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Dienstag, den 27. August 182S Beilage zu Nr. 1VS 81. Jahrgang S4000 Kinder im Erwerbsleben. Noch immer gibt es in Sachsen eine stattliche Zahl von Kindern, die bereits im Erwerbsleben stehen. Wahr scheinlich ist in Sachsen die Zahl sogar größer als in anderen Teilen des Reiches, wo die wirtschaftlichen Ver hältnisse weniger eng sind und nicht aller Hände zum kärg lichen Verdienst benötigen. 521 496 Schulkinder gab es 1928 in Sachsen, und nicht weniger als 10,4 Prozent, das find S4 227 Kinder, waren davon erwerbstätig. Diese Zahlen bedeuten eine Abnahme gegenüber 1927, wo noch 12 Prozent erwerbstätige Kinder gezählt wurden. Der Grund dafür liegt jedoch in der Hauptsache im Geburten rückgang während des Krieges, der sich jetzt noch in den Altersklassen von 10—14 Jahren auswirkt. Dazu kommt, daß die Zahl der in der Forst - und Landwirt schaft festgestellten Kinder — 12 917 gegenüber 19122 im Vorjahre — am 12. Mai ermittelt wurde, während die Feststellung 1927 vier Wochen später erfolgte, als die landwirtschaftlichen Arbeiten weiter fortgeschritten waren und daher mehr Arbeitskräfte und also auch kindliche Ar beitskräfte in Anspruch nahmen. Im Handel und Gewerbe waren 1928 ins gesamt 26 408 Kinder beschäftigt, und zwar 9637 eigene und 16 771 Kinder. 18154 waren Knaben und 8254 Mäd chen. Bei nicht weniger als 7030 Kindern mußte an genommen werden, daß ihre Beschäftigung verbotswidrig entgegen dem Kmderarbeitsgesetz erfolgte. In der Haus wirtschaft wurden 13 553 erwerbstätige Kinder gezählt, darunter 1521 eigene und 12 032 fremde Kinder und 1542 Knaben und 12 011 Mädchen. In der Forst- und Land wirtschaftgab es 12 917 erwerbstätige Kinder: 3871 eigene und 9046 fremde Kinder und 9010 Knaben und 3907 Mäd chen. Auf die Gruppen »Sonstiges" entfallen schließlich noch 1349 Kinder. Es ist selbstverständlich, daß die Kinderarbeit den Gewerbeaufsichtsbeamten ein besonders wich tiges Feld der Tätigkeit bietet. In vielen Fällen mußten sie einschreiten und für Innehaltung der gesetzlichen Be stimmungen sorgen. Dabei zeigte sich immer wieder, daß nicht nur manchmal eine Ausnutzung durch den Arbeit geber vorlag, sondern daß vor allem die Eltern selbst die Kinder zur Erwerbsarbeit zwangen, — freilich meistens infolge der eigenen schlechten Erwerbsverhält nisse und wegen eigener Arbeitslosigkeit. Von den Fällen, die die Berichte der Gewerbeaufsichtsbeamten mitteilen, seien im folgenden einige angeführt: In einer Bäckerei mit Motorbetrieb mußte die Be- schästiguna eines Knaben beim Brötchenbacken untersagt Werden. Mit 50 Mark wurde ein Flaschenbier händler bestraft, der einen elfjährigen Knaben in seiner Kellerei mit Flaschenspülen beschäftigte. Ein Holz händler erhielt 40 Mark Geldstrafe, weil er einige Knaben bis zu sechs Stunden täglich mit Holzhacken be schäftigt hatte. Einige der Eltern reichten Gesuche um. Aufhebung des Verbotes ein, und ein Vater ging sogar so weit, zu erklären, daß ihm das Verbot des Gewerbeauf sichtsamtes sehr gleichgültig sei, er lasse sein Kind, einen Knaben von zehn Jahren, weiterarbeiten. Ein Metall warenhersteller, der seine eigenen, sechs, acht und zehn Jahre alten Kinder mit der Bedienung von elektrisch be triebenen Gewindedrückbänken betraut hatte, erhielt auf die Anzeige hin 100 Mark Geldstrafe. Eine andere Anzeige richtete sich gegen einen, Friseur, der einen 13jäbrigen Knaben abends und Sonnabends von 13 bis 23 Uhr und länger mit Einseifen usw. beschäftigte. Das Verfahren schwebt noch. Ver warnt wurde ein Fleischermeister wegen Heran ziehung seines zehnjährigen Sohnes zum Schlachten. Er zeigte für das Verbot sehr wenig Verständnis und er klärte mit einem gewissen Stolz, daß sein anderer, jetzt 14jähriger Sohn schon als 13jähriger Knabe völlig selb ständig Kälber geschlachtet habe und jetzt seinen im dritten Lehrjahre stehenden Lehrling an Fachkenntnissen weit überflügele. Aus den Schullisten erfuhr ein Gewerbeauf sichtsamt ferner, daß eme große Molkerei in ihren Zweiggeschäften Sonntags vor 8 Uhr morgens Kinder mit Milchaustragen beschäftigte. Die Erörterungen er gaben, daß die Kinder von den Austrägern ohne Wissen der Molkereileitung angenommen worden waren. Ähnlich liegen die Verhältnisse vielfach auch beim Zeitungaus tragen, das eine besonders große Gruppe von erwerbs tätigen Kindern stellt. So trugen von den 4893 im Ge werbeaufsichtsbezirk Chemnitz gewerblich beschäftigten Kindern 1240, also jedes vierte erwerbstätige Kind, Zei tungen aus. Wie gesagt, Mißstände zeigen sich hier genug es zeigt sich aber auch die wirtschaftliche Not des Volkes. Unsere ehemaligen Feinde aus dem Weltkrieg sollten sich diese Zustände einmal ansehen, damit sie wissen, wie der „Wohlstand" des deutschen Volkes beschaffen ist! z Oie Kraftfahrzeuge in Sachsen. Bei der Bestandsaufnahme vom 1. Juli 1929 sind in Sachsen 134582 Kraftfahrzeuge (ohne die der Reichs post und Reichswehr) festgestellt worden, das sind 29 600 oder 28,2 Prozent mehr als zur gleichen Zeit des Vor jahres. Für die weiter zurückliegenden Jahre ergeben sich folgende Bestandsziffern: 1927: 80 515, 1926: 61 487, 1925: 42 068 1924 : 28 802, 1921: 13 179 (für 1921 bis 1925 jedoch ohne die Kleinkrafträder). Unter den Mitte 1929 vorhandenen Kraftfahrzeugen befanden sich 47 398 (Mitte 1928: 41 779) Großkrafträder, 46 061 (37 351) P e r- sonen kraftwagen und 15 796 (13 543) Lastkraft wagen. Die Zahl der Kleinkrafträder ist seit 1928 von 10 708 auf 23 414 gestiegen. Dazu kommen noch 163 (144) Kraftwagen für F e u e rl ö s ch z w e ck e, 105 (80) selbst fahrende Straßenreinigungsmaschinen und 1645 (1371) Zugmaschinen ohne Güterladeraum. Wie im Vorjahre, so ist auch diesmal wieder das Herstellungsland für die Kraftfahrzeuge erfragt worden. Nicht aus deutschen Fabriken stammen von der Gesamtzahl der Krafträder 3183 oder 4,5 Prozent (i. V. 3,3 Prozent), von den Personenkraftwagen 9518 oder 20,7 (16,9) Prozent und von den Lastkraftwagen 2244 oder 14,2 (10,7) Prozent. Die Kraftfahrzeuge der staatlichen Kraftwagenverwaltung und der sächsischen Staatspolizei verwaltung, die bei der bisherigen Krastfahrzeugstatistik insgesamt bei der Stadt Dresden als der zuständigen Zu lassungsstelle nachgewiesen wurden, sind bei der dies maligen Erhebung auf diejenigen Großstädte bzw. Kreis hauptmannschaften verteilt worden, in denen sich ihre Einstellräume befinden. In Betracht kommen 590 solcher Kraftfahrzeuge. Seit dem Jahre 1921 ist die Zahl der Kraftfahrzeuge in Sachsen um rund das Zehnfache gestiegen. Be zieht man die Kraftfahrzeugbestände auf die Bevölke rungszahl, so ergibt sich, daß 1921 erst auf 365 Personen ein Kraftfahrzeug kam, heute aber schon auf 38 Personen ein solches zu rechnen ist. KfnSlf Wasser - Temperaturen am 26. Ang. MUVl-oUV 20 - 21 - 22 Grad Celsius Sonne und Mond. 29. S.-A. 5.06, S.-U. 18.54. M.-A. 22.58, M.-U. 16.14. Die Weltzeituhr. Liest Zeichnung stell! Vie jogenannte Weltzeituhr dar, durch die wir in der Lage sind, die ziemlich komplizierte Zeitumrechnung der Völker auf einen Blick abzulesen. Nehmen wir also ein mal an, es ist in Berlin kurz vor 1 Uhr nachmittags, so ist es in Paris kurz vor 12 Uhr, in Greenwich punkt 12 Uhr, in Lissabon 1412 Uhr. in Nir de Janeiro aber erst 9 Uhr morgens, in Buenos Aires 8 Uhr, ln New York 7 Uhr, in Mexiko 514 Uhr und in San Franzisko gar erst 4 Uhr morgens. Aus dem 18V. Meridian ist es genau 12 Uhi nachts. In Tokio 914 Uhr abends, i Peking kurz vor 8 Uhr abends, und >n Moskau 143 Uhr nachmittags. In Europa hat man aus praktischen Grün den sich aus eure Zeit, die sogenannte Mitteleuropäische Zeit, ge- änigt. Diese gilt in Deutschland, Oester- -eich, Skandinavien, Schweiz und Ita lien. Allerdings gibt es für England, Frankreich. Belgien und Spanien die logen. Greenwich-Mean-Time, in Washington rechnet man nach der Lastern.Standard-Time, in Chicago nach der Central-Stan dard-Time, in Denver nach der Mean-Standard-Time, in San Franzisko nach der Paztfic- Standard-Time, in Hawas nach der Lawal-Standard-Time, während die Ortszeit von/ Kalkutta gegenüber Indlan-Standard- Time plus 30 Minuten beträgt. Man kann an Hand dieser Tafel genau den Flug des Zeppelin verfolgen, man sieht die Zeit von Tokio, die 814 Stunden vor der Berliner Zeit liegt, man sieht den l80. Längengrad, wo »Gras Zeppr. lin" einen Tag überspringen muß. man sieht ferner die Zeit von San Franzisko, die drei Stunden vor der New-Yorker Zeit liegt und die Zeit von New 4)ork. oie n Stunden hinter der unsrigen lieat Oie DaSumsgrerrze. Ein Tag mit 48 Stunden. — Wenn der Deutsche Mittag Ißt, geht der Japaner schlafen. — Wie der Weltreisende seine Uhr stellen muß. — Als Magelhaes den Erdball umsegelte. Wer heute mit Interesse, und wer täte das nicht, die Nachrichten über den Weltflug des „Graf Zeppelin" verfolgt, der wird sehr bald merken, daß es eine Sache gibt, die nach unseren Begriffen bei diesem Flug nicht stimmt, und das ist — die Zeit. Gerade die Fahrt nach dem Fernen Osten zeigte uns, daß ein sehr großer Unterschied ist zwischen unse ren Zeitbegriffen und den — meinetwegen — japanischen. Das heißt, ein Unterschied besteht nur deswegen, weil mir Menschen uns selbst diese Zeiteinteilung geschaffen haben. Nehmen wir einmal an, um irgendeinen Punkt herauszu- greifen, wir befänden uns nachmittags um 1 Uhr in Berlin bei Hellem Sonnenschein, einen fröhlichen Spaziergang machend. Zu diesem Zeitpunkt fängt der Japaner gerade an, die letzten Vorbereitungen zum Schlafengehen zu treffen; denn dort ist es gerade 149 Uhr abends geworden. Und wenn wir einen Mick werfen würden nach New York, so würden wir sehen, wie die flinken Geschäftsmanner sich drü ben gerade anschicken, ihren Morgenkaffee Herunterzusturzen, denn die 6. Morgenstunde schleicht gerade eben über die Wolkenkratzer heran. Wir sehen also aus diesen Beispielen schon, daß eben die Zeit ein sehr relativer Begriff ist und daß sozusagen jedes Volk seine eigene Zeit hat. Gerade der Flug des „Graf Zep- pelin" führte uns die Tatsache vor Augen, daß wir einmal beim Abflug mit mitteleuropäischer Zeit rechneten, daß dann mit jeden 1000 Kilometern, die das Luftschiff ostwärts flog, die Uhr eine Stunde vorgerichtet werden mußte. Und als man dann in Japan ankam, waren es gerade 814 Stunden Unterschied mit unserer Zeit. Wenn nun das Luftschiff seinen Weg um den Erdball fortsetzt, so muß es einmal zu einem Punkt kommen, wo ein Tag übersprungen werden muß, um wieder beim Berühren zivilisierter Gegenden mit den Uhrzeiten Ubereinzustimmen. Man nennt diesen Punkt oder vielmehr diese Linie die Linie desDatumswechsels, die ungefähr längs des 180. Meridians verläuft. Da diese Linie selbstverständlich nicht ein Land kreuzen durfte, so legte man sie so, daß sie nur über den Ozean geht und um die australischen Inselgruppen sowie um die Aleuien und den Ostzipfel von Sibirien einen Bogen macht. " Wenn wir also heute eine Reise machen, es braucht nicht gleich eine Weltreise zu sein, und wir fahren in östlicher oder westlicher Richtung, so werden wir nach einer gewissen Zeil feststellen, daß unsere Uhr „falsch" geht. Sind wir z. B. in Berlin weggefahren und kommen in Paris an, so müssen mir zu unserem Schreck feststeUen, daß unsere Uhr eine ganze Stunde vorgeht. Oder ein anderes Beispiel: Wir leben in einer Zeit der großen Erfindungen, und wir haben von den Plänen gehört, ein logenanntes Stratosphärenflugzeug her zustellen, das in der Lage sein soll, die Entfernung Berlin — New York in vier Stunden zu durchfliegen. Sollte dieser Plan sich einmal verwirklichen, so kämen wir zu einem ge radezu phantastischen Zeitunterschied. Nehmen wir einmal an, wir würden um 10 Uhr morgens auf dem Tempelhofer Feld in Berlin mit unserem Stratosphärenflugzeug aufstei- gen, so küinen wir um 2 Uhr Berliner Zeit in New York an. Kommen wir aber in Wirklichkeit dort an, so treffen wir die Stadt gerade beim Morgenerwachen, denn die Uhren zeigen auf dem 74. westlichen Längengrad erst 8.10 Uhr morgens. Wir kommen also scheinbar zwei Stunden früher an, als wir in Berlin abgeflogen sind. Oder, um einen anderen Vergleich heranzuziehen: Wie viele von uns besitzen einen Radioapparat und möchten sehr gern auch einmal die amerikanischen Sender hören! Da gibt es aber nur zwei Möglichkeiten: entweder man geht sehr spät zu Bett oder man steht ganz früh morgens auf; denn nach der mitteleuropäischen Zeit wird man die amerikanischen Programme nur zwischen 2 und 5 Uhr morgens hören können. Der Begriff der Zeitbestimmung machte den Menschen schon immer Schwierigkeit. Als Magelhaes die erste Weltumseglung unternahm, entdeckten die heimkehrenden Seefahrer, daß sie in ihrer Zeitrechnung einen Tag zurück waren, ohne aber die wirkliche Ursache dieses Fehlers zu be- greifen. Die Mannschaft hatte sich eben nach der Sonne, dem natürlichen Zeitmesser, der besonders auf offenem Meer eine so große Rolle spielt, orientiert. Was damals für die mutigen Seefahrer galt, wird selbstverständlich auch heute noch für die modernsten Verkehrsmittel, wie es das Luftschiff darstellt, seine Anwendung haben, nur mit dem Unterschied, daß der moderne Wikinger sich heute nicht mehr darüber wun dert, wenn er beim Ueberschreiten des 180. Längengrades vom Osten kommend plötzlich einen Tag zuviel vor sich hat und vom Westen kommend einen Tag zu wenig.