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Pulsnitzer Tageblatt : 27.07.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840937203-192907275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840937203-19290727
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840937203-19290727
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-07
- Tag 1929-07-27
-
Monat
1929-07
-
Jahr
1929
- Titel
- Pulsnitzer Tageblatt : 27.07.1929
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Nr. 173. Pulsnitzer Tageblatt. — Sonnabend, den 27. Juli 1929. Seite 6. Vinzel-Handel und Young-Plan Die ungültige Lufteaumfteuee Dreede«, 2S. Juli. Dir Sächsische EinzrlhandelSgemeinschaft hielt in Dresden eine gut besuchte Geschäftsführerkonferenz ab. Der geschäftsführende Vorsitzende Prof. Dr. Kastner referierte eingehend über den Joungplan und über dessen voraussichtliche Einwirkungen auf die Wetschaft, insbesondere auf den Einzelhandel. Einmütig wurde in Uebereinstimmung mit der Hauptgemeinschast deS deutschen Einzelhan del- folgende Entschließung angenommen: Die Bestimmungen deS JoungplancS bedeuten auf gewissen Ge bieten die Möglichkeit einer Entlastung. Durch die Freigabe der Eisen- bahnschuldvcrschreibungen und der deutschen Jndustrieobiigationen wird die Kreditfähigkeit großer und wichtiger Teile der deutschen Wirtschaft gestärkt, wenn auch eine Verpflichtung der Reichsbahn zu erheblichen Sonderzahlungen erhalten bleibt. Gegenüber diesen Vorteilen der neuen Regelung bringt der Doungplan aus heute noch unübersehbare Zeit eine so schwere Belastung mit sich, daß deren Tragbarkeit auf die Dauer noch nicht gewährleistet erscheint. Wie die politische Entschei dung über den Aoungplan a "ch autfallen wird, auf jeden Fall werden die damit verbundenen Leistungen nur dann bewirkt werden können, wenn neben einer unseren LebenSmöglichkeiten entsprechenden Aenderung der Weltwirtschafispolitik auch wir selbst uns zu einer grundlegenden Reform unserer Finanz-, Wirtschaft«» und Sozialpolitik entschließen. Die Revision der inneren deutschen Politik, die wir auch unab hängig von dem Reparationsproblem in vielen Einzelheiten bereits ständig gefordert haben, muß vor allem darauf Hinzielen, durch ener gische AnSgabensenkungen die Haushalte von Reich, Ländern und Ge meinden zu verkleinern und durch Steuersenkungen aller Art die Privat wirtschaft wirtschaftlich zu stärken. Es ist erforderlich, daß alle Er sparnisse, die gegebenfalls auf Grund des neuen Planes eintreten, zu einer Entlastung der Allgemeinheit verwendet werden. Die eintretenden finanziellen Erleichterungen für das Reich müssm dazu führen, Mittel zur Stärkung der Länder und Gemeinden bereit zu stellen, damit diese unter Beachtung des Grundsatzes eigener Ausgabenverminderunaen in die Lage versetzt werden, die Realsteuern zu senken. Hierfür müssen in den endgültigen Finanzausgleich bindende Sicherheiten eingcsührt werden. Bleibender Gesichtspunkt für die Verminderung der Steuerlasten muß sein, eine Senkung der Produktionskosten der deutschen Wirtschaft herbeizusühren. Die Herabsetzung der öffentlichen Belastung ist von vornherein über das Ausmaß der Reparationsnachläffe binaus vorzu nehmen, weil als Folge der Steigerung der wirtschaftlichen Leistungs fähigkeit die allgemeinen Steuererträgr über das gegenwärtige Maß Hinausgehen werden. Bei den außerordentlichen Ausgaben, insbesondere bei Reichs bahn und Reichspost, wird zu prüfen sein, ob die Beschaffung von Betriebsmitteln für Investitionen nunmehr endlich auf den Anleiheweg verwiesen werden kann, anstelle de« bisherigen Systems der Hereinholung dieser Gelder von den Konsumenten auf dem Wege der Tariferhöhungen. Der Einzelhandel fordert, daß bei der Neugestaltung der öffent lichen Haushaltsführung in Deutschland besonders die Erhaltung und Pfl ge eines gesunden Mittelstandes in den Vordergrund gestellt wird. Dec gewerbliche Mittelstand muß von den Sonderlasten befreit werden, die ihm im Gegensatz zu anderen Volksgenossen infolge mangelnder Würdigung seiner wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung unter ernst hafter Gefährdung seiner Existenzgrundlage auferlegt worden sind. In einem weiteren Referat über die Handels- und Gewerbe- tammerwahlen betonte Professor Dr. Kastner die große Bedeutung die den im Spätherbst bevorstehenden sächsischen Handels- und Gewerbe» kammerwahien, insbesondere für den Einzelhandel zukommt. Assessor Dr. Stockhan wie« in einem eingehenden Referat über die Lustraum steuer (Bezeigungsgelder) ans die große Bedeutung deS kürzlich ergan genen Reichsgerichtsurteils hin, welche sestgestellt hat, daß den Gemein den ein Recht für die Anbringung von Reklameschildern, Transparenten usw. eine laufende Gebühr zu erheben, nicht zustcht. Auch in Köln sei vom Landgericht ein ähnliches Urteil gefällt wvlden. In Sachsen habe sich erst kürzlich die Kreishauptmannschaft Zwickau in einer Entschei dung gegen die Erhebung von Bezeigungsgeldean durch die Stadl aus gesprochen. In Dresden schwebe ebenfalls bereits ein Prozeß in der gleichen Angelegenheit, dessen Ergebnis abzuwarten sei. Dresdner Bries Aos »em W-S« Glutheißer Sommer brütet über dem Land, und der Straßen Steinkanüle werden zur Pein. Wer kann es da den Dresdnern verdenken, wenn sie. Trotz nnd Klein, sich» auf den erfrischenden Hauch des Wassers besinnen? Und wenn auch die Elbe kleiner geworden ist und nicht mehr in gewohnter stattlicher Breite unter den Bbgen der Brüchen dabinschietzt. sie trügt doch noch stolz die stattlichen weitzen Schiffe, manches Motorboot, kleine Segelyachten und Paddelboote auf ihrem Bücken und gibt da» köstlichste, da» dem Stüdter gespendet werden kann — Naturfreuden I Heil unserer Elbe l Frühmorgens, wenn noch Kühle Nebel über den Wassern spielen und die Sonnenstrahlen in luftigen Kringeln aus den leicht bewegten Wellen tanzen, führt das erste Schiff am Terraffenufrr ab. Meist ist es reich gefüllt, besonders jetzt in der Ferienzeit Da machen es sich viele Dresdner Fa milien auf dem Kühlen Oberdeck bequem, denn fie wollen ja den ganzen Tag auf dem Wasser verbringen. Ob fie auch oftmals denselben Weg gefahren find, die lieblichen Ufer kann man immer wieder von neuem sehen; man steigt einmal hier aus, einmal da, ein kleiner Spaziergang, bis rin nüchftes Schiff kommt, mit dem man dann weitersührt, und endlich die Rück fahrt in den stillen abend hinein, bis Lichterolanz und brausendes Leben di« Rüde der Stadt verkünden. Ist aber Ferienbesuch von weither gekommen, dann zeigen wir Diesdner erst recht die Reize unserer Elbe, und staunend berichten es die Fremden: Solch «ine Fahrt — wie schün! Ja, Hütten wir bei uns den stattlichen Strom! An den Usern flußauf und -ab ein reiches Badeleben. Verwegene Burschen schwimmen bis an das Schiff heran, hüngen sich an das Steuerruder, an den Radkasten und winken lochend den AllzuüngNlichen. Und manches hübsche junge Müdel im Badeanzug steht am User im Grünen und Kürzt sich, die Bewunderung der Fahrgüste heraussordernd, im kühnen Schwung ins Wasser. Kinder spielen im nassen Ufersand und die Eltern, ins Grün gelagert, freuen sich der Ungebundenheit ihrer Kleinen. Aus dem Strome selbst ein buntes Leben von kleinen Fahrzeugen aller Art. Da, in einer kleinen Bucht, ein richtiger Hasen, in dem die verschiedensten Boote schaukelnd verankert find. Und da schleppen junge Leute ein Bündel heran, au» dem sich mit Stangen und Stünglein und imprüg nierter Leinewand ein zierliches Boot Herstellen lützt. Sin lachendes Pürchen steigt Hinein, ergrrist seine Paddelruder, und sort gebt es in den Morgen hinein. Was die Indianer mit ihren mit Zitteraalen und Krokodilen bevölkerten Flüssen können, warum sollen wir es nicht aus unserer sriedlicben Elbe auch tun? Je höher der Tag steigt, desto lebhafter wird es auf und an ter Elbe. In immer wechselnden Bildern entrollen sich Sommersreuden, sportliches Treiben, landschaftlich« Schönheiten. Und seufzend nehmen wir, wenn unsere Ferienwochenkarte ab- pelausen ist, von dem Schiffs und Uferleben Abschied. Kein Tag, keine Stunde ist uns langweilig geworden! Und von der Hitze haben wir nicht viel gerne, kt. Aber unser schönes Sachsen land haben wir recht innig kennen gelernt. Dann beginnt nach solcher Erholung das aufreibende Alltagsleben von neuem. Aber zur Elbe hinunter zieht es den Dresdner immer wieder. Und der Sonntag wenigstens gehört den Strandfreunden. Do ziehen am Abend ganze Schoren der Stadt zu, Menschen, di« den ganzen Tag Lust, Sonne und Wasser gentetzen konnten. Sie winken, in Erinnerung an schöne Stunden, den eiosahrenden Schiffen zu, die im Glanz vieler Lichter mit abgrstopvten Maschinen den Hauch der Berge mit herein bringen und von Weitem schon einen herrlichen Anblick bieten. Musik und frohe» Lochen ertönt von Bord, eine glünzende Stratze pflügt sich durch da» dunkelnde Wasser und von den Usern aus grüßen auffteigende Raketen die Ankunft. Ueber dem Walde aber flammt ein himmlisches Feuerwerk und verheißt Kühlung für den folgenden Tag. kegia» s-rtdoiä Vorsicht beim Ausstellen -er Arbeitsbescheinigungen. Die Bescheinigung, die entlassenen Arbeitnehmern auf Verlangen auszustellen ist, muß Angaben über die Art des Arbeitsverhältnisses, über seinen Beginn und sein Ende sowie über den Entlassungsgrund enthalten und ferner die Höhe des Arbeitsverdien stes und eine etwa gewährte einmalige Abfindung angeben. Diese Angaben müssen vollständig und richtig sein — an sich eine Selbstverständlichkeit, die jedoch in der Praxis kei neswegs immer ausreichend beachtet wird. Vor allem über den Entlassungsgrund, aber auch über den Arbeitsverdienst werden häufig ungenaue und unrichtige Angaben gemacht. Da diese Angaben jedoch die Unterlagen für die Prüfu n g des Anspruches auf Arbeitslosenunterstüt zung und für die Bemessung ihrer Höhe bilden, so kann jeoe ungenautgkeit zur Folge haben, daß unberechtigt oder zu hoch bemessene Arbeitslosenunterstützung gezahlt und da durch das Vermögen der Reichsanstalt geschädigt wird. Lin Arbeitgeber, der z. B. Entlassung wegen Arbeits- mangels bescheinigt und gleichzeitig neue Arbeitskräfte der gleichen Kategorie sucht oder der unrichtige Angaben Uber BeschäftigungsdLner und Lohnhöhe macht, setzt sich der Ge- fahr aus, vom Staatsanwalt wegen Beihilfe zum Betrug verfolgt und von der Reichsanstalt wegen Schadenersatzes belangt zu werden. Größte Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei Ausstellung der Arbeitsbescheinigung ist daher dringend anzuraten. Sport Z Turnen z Spiel Turnverein „Turnerbund« Pulsnitz. Anläßlich der Gaumeisterschoften im Volksturnen des Meißner Hochland. Gaues in Kamenz am 21. Juli 1923 gelang es unserem Mitglied Herbert Freu denberg im 200-Meterlauf den Titel eines Gaumeisters zu erring-n. Er bestritt den Lauf in 25,1 Sek. Im 100-Met »lauf belegte er den 3. Platz mit 12,4 Sek. Seine Leistung ist umso höher zu bewerten, als er als jüngster Wettkampfteilnehmer eigentlich in der Jungmannen klasse hätte starten müssen. Trotzdem gelang es ihm, aus den Reihen der Turner siegreich hervorzugehen. Wir beglückwünschen Turnbruder Freudenberg zu seinem h-norragenden Erfolg und wünschen ihm, daß er seine Leistungen weiterhin steigern möge. O. Vdr. Handball fv. 's.) Vorschau Spiele am Sonntag, 28. Juli 1989, Sportplctz Waldschlößchen Tbd. Pulsnitz 1. : Spielvereintgung Wcsenitztal 1. Nachm. '/,6 Uhr Im Rückspiele steht hier unsere 1. Elf vor einem schweren Kampfe. Das 1. Spiel verloren die Unsrigen in Dittersbach mit nicht weniger als 9 : 3 Toren. Wenn auch das Ergebnis am kommenden Sonntag nicht so hoch werden wird, dürfte es doch kaum zu einem Siege für die Schwarzgelben langen. Die Spielvereinigung Wesenitz, tat setzt sich zusammen aus den Spielern der Turnvereine Dittersbach, Dürrröhrsdorf und Helmsdorf und verfügt demgemäß über sehr spiel starke Mannschaften. Besonders an der 1. Mannschaft ist schon so mancher Gegner gescheitert. Ihre gefährlichste Waffe besitzt die Elf in ihrem Mittelstürmer Falke sowie in dem Halbrechten Müller, die mit ihrem unheimlich scharfen Schutz schon viele Tore auf ihr Konto setzen konnten. Eine ganz schwfe Bewachung dieser beiden Schützen wird der Pulsnitzcr Läuferreihe besonders anheimgegeben. Da Mittelstürmer Tittel am Sonntag nicht mit von der Partie ist, spielt der Turner bund-Sturm in seiner alten Besetzung. Das Dreiinnenspiel zu pflegen, hätte in diesem Spiel keinen Zweck, da der Gegner in seiner Vertei digung ein sehr starkes Bollwerk besitzt. Wenn Mittelstürmer Haase seine Außenleute recht ins Feuer schickt, ist zu hoffen, daß ein achtbares Ergebnis zustande kommt. Turnerbund Pulsnitz 2. : Wesenitzial 3. Nachm. 4 Uhr Da die 2. Eis ihren Torwart an die 1. Mannschaft abgegeben hat und das ganze Mannschaflsgesüge Umstellungen «fahren hat, wer den die Unsrigen um eine kleine Abreibung nicht herumkommen, denn die Gästestürmer verstehen zu schießen, welche Eigenschaft unserem Sturm leider noch etwas fehlt. Turnerburd Pulsnitz 1. Jgd. : Turnverein Radeberg 1. Jgd. Nachm. V'3 Uhr in Radeberg. Abfahrt 12,45 Uhr per Bahn. Im Rückspiel stehen sich obige Mannschaften gegenüber. Ob die Pulsnitzer Fugend den im Vorspiel errungenen Sieg wiederholen kann, erscheint fraglich, da verschled.ne Umstellungen vorgenommen worden sind. Der Davispokal bleibt in Frankreich. Paris. Der Davispokal bleibt in Frankreich. Das ist praktisch das Ergebnis des ersten Tennis-Kampftages zwischen Franzosen und Amerikanern, nachdem die beidenersten Einzelspiele an Frankreich gefallen sind, denn an dem Siege Cochets über Lott am Sonntag ist selbstverständlich nicht zu zweifeln. Sportpresse und Publikum sahen der Begegnung zwischen Borotra und Lott am Freitag mit einiger Besorgnis entgegen. Der Baske ist keineswegs in hoher Form, und Lott mußte als ernst zu nehmender Gegner gewertet werden, ob wohl er in Wimbledon von einem — allerdings besseren Borotra glatt geschlagen worden war. Als der Baske für das Spiel der Endrunde ausgelost wurde, griff er rasch zum Schläger, um sich in aller Hast auf den schweren Kamvf vor- Dämon Künstler. Roman von Magda Trott. Copyright by Greiner L Co-, Berlin NW 6. (Nachdruck verboten.) , 6. Fortsetzung. Aus den Augen Frau Lamberts flossen die Tränen. Sigundes Gesicht aber war wie im Entsetzen erstarrt. Sie ließ es ruhig geschehen, daß die Mutter ihren Kopf zwischen beide Hände nahm und sie an sich zog. Sie murmelte nur wieder vor sich hin: „Ich habe solche Angst, — ich fürchte mich!" Die Trostworte, die von den Lippen der Eltern kamen, schien Sigunde nicht zu hören. Nur von Zeit zu Zeit schauerte sie zusammen und selbst, als ihr der Vater nähere Mitteilungen über das Unglück machte, blieben ihre Augen trocken, die Lippen fest geschlossen. Frau Grete warf dem Gatten einen besorgten Blick zu. Es wäre ihr weit lieber gewesen, wenn Sigunde ihren Schmerz hinausgeschrien, wenn sie ihr Herz durch Tränen erleichtert hätte. Aber die starre Ruhe ängstigte sie. Sigunde hatte in ihrem Leben noch kaum trübe Stunden durchgemacht. Leid und Kummer hatten ihr die Eltern nach Kräften ferngehalten. Nun kam diese Botschaft, die ihr alles raubte. Wie würde das verzärtelte Kind diesen Schlag über winden? „So sprich doch, Sigunde! Ihr gingt doch gestern in Frieden auseinander?" Die starren Augen des jungen Mädchens glitten ins Leere. „Hat er dir niemals eine Andeutung gemacht, daß ihn etwas bedrückt?" Sigunde legte die Hände an die Stirn und sagte end lich: „Ist nicht heute mein Polterabend, — sollte ich nicht morgen mit ihm vor den Altar treten?" „Wir werden eH gemeinsam zu überwinden suchen, Sigunde. Komm zu mir mit deinen Schmerzen. Deine Mutter versteht dich, deine Mutter wird dir helfen." Aufs neue hatte Frau Lambert die Tochter an sich ziehen wollen, aber Sigunde wies sie von sich. „Laßt mich jetzt allein," sagte sie ruhig. „Noch kann ich es nicht fassen. In mir ist nichts als Angst vor etwas Entsetzlichem. Bitte, laßt mich gehen." Dann schritt sie hoch aufgerichtet zur Tür und ging hinaus. Wir wollen sie nicht allein lassen, saAe Frau Lam bert ängstlich, aber der Professor rief sie zurück. — „Laß ihr ein Viertelstündchen Zeit. Sie muß erst die ganze Schwere der Nachricht in sich aufnehmen. Sie ist ein Sonnenkind bisher gewesen, dieser Absturz ins Dunkel hat sie betäubt." — Voller Sorgen ging Frau Lambert nach kurzer Zeit doch der Tochter nach, lauschte an deren Zimmertür, aber aus Sigundes Stübchen klang kein Ton. Nur von Zeit zu Zeit knarrte leise die Diele, ein Beweis, daß das junge Mädchen langsam auf und ab schritt. Frau Lambert faltete stumm die Hände. Das Unglück war schon groß genug, es durfte nicht noch weiteres Unheil geschaffen werden. Ob sie an Gabriele Tollendorf tele phonierte? Sie war Sigundes innigste Freundin. Vielleicht weinte sie an deren Halse sich den Schmerz ein wenig von der Seele. Zum Mittagessen erschien Sigunde nicht. Das Mahl verlief schweigsam und gedrückt und noch ehe man es beendet hatte, ließ sich abermals Dr. Kaßner melden, der erregt von dem Lambertschen Ehepaar empfangen wurde. „Wissen Sie Näheres?" „Man hat nichts in Erfahrung bringen können. Die Leiche ist in seine Wohnung gebracht worden, in der augen blicklich sein Bruder weilt. Herr Bernhard Rechenberg ist gestern abend angekommen, um an der Hochzeit teilzu nehmen. Nun trauert er um einen Toten." „Wissen Sie nichts über das Motiv zur Tat?" „Wir haben eingehende Erkundigungen eingezogen. Einer der Amtsdiener berichtet, daß ein Herr nach dem Staatsanwalt gefragt habe. Er habe ihn ins Beratungs zimmer gewiesen. Der Amtsdiener hat sich leider den Herrn nicht genauer angesehen." „Ist die Leiche beschlagnahmt worden?" „Nein, — da der Selbstmord erwiesen ist." „Und der Bruder, — weiß auch er nichts?" „Ich habe den Herrn noch nicht gesprochen, habe aber gehört, daß er selbst über die Tat seines Bruders ver stört sein soll." „Vielleicht ist er doch in der Lage, eine Auskunft zu geben." „Ich habe ihn heute mittag vergeblich erwartet. Er kam nicht. Aber freilich, das ist ja nur verständlich." „Ich will hin zu ihm, will ihn aufsuchen. Er könnte der einzige sein, der das Rätsel löst." Schon am gleichen Nachmittag machte sich Professor Lambert auf den Weg, um Bernhard Rechenberg aufzu suchen. Ein wehes Gefühl überkam ihn, als er an der Wohnung schellte, an der Wohnung, die fertig für das junge Paar hergerichtet war. Eine ältere Frau öffnete ihm, die auf Befragen be richtete, daß Herr Rechenberg anwesend wäre. Sie wolle den Herrn Professor sofort melden. Wenige Minuten später standen sich die beiden Männer gegenüber. Bernhard Rechenberg hatte auch nicht die kleinste Aehn- lichkeit mit feinem Bruder. Wohl waren beide Männer stattliche und schöne Erscheinungen, aber während der Staatsanwalt regelmäßige, energische Geiichtszüge trug, war bei Bernhard Rechenberg alles weich und frauenhaft. Aus feinem geradezu zarten Gesicht aber blickten ein paar glutrote, große Augen hervor, Augen, die jetzt unruhig aufflackerten, die aber doch einen so eigenartigen Glanz hatten, daß Professor Lambert den Blick zu Boden schlug, weil ihn dieser Glanz schmerzte. Das Schönste an diesem Manne waren unzweifelhaft seine weißen, fein geäderten Hände mit den langen schlanken Jüngern. Hände, die wie aus Marmor gemeißelt erschienen, die den Blick, der einmal darauf ruhte, nicht mehr los ließen. Und nun diese weiche, verträumte Stimme, dieser einschmeichelnde Klang. Es war begreiflich, daß man von Bernhard Rechenberg sagte, er habe eine faszinierende Wirkung ans die Frauen.
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