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in der Nähe der geliebten Mutter sein zu können. Doch sie hatte das durchaus nicht gewollt, ihm direkt verboten, seine Arbeiten ihretwegen zu unterbrechen. Jetzt war sie tot. Aber es mußte ein schöner, ein sanfter Tod gewesen sein. Sie lächelte so glücklich. Tränenden Auges entnahm er dem Strauß ein einziges Blümchen und flüsterte: „Die eine nur, Mütterchen, zum Andenken an dich!" Dann rasst« er sich mannhaft auf. „Schlaf, Mütterchen, ruh dich aus von deiner herben Erdenbahn." Und der Sohn drückte seiner Mutter einen neuen, großen Frühlingsstrauß in die erkaltenden Hände. Der Traum Friedrichs des Großen Anekdote, mitgeteilt von H. W. Ludwig Zur Regierungszeit Friedrichs ll. war der alte Kapell meister Sydow am Potsdamer Militäxwaisenhaus als Lehrer der Musik angestellt. DeS öfteren ließ Sydow, der selbst komponierte, die von ihm verfaßten Märsche von seinen Schülern spielen. Eines Tages zog er mit seiner Schüler schar in der Nähe von Potsdam umher und ließ während des Marschierens einen erst kürzlich von ihm komponierten Marsch probieren. Friedrich der Große, der zufällig ungesehen in der Nähe vorbeiritt, hörte das Musizieren und erkundigte sich, was es mit dem noch nicht gehörten Marsch für eine Be- wandnis habe. Der Marsch gefiel ihm so gut, daß er eine ganze Weile auf und ab ritt und die Melodie leise mitpfiff. Da Sydow den Marsch immer und immer wiederholen ließ, prägte sich der König schließlich die ganze Melodie ein. Am anderen Tage wurde der alte Kapellmeister nach Sanssouci berufen. Der König empfing ihn sehr freundlich. Es entspann sich folgende Unterhaltung: Friedrich: „Wie geht es, mein lieber Sydow?" Sydow: „Wie Gott will, Ew. Majestät. Ich suche meinen Beruf treu zu erfüllen." Friedrich: „Das ist lobenswert! Aber hör er doch — ich weiß nicht, warum man jetzt gar keine guten Märsche bei der Armee hat. Ich ärgere mich immer über das jämmer liche Zeug, das die Garde herleiert. Da ist nicht Feuer und Kraft. Ein Marsch muß die Leute zum Marschieren aus- muntern, damit sie nicht so leicht ermüden, hab ich nicht recht?" Sydow: „Ganz recht, Ew. Majestät! Ja, ja, der jetzige Geschmack . . Wenn Ew. Majestät es befehlen, könnte ich etwas von meinen Arbeiten untertänigst präsen tieren. Vielleicht habe ich das Glück, daß es Ew. Majestät besser gefällt." Friedrich winkte ab: „Schon gut. — Aber hör er ein mal. Ich habe eine Idee zu einem Marsch im Kopf, die mir nicht uneben zu sein scheint." Er ergriff die Flöte und blies Sydows neuen Marsch, den er am Tage zuvor gehört hatte. „Wie gefällt ihm das?" fragte er den Kapellmeister. „Kann er mir das noch ein bißchen in Ordnung bringen?" „Ew. Majestät halten zu Gnaden!" erwiderte der be stürzte Sydow. „Es ist zwar nichts Ungewöhnliches, daß zwei Komponisten ganz ähnliche Gedanken haben können, aber hier weiß ich nicht, was ich sagen soll. Eben einen solchen Marsch, als mir Ew. Majestät jetzt vorgespielt haben, hab ich Note für Note vor einigen Tagen komponiert, und er ist nicht aus meinen Händen gekommen." Friedrich stellte sich nun ebenfalls bestürzt. Um den Kapellmeister zu beruhigen, erklärte er ihm, wie er auf den Marsch gekommen sei. Er habe in der vergangenen Nacht nicht schlafen können, und da sei ihm dieser Marsch eingefallen. Sydow bat um die Erlaubnis, nach Hause gehen zu zu dürfen, um den neuen Marsch zu holen. Er wollte den König sich selbst überzeugen lassen, daß es die gleiche Kom position sei. „Laß er das nur!", meinte Friedrich. „Ich glaube ihm schon. Nun, da der Zufall so ganz besonders ist, so schick er mir den Marsch für meine Garde!" Das geschah denn auch. Der Marsch wurde bald ein Lieblingsstück der Gardekapelle. Sydow wurde vom König durch ein wertvolles Geschenk geehrt. Es wollte dem alten Kapellmeister aber nicht aus dem Kopf, wie die sonderbare Duplizität des E'nfalls möglich gewesen war. Er glaubte schließlich, daß es nur auf ganz natürlichem Wege geschehen sein könne, und vermutete, der Marsch sei ihm gestohlen worden. Ein strenges Verhör seiner Schüler führte zu keinem Ergebnis. Zufällig erfuhr Sydow dabei aber von dem wirk lichen Verlauf der Dinge Den Marsch, den er nun zu seinen liebsten Kompositionen zählte, nannte er zum Anden ken an sein merkwürdiges Erlebnis mit dem König: „Fried richs Traum." —— ° Der Zauberkreis o— - - Satire von L. Sajanski (Berechtigte Uebertragung au- dem Russischen von H. Liedke) Im Monat Dezember entwickelte der neu ernannte Vor sitzende der „Abordnung für den Kampf mit der Waldoer- nichtung im Gebiet von Sakataisk", ein tatkräftiger, kahl köpfiger und übrigens stattlicher Mann, vor den Mitgliedern der Abordnung sein Programm. „Werte Genossen! Nach Prüfung des Sachverhalts stelle ich fest, daß im Walde gerodet wird. Ueberall liegen die Späne. Mein Vorgänger vermochte dem Uebel nicht zu steuern, weil er leider systemlos gearbeitet hat. Planmäßig muß vorgegangen werden. Wir müssen uns vom Staube der Bureaustube befreien, um das rückständige Dorf zu ver stehen. Auch bei den Kleinbauern bildet sich die Moral nach den Lebensbedingungen. Kennt Ihr die bäuerlichen Nöte nicht, so soll es Euch schwer werden, die Triebfeder der Waldzerstörung herauszufinden und ihr entgegenzuwirken. Also erste Aufgabe ist die Erforschung des Bauern. Ich schlage eine Enquete vor, zu dem Zwecke, alle Ursachen des Waldfrevels aufzudecken. Schicken wir Fragebogen an jeder mann, an alle Schulzes und Müllers, in jede Hütte." „Sehr gut", äußerte der gewandte Sekretär, „nur ist unser Papiervorrat nahezu erschöpft." „Daran liegt es? Bestellen Sie, so viel wir brauchen, in der Papierfabrik. Glücklicherweise haben wir sie ganz in der Nähe. Und da bekommen wir die Ware auch billiger." In einigen Tagen war die „Enquete" ausgearbeitet und versendet. Sie umfaßte genau vierzig schlau ersonnene Fragen. Der Erfolg schien den Mitgliedern der Abordnung nicht zweifelhaft; sie wischten sich den Schweiß von der Stirn und gaben sich im Warten auf die verlangten Ant worten der Erholung hin. Und dem Empfang der Tagegelder. Das Treiben im Walde nahm seinen Fortgang. Nächt licherweile hörte man vielfältiges Echo von Beilhieben der Holzdiebe und das Knarren von Holzwagen. — Im Monat Mai erhielt die Abordnung einen neuen Vorsitzenden, einen tatkräftigen, stattlich aussehenden Mann mit lockigem Haupthaar. „Werte Genossen!" sprach er. „Ich stelle fest, daß im Walde gerodet wird. Der Frevel wurzelt in der Moral der Bevölkerung. Es muß etwas getan werden." „Wir haben schon gehandelt", warf der Sekretär ein. „Zu wenig. War das eine richtige Enquete? Mit lumpigen vierzig Fragen wollt Ihr hinter die Wahrheit kommen? Genossen, seid nicbt so faul wie die Bauern! Mehr Fragen! Die Enquete ergänzen!" Genaue achtzig kluge, wohlüberlegte, auf alle Formen des ländlichen Lebens eingehende Fragen wurden auszedacht, die Fragebogen gedruckt und versandt. Das nächtliche Treiben im Walde nahm seinen Fort gang. — Im heißen Monat August wurde ein neuer Vorsitzen der bestellt, ein tatkräftiger blonder Mann. Er tadelte die Unzulänglichkeit der angestellten Enquete mit scharfen Worten, bewilligte jeden Kredit für die Papier beschaffung und ließ 115 Fragen drucken, wodurch Auskunft über die Ursache der Waldzerstörung erzwungen werden sollte. Das nächtliche Treiben im Walde nahm seinen Fortgang. Auch die Zahlung der Tagegelder. — Im Dezember wieder Vorstandswechsel. Der neue Vorsitzende, ein tatkräftiger, brünetter Mann, forderte tieferes Eindringen in die Masse des Volkes. 230 Fragen. Das Treiben im Walde ging weiter. Auch der Bezug der Tagegelder. — Eines schönen Tages ratterte auf den holprigen Wegen ein Korbwagen durch die Gegend, der einen Mann aus der Stadt beförderte. Der Reisende blickte auf die kahle Land schaft und rieb sich verwundert die Augen. „Brüderchen", sagte er endlich, zum Kutscher gewendet, „hier standen doch einmal Wälder. Ich habe sie, meine ich, gesehen, als ich vor einigen Jahren auf einer Geschäftsreise durchfuhr. Hat man etwa die ganzen Wälder ausgerodet?" „Ich stelle fest", erklärte der Kutscher, ein ehemaliger Kleinbauer, „daß alles Holz eingeschlagcn und unter der Hand verkauft worden ist . . ." „Aber wo haben die Leute das viele Holz lassen können?" „Wo?" — Der Kutscher schmunzelte. „In der Pa pierfabrik. In der Fabrik war damals eine Riesennachfrage nach Papier. Da brauchte sie Holz. Fast alle Bauern der Gegend haben ihr das Holz gebracht und davon jahrelang gelebt. Ja, vordem gab es hier Wälder. Ich stelle fest, daß sie futsch sind." Und er hieb mit der Peitsche. Natürlich auf die Pferde. Wanderlied Blumen an dem vollen Mieder, In dem Beutel kargen Schmaus, Doch das Herz voll froher Lieder, Zogen einst die Mädels aus. Zogen, wo der Himmel blaute, Uferlang an Elb' und Rhein, Und manch' Jüngling mit der Laute Schritt voll Hoffnung hinterdrein ... Heute auf geheiztem Zweirad Rast der Bursche, was er kann ; Und als Passagier und Beirat Klammert sich die Liebste an. Sitzt man endlich in der Laube Unterm blühenden Jasmin, Ist das Äug' verklebt vom Staube Und die Nase voll Benzin ... Rudolf Presber. Afrikanische Häuptlinge auf Freiersfüßen. Der Fürst der Tuaregs auf der Brautschau. — Das Harems- Quartett. — Körperfülle ist Trumpf. Lady Dorothy Mills, eine Londoner Aristokratin, ist nach einem viermonatigen Aufenthalt in Nordwestafrika in die europäische Zivilisation zurückgekehrt. Sie hat viele seltsame Abenteuer erlebt und merkwürdige Herratsanträge erhalten, die sie darüber belehrten, daß die Häuptlinge und Krieger primitiver Volksstämme in einer weißen Frau das Ideal ihrer Träume sehen. Im südlichen Teil der Sahara, so erzählt sie unter an derem, verweilte sie einige Zeit bei dem wilden Volksstamm der Tuaregs, dessen Krieger das Gesicht verschleiert tra gen, weil keine Frau ihnen ins Gesicht sehen darf. Die äl- teste der Frauen des Häuptlings dieses Stammes kam eines Tages zur Lady und fragte sie, welcher ledige Krieger ihr am besten gefalle; sie brauche nur zu wählen unü dann könnte sofort Hochzeit gehalten werden. Die Engländerin erwiderte, sie fühle sich durch dieses Angebot sehr geschmei chelt, müsse aber ablehnen, weil sie schon verheiratet sei. „Ich kann mir vor stellen," meinte darauf die Eingeborene, „daß dein englischer Mann mit deiner Heirat nicht einver standen sein wird. Aber schau, du bist gutmütig und hübsch, wenn auch ein wenig zu mager. (Bekanntlich kann eine Frau in diesen Zonen nach dem dortigen Geschmack nicht dick genug sein.) Mach dir aus seinen Einwendungen nichts. Das Mitglied unseres Stammes, das du zum Mann erwählst, wird zweifellos sofort nach England fahren, um ihn zu töten/" Trotz dieser Zusicherung verharrte die Lady auf ihrem ablehnenden Standpunkt, was die Frauen der Tua- regs nicht verstehen konnten. In Südtunis war ein mächtiger Scheik, der der kühnen Reisenden durch seinen Dolmetsch mitteilen ließ, daß er nichts lieber möchte, als aus seinem ehelichen Terzett, zwei braunen und einer schwarzen Frau, durch Hinzufügung einer weißen ein Quartett zu machen. Als Brautgeschenk bot er Lady Dorothy einige hundert Schafe, etliche Ballen Seide sowie kostbares Geschmeide an. Er stellte der Auserkorenen seines Herzens bloß eine Bedingung: Wenn er die Englän- derin auch allerliebst finde, so glaube er doch, daß er als Stammesoberhaupt eine etwas umfänglichere Ehe gattin haben müßtet weil sonst die Leut« über die Magerkeit der Frau spotten würden. Wäre also Lady Dorothy bereit, die Ehe mit ihm einzugehen, dann müßte sie versprechen, jeden Tag ein von den anderen Frauen zubereitetes Gericht zu essen, dessen Hauptbestandteil eine bestimmte Wurzelart sein würde; nach einem Monat würde sie schon den erwünsch ten Leibesumfang haben und sich mit vollem Recht die schönst« aller Frauen nennen dürfen. Auch aus dieser Sache wurde nichts. So verlockend auch der Antrag war, Lady Dorsthy blieb standhaft. Aber den Scheik betrübte nicht so sehr die Weigerung der Engländerin als vielmehr ihre Erklärung, daß gerade ihre schlanke Figur in Europa bewundert werde. Einen anderen eigenartigen Heiratsantrag erhielt die Lady in einer Oase, die von einem Kaid vorgerückten Al ters beherrscht wurde. Der Mann erfreute sich des Besitzes einer reizenden achtzehnjährigen Ehegattin. Dieses Frau chen kam, erzählt Lady Dorothy, zu mir, um meine Vermitt lung zu erbitten. „Mein Mann," sagte sie, „ist alt, ich da gegen jung. Ich liebe den schönen, jungen Falkenjäger, der gestern abend mit der Karawane aus dem Süden angekom- men ist. Heute aber gibt der Kaid dir zu Ehren ein großes Fest. Ich weiß, daß er deine Klugheit bewundert, und des- halb bitte ich dich, ihn heute abend eine Weile zu beschäf tigen, denn ich möchte so gern ungestört mit meinem Freund plaudern." Ich konnte sehr gut verstehen, daß der junge Falkenjäger dem Frauchen besser paßte als der dicke Kaid mit dem zahnlosen Mund, und versprach, mein Möglichstes zu tun. Tatsächlich sprach ich am Abend mit dem Gastgeber einige Stunden lang. Am nächsten Tag erschien seine Frau freudestrahlend bei mir. Sie bedankte sich und sagte: „Mein Mann bewundert dich, weil du mit der Schönheit einer Für- stin das Herz einer Löwin vereinst. Ich weiß, daß er sich noch eine Frau wünscht. Schau zu, daß er dich wählt. Was mich betrifft, so werde ich dir dienen, wie es einer jüngeren Schwester geziemt." Es kostete Lady Dorothy viel Mühe, der kleinen Frau den Plan auszureden. Sie hatte, als sie Abschied nahm, den Eindruck, daß die Eingeborene das Ver halten der Europäerin absolut nicht verstand und sich nicht erklären konnte, warum sie den so günstigen Antrag zu rückwies. , —— Wit weil Acht die MUelgemli der Freu? Unter Schlüsselgewalt der Frau versteht man das Recht der Ehefrau auf Führung des gemeinsamen Hauswesens für Rechnung des Ehemannes. Das Recht der Schlüsselgewalt hat dem Gesetze nach nur die Ehesrau, nicht die Mutter, Schwester oder sonst dem Haushalt zugehörige Personen. Auch die minderjährige Frau hat es, nicht aber eine offen sichtlich geisteskranke oder geschäftsunfähige Frau. Nach Heuß „Frauen suchen ihr Recht" fallen unter die Schlüssel gewalt u. a. der Einkauf und die Zubereitung der benötigten Lebensmittel, die Instandhaltung der Leib-, Tisch- und Bett wäsche, die Beschaffung kleiner, geringwertiger Haushaltungs gegenstände, die Bestellung von Reparaturen für den Haus halt, die Anschaffung der Reinigungsmaterialien und der Materialien für Heizung und Beleuchtung, die Sorge für die Gesundheit der Familienmitglieder (unter Umständen Zu ziehung des Arztes und Zustimmung zur Vornahme einer Operation), die Anschaffungen zur Erziehung und Ausbil dung der Kinder (Schulgeld, Lehrmittel), die Abgabe der üb lichen Geschenke, Trinkgelder und Beiträge an Haussamm lungen innerhalb angemessener Grenzen, das Abonnement 3