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Nr. 203. Pulsnitzer Tageblatt. — Sonnabend, den 31. August 1929. Seite 6. Dresdner Brief Die Heiratsbauke auf dem Sachseuplatz Nein, nein, diese Bänke kümmern euch nicht, ihr heiratslustigen Mädels und Burschen von Dresden! Aber ansehen dürft ihr euch di« Sache immerhin. Da stehen, hüben und drüben von der Fahrbahn, je zwei runde Bänke, überschattet von breitästigen Eichen. Sehr idyllisch sieht das aus so mitten im dicksten Verkehr, der hier de» öfteren schon gefährliche Formen angenommen hat. Und die diese Bänke am Tage bevölkern, machen auch nicht den Eindruck, als hätten sie etwa» Beson deres mit dem lockenden Begriff „heiraten" zu schaffen. Mütter sind es mit ihren Kleinen, alte Frauen, die unterwegs einmal ausruhen, unge Mädels, die rasch ein Butterbrot oder ein Paar warme Würst chen verzehren, na, und so. Wird es aber stiller auf den Straßen, so in der Zeit der Dämmerung, dann verschwinden die Mütter mit ihren Schreihälsen und es stellt sich ein anderes Publikum ein, ein suchendes, verlangendes. Recht angenehm im Dunkel« sitzt es sich auf diesen Bänken, die, zusammengestellt, einen geometrischen Kreis ergeben würden. Das Le ben der Großstadt schwirrt greifbar nahe vorüber, ohne daß man zu sehr gesehen wird. Aber die Leute, die jetzt kommen, haben e» auch nicht gerade nölig, völlige Dunkelheit aufzusuchen. Dazu wäre wohl der poetische Große Garten geeigneter, denn, es muß gesagt sein, die hier Anschluß suchen und teilweise auch finden, sind keine jungen Leute, eS find ältere Herren mit den dazu gehörigen Jahrgängen holder Weib lichkeit. Es sind sogar meistens Greise. Da lassen sich denn auch meh rere Sorten unterscheiden: lustige Greise, melancholische Greise, törichte Greise und ganz wacklige Greise. Die alten Herren mögen mir diese Einteilung verzeihen! Der eine hat einen ganz unmodernen langen Bart, der andere zückt nur zu ost die Schnupstabaksdose, ein dritter hat eine furchtbare Glatze, die er immer mit dem roten baumwollenen Taschentuch abwischen muß, weil ihm sonst das Wasser an den einge sunkenen Schläfen herabrinnen würde. Dann kommen Damen getrip pelt. Hier ein älteres Fräulein mit zarten Schrittchen, dort eine ehr same Wittib mit hartgearbeiteten Händen, dann eine Rentnerin, die immer erzählt, sie habe ein große» Vermögen in der Inflation ver loren, — ja ich möchte wohl das Geld haben, das sich die Menschen auf diese in oder vielmehr aus der Tasche phantasieren! Es spinnen sich bald Gespräche an. In altfränkischer Galanterie hebt hier ein alter Herr den herabgefallenen Garnknaul auf, der An knüpfungspunkt ist gefunden. Dort sagt einer: „Frailein, ich muß Sie schun ärchendwo gesähen haben. Sein Sie nich die Märbitzen aus der Schdeinschdraße?" „Nee, ich heeße Marie Fischer und wohne hier gleich um die Ecke." „Ach so, ich hädde wärklich gedacht, daß Sie de Märbitzen sein!" — Dort wickelt eine Holde ihr Butterbrot aus dem Zeitungspapier. „Nu, schmeckts denne?" „Danke der Nachfrage, ja; wenn man gearbeetet hat, dann kriegt man Hunger." „Da» ist wahr!" bestärigt der Herr mit dem Bart oiese philosophische Weisheit. Nun rücken sich schon diese und jene näher. Die Verhältnisse werden ausgetauscht und mancher Anknüpfungspunkt gefunden, sei es, daß beide Leutchen aus demselben Ort im Erzgebirge oder der Lausitz stammen, oder daß sie gemeinschaftliche Bekannte haben, über deren Tugenden, — meist haben sie gar keine, — und deren Laster, — o, davon läßt sich schon mehr sagen, — hin und her geredet wird. Die Charaktereigenschaften des kleinen Hunde-, der artig unter der Bank liegt, lasten sich erörtern und daraus entwickeln sich oft die interessan testen Tteischutzgespräche. „Sechs Kotzen hab ich derheeme," gesteht die Frau, die soeben dem Bussi einen heimlichen Gungs gegeben hat, weil er sein Maulkörbchen an ihren Strümpfen reibt. „Nee, die mißten Sie aber sehen! Es sind gar zu sieße Dierchen!" „Steert Sie mein Rauchen?" fragt jener alte Herr diplomatisch. Und seine Nachbarin lispelt: „Nee, wärklich nich, der Rooch vertreibt ja de Mücken." Und er erzählt, wie seine erste Frau das Rauchen nicht leiden mochte, sonst wäre sie aber gut gewesen. Und ein zarter Seufzer ehrt ihr Andenken. Man sagt, aus diesen Bänken sei schon manche Heirat zwischen wohlsituiertcn älteren Herren und dito Damen geschlossen worden. Man sieht denn auch spater einige Pärchen in Frieden und Einigkeit hum pelnd die im Halbdunkel liegenden Bänke verlasten, sich die Hände schütteln und ein nächstes Stelldichein verabreden. Sie brauchen dann nicht in dis Zeitung zu setzen: Ein Herr in den siebziger Jahren sucht Witwe mit Rente zweck« späterer Heirat kennen zu lernen. Kreins kertkolcl. Der Reichsprasiöeni an Geheimrat Rosenthal. Im Verlag von Klinkhardt und Biermann, Leipzig, ist ein Buch erschienen: „Philipp Rosenthal, sein Leben und sein Porzellan." Das Buch ist aus Anlaß des 50- jährigen Arbeitsjubiläums von freien Mitarbeitern des Geheimrats Rosenthal verfaßt worden. Es ver- öffentlicht im ersten Abschnitt folgenden Brief des Reichspräsidenten von Hindenburg an Geheimrat Rosenthal: „Zu Ihrem 50jährigen Bcrufsjubiläum svrcckn ich Ihnen meine herzlichen Glückwünsche aus. Mit "Stolz und Befriedigung können Sie auf Ihr Lebenswerk zurück blicken. Ganz auf sich selbst gestellt, haben Sie mit rast losem Fleiß Ihrem Unternehmen aus bescheidenen An fängen zu seiner heutigen Bedeutung und derdeutschen Porzellanindustrie zu der führenden Stellung verholfen, die sie heute unter den Porzellanindustrien der Welt einnimmt. Mit besonderer Anerkennung gedenke ich heute aber auch Ihrer verdienstvollen Tätigkeit zur Wiederaufrichtung und Förderung der Leipziger Messe, die Ihrer Tatkraft und Ihrem unerschütterlichen Vertrauen ihre heutige Weltgeltung zu verdanken hat. Lassen Sie mich mit den besten Wünschen für Ihr persön liches Wohlergehen die Hoffnung verbinden, daß Ihre reichen Erfahrungen und Ihre große Tatkraft noch für- lange Zeit der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Vaterlande zugute kommen. Mit freundlichen Grüße- r gez. von Hindenburg." Tagungen in Sachsen Landestreffen des Eichenkreuzes in Mittweida. Die Mitglieder des „Eichenkreuzes Sachsen", der Turn-' und Sportgrüppen im Ev.-luth. Jungmännerbunde, treffen sich am 7. und 8. September zum ersten Male in Mittweida. Am Sonnabend veranstalten sie Wettkänipfe, Faustballspiele, Mannschaftskämpfe, Schlag- und Handballspiele. Sonntag vormittag predigt im Festgottesdienst in der Stadlkirche Ober kirchenrat Reimer-Dresden, für den am Abend eine Abschieds feier veranstaltet wird, da er in den Ruhestand geht. Sonn tag nachmittag soll sich nach allgemeinen Freiübungen ein „Lebendiger Rasen" bilden. Sonntag vormittag findet die Hauptversammlung des Jungmännerbunves mit Neuwahl des Bundesvorstandes statt. I IV--. 45 ! Md neu« vlvktriscti« ös^sn MMgLr pl'Si8 68 gsststtst, in isciöm Stromvsvbvüucft sm lVsscftisg 20-30 pfg. üsn smsoklsgigsn vssoksffgn ru Nobsn! V/unsov Nstsnrowung. '- Oboe LlM Zösmto unä Aedchion Spiel-Plan der Dresdner Theater Opernhaus. Sonntag, 1. September, außer Anr-, in neuer Einstudierung und Inszenierung, „Lohcngrin" 6 - n. 10. Montag, 2., Anr. ä, „Sizilianische Bauernehre", „Der Bajazzo" 7— g. 10 Diens tag, 3., Anr „Der Waffenschmied" 7,30— g. 10,30. Mittwoch, 4, außer Anr., „Die Macht des Schicksals" 7,30— g. 10,30. Donners, tag, 5., Anr. „Elektra" 7,30-9,15. Freitag, 6, Anr. „Fra Diavolo" 7,30—10. Sonnabend, 7., außer Anrecht, „Los! kan tutte" 7,30—10,30. Sonntag, 8., außer Anr., „Tristan und Isolde" 6— g. 10,30. Montag, 9., Anr. 8, „Zar und Zimmermann" 7—10. Schauspielhaus. Sonntag, 1. September, für den Verein Dresdner Volksbühne (kein öffentl. Kartenverkauf) „Soeben erschienen" nachm. 3,03; außer Anrecht, dto. 7,30—10,15. Montag, 2., Anr. „Ernst se n!" 7,30— n. 10. Dienstag, 3., Anr. „Königin Tamara" 7 30—9,30. Mittwoch, 4., Anr. ä, „Soeben erschienen" 7,30—10,15. Donnerstag, 5., außer Anr, neu -instudiert. „Di- Räuber" 7,30-10,15. Freitaa, 6., Anr. ä, „Königin Tamara" 7 30-9,30. Sonnabend, 7., Anr. „Ernst sein!" 7,30— n. 10. Sonntag, 8., außer Anr., „Die Räuber" 7,30-10,30. Montag, 9., Am. s, „Die Ratten" 7.30- n. 10. Albert-Theater. Sonntag, 1. September, 7,30 „Komö dianten". Montag, 2., 7,30 „Egmont". Dienstag, 3., 7,30 „Komö. dianten". Mittwoch, 4., 7,30 dto. Donnerstag, 5., 7,30 „Wibbels Auferstehung". Freitag, 6, 7,30 „Egmont". Sonnabend, 7., 7,30 „Wibbels Auferstehung". Sonntag, 8., 7,30 dto. Montag, 9., 7,30 „Kvmidianten". Die Komödie. Montag, 2. September, 7,Zg „Wochenend im ParadieS", BB. 2051-2100; BVB. 4301-4400, Gr. 2 71-100. Dienstag, 3., 8,15 dto-, 2101—2150; 4401-4500. Mittwoch, 4,8,15 dto., 2151—2200; 1-100, Gr. 3 101—125. Donnerstag, 5-, 8,15 dto., 2201—2250; 101-200. Freitag, 6., 8.15 dto., 8252—2300; Gr. 3 201—300, 126—150. Sonnabend, 7., 8,15 dto., 2301-2350 351—400, Gr. 3 151-175. Sonntag, 8., 8,15 dto., 2351—2400; 401—500, Gr. 3 175-200. Montag, 9., 8,15 dto, 2401-2450; 501-600. Refidenz-Theater. Sonntag, 1. September, nachm. 4,00 Gastspiel Ilse Muth, „Friederike" (kleine Preise); 8,00 Gastspiel Fritz Schulz. „Er und seine Schwester". Montag, 2., 8,00 dto. (letzte Auf- sührung). Dienstag, 3, 8,00 Gastspiel Ilse Muth, „Friederike". Mittwoch, 4., 8,00 dto. Donnerstag, 5., 8,00 dto. Freitag, 6., 8,00 Sonnabend, 7., 8,00 dto. Sonntag, 8., nachm. 4,00 dto. (kl. Preise); 8,00 dto. Montag, 9., 8,00 dto. Central-Theater. Sonntag, 1. September, 8,00 „König Kuckuck" (Erstaufführung). Montag, 2., 8,00 dto. Dienstag, 3, 8,00 dto. Mittwoch, 4., 8,00 dto. Donnerstag, 5., 8,00 dto. Freitag, 6., 8,00 dto. Sonnabend, 7., 8,00 dto. Sonntag, 8., nachm. 4,00 dto. (kl. Preise); 8,00 dto. Montag, 9., 8,00 dto. Kunstleben inDresden Residenz-Theater Sonntag und Montag Abschiedsvorstellung Fritz Schulz in „Er und seine Schwester". Ab Dienstag, den 3. September Gastspiel Ilse Muth in Lehars „Friederike". Am Sonntag, nachm. 4 Uhr Fremden vorstellung „Friederike" mit Ilse Muth in der Titelrolle. In dieser Vorstellung gelten kleine Preise. Central-Theater Ab Sonntag, den 1. September Erstaufführung der Operetten neuheit „König Kuckuck", Musik von Heinrich Kunz Krause. In den Hauptrollen sind beschäftigt die Damen: Magdalena Witt, Charlotte Schaedrich, Grete. Eckart sowie die Herren: Kurt Hampe, Georg Wörtge, Potdi Harlanns, Carl Sukfüll Inszenierung: Willi Karl. Die musi kalische Leitung hat der Komponist. SM«s-VMiiös-SMr sük WwWS-vMtm Eine grundsätzliche Entscheidung de» sächsischen Oberverwaltungsgericht. Dresden, 28. August. Der Verwaltungsausschub de» Zweck verbandes für das Wafferwerk Neubrunn zu Radebeul hatte beschlossen, ein Wohngebäude (Sechsfamilieuhaus) auf dem Waffelwerkgrundstücke zu errichten. Die Aufbringung der Baukosten sollte in der Weise er- folgen, daß die nötige erst- Hypothek dem Bestände des Reservefonds entnommen und ein gleichfalls hypothekarisch sicherzustellendes Mietzins- st-u-rdarleh-n von der Gemeind« Radebeul in Höhe Von 46 000 Mark ausgenommen werden sollte. Der Beschluß ist zur «ussltyrung gekom men. Die Verbandsgemeinde Oberlößnitz hat gegen den Beschluß Klage erhoben mit dem An rage auf Feststellung, daß der Velwaltvngsaus- schuß des Verbandes nicht berechtigt war, entgegen den Bestimmungen der Verbandssotzungen die Mittel des Verbandes zum Bau eines Wohn hauses zu verwenden. Ebenso seien der Ausschuß und sein Vorsitzender nicht berechtigt gewesen, ein Darlehen aufzunehmen, ohne vorher die Zustimmung Ler Gemeinde Oberlößnitz eingeholt zu haben. Begrün der wurde die Klage damit, daß der Bciwallungsausschuß seine Befug nisse überschritten und Satzungsvorschriftcn verletzt habe. Der Bau von Wohnungen, soweit cs sich nicht ausschließlich von zum Betriebe notwendigen.Wohnungen sür Arbeiter und Angestellte de- Werks han dele, gehöre überhaupt nicht zum Aufgabenkreise des Verbandes. Der Wohnungsbau im vorliegenden Falle sei jedoch, da sämtliche Arbeiter und Angestellte des Werls in geeigneten Wohnungen untergebracht wor den seien, sür die Allgemeinheit erfolgt. Durch die teilweise Entnahme der Mittel aus dem Reservefonds >20 000 Mark) und deren Verwen dung sür den Wohnungsbau habe der Ausschuß die Satzungen verletzt weil nach diesen der Rescrvesond lediglich zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes bestimmt sei und weil er infolge der Entnahme nicht mehr die satzungsmäßig bestimmte Höhe habe, der Be trag auch nicht mündelsicher zinstragend angelegt sei. Ebenso sei die Verwendung eines weiteren Teils des Reingewinn« zum Wohnungsbau satzungswidrig, weil der Ueberschuß aus dem Reingewinn nach Abfül luna de« Reservefonds dem Erneuerungsfond hält« zugefüdrt werden müssen. — Die Kreishauptmonnschaft Dresden als erste Instanz hatte wollen. Es handelt sich einzig um die Frage: Warum hält Christ mit dem vielen Geld, das er verdient, nicht besser Haus? Aber ich will es dir sagen: Weiber haben schon immer viel Geld gekostet. Christ ist nicht der erste, der an diesem Ungeziefer zugrunde geht." Frau Holsten zitterte vor Empörung. „Du vergißt dich, Klaus. Auch ich bin eine Frau." Er verbeugte sich. „Ich ehre die Frau. Weiber, wie sie mein Bruder liebt, sind sür mich eben Ungeziefer; von der Meinung wird mich nichts bekehren." Die blonde Helga hatte während des aufgeregten Ge sprächs schweigens am Fenster gesessen und Stich um Stich an einer kunstvollen Stickerei gearbeitet. Frau Holsten wandte sich an das junge Mädchen. „Helga, deine Meinung, bitte." Helga stand aus. Sie trat zu dem Bruder, dessen Niesenfigur weit über sie ragte. „Ich gebe Klaus recht. Es ist gut, daß er wenigstens weiß, was er dem Andenken unseres Vaters schuldig ist." „O du! Ich konnte es mir ja denken, daß ihr beide gegen ihn sein würdet. Christ wird es von euch jedenfalls zur Genüge vor Augen geführt, daß er nur euer Stief bruder ist." Keines der Geschwister antwortete ihr aus ihre bösen Worte. Klaus und Helga stammten aus der ersten Ehe des ver storbenen August Holsten. Frau Holsten war bei Helgas Geburt gestorben. August Holten hatte sich die Tochter eines Hamburger Kaufmanns auf feinen Herrenhof geholt. Und es blieb ein ewiger Kampf zwischen dem verwöhnten Stadtkind und dem geraden, derben Wesen des ostfriesischen lingen wird, denn Christ ist mein Stolz." Die riesige Gestalt Klaus Holstens schien noch zu wachsen. Um den markanten Mund zuckte es verächtlich. „Ich bitte um Verzeihung, Mutter. Doch wir wollen bei der Sache bleiben. Du sagst selbst, daß Christ berühmt Koman von /isrt kotkbers II VOKI II d^LIartin^euctitvaQsvr, Halle (Lsals) l1 Klaus Holstens schwere Faust fiel auf die Tischplatte nieder. „Ich denke nicht daran, die noblen Passionen meines Herrn Bruders zu bezahlen. Der Holstenhof verträgt ver- artige Extravaganzen nicht mehr." Frau Christine Holsten rang die Hände. „Es muß ihm aber geholfen werden, ganz schnell muß ihm geholfen werden, sonst ist er verloren." Klaus lachte bitter. „Natürlich, Mutter, ihm muß ja stets schnell geholfen werden." Frau Holstens Augen sprühten zornig. „Weil er ganz anders ist als du, deswegen ist er dir ein Dorn im Auge. Wir sind reich; was Christ verbraucht, kann den Holstenhos nicht arm machen. Er kann nichts dafür, daß er anders ist als du und Helga, daß er nicht das schwere, friesische Bauernblut in seinen Adern hat. Er ist Künstler, er denkt und lebt ganz anders. Anstatt dich über deinen berühmten Bruder zu freuen, möchtest du ihn in meinen 'Augen verächtlich machen, was dir aber nie ge Bauern. Klaus und Helga hätten vorhin sehr gut ant ist. Gut! Es liegt mir fern, feinen Ruhm schmälern zu Worten können, saß sie es ja auch suhlen mußten, saß sie nur eine Stiefmutter besaßen; denn deren Liebe gehörte ja nur ihrem Sohne, den wilden, lustigen Christ, der zur zeit in München lebte und ein bekannter Maler war. Dabei liebten Klaus und Helga den jungen Stief bruder, doch für seinen bodenlosen Leichtsinn hatten eben beide kein Verständnis. Der Holstenhof war in die Hände des ältesten Sohnes übergegangen. Das war immer fo gewesen, feit die Holstens auf dem alten Herrenhof saßen. Daß Christ sein Erbteil bereits verpraßt hatte, das war ja leichtsinnig genug; aber Frau Holsten war eben der Meinung, daß Christ viel mehr mitten in Leben und Verführung stand als Klaus, so daß der letztere beinahe verpflichtet war, dem Bruder jederzeit zu helfen. „Du willst nicht helfen?" „Nein! Ich sagte es dir deutlich genug, Mutter." Frau Holsten blickte ihrem Stiefsohn in die Augen und etwas wie finsterer Haß kroch in ihr empor. Er sah es, und ein harter Trotz legte sich über sein Gesicht und machte es unsagbar finster und verschlossen. Frau Holsten erschrak. Sie kannte diesen zusammen- gepreßten, trotzigen Mund nur zu gut. Mit bösen Worten würde sie nichts erreichen. So versuchte sie noch das letzte. „Helga sprach vorhin vom Andenken an euren Vater. Ist damit sein Andenken geehrt, wenn Christ seine Schul den nicht bezahlen kann?" Klaus ging zur Tür. Von dort her rief er grollend ins Zimmer zurück: „Frag' das doch Christ. Er schändet Vaters Nan nicht ich." Damit ging er hinaus. Frau Holsten lief mit gerungenen Händen im Zuu^_. auf und ab.