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Dienstag, den 2. Juli 1929 Tagungen in (Sachsen Sachsentreffen des Reichsbanners. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung sand das Sachsentreffen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Chemnitz statt. Zu den Gerüchten über eine Verständigung zwischen Reichsbanner und Jungdeutschem Orden stellte BundesschatzmMer Crohn fest, daß Verhandlungen nicht statt- aefunden hätten und auch nicht stattfinden werden. Wenn die Mitglieder des Jungdo das Programm des Reichsbanners unterschreiben könnten, dann seien sie dem Reichsbanner als Mitglieder willkommen. Evangelische Arbeitertagung in Zwickau. Der Landesverband Evangelischer Arbeitervereine im Freistaat Sachsen hielt in Zwickau seine diesjährige Haupt versammlung in Verbindung mit dem vierten Evangelischen Arbeitertag ab, zu dem aus allen Teilen des Landes starke Abordnungen erschienen waren. In der Hauptversammlung konnte der Vorsitzende, Pfarrer Reuter-Dresden, von einem erfreulichen Wachsen der Bewegung in Sachsen berichten. Der Verband unterhält zurzeit drei Arbeitersekretariate in Dresden, Zwickau und Leipzig und hat sich sowohl im kirchlichen wie im sozialen öffentlichen Leben Sachsens trotz mancher Be kämpfung durchgesetzt. Die Vereine haben auch auf ihrer dies jährigen Jahrestagung ein mutiges Bekenntnis für die evangelische Kirche und für das unbedingte Festhalten an einer christlich-deutschen Sozialpolitik abgelegt. Der Arbeitertag im kommenden Jahre wird in Dresden stattfinden. Erzgebirgstagung in der Jahresschau. Am Sonntag srüh trafen drei Sonderzüge aus dem west lichen Erzgebirge in Dresden ein. Die ankommenden Erz gebirgler .wurden von ihren Dresdener Landsleuten begrüßt und nach der Ausstellung geleitet. Dort fand eine außer ordentlich stark besuchte Morgenfeier statt. Rachmittags be wegte sich ein stattlicher Festzug der Erzgebirgler durch einige Straßen der Stadt nach der Ausstellung. In der Ausstellung wurde eine erzgebirgische Heimatfeier veranstaltet. Tausendjahrfeier der Stadt Düben. Die Stadt Düben an der Mulde begeht das Fest ihres tausendjährigen Bestehens. Tausende von Festgästen waren nach Düben gekommen, um der Feier beizuwohnen, in deren Mittelpunkt der Trachtenumzug stand, der die Geschichte Dübens seit der Eroberung des sorbischen Landes durch Heinrich den Vogler darstellte. Daran schloß sich eine Festveranstaltung im Kurpark. Die Feierlichkeiten werden in der lausenden Woche fortgesetzt werden. Das Geburtshaus Her Banknoten. 5Ü Jahre Reichsdruckerei. Am 6. Juli begeht die Reichsdruckerei in Ber lin ihr SOjähriges Jubiläum. Dieser Betrieb, der heute gegen 4000 Arbeiter beschäftigt, steht wohl einzigartig in der Welt da. Angefangen von der Herstellung des Papiers selbst, bis zum schwierigsten Druckerzeugnis wird dort alles hergestellt. Hier erblicken unsere Banknoten das Licht der Welt, hier werden diese verlockenden Scheine mit ihren bunten Bildern und geheimen Wasserzeichen gedruckt, sortiert und geprüft. Aber auch unsere Briefmarken speit dieser riesige Backsteinbau ununterbrochen aus seinem Rachen, und jede kleine Marke, die einen Liebesbrief oder eine Schneiderrechnung ziert, ist ihren Weg durch die kom plizierten Maschinen der Reichsdruckerei gegangen. Bon Beilage zu Nr. 1S1 81. Jahrgang ihrer Leistungsfähigkeit kann man sich erst ein Bild machen, wenn man hört, daß dieses druckmaschinelle Wunderwerk täglich fünf Millionen Briefmarken herstellt. Neben den Briefmarken surd es vor allen Dingen auch die Banderolen- Streifen, blaugemusterte Papierschlangen, die sich um Zigarren-, Zigaretten- und Tabakpackungen liebe voll herumschlingen, die von hier aus über das ganze Reich ausgestreut werden. Es ist klar, daß hier eine ungeheure Menge von Stempeln lagert, die alle die vier-, fünf- und sechsstelligen Zahlen dem geduldigen Papier aufdrücken und ihm erst dadurch die Autorität und den Wert verleihen- vor dem wir staunend aufblicken. 30 00'0 Stempel besaß schon im Jahre 1863 die Reichsdruckerei — heute find es 58 000. Aber alles, was es sonst gibt an Wertpapieren, Aktien oder Lotterielose, alle Dinge, die wir mit Eifer, List und Arbeit zu erhaschen versuchen — hier entstehen sie aus unschuldigem weißen und wertlosen Papier. Mit dem Stempel des Staates versehen, der ihnen Würde und W e r t verleiht, verlassen sie das große Backsteinhaus in Berlin, um Glück oder Unglück unter die Menschen zu bringen. Russische Emigranten als Dokumentensälscher. Fanatischer Haß gegen den Bolschewismus das Motiv der Tat? Berlin. Montag begann vor dem erweiterten Schöffengericht Berlin-Schöneberg der Prozeß gegen den russischen Staatsrat Wladimir Orlow und gegen den früheren russischen Offizier PeterPawlonowski. Sie find angeklagt des versuchten und vollendeten Betruges und der Urkundenfälschung. Durch die gefälschten Urkunden wurden die amerikanischen Senatoren Borah und Norris schwer belastet. Sie sollten gegen ein Entgelt von je 100 000 Dollar für die Eröffnung guter Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den Ver einigten Staaten eintreten. Vor Beginn der Verhandlung entspann sich eine kurze Auseinandersetzung zwischen Rechtsanwalt Jasse, der ein Expose über den Bolschewismus dem Gericht überreichen will, und dem Staatsanwalt, der das sür unzulässig erklärt. Das Schriftstück wurde zu den Akten genommen. Der Ver teidiger, Rechtsanwalt Fuchs, wies gleich darauf hin, daß sein Klient Pawlonowski nicht aus Eigennutz, sondern aus fanatischem Haß gegen den Bolschewismus, der Rußland in unerhörter Weise terrorisiert, gehandelt habe, s Nun wurde Pawlonowski vernommen. Er heißt eigentlich , Karpow, ist im Jahre 1896 geboren und besuchte von 1906 ' bis 1914 höhere Lehranstalten und eine Kadettenschule. Er i ging dann in den Krieg, wurde Offizier und kämpfte 1917, als die Bolschewisten die Kerenski- Regierung zum erstenmal angerissen, gegen die Bolschewisten. z Später kam er in Verbindung mit den finnischen Weiß- ; truppen und wurde 1918 von diesen nach Petersburg, ge- ! schickt, um zwischen Antibolschewisten und der Tscheka eine i Verbindung zu suchen, d. h. er sollte die Tscheka aus- i spionieren. Er wurde aber erwischt und sollte erschossen f werden, wurde jedoch durch einen Bekannten befreit und trat j nun richtig in die Dienste der Tscheka, die ihn zunächst nach i Moskau schickte, und zwar unter dem Namen Jaschin. Später i wurde er ins Ausland, nach Berlin geschickt. Daran schloß sich die Vernehmung Pawlonowskis über s den Betrugsversuch, den er gegen den in Berlin - lebenden amerikanischen Journalisten Knickerbocker verübt j hat. Durch einen gewissen Dassel hat er Knickerbocker Doku- ! mente anbieten lassen, die sich angeblich in einem im Hotel ge- ! pfändeten Koffer befanden. > Bei der späteren Vernehmung vor der Polizei hat ; Pawlonowski die Briefe selber als Fälschungen erklärt, ' und die Verteidigung weist darauf hin, daß, als Knickerbocker die Briefe bekam, er schon über die Fälschungen durch die Polizei aufgeklärt war, also nicht mehr getäuscht werden konnte. Aber das Bedenkliche bei dieser ganzen Angelegenheit ist, daß die sogenannten gefälschte Briefe sehr wohl mit Wissen und Wollen der Sowjetregierung gefälscht worden sind, um die Emigranten und die von ihnen ver tretene Konterrevolution bloßzustellen. Lesen Sie Meisters vm-MMk Anziehen der Großhandels-Indexziffer. Die auf den Stichtag des 26. Juni berechnete Großhandels-Indexziffer des Statistischen Reichsamts hat sich gegenüber der Vorwoche um 0,5 Prozent erhöht. Von den Hauptgruppen ist die Indexziffer für Agrarstoffe um 1,4 Prozent gestiegen. Die Indexziffer für industrielle Rohstoffe und Halbwaren lagen um 0,2 Prozent höher als in der Vorwoche, während die jenige für industrielle Fertigwaren um 0,2 Prozent zurück gegangen ist. „Graf-Zeppelin"-Brücke in der Pfalz. In Pirmasens (Pfalz) wurde die neue „Graf-Zeppelin"- Brücke vollendet. Sie ist 21L Nieter lang und als Beton- viadukt erbaut. S (Nachdruck verboten.) 44. Fortsetzung. Stsman »«»« Dlsbstk Davatkavl Der Ruf brachte sie zur Besinnung. Weder Mutter noch Tochter hatten es gemerkt, daß Grunow nach ^kur zem Anklopfen eingetreten war und nun neben pnge „Inge, mein Lieb, was hast du denn so wichtiges, daß du darüber deinen Bräutigam nicht eintreten hör test?" . - ' Sie wandte sich hastig um und reichte ihm bre Hand mit einem Lächeln, von dem ihr Herz nichts wußte. Er aber sah nur ihre schöne Gestalt, das süße, lieb reizende Gesicht das der Schleier halb bedeckte, und ein leidenschaftlicher' Rausch überkam ihn. - „Vnge, J„ae ich möchte dich an mich pressen, dich küssen — — — küssen — — — du bist so schön, doch dein Brautstaat — verbietet es mir leider — er legt meiner Ungeduld schmerzende Fesseln an." Inge hörte kaum, was er sprach- Ihre Augen haf teten auf den roten Rosen in der Schachtel. Grunow folgte ihren Blicken. „Ein Hochzeitsgeschenk — diese Rosen, Inge?" fragte er. „Ja, Hans." „Von wem?" „Von dem Fabrikdirektor von Mister Williams." „Ah — — von dem. Wird er dem heutigen Feste beiwohnen?" „Nein, eine wichtige Angelegenheit rief ihn fort von hier." Grunow lächelte höflich. „Ich bedaure, die werte Bekanntschaft dieses Herrn nicht machen zu können. Dein Vater hat mir schon so viel von ihm oorgeschwärmt, daß ich ihn gern kennen gelernt hätte. Er muß sehr tüchtig in seinem Fach sein." „Ja, das ist er," schaltete Inge ein. „Auch — liebenswürdig?" neckte er. „Ja auch das." Sie versuchte zu lächeln, aber sie konnte es nicht verhindern, daß eine jähe Röte in ihre Wangen stieg. „Ich finde es nicht gerade sehr liebenswürdig, daß er bei deiner Hochzeit fehlt, Inge. Ich meine, es wäre seine Pflicht gewesen, ihr beizuwohnen." „Nein, Hans — er mußte unbedingt verrei sen," nahm jetzt Frau Helmbrecht das Wort, um Gru nows Aufmerksamkeit von Inge abzulenken und ihr somit Zeit zu lassen, sich zu fassen. „Für unsere Fabrik stand viel auf dem Spiele." „Wenn die Sache so steht, ist es allerdings etwas anderes," erwiderte Grunow und wandte sich nun wie der seiner Braut zu. Er hielt das kostbare Brautbukett ja noch immer in der Hand. Inge nahm es mit einigen Danlesworten und legte es auf den Tisch. „Mutti, möchtest du nicht dafür sorgen, daß die Rosen in Wasser gesetzt werden? Sie haben alle lange Stiele." „Gewiß, mein Kind — ich werde sie sogleich selbst in der Vase ordnen." Sie nahm die Schachtel und ging damit hinaus. „Du sorgst dich sehr um die Rosen, Kind," sagte Grunow, als sie allein waren, mit scharfem Blick. „Ja, es wäre schade, wenn sie schnell verwelken müß ten. — Wie geht es eigentlich Tante Beate," lenkte sie ab. „Schade, daß sie nicht mitkommen konnte. Ich Härte sie so gern kennen gelernt." „Das wirst du in Berlin nachholen. Tante Beate wird ganz in unserer Nähe wohnen und dich oft be- 1 „Ich freue mich schon darauf, daß sie mir ihren Rat und Beistand leihen wird." „Das wird sie," gab er mit einem sarkastischen Lä cheln, das Inge entging, zur Antwort. „Doch — sieh her, mein Lieb, — nimm diese Perlen als Brautgeschenk von mir an. Sie müssen dich entzückend kleiden." Er hatte bei diesen Worten ein kostbares Perlen halsband aus einem Etui genommen und wollte es ihr umlegen. Aber sie wich entsetzt zurück. „Um Himmelswillen, Hans — Perlen bedeuten — Tränen." Grunow trat verletzt über die seltsame Aufnahme sei nes kostbaren Geschenkes zurück. „Du bist abergläubisch, Inge? Das hätte ich dir niemals zugetraut. Du kränkst mich, wenn du sie nicht anlegst." , „Verzeih mir, Hans — aber ich bitte dich — nur heute nicht —" Este war ganz fahl geworden und streckte beide Hände wie abwehrend von sich. Grunow biß sich auf die Lippen vor Unmut, aber ehe er noch etwas erwidern konnte, trat Frau Helmbrecht über die Schwelle. „Mama, du mußt mir helfen." Grunow ging ihr einige Schritte entgegen unv zeigte ihr die Perlen. „Inge will sie nicht ankegen - die Kleine ist abergläubisch und meint, sie bedeuten Tränen." Frau Helmbrecht warf einen langen Blick auf das bleiche Antlitz ihrer Tochter. Dann nahm sie das Hals band aus Grunows Hand und trat damit zu ihr hin. „Welche köstlichen Perlen. Komm, Inge, daß ich sie dir umlege." Nur den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich bei der Blicke. Einer hatte den anderen verstanden. Dann ließ Inge sich ruhig von der Mutter das Halsband um legen. Sie schauderte leicht zusammen, als die kalten Per len ihren Hals berührten. Doch verbarg sie es unter einem Lächeln. „Habe Dank, Hans — vielen Dä«?," Er zog ihre Hand an seine Lippen,