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Nr. 207. PulSntyer Tageblatt. — Donnerstag, vm 5. September 1929. Sette 3. Oie große Rede MacOonalds. Der englische Premierminister MacDonald, der die allgemeine Aussprache über den Rechenschaftsbericht des Ge neralsekretärs am Dienstag mit einer einstündigen Nebe er öffnete, behandelte darin alle wichtigen Völkerbund-Probleme, vor allem die der Abrüstung und des internatio nalen Wirtschaftslebens. . „ MacDonald erklärte u. a., es müßten jetzt vor allen Dingen die wirtschaftlichen Probleme in Angriff genommen werden. Die englische Regierung werde alles tun, um die Vorbereitungen für die Abrüstungskonferenz zu beschleunigen. Der erste und eigentliche Beitrag Eng lands für diese Vorbereitungen sei die Regelung der Seeabrüstung. Der beste Weg dazu sm nn Abkommen zwischen England und Amerika. Die Besprechungen zwischen den beiden Mächten seien in keiner Weise gegen irgendwen gerichtet, sondern von dem Wunsch beseelt, durch diese Ver ständigung das ganze Problem zur Lösung zu bringen. — Als zweite wichtige Aufgabe bezeichnete MacDonald den Ausbau der S ch i e ds g e ri ch s b a r kei t und des- Schlichtungswesen und gab bekannt, daß die englische Ne gierung beschlossen habe, die Fakultativklausel Uber die Schiedsgerichtsbarkeit' des Ständigen Internationalen Ge richtshofes im Haag zu unterzeichnen. Er sprach die Hoff nung aus, daß andere Nationen auf diesem Wege folgten. MacDonald stellte, zum Minderheitenproblem < f übergehend, fest, daß es niemals möglich sein werde, Europa in reine Nationalstaaten einzuteilen. Auf keinen Fall dürften die Minderheiten der Unterdrük- kung ausgesetzt sein. — Nach Berührung der Vorgänge -in Palästina betonte schließlich MacDonald die Bedeutung- der wirtschaftlichen Probleme. Dor allen Dingen müsse das Problem der Zollsätze geregelt werden, und zwar von dem Grundgedanken aus, daß kein Land ohne Gedeihen der übrigen Staaten blühen könne. — MacDonald schloß mit einem starken Bekenntnis für die Möglichkeit einer weit gehenden internationalen Zusammenarbeit auf dem Boden der gegenseitigen Selbstachtung der Völker, aus deren Denken der Rüstungsgedanke endgültig verbannt werden müsse. Der große Mann in Genf. Der englische P^iwecuuiuirm Mw^oaald kündigte auf der Genfer Dölkerbunüvermmmlung an. daß die englische Regie, rung alles tun werde, um die Vorbereitungen für die Ab< rüstungskonferen, ,u beschleunigen Amerika winkt ab. Washington. In amerikanischen Negierungskreisen herrscht die Meinung vor, daß die Aeußerungen MacDonalds über die Aussichten eines englisch-amerikanischen Flottcn- abrüstungsabkommens viel zu optimistisch seien. Es wird betont, daß gerade die drei Punkte, von denen MacDonald in Genf sagte, sie wären noch nicht geregelt, die verwickelsten Probleme des gesamten Verhandlungslomplexes Varstellten. Man hält es daher für unwahrscheinlich, daß sich in naher Zukunft ein erfolgreicher Abschluß erzielen läßt. — Der amerikanische Staatssekretär Stimson er klärte, ein hoffnungsvoller Fortschritt sei gemacht, aber es bedürfe noch einer beträchtlichen ePriode harter Kleinarbeit, ehe ein Abkommen Uber die Flottenfrage erreicht sei. — Senator Male, der Vorsitzende des Flottenausschusses des amerikanischen Senats, erklärte, die Vereinigten Staaten würden trotz der Abrüstungsverhandlungen schließlich doch zum Bau Ler vom letzten Kongreß bewilligten 15 Kreuzer schrotten. Präsident Hoover habe Lie Hoffnung aufgegebea. Hie DMMWg FwttM^p^rMWS^MzuhE -Roman von ^ert RMbeiT oLSM-mor l9 »Weißt du, Hede, die ganze Sache war eigentlich furcht bar albern. Die Locko Grinzelhofer ist so aufdringlich, weißt du. Sie kam va hineingeschneit, und ich hatte erst eine furchtbare Wut. Ich wollte wirklich arbeiten. Nimm es nicht tragisch, Hede. Ich bin ein leichtsinniger Kerl, aber schlecht bin ich doch nicht. Ich kaufe dir morgen ein prachtvolles Armband. Ziehe kein Gesicht, Hede, ich kaufe es dir doch. Und wenn wir erst daheim sind, du sollst sehen, wie aut wir uns da vertragen werden." Hede lächelte müde. „Natürlich, Christ, ich mich so sehr auf daheim." An diesem Abend blieb Christ zu Hause, und in der armen Hede keimte eine scheue Hoffnung: „Wenn doch noch alles gut würde?" Aber an einem der nächsten Abende schon brachte man Christ total betrunken nach Hause. * * Ein paar Tage später kam Professor Langenheim zu Hede und bat sie, ihren ganzen Einfluß auf ihren Mann aufzubieten, daß er nicht mehr s" trinke „Es ist ja jammerschade um dieses Genie. Was habe ich für Hoffnungen aus ihn gesetzt, liebe, gnädige Frau. Er darf diese Hoffnungen nicht schänden ma^ Hai einen abscheulichen Kitsch im salon -oplehrs hangen. Man schämt sich ja für ihn. H^t Land ohne Wegen Die Kartoffelernte gefährdet — Seit Anfang Juli hat kaum irgendwo ein Tropfen Re gen die weiten Fluren der deutschen Landwirtschaftsgebiete benetzt. Jahrzehntelang gab es keine solche Dürre. Besonders die sandigen Dünen sind von der an haltenden Hitze betroffen und die Gebiete, in denen der Winterfrost lange nachgewirkt hat. Sehnsüchtig schaut der Landmann nach den ersten aufziehenden Wolken. Es müßte sich schon ein gewaltiges Gewitter entladen, um nachzuholen, was lange gefehlt hat. Das Getreide ist zum Teil ausge wintert, die Frühjahrsbestellung konnte erst zu spät einsetzen, die Hitze dörrte die jungen Pflanzen vorzeitig aus, und Ge treide verbrannte oder konnte nicht mehr reifen. Und wo es geerntet ist, hat der Landwirt seine Not, es bei den ge fallenen Preisen an den Käufer zu bringen. Ein altes Vo lkss prichwort sagt: „Wenn die Hirschbrunst, die in den ersten Septembertagen einsetzt, mit trockenem Wetter zusammenfällt, so hat man auch die folgenden sechs Wochen Trockenheit und Dürre zu erwarten." f Besonders die Kartoffelernte ist in gtoßer Ge fahr. Welk und klein liegen die Früchte in dem Boden wie in der Asche, gelb legt sich das Kraut. Auch die als Vieh futter dienenden Steckrüben sind meist gar nicht ange wachsen. Di? Weiden und Wiesen sind ausgebrannt, es gi.bt keine Nachmahd, und das Vieh magert zusehends ab. Die. Milcherzeugung ist bereits auf ein Drittel der sonst üb lichen Menge zurückgegangen, und die Kleesaat scheint gar für das nächste Jahr zerstört zu sein. Seen, Teiche und Wasserlöcher sind zurückgegangen oder ausgetrocknet. Bei allen Gebäuden hat man Wasser zum Löschen bei Feuers gefahr bereitgestellt, da die ausgetrockneten Gebäude und Strohdächer durch einen Funken wie Zunder aufbrennen würden. Man kann den Stoppelacker nicht pflügen, weil der Boden st einhart geworden ist, und das Saatkorn, das man jetzt aussäen würde, bliebe keimlos liegen. Das Obst in den Gärten leidet ebenfalls sehr. Alle Welt hofft und erwartet und ersehnt den Regen, der vielleicht noch großen Schaden mildern kann. .. . Bittgebete um Regen in Ostpommern. ' Kolberg. Seit Wochen ist auch in O st pommern kein Tropfen Regen mehr gefallen, die Folgen sind katastrophal. Auf leichtem Boden sind die Kartoffeln vollständig ver trocknet, die Wiesen und Weiden sind aus gebrannt, so daß eine Spätmaht nicht mehr in Frage kommt. Der Ackerboden ist so ausgedörrt, daß er zur Saat nicht gepflügt werden kann. Wegen Futtermangels waren viele Landwirte gezwungen, ihre Kühe zu verkaufen. Auf Veranlassung des Konsistoriums werden in den Kirchen Bittgebete um Regen abgehalten. Weiteres Anhalten der Dürre? Das Gießen der Gärten in einzelnen erzgebirgischen Orten einstweilen verboten. Die Direktton der städtischen Betriebe Freibergs gibt bekannt: Infolge der anhaltenden trockenen Witterung ist 6er Trinkwasserverbrauch derart gestiegen, daß der Zufluß von den Quellen, deren Ergiebigkeit wesentlich nachgelassen hat, nicht mehr ausreicht, um den außergewöhnlich hohen Wasserverbrauch voll zu decken. Zur Vermeidung von Trink wassermangel und Durchführung strenger Sparmaßnahmen wird allen Einwohnern äußerste Sparsamkeit im Trink wasserverbrauch zur Pflicht gemacht. Das Gießen der Gärten und auf den Friedhöfen mit Trinkwasser wird bis auf weiteres verboten. Auch an anderen Orten des Erzgebirges beginnt sich infolge der anhaltend trockenen Witterung Trinkwassermangel zu zeigen. , ? Moor-, Heide- und Häuserbränd«. . Bremen. Begünstigt durch die anhaltende Trockenheit, die Heide- und Moorgebiete völlig ausgedörrt hat, wütet ><"t am Montag im Kreise Rotenburg und im Landkreis Harburg ausgebrochene große Moor- und Heidebrand noch immer. Bisher sind schätzungsweise 1200 Morgen von dem Feuer ergriffen. Der auffrischende Wind bringt ständig neue Gefahren für eine weitere Ausdehnung. Wann es gelingen wird, den Brand zum Stehen zu bringen, ist noch ungewiß. Augsburg. Großfeuer bei Regensburg. — In Galling kofen entstand in dem Anwesen des Landwirts Rieger Feuer, welches sich mit rasender Schnelligkeit über das ganze Gehöft, bestehend aus Wohnhaus, zwei großen Scheunen und Stal lungen, verbreitete. Bis die Feuerwehr von Regensburg eintraf, stand der große Wirtschaftskomplex in Hellen Flam- men. Es wird vermutet, daß das Feuer dadurch entstanden ist, daß sich das Stroh durch die große Hitze selbst entzündetes Saarbrücken. Infolge der Tropenhitze nehmen die Brand fälle im Saargebiet ein großes Ausmaß an. Es vergeht kaum esp Tag, an dem nicht irgendein Großfeuer gemeldet wird. In Lupershausen bei Püttlingen wurden vier Wohnungen sowie eine Stallung vollständig eingeäschert. Die Feuerwehr war dem rasenden Element gegenüber macht los. Mit knapper Not konnte man das Großvieh aus den Stallungen retten. Die erst kürzlich eingebrachte Ernte wurde vollkommen vernichtet. Der Schaden beläuft sich auf etwa 300 000 Franken und ist nur zum Teil durch Ver sicherung gedeckt. . . s Sonne «nd Mond 7.9. SA. 5,21, SU 18,34. MA. 10,08, MU. 20,04 Die Genfer Abrüstungskonferenz auf dem toten Punkt. Washington. Die gegenwärtigen Abrüstungsoer. -andlungen sind aus demselben toten Punkt angelangt, wie Ke in Genf im Jahre 1927. Das ist die Meinung, die hier n einzelnen politischen Kreisen vertreten wird. Zwar cr- lären offizielle Kreise, daß sie nicht wüßten, was sie unter Sen „drei Fragen", über die, wie MacDonald in Genf zugab, Meinungsverschiedenheiten beständen, zu verstehen hätten. Wie hier jedoch verlautet, handelt es sich um folgende Fragen: t. Die gesamte Tonnage der von jedem Lande zu verwenden- sen Kreuzer, 2. das Verhältnis zwischen den kleinen Kreuzern uit 6-Zoll-Geschützen und den Kreuzern mit 8-Zoll-Geschützen, ;. die Gesamtzahl der Kreuzer, die jedem Land zuzubilligen jind. Das sind dieselben drei Punkte, über die die Genfer Konferenz 1927 in die Brüche ging. Aus aller Welt. Waldbrand Schleiz. An der Talsperre bei Bleiloch brach gestern ein großer Waldbrand aus. Ein Flächt von 300 Meter Länge und 50 bis 80 Meter Breite steht vollständig in Flammen. Der Brand droht sich infolge de» heftigen Windes noch weiter auszudehnen. Der alle Herr wischte sich wahrhaftig ein paar Tränen fort. Hede saß zusammengesunken da. Trübe sah der alte Professor vor sich hin. Dann sah er in das junge, verhärmte Frauengesicht, und da wußte er auf einmal, daß er sich dumm benommen hatte, als er mit seinen Sorgen zu dieser Frau kam, die sowieso schon eine schwere Last trug. Er beugte sich über die weiße Hand, auf der die blauen Aederchen durch die Haut schimmerten. „Meine liebe, gnädige Frau, wenn es doch irgend etwas geben würde, wodurch man ihn einige Zeit von München fernhallen könnte. Er muß heraus hier; das ist die ganze Lösung." Ein trockener Husten Hedes unterbrach ihn. „Wir reisen Ende dieses Monats nach Ostfriesland in unsere Heimat. Der Arzt riet mir dringend einen längeren Landaufenthalt. Christ weiß es, und er ist bereit, mich zu begleiten. Vielleicht bleiben wir bis Weihnachten." Der Professor war erfreut. „Das wird das beste sein, gnädige Frau. Ich wünsche Ihnen also frohe Tage, und erholen Sie sich recht gut!" Als er die Treppe Hinabstieg, dachte er: „Dort in dem einsamen Winkel hält es Christ Holsten ja keine drei Wochen aus, selbst wenn er den besten Willen dazu hat. Die arme, kleine Frau!" Christ war seit Tagen unterwegs. Ein Engländer wollte eines der ausgestellten Bilder kaufen, und er bot einen fabelhaften Preis. Auch eine Kopie eines berühmten Gemäldes von Rubens wünschte er. Christ hatte dies seiner Frau erzählt. „Hab' jetzt Geduld mit mir, Hede. Ich muß die Skizze von dem vermaledeiten Irrsinn haben. Der olle Eng- Die Mannschaften der Talsperre find im Verein mit der Ueberland- spritze Plauen eisrig bemühlt, des Feuer» Herr zu werden. Der betzarabische Ort Soroki eiageüschert Bukarest. Der Ort Soroki in Beßarabten wurde gestern durch eia Feuer zum größtcnte» eingräschert. Der Wassermangel und die schlechte Ausrüstung der Feuerwehr machten es unmöglich, die Flammen ernstlich zu bekämpfen. Ueber 1000 Familien find obdachlos. Müller mit ihren Kindern auf dem Arm irren verzweifelt durch die leergrbrannten Straßen aus der Suche nach vermißten Familienangehörigen Der Saarschaden kann überhaupt noch nicht geschätzt werden, doch übersteigt er sicherlich über 40 Millionen Lei. Freudiges Ereignis im Hause Mussolini. Mussolini ist zum fünften Male Vater geworden. Frau Mussolini hat in der Dilla Carpena ein Mädchen zur Welt gebracht, das auf den Namen Anna-Maria getauft wurde. Mutter und Toch ter befinden sich wohl. Mussolini ist somit Vater von zwei Mädchen und drei Knaben. Der Präfekt gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß der Duce seine Bevölkerungspolittk selbst in die Tat umsetzt und seinem Lande mit gutem Bek» spiel voravLeht. ' Lande»wrttervarle Dresden Zunehmende Gkwitterncigung, dabei aber noch keine durchgrei fende Acnderung der Wetterlage, jedoch dürste die höchste Entfaltung der Hitze nunmehr erreicht sein. Schwache Luflbewcgung verändere licher Richtung. länoer hätte sich doch wahrhaftig etwas anderes heraus suchen können." > Sie sah ihn erschrocken an. „Christ, du zweifelst doch nicht etwa am Gelingen?" Er lachte hochfahrend. > „Nein, mein Kind. Mißlingen wird mir nie etwas, wenn ich ernstlich will. Und die hübschen englischen Pfunde s will ich eben auf jeden Fall. Ich werde mir also den Meergott mit allem Drum-und-Dran skizzieren, damit ich mich während unseres Urlaubs in ihn hineinleben kann. Wenn wir zurückkommen, kann der Zauber dann be- ginnen." Christ hatte seiner Meinung nach seine Frau jetzt ge- nügend über sein vieles Fortgehen aufgeklärt. An einem der nächsten Tage traf Hede ihren Mann im , Zimmer an, als er gerade eine illustrierte Zeitung wütend zusammenknüllte. „Elende Bande, was maßt ihr euch an? Einen Christ Holsten Herunterreißen wollt ihr? Durchsichtiges Mach werk neidischer Kollegen! Was stört es mich? Was ' ärgere ich mich?" Seine Hand griff nach der Kognakflasche, um das Glo? von neuem zu füllen. Da trat Hede zu ihm und wollte ihm sanft das Glas aus der Hand nehmen. „Trink nicht, Christ, es schadet dir, du bist schon so erregt." Er stieß sie zurück. „Ah, du? Natürlich, Hede, gut, daß du da bist. Denn j du gehörst in erster Linie dazu, wenn Christ Holsten als Stümper gebrandmarkt wird. Du — du allein bist ja; schuld daran, daß ich an einem ekelhaften, kleinbürgerlichen Leben zugrunde gehen mutz."