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Nr. 199. Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 27. August 1929. Seite 6. Tagungen in Sachsen Fünfzigjahrfeier des Verbandes Sächsischer Buchhändler. Der Verband Sächsischer Buchhändler beging die Feier eines 50jährigen Bestehens. Zahlreiche Mitglieder aus dem Vereinsgebiete waren der Einladung nach Meißen gefolgt, der Stadt, die zufolge ihrer geschichtlichen Bedeutung für das Land Sachsen für die Feier ganz besonders geeignet erscheinen mußte. Die sächsische Regierung hatte in entgegenkommender Weise für den Festakt den Kirchensaal in der Albrechtsburg zur Verfügung gestellt. Damit war für den offiziellen Teil eine ganz besondere Weihe und Würde gewährleistet. Ms Ehren gäste waren vertreten: die sächsische Regierung durch Ministe rialdirektor Geh. Rat Dr. Klien, die Stadt Meißen durch Ober bürgermeister Dr. Busch, die Stadt Dresden durch Stadtschul rat Dr. Hartnacke, die Dresdener Handelskammer durch Kom merzienrat Bernaud, die Technische Hochschule durch Prof. Dr. Haiduschka, die Fttrstenschule zu St. Afra durch Oberstudien- direktor Prof. Dr. Hartlich, die Dresdener Bibliotheken durch Landesbibliotheksdirektor Prof. Dr. Sollert. Werbetag des Evangelisch-lutherische« Jungmädchen bundes. Am 1. September veranstaltet der Ev.-luth. Jungmädchen bund in Sachsen einen Werbetag für seine ihm angeschlossenen Vereine. Sächsische Landeswohlfahrtstagung in Meißen. Das sächsische Landeswohlsahrts- und Jugendamt hält seine diesjährige Landeswohlsahrtstagung am 18. und 19. Sep tember in MeKen ab. Sport Fußball. Die mitteldeutschen Fußballspiele brachten fast ourchweg erwartete Ergebnisse. Zweistelltg siegten, jedesmal 10:1, Polizei Chemnitz über Wacker-Chemnitz und Chem nitzer B. C. über Teutonia-Chemnitz. 3ü Jahre Dresdener Hauptausschuß für Leibesübungen. 30 Jahre besteht der Dresdener Hauptausschutz für Leibesübungen oder der Verein für Vaterländische Festspiele, wie er sich früher nannte, als höchste Körperschaft der un politischen Dresdener Turn- und Sportvereine. Die 30 Jahre seiner Entwicklung fallen zusammen mit gewaltiger Entfal tung seiner Glieder, der ihm angeschlossenen Turn-, Radsahr-, Schwimmer-, Fechter-, Ruderer-, Paddler-, Segler-, Wander-, Wintersport-, Leicht- und Schwerathletik-, Rollschuh-, Ball- sport- und Keglervereine und -verbände, zu machtvollen Fak toren des sportlichen und turnerischen Lebens. Zum Feste der 30jährigen Wiederkehr seines Äründungstages kann der D. H. A. f. L. nur Ausschnitte bieten der Leibesübungen, die seine Gruppen pslegen. Die Hauptveranstaltung vereint Turner und Sportler zu einer mächtigen Kundgebung am l. September auf der Ilgen-Kampfbahn und im Georg- Arnolo-Bad. Radfahren. Der Diamantpreis von Chemnitz, ein über 144 Kilometer führendes Straßenrennen des Sächsischen Rad fahrerbundes, Ortsgruppe Chemnitz, sah den Chemnitzer Uhlig in 4:06 im Endspurt als Sieger. Kein Wettbewerb um den Schneiderpokal in diesem Jahre. Nachdem die amerikanischen Probeslüge mit den für die Teilnahme an dem Schneider-Pokal-Wettbewerb be stimmten Flugzeugen wiederum ergebnislos verlaufen sind, haben die Vereinigten Staaten nunmehr endgültig ihre Teilnahme an dem Wettbewerb abgesagt. Zur gleichen Zeit wird bekannt gegeben, daß auch Italien nunmehr amtlich seine Nichtteilnahme an dem Rennen mitgeteilt hat. Mit den beiden Absagen Ameri kas und Italiens bleibt Großbritannien a!!.„. im Rennen. Ob es trotzdem ausgetragen wird, wird erst am Dienstag entschiede» werden. Börse und Handel Amtliche sächsische Aotierunaen vom 26. Auaust. Dresden. Die Börse verlief in festerer Haltung. Die Nachfrage begann sich zu regen und führte bei fehlendem An gebot teilweise zu recht erheblichen Kursgewinnen, denen nur geringe Verluste gegenüberstanden. Es gewannen Dresdener Albumingenußscheine und Gebr. Herrmann je 6, Fries u. Höpflinger 6, Schösferhof und Glasfabrik Brockwitz je 4,50, Pöge-Stammaktien 3,25, Mnnosa und Rosenthal je 3, Reichs- bank, Braubank und Deutsche Jute je 2,50, Walther u. Söhne Gebler, Erste Kulmbacher und Rizzi je 2 Prozent. Dagegen büßten je 2 Prozent ein Polyphon und Dresdener Albumim aktien. Die übrigen Kursveränderungen lagen unter 2 Pro- zent. Siebenprozentige Dresdener Stadtanleihe von 1926 er holten sich um 1,1, während achtprozentige dergl. von 1928 um 0,25 nachgaben. Leipzig. Die Börse zeigte eine unsichere Haltung. Dil Kurse wiesen nach beiden Seiten Schwankungen von 1 bis 1 Prozent auf und vereinzelt auch mehr. Höher notierten Poly Phon und Glautziger Zucker um je 2 Prozent, währeni Gohliser 4 Prozent einbützten. Anleihen still. Leipziger Viehmarkt. Auftrieb: 798 Rinder, darunter 124 Ochsen, 277 Bullen, 288 Kühe, 109 Färsen; 331 Kälber 814 Schafe, 1968 Schweine. Verlauf: Bei Rindern schlecht, bei Schafen gut, bei Kälbern und Schweinen mittel. Preise- Ochsen a) 58—62, b) 46-57; Bullen a) 56-60, b) 50—55, c) 4! bis 49; Kühe a) 52—56, b) 44—51, c) 33—43; Färsen a) 57—62 b) 45—56; Kälber a) —, b) 78—86, c) 70—77, di 60-69; Schaf« a) 65—68, b) 68—73, c) 55—64, d) 50—54; Schweine a) 87—88 b) 89—90, c) 90, d) 86—87; Sauen 80—84. Chemnitzer Viehmarkt. Auftrieb: 1052 Rinder, daruntei 121 Ochsen, 223 Bullen, 656 Kühe, 49 Färsen, 3 Fresser; 601 Kälber, 188 Schafe, 2205 Schweine. Verlaus: Bei Rinder» schlecht, bei Kälbern gut, bei Schafen und Schweinen langsam Preise: Ochsen a) 60-61, b) 56—58, c) 50—55, d) 45—48 Bullen a) 55—58, b) 51—54, c) 46—49; Kühe a) 50—54, b) 4c bis 49, c) 35—40, d) 25—32; Kälber a) -, b) 83—85, c) 7S bis 82, d) 68—75; Schafe a) 62—64, b) 57-60, c) 50-55- Schweine a) 87—89, b) 85—88; Sauen 75—82. Dresdener Produktenbörse. Börsenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.80 Uhr. Weizen 26.8. 19.8. Weiz.-Kl 26. 8. 12,0-12,4 19.8. 11,2—12,1 77 Kilo Roggen 73 Kilo 240-245 250-255 Rogg.-Kl Kaiseraus- 12,4—13,4 12,6—13,e 187—192 194—199 zugnehl 45,5—47,0 46,0—47^ 180—185 180 - 185 Bäcker- Sommergsi 225-281 230—245 mundmehl 39,5—41,0 40,0—41,5 Haier, inl 171-176 190-195 Pcizen- Raps tr 350-355 345-350 nichmehl 16,5—17,5 17,0—18,l Mais tland- Laplata 210—212 216—218 eizenm. Cinqu. 23,0—21,5 24,0-25,5 Type 70 H 35,5—36,5 36,0-37,1 Rotklee Trocken- -- 13,4-13,6 Roggen- inehl 0 I schnitzet 18,2—48,4 — Tvpc M SS 80,5—81,b 81,0—82,4 Zucker- Roggen- schnitzel »E» — mehl I Kartoffel- flocken 18,8-192 18,8-19,2 Type 70 A Rogaen- nachmehl 29,0—30,0 29,5—30,5 Futtermehl 14,5—15,5 14,5—15,5 17 0-18,0 17,0—18,4 Berliner Börse vom Montag. Der Wochenbeginn, gleichzeitig der erste der beiden Schiebungstage, hatte ziemlich feste Haltung. Den Ausgang für die bessere Tendenz bildete wieder der Montan- markt, der auch das Hauptgeschäft hatte. Daneben traten nur einige wenige Spezialwerte durch etwas regere Umsätze hervor, der Rest der Märkte hatte dagegen lustloses Geschäft. Effektenmarkt. Heimische Renten waren etwas freundlicher. Schiff- fahrtsaktien: Verein. Elbe erholten sich. Banken: Leb hafter waren Danat und Reichsbonk. Das Hauptinteresse hatte der Montanmarkt. Kaliaktien gut erholt. Di« Far- 'benaktie konnte sich um 2 Prozent bessern. Elektro aktien: Im Vordergründe standen A. E. G. Verlirrer Produktenbörse: Schwary. Die lustlose Tendenz am Weizcnmarkt, veranlaßt durch matte ausländische Depeschen und Inlandsangebote weit über Bedarf, drückte sowohl die Prompt- als auch die Feitmarktnotierungen nicht unbedeutend herab, zumal die Müllerei weiter über schlep penden Absatz für Mehl und Kleie bei weichenden Preisen klagt. Roggen st Ätzungen verhinderten zu kräftiges Zurückgeher der Preis« dieser Körnerfrucht. Hafer schwach, Gerste still. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin IW», W-iz. 23. s. 28 26 8. 28 100 leg Mehl 70 23 8. 26 26 8 29 mark 234.0-237.0 238.0-241.0 Weizen 29.5-347 29.5-35.0 Sept 249.5-248.0 252.5-253 5 Roggen 25.2 28.0 25.4 28 2 Okt 255.5-254 0 259.5 258. Weizenkleie 11.5-12.2 11.5-12.2 Dez. 261.5-260.5 264.5 Roggenkleie 11.2-115 11 2-11.5 Rogg. Weizenkleie- mrk. 189.0193.0 I9I.0-195.5 Melasse —— — Sept. 204.5-203 0 206.5 Raps (1000 ko) 349.00 340.0 Okt. 209.5-208.2 213.0-211.0 Leinsaat (do.) — -X. Dez. 216.0-215.0 220.0-218.7 Erbsen, Viktor a 40.0-48.0 40.0-48.0 Gerste Brau Wint. Futt. Kl. Speiseerbien 28.0-L4.t 28.0-34.S >10.0-227.0 212.0-230.0 Futtererbien Peluschken 21.0-23.0 >1.0-».S 167.0-186.0 P7.0-188 0 Äckerbohnen Wicken 28.0-32.6 28.0-32.0 H«frr Lupinen biau — » oeib — märl. 168.0-174 168 0-174 0 Seradella neue Sept. 179.0-180.0 180.0 Rapsiuchen 18.3-19.0 18.3-19.0 Okt. 188.0 188 0 Leinkuchen 24.0-24.3 24 0 24.3 Dez. 192.5 192.7 Trockenichmtze >1.5-11.6 U.5-11.6 Mais Soya-Extrakl Berlin 214.0-216.0 215.0-217.0 Schrot 19.6 20.1 19.8 20.3 Plato - I — Kartoffelstockes >76 180 176 >80 Preisnotierungen der amtl. BerlinerEiernotierungs- kommission. Die Preise verstehen sich in Reichspfennig je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Berliner Usancen. Deut sche Eier: Trinkeier (vollfrisch«, gestempelte) über 65 Gramm 15, 60 Gramm 14, 53 Gramm 13, 48 Gramm 11,50, frische Eier über 65 Gramm 14, 60 Gramm 13, 53 Gramm 12, 48 Gramm 11, ausfortierte kleine und Schmutzeier 9—9,50. 6) Auslandseier: Dänen, 18er 14,75, 17er 14, 15/^—16er 13, Schweden, 18er 14,50, 17er 13,75, 15-4—16er 12,75, Litauer, große 11,75—12, normale 10,25, Rumänen 11, Ungarn 11—11,25, Jugoslawen 11—11,25, Russen, normale 10-50—11, Polen, größere 10^0, norinale 10, kleine, Mittel-, Schinutzeier 9. Tendenz: Lebhafter. (Ohne Gew.) Kartoffelerzeugerpreis, ermittelt von der Landwirt- schastslanrmer für di« Pronin, VranL-.a».«« j« Aorrtn»« rnn«onai. frei märkischer Station: Weiße und frühe Rosen 2,40—2,70, Erst linge, deutsche Aussaat 3,70—4,50, andere gelbfleischige (außer liiecenlartoffeln) 2,M—3. (Ohne Gewähr.) 8 DSmon Künstler. Roman von Magda Trott. Copyright by Greiner k Co., Berlin NW Ü. (Nachdruck verboten.) 46. Fortsetzung. Ob er ihr einen versöhnlichen Brief schrieb, ob er auss neue Komödie spielte? Aber würde sie ihm Glauben schenken? Wieder schüttelte ihn die Angst, wenn er daran dachte, mit welchem teuflischen Lachen sie von ihm ge gangen war. Diese Frau würde ihn verderben, sie würde keine Rücksichten kennen. „Kampf bis aufs Messer," murmelte er, „mit ehr lichen Waffen kann ich mich nicht schlagen, denn ich bin schuldbedeckt. So möge auch weiterhin Lug und Trug am Werke sein, um mein Ziel zu erreichen." Am selben Tage noch schrieb er mit knirschenden Zähnen einen zärtlichen Brief an Lola, bat sie um Ver zeihung und teilte ihr mit, daß er sich langsam von Aline lösen werde, da er es mit seinem Ruse nicht vereinbaren könne, die Tochter eines Zuchthäuslers zur Gattin zu erwählen. Er habe lange mit sich gekämpft, sähe nun aber selbst ein, daß Lola recht habe und daß sie beide zusammengehörten, darum wollte er ihren Wunsch er füllen und sie an dem festgesetzten Termin zu seinem Weibe machen. Zum Schluß bat er, sie möge ihm schrei ben, wann er sie besuchen dürfe, doch sei er augenblick lich leidend und bäte um einige Tage der Ruhe. Er wartete unruhig auf eine Antwort. Aber es er folgte nichts. Da schrieb er zum zweiten Male einen heißen Liebesbrief, mitten in die Vorbereitungen zur Hoch zeit hinein, die von ihm mit größter Heimlichkeit be trieben wurden. Und immer größer wurde sein Angst gefühl, immer zerwühlter sein Gesicht, bei jedem Ge räusch schreckte er zusammen. Mitunter brachen ihm die Knie, er machte den Eindruck eines Schwerkranken. Endlich, am Ausgang der zweiten Woche, hielt er von Lola Findeisen einen Brief in den Händen. Zitternd riß er ihn aus. Auf dem eleganten Elfenbeinbogen stand mit der ihr eigenen großen Schrift: „Anliegende Abschrift wird Dich interessieren, mein Freund. Ich habe mich der Arbeit unterzogen, das Ori ginal zu kopieren." Er nahm das Blatt zur Hand und sah sein eigenes Aufgebot, das seit acht Tagen öffentlich aushing. Mit wildem Aufschluchzen schlug er die Hände vor das Gesicht. Trotzdem hoffte er, daß ihre entsetzliche Drohung nicht Wahrheit werden würde. Sie hatte durch Jahre ge- schwiegen, hatte zu niemandem von seiner verbrecherischen Tat gesprochen. Sie wollte ihn ängstigen, ihn an den Rand der Verzweiflung bringen. Sie war ja seine Mit schuldige, da auch sie so lange geschwiegen hatte. Sie mußte sich vor ihm fürchten, denn er würde rücksichtslos ihren ungezügelten Lebenswandel vor der Oeffentlichkeit aufdecken. Sie war für die Gesellschaft unmöglich, wenn man erfuhr, wer ihren Lebensunterhalt bestritt, wer in ihrem Haufe ein und aus ging. Sie mußte schweigen, konnte nicht reden, wollte sie sich nicht selbst preisgeben. Jedesmal, wenn er das Sillingsche Haus betrat, bebte er an allen Gliedern, weil er fürchtete, Aline würde ihm entgegenfchreien: ist's wahr? Aber ihre Zärtlichkeiten, ihre stille Güte war immer die gleiche, und wenn er sein müdes Haupt an ihre Schulter lehnte, wenn er die brennenden Augen, die sich seit Tagen nicht mehr in erquickendem Schlummer geschlossen hatten, zusallen ließ, überkam auch ihn für Augenblicke ein Gefühl des Geborgenseins. Er hatte vor wenigen Tagen in einem Konzert mit gewirkt, hatte aber zum erstenmal kein uneingeschränktes Lob geerntet. Die Blätter schrieben, daß der große Künst ler unter einer starken Depression gelitten habe, oder daß er überanstrengt sei und sich aus dem Grunde nicht habe entfalten können. Es nahm ihm das letzte Fünkchen Ruhe. „Ich gehe auch künstlerisch zugrunde," rief er, „an meinen Händen hängen Ketten. Oh, ich habe es wohl ge- fühlt, der Bogen war schwer wie Blei!" Vergeblich versuchte Aline ihn zu beruhigen. Er weinte an ihrem Halse wie ein Kind. Alines Antlitz wurde trotz allem immer verklarter. Sie konnte es kaum fassen, daß sie schon tn acht Tagen dem geliebten Manne für immer angehören sollte. Noch sieben mal würde sie der Mutter und dem Bruder den Früh- stückstijch richten, dann ging sie hinaus in die Welt. An Bernhards Seite würde sie die Schönheiten fremder Länder kennenlernen, würde sie unsagbar glücklich sein. Wie wollte sie ihm alle Steine aus dem Wege räumen, alles Mßliche von ihm fernhalten, denn sie sah mit banger Sorge, daß sich seine Nervosität ins Uferlose gesteigert hatte, und sie hoffte, daß er, wenn er aus dem hastenden Treiben der Stadt herauskommen würde, den'verlorenen Frieden zurückgewinnen würde. Das Klingeln an der Tür riß sie ans ihren Gedanken. Es war der Briefträger, der einen duftenden Brief für Rolf abgab. Lächelnd legte Aline das Schreiben neben die Tasse des Bruders. Er würde es ebenso nichtachtend zur Seite legen, wie er das vor Wochen getan hatte, als seine einstigen Freundinnen und Freunde ihu aufgefordert hatten, in ihren fröhlichen Kreis endlich wieder zurückzu kehren. Als dann Rolf aber erschien, als seine seelenvollen Augen die steile Schrift sahen, da stieg ihm langsam die Röte der Erregung ins Gesicht. Aline gab sich den Anschein, als sähe sie es nicht. Sie beschäftigte sich mit dem Herrichten des Frühstückstisches und sah erst auf, als sie einen leisen Seufzer hörte, der über die Lippen des Bruders kam. „Von Lola Findeisen," sagte er leise. „Sie verlangt, daß ich heute zu ihr komme, sie habe mir etwas Wichtiges zu sagen, ich müsse zu ihr kommen " „Warum willst du nicht zu ihr gehen, Rolf? Ich kann dir mit gutem Gewissen zureden, da ich jetzt weiß, daß du die innere Festigkeit wiedererlangt hast." Daß in dem Briefe ein Satz stand, der ihn unruhig machte, das verschwieg er der Schwester. „Das Glück Ihrer Schwester steht auf dem Spiele, Rolfl Wenn Sie nicht wollen, daß sie für ihr Leben lang unglücklich wird, müssen Sie mich aufsuchen!" (Fortsetzung folgt.)