentate. Polizei gestellt. Von der Verhaftung der Ehefrauen der bereits Festgenommenen will man vorläufig absehen, da kein Fluchtverdacht vorliegt. In Ilmenau (Thüringen) wurde die Mutter des der Tat verdächtigen, aber ins Ausland ge flüchteten Herbert Volt, Frau Dobel, festgenommen und verhört. Bei den beiden in Breslau Verhafteten ist nach der Aus sage der Polizei nichts Belastendes gefunden worden. Ins besondere vermochte die Polizei nicht festzustellen, ob die Ver hafteten mit den übrigen Verhafteten im Briefwechsel ge standen haben. Die Verhafteten in Altona leugnen nach wie vor jede Beteiligung, vr. Salinger, der in Berlin ver haftet wurde, bestreitet ganz energisch jede Schuld und Mit wisserschaft. Er und seine Frau glauben auch nicht, daß Ernst v. Salomon an dem Bombcnattentat beteiligt war. — Die im Cafe Hillbrich in der Leipziger Straße zu Berlin fest genommenen drei jungen Leute, Willi Eichler, Heins von Winterfeld und Horst von Salomon, sind von der Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt worden, da sie mit den Bombenatten Laten nichts zu tun haben. Plaaß stellt sich selbst. Der Berliner Polizeipräsident teilt mit: Am Nachmittag des 12. September erschien der der Mittäterschaft an den Bombenattentaten verdächtige Geschäftsführer Plaaß mit einem Brief des Kapitäns a. D. Ehrhard aus dem Po lizeipräsidium und stellte sich zur Vernehmung. Nach Ab- schieß dieser Vernehmung wurde Plaaß, in dessen Woh nung bei der Durchsuchung eine Sprengkapsel Nr. 8, wie sie bei den Bombenattentaten verwendet wurde, und 174 Stück S-Munition gefunden worden sind, in Haft genommen. Einheitsfront im Lichispielgewerbe. Gegen die Kino st euer. Eine Delegiertenversammlung des Landesverbandes Mitteldeutschland im Reichsverband Deutscher Lichtspiel- thcaterbesitzer e. V., die unter Beteiligung der Gruppen verbände Dresden, Leipzig, Ostthüringen und Südwestsachsen stattfand, gab Gelegenheit zu einer interessanten Rückschau auf die Ergebnisse der Stuttgarter Generalversammlung des Reichsverbandes. Vor allem wurde dabei die abwartende Haltung der deut schen Theaterbesitzer dem ausländischen Tonfilm gegen über hervorgehoben. Schließlich entwickelte sich aber auch eine längere Aussprache über den künftigen Kampf gegen die L u st b a r k e it s st e u er. Es wurde als Unfug be zeichnet, daß die Kinobetriebe auch von den Verlustein nahmen eine so hohe Steuer abführen müssen. Durch den letzten harten Winter und den langanhaltenden Som mer seien namentlich die Kinobetriebe kleinerer und mitt lerer Städte fast zum Erliegen gebracht worden. Die neue Filmsaison stelle das Lichtspielgewerbe vor neue unerhörte Anspannungen, da man mit einer wesentlichen Erhöhung der Filmleihpreise zu rechnen habe. Falsch sei es im übrigen auch, aus der günstigen Lage einzelner Theater Schlüsse auf die allgemeine wirt schaftliche Entwicklung aller deutscher Theater zu ziehen. Es wurde beschlossen, sofort bei der Kopforganisation, dem Reichsverband, Anträge einzubringen, in denen schleunigste Maßnahmen in der Steuerfrage gefor dert werden. Im besonderen soll die Forderung auf gestellt werden, aus den durch den Uoung-Plan frei» werdenden Summen die Mittel für eine günstigere Steuergestaltung zu ziehen. Außerdem soll eine rege Propagandaarbeit bei Parlamenten, Behörden, Presse und der großen Öffentlichkeit durchgeführt werden. Die Hauptversammlung des Landesverbandes Mit teldeutschland wird Ende des Monats inLeipzig statt- finden und wahrscheinlich im besonderen im Zeichen d-u Steuerfrage stehen Sonne rmd Mond 14. 9.: S.-A. 5.33, S.-U. 18.17. M.-A. 17 17, M.-U. 0.00 In der Redaktion der „Schleswig-Holsteinischen Tages zeitung" in Itzehoe erschienen am Donnerstag vormittag 5 Kriminalbeamte und durchsuchten die Räume der nicht anwesenden Redaktion. Aus dem Schreibtisch des Haupt schriftleiters Uhse wurden ein Brief sowie ein Notizbuch beschlagnahmt. Weiteres belastendes Material wurde nicht gefunden. In dem Brief befand sich ein Zeitungsausschnitt einer dänischen Zeitung, der sich mit dem Bombenattentat auf das Reichstagsgebäude beschäftigt. Auch in der Privat wohnung des Hauptschriftleiters fand eine Haussuchung statt. Der Hauptschriftleiter Uhse, der Redakteur Ehlers und der Gaugeschäftsführer der N.S.D.A.P. Brix wurden auf dem Hauptbahnhof in Hamburg festgenommen. Ferner wurde in Heide (Holstein) der Wirt des „Heider-Hof-, der 44jähriae Lothar Gengilazky, unter dem Verdacht der Mittäterschaft verhaftet, da er als int,mer Asmund des verhafteten angeblichen Polize,Hauptmanns Nickel gift. In Itzehoe wurde ein Kaufmann Rontsch festgenommen, und eine in Stahlhelmkreisen sehr angesehene Persönlichkeit soll noch verhaftet werden. Man glaubt in Itzehoe, baß die Verhaftung der beiden nationalsozialistischen Schriftführer nicht wird anfrechterhaltsn werden können. — In Winsen au der Luhe (Provinz Hannover) wurde -er Führer der Landvolkbewegung Amandus Fick aus Rönne in polizeiliches Gewahrsam genommen. Er ist der Begünstigung der Hauptattentäter verdächtig. — InBres - lau wurden im übrigen der Führer der schleswig-holsteini schen Landvolkbewegung Hamkens und der in seiner Be gleitung befindliche Geschäftsführer Muthmann von der ei» MD KIW« I« Ms: Stresemann spricht über Abrüstung nnd Friedensfichernng Mit außerordentlicher Span nung wurde diesmal die Rede des deutschen Außenministers in der Vöikcrbundsoersamm- lung erwartet. Stresemann wies ans den Widersinn hin, baß man um die Welt in 20 Tagen fliegen könne, aber in Europa der Schnellzug alle paar Stun- den durch eine neue Zollbarriere ausgehalien werde. Reicher Bei fall lohnte Stresemann nach Be endigung seiner Ausführungen. ^iomso von ^ert kotkbeiL roLsrsblnor >pxUsdt bx Martin ksucktvanssr, NsUs (8ssts) Leanthes Augen hingen an Klaus Holstens zerschun- denen Händen. Er sah es und lächelte. »Ein häßlicher Anblick, Fräulein von Willschach, ich gebe es zu. Doch warum sollte mir die Mine die paar Schrammen erst verbinden?" Noch immer lächelnd blickte er in ihr schönes, schmales Gesicht. Frau Holsten wurde irre an sich selbst. „Warum plaudert Klaus so harmlos mit Leanthe? Wie kann er das, nach dem, was ich gesehen? Ist denn das derselbe Klaus, der vor ein paar Tagen stöhnend sein Gesicht in Leanthes Jacke preßte? Wie soll ich das nur verstehen?" Leanthes Blick hing aufmerksam und forschend an Klaus Holstens rechter Hand. Es war ihr, als sehe sie diese nervige, kraftvolle, braune Männerhand zum ersten Male. „Hier ist noch ein Splitter, Herr Holsten; darf ich ihn herausholen?" fragte sie, und faßte nach seiner Hand. Er zog seine Hand fort. „Nein-, sagte er schroff, „ich liebe das Verhätscheln nicht. Meine Mutter wird Ihnen das bestätigen können." Er stano aus. In Leanthes Gesicht wechselten Röte und Blässe, und über ihre Wangen liefen zwei große Tränen. Klaus Holsten sah diese Tränen. Fest preßten sich feine Lippen zusammen. Dann verließ er schnell das Zimmer. Draußen lief er ruhelos durch den Garten. „Wenn doch das Trauerjahr erst um wäre, damit er kommt und sie holt", dachte er verzweifelt. „Schützen Sie meine kleine Leanthe vor Ihrem Bruder." Laut und deutlich klangen die Worte des toten Schloß herrn von Puddhoff an Klaus Holstens Ohr. Klaus preßte das Gesicht in die Hände. „Ich kann nichts dagegen tun, Christ ist ein anderer ge worden", sagte er, wie als Antwort auf die Mahnung aus dem Jenseits, laut vor sich hin. Stark und fordernd duftete die frische Heimaterde. Klaus Holsten fühlte aus einmal, wie die Riesenkräfte der letzten Tage ihn verließen. Wie er ein todmüdes Ge fühl in sich hatte. Und er dachte: „Schlafen, schlafen und nicht wieder aufzuwachen brauchen." Langsam ging er dem Hause zu. Frau Holsten tröstete Leanthe: „Aber Kleinchen, wer wird denn gleich weinen, wenn der alte große Junge schroff ist. Fragen Sie Helga, er war immer so — so eigen artig. Das dürfen Sie nicht falsch auffassen. Klaus hat Sie und Ihre liebe Schwester sehr gern. Vielleicht war es auch Uebermudung, denn was Mamsell Minchen sagte war Wort für Wort Wahrheit. Ich kenne Klaus. Er wollte nur nicht, daß wir ihn bewundern sollten." Die drei jungen Mädchen blieben am Tisch sitzen und plauderten. Das heißt, Helga und Johanna führten die Unterhaltung. Leanthe saß schweigend dabei. Ihre Augen hingen träumend an dem roten Laub, das in einer hohen, braunen Tonvase stand. Frau Holsten schrieb einen Brief an Christ. Als sie fertig war, rief sie Leanthe zu sich. „Nun, Kind, darf ich Christ von Ihnen grüßen?" Leanthe nickte eifrig. „Ja, bitte. Und schreiben Sie ihm, daß wir nun bald nach Puddhoff gehen. Dann ist sein herrliches Kunstwerk nicht mehr allein. Ich werde es dann recht oft betrachten und an den großen Künstler denken." Frau Holsten streichelte das seidige Haar. „Mein liebes Kind, würden Sie sich freuen, wenn Christ bald wieder hierher käme?" Leanthe schlug die Augen nieder. Sie wußte keine Ant wort. Sie wußte nicht mehr, warum ihr Herz in rasenden Schlägen pochte, wenn sie in Klaus Holstens düstere Augen sah, und sie wußte nicht, ob es nur Verehrung für den großen Künstler war, wenn sie zuweilen an Christs schönes, dunkles Gesicht dachte. - - An diesem Abend lag Leanthe noch lange wach in ihren weißen Kissen. -i- * * „Sag' mal, Holsten, bist du vielleicht verrückt? Ein Mensch mit fünf gesunden Sinnen kann doch unmöglich Tag und Nacht arbeiten. Der Maler Anton Bergstratter stand vor seinem Freunde und sah ihn beschwörend an. Du machst dich kaputt, Holsten", warnte er noch. Christ lachte. Ein herzliches, freies Lachen war es. „Du irrst dich, Bergsträtter, ich bin durch meine Arbeit ein glücklicher Mensch." Kopfschüttelnd betrachtete ihn der andere. „Sag' mal, was ist in dich gefahren? In unserer Stammkneipe, bei der lustigen Zenzi, der tollen Theres', im Hofbräustüberl, überall glänzt du durch Abwesenheit. Es ist schon allgemein aufgefallen. Wie lange soll diese verrückte Laune noch dauern?" " -