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Nr. 145. Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, dm 25. Juni 1929. Seite 6. ,on der Staatsanwaltschaft I Berlin wegen schwerer p as- iver Bestechung und fernerhin gegen den Kaufmann > Kämpfer wegen aktiver Beamtenbestechung Anklage ^hsben Die Verhandlung wird vor dem Erweiterten Scköffenaericht Berlin-Vitte stattfinden. Leibesübung als Witlensschulung. Viele Menschen, die uns als die Verkörperung der Willens kraft erscheinen, und die sich im öffentlichen Leben eine geachtet« Stellung errungen haben, wissen selbst oft gar nicht, daß sie wil lenskräftig sind. Die Natur hat ihnen diese Gabe in den Schoß gelegt und ihnen damit Lebenskräfte verliehen, die für die Ge staltung ihres Schicksals von grundlegender Bedeutung geworden sind. Man soll aber deshalb nicht glauben, daß Willenskraft nur eine Gabe der Natur sei und daß sie im Menschen nicht lebendig werden könne, wenn sie nicht schon in ihm schlummere. Im Ge genteil, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist jedem Vertreter der Gattung Mensch auch ein gut Stück Tatkraft anzuerzie hen, und jeder kann sich schulen und seine Willenskraft durch Arbeit an sich selbst stärken und fördern. Diese Willensschulung kann man — das ist durchaus nicht bildlich gesprochen — spie lend erlernen. Gerade die Neuzeit mit ihrer ausgeprägten Hervorleyrung 0er ^eivesllvungen weist Wege oer WmenosUMung durch Turnen, Spiel und Sport. Man ist oft nur zu leicht ge neigt, jegliche Leibesübung nur als Mittel zur Förderung der Ge sundheit oder als technisches Hilfsmittel zur Erlangung körper licher Leistungen einzuschätzen, und vergißt dabei ganz, welche hohen erzieherischen Werte ihr in bezug auf Willensschulung inne wohnen. So bedingt schon die kleinste körperliche Leistung und Arbeit eine Willensanspannung, und mag es sich nur um einen unbedeutenden Sprung oder Wurf, um einen Lauf, um eins Hebung am Gerät, um eine Schwimmleistung oder eine Spiellei stung handeln, immer wird selbst das geringste Maß an körper licher Arbeit zur Erreichung des Ziels ein gewisses Maß von Willenskraft voraussetzen. So erzieht allmählich der Körper den Charakter, und mit dem stärkeren Uebungsbedürfnis steigert sich die Willenskraft, ganz gleich, welche Leibesübungen man betreibt und wie man sie pflegt. E« ist selbstverständlich, daß eine Vermehrung der Willenskraft, mag sie zustande gekommen sein, wie sie will, den ganzen Menschen im besten Sinne beeinflußt und ihn fördert. Die Leibesübung wird zur Mutter seelischer Kräfte und gebiert sie aus sich selbst. Naturgemäß macht sich eine derartige Steigerung der Willenskraft nicht nur im freiwilligen Uebungsbetrieb bemerkbar, sondern sie offenbart sich auch im Leben und Schaffen des Hebenden außer- halb seiner turnerischen und sportlichen Betätigung, also im Be rufsleben. Niemand ist heute dem Lebenskämpfe gewachsen, der nicht stark und mutig alle Hindernisse zu überwinden weiß, die sich ihm entgegentürmen, und niemand wird ohne Willenskraft das Leben zwingen, das so reich ist an Zwischenfällen und das einen ganzen Menschen erfordert. Und heute mehr denn jel Denn der Lebenskampf ist schärfer geworden, nur der Schwache er liegt. Leibesübungen sind daher die beste Willensschulung für das Leben. Fußball. In den mitteldeutschen Fußballspielen bildeten die Niederlage des Dresdeners S.C. durch die S. G. 93-Dresden mit 2 :3, das Unentschieden des Chemnitzer B. C. gegen Kricket Vittoria-Magdeburg 5:5 und der hohe 7:0-Sieg des Dres dener Fußballrings über Olympia Germania-Leipzig die be merkenswertesten Ergebnisse. Radfahren. Magdeburg—Halle—Magdeburg, ein Straßenrennen über MI Kilometer, ergab den Sieg des Dresdener Thierbach in ü: ü: 11. Auch die nächsten vier Eingekommenen waren Dres- d«ner «Wanderfalken". FUeimermme« d«« LNB. Waren dir bisherigen Prüfungen d» Straßenfahrer de» Lausitzer Radfahrer Bundes steis «uf längeren Strecken vorgesehen, so war da» Fliegerrennen über 2500 Meter am Sonntag in Bischheim (Bezirk Pulsnitz) gerade das Gegenteil. Ausge- tragen wurde dieser Wettbewerb in vier Vorläufen, zwei Zwischenläufen und zwei EndlSufen zu je 4 Fahrern. Die Ueberraschung des T«g«s war, daß der sonst gewohnte Sieger im Langstreckcnfahren, Alwin Hübler (Transvaal Bischofswerda), im Endkampfe der letzte Preisträger wurde, während der Bundesmeister, Karl Poppe (Mifa Großröhrsdorf) wieder recht gut fuhr und im Zwischen- wie auch im Endlauf seine Gegner aus die Plätze verweisen konnte. Als Zweiter endete Stellmacher, der ebenfalls eine ausgezeichnete Form zeigte. Die Ersten der Borläufe sind: Max Werner (Mifa Bautzen), Martin Stellmacher (Transvaal Bischofswerda), R. Baier (Mifa Bautzen) und Kurt Hause (Mifa Groß röhrsdorf). Erster Zwischenlauf: Karl Poppe; zweiter Zwischenlauf: Martin Stellmacher. Entlaufe (Preislräger): 1. Karl Poppe (Mifa Großröhrsdorf), 2. Marlin Stellmacher (Transvaal Bischofswerda), «. Kurt Haufe (Mifa Großröhrsdorf), 4. Max Werner, 5. R Baier, 6. Erich Schwarzer, 7. Willi Heide (sämtlich Mifa Bautzen) und Alwin Hübner (Transvaal Bischofswerda) — Gleichzeitig kam das erste dies jährige Bundesjugendfahrrn zur Abwicklung, und führte die Teilnehmer über die S6 Kilometer lange Strecke Bischheim—Kamenz Königsbrück- PulSnitz und wieder zurück nach Bischh im. Von den 14 Fahrern blieb eine 6 Mann starke Spitzengruppe bis kurz vor dem Ziele zusammen, au« der Alfred Krieser als Bester durchs Zi-l ging. Die genauen Zeiten sind folgende: 1. Alfred Krieser 69 Min., 2. Eäch Rodig 691, (beide Transvaal Bischofswerda), 3 A'llt Nitschke «9,10, (Konkordia Deutsch, baselitz), 4. Walter K änzel 69 39, 5. Erich Heller 69,40, 6. Rudolf Schol, 69,41 (sämtlich Pfeil MoyS); S-F-Hrer: Erich Fische (Tran« vaal Bischofswerda) 1:14:26 Std (5 Min. Vorgabe). - Verbunden war diese Beranstaltung mit dem Bezirksfest vom Pulsnitzer Bezirk sowie der ersten Bundcsbechersahrt, zu der trotz des ungünstigen Wetters Mitglieder aus fast allen Bezirken erschienen waren. Börse und Handel Amtliche sächsische Aotterungen vom 24. Zurrt. Dresden. Die Börse eröffnete auch in großer Geschäfts- stille. Die Umsätze hielten sich in engen Grenzen und auch die Kursschwankungen waren nach beiden Seilen gering. Gewinne erzielten Verein. Photoaktien, desgl. Genußscheine sowie Glas fabrik Hoffmann je 5 Prozent, Paaschen 3, Max Kohl, Deutsche Jute und Erpreßstammaktien bis zu je 2 Prozent. Dagegen verloren Powphon 4, Sächsische Bank und Porzellanfabrik Kahla je 2 Prozent, Verein. Zünder 2,9 und Verein. Stroh- ftosf je 2 Prozent. 5prozentige Landeskulturrentenscheine lagen 0,75 Höher. Im übrigen bewegten sich die Kursverände rungen unter 2 Prozent. Leipzig. Die Börse verkehrte in schwacher Haltung. Die Umsätze waren klein, Kursrückgänge überwogen. Größere Verluste erlitten aber nur Falkensteiner Gardinen und Mans feld um je 4 Prozent. Sächsische Bank und Rositzer Zucker um je 3,5 Prozent. Langbein lagen etwas höher. Im Freiver kehr verloren junge Polyphon 5 Prozent. Chemnitz. Die Börse verkehrte in uneinheitlicher Tendenz. Die Kursveränderungen hielten sich in bescheidenen Grenzen und betrugen am Maschinenmarkt nach oben höchstens 2,5 Pro zent, nach unten 3 Prozent. Von Textilakiien waren nur Liebermann eine Kleinigkeit höher. Bankaktien ziemlich un verändert, ebenso die sonstigen Jndustriewerte. Im Freiver kehr gewannen Baumwollspinnerei Gelenau erneut 10 Prozent. Dresdener Produktenbörse. Bvrsenzett: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. Weizen 77 Kilo Roggen 73 Kilo Sommergst Fultergste Hafer, ml Raps, tr Mais Laplata Cinqu. Rotklee Trocken- schnttzel Zucker schnitzel Kartoffel- flocken Futtermehl 24. 6. 21. 6. 220—225 199—204 178—210 197—202 206—208 25,0-27,0 12,5—12,7 219—224 198—203 178—210 197—202 206—208 25,0—27.0 12,8-13,0 Weiz-Kl Rogg-Kl Kaiseraus zugmehl Bäcker- munvmehl Wetzen nachmehl Fnland- veizenm. Type 70 N Roggen mehl 0 I Tvve 60 A Roggen- meyl I Type 70 N 18,6-20,018,9-19,2 Roggen- 14,0-15,0 14,0—15,01 nachmebl 39,5-41,0 39,5-41,0 33,5—35,0 33,5-35,6 15,5-16,5 15ch—16,5 32,0—33,0 32,0—33,6 2t. 6. 12,0—12,4 12,9—13,9 24.6. 11,8—12,2 12.9-13,9 32,0—33,032,0—33,0 30,5-31,5 30,5-31,5 15.5—16,5 15.5—16,5 Leipziger Biehmarkt. Auftrieb: 657 Rinder, darunter 96 Ochsen, 213 Bullen, 279 Kühe, 69 Färsen, 362 Kälber, 1057 Schafe, 1742 Schweine. Verlauf: bei Rindern gut, bei Käl bern schlecht, bei Schafen langsam, bei Schweinen mittel. Preise: Ochsen a) 61—64, b) 56—60, c) 40—55; Bullen a) 58 bis 60, b) 54—57, c) 46—53; Kühe a) 54—57, b) 45—53, c) 36 bis 44, d) 28—35; Färsen a) 61—63, b) 45—60; Kälber a) —: b) 70—75. e) 62—69, d) 57—61. e) 50—56; Schafe a) 65—68, b) 58—63, c) 50—57, d) 40—49; Schweine a) 82—83, b) 84—85, c) 85—86, d) 80-82; Sauen 70—80. Chemnitzer Viehmarkt. Auftrieb: 895 Rinder, darunter 92 Ochsen, 236 Bullen, 550 Kühe. 11 Färsen, 6 Fresser, 721 Kälber, 240 Schafe, 1966 Schweine. Verlauf: bei Rindern fchleppenv, bei Kälbern schlecht, bei Schafen langsam, bei Schweinen gut. Preise: Ochsen a) 56—58, b) 52—54, c) 46—50, d) 30—40: Bullen a) 55—58, b) 53—54, c) 48—52; Kühe a) 52 bis 55, b) 45—50, c) 32—42, d) 20-30; Kalber a) —, b) 74—78, c) 65—72, d) 58 -62, e) 50-56; Schafe a) 58-60, b) 50—58; Schweine a) 86—87, b) 87, c) 86—87, d) 84—87, e) 82-84; Sauen 70— 79. Berliner Börse vom Montag. Gegenüber den ziemlich freundlichen Kursen bei Vorbörs« war der offizielle Beginn fast durchweg etwas schwächer. Effektenmarkt. Von heimischen Renten war der Neubesitz auf 10,37 gedrückt. Schiffahrtswerte: Sehr fest waren Hansa. Bankaktien: Reichsbank hatten zeitweise verhältnismäßig lebhaftes Geschäft. Monianwerte lagen verhältnismäßig widerstandsfähig. Kaliaktien waren schwächer. Farben- industrie erreichten mit 249 Prozent einen neuen Tiefstand. Elektroaktien waren vollkommen vernachlässigt. Berliner Produktenbörse: Fest. Die amerikanischen Wertsteigerungen, die sich nicht nur in den Terminpreisen ausdrückten, sondern auch in den überseeischen Cifnotierungen für Weizen sich geltend machen, bewirkten rück- strahlend auf England und auch hier eine Befestigung am Brot getreidemarkt. Indessen konnten sich die höchsten Preise, die zu Böcssnbeginn genannt wurden, in den Julisichten nicht immer voll behaupten. Das Angebot aus den Provinzen ist gleich mäßig spärlich in den Forderungen hoch gehalten. Zumeist schei tern Abschlüsse an den schwer zu überbrückenden Preismeinungs- ovrschiedenheiten. Für Hafer gilt das gleiche. Mehl verkehrte in ruhiger Haltung. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto, einschll Sack frei Berlin. ft Hektolitergewicht 74,50 kg. ft do. 69 l-s. IM Kg 24. 6 29 22 6. 29 I 100 kj- 24 v. 2t 22 6 29 Wriz. Mehl 70 »i. mark. 219 0-220.0 217.0-218.6 Weizen 25.5-29 0 25.0 28.7 Mai — — Roggen 26.0-28 2 25.7-28 0 Juli 229.0-^30.0 227.5 Weizenkleie 11.5-11.7 11 5 N.7 Sept 243.0-243.5 241.0 Roggenkleie 11.5-120 11.5-12.0 Rog7. Weizenkleie- mrk.'ft l91.0-193 0 I90.0-l92.0 melaffe — Mai Raps (1000 —— Juli Sept. Grrfie 203.7-204.7 202.5 Leinsaat (do.) —— —- 217.5-218.5 216 0-215.5 Erbsen, Viktor« a 40.0-48.0 40.0-48.0 Kl. Speiseerbsen 28.0-34.0 28.0-34.0 Fultererbsen 21.0-23.0 21.0-23.0 Brau — Peluschken 25.0-26.0 25.0-26.0 Futt-, Indust. 176.0-182.0 176.0-182.0 Ackerbohnen Wicken 21.0-23.0 27.0-30.0 21.0-23.0 27.0-30.0 Wint. Lupinen, blau 18.5-19.5 18.5-19.5 Hafer . gelb 28 0-30.0 28.0-30.0 mark. 178.0-188 0 178.0-188.0 Seradella, neue — — Mai — — Rapskuchen 18.50 18.50 Juli 197.0 186 5-187.6 Leinkuchen 21.3-21.6 21.3-21.6 Sept. — 195.5-195.0 Trockenschnitze. 10.50 10.75 Mais Toya-Extrakt. 18.1-18 9 Berlin — — Schrot 18.3-19.1 Plata — — Kartoffelflocken 16.0-16.6 16.3-16.8 Preisirotieruogen für Eier. (Festgestellt von der amt lichen Berliner Eiernotierungskommission; die Preise verstehen sich in PK- je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Ber liner Usancen.) Deutsche Eier: Tvinkeier vollfr. gest. über SS Gramm 14, 60 Gramm 13, 53 Gramm 11,50, 48 Gramm 10; frische Eier über 65 Gramm 13, 60 Gramm 12, 53 Gramm 10L0, 48 Gramm 9,50; aussortierte kleine und Schmutzeier 8^0—9. Auslandscier: Dänen 18er 14, 17er 13,25—13,50, 1514—16er 11,50; Holländer 68 Gramm 14, 60—62 Gramm 12,50—12,75, leichtere 11; Litauer große 10,75—11^0, normale 9,50—10; Bul* garen 10,50; Russen große 10, normale 9,50—9,75; Polen nor male 9,25; abweichende 9—9,25; kleine, Mittel- und Schmutzeier 8—8,50. Witterung: Kühl. Tendenz: Fester. (Ohne Gewähr.) Kartoffelpreise. Die Landwirtschaftskammer für die Pro vinz Brandenburg ermittelte die Kartoffeleczeugerpreise je Zent- ner waqqonsrei niärkische Station wie folgt: Gelbfleischige (außer ! Nierenkartoffeln) 2,10—2,30 M. In den anderen Sorten kein Geschäft. (Ohne Gewähr.) Sonne und Mond. 26. Juni: S.-A. 3.40, S.-U. 20.24, M.-A. 23.22, M.-U. 7.24. WWWWMWWWWWWM2AMAWMWWWMWMWWWWWWWWWWWWWW 36. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) entscheiden nicht Schweigend legten sie den übrigen des We- Fast mechanisch reichte sie ihm die Hand und er führte sie so zart und ehrfürchtig an die Lippen, als ob er etwas Heiliges berührte. Sein ganzes Wesen hatte etwas wohltuend Zurückhaltendes. Inge empfand das mit dankbarem Gefühl, und das erachte ihn ihr unwillkürlich einen Schritt näher. .'Ich kann mich allerdings so schnell und bitte Sie: warten Sie bis morgen." „Ich warte." Schwelgend legten sie den übrigen Tei! - ges zurück. Erst vor dem Dünenaufstieg nach der Villa verabschiedete er sich. ,/Grützen Sie Ihren Herrn Vater," bat Grunow jetzt, ihre Hand haltend. „Und sagen Sie ihm, bitte, datz ich heute nicht zu ihm kommen kann. Ich beabsichtige, einen Ausflug zu machen, oder — was Sie sonst wol len. — Auf Wiedersehen — morgen." Er war fort und wie im Traum stieg sie den Weg zur Villa empor, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Frau Helmbrecht satz im Wohnzimmer mit einer Handarbeit beschäftigt, als Inge eintrat. Freundlich er widerte sie deren Eruh; der eigentümliche Klang in ihres Kindes Stimme befremdete sie; sie lietz die Hand arbeit in den Schötz fallen. Inge machte sich am Tisch zu schaffen. „Du bliebst lange aus, Kind." , „Ja, Mutti, ich traf unterwegs — Rechtsanwalt Grunow." Sie war bei diesen Worten zu ihr ans Fenster ge treten, und Frau Helmbrecht sah erschreckt in das blasse, verstörte Gesicht der Tochter. „Wie siehst du aus. Inge? Was ist dir begegnet?" Da kniete Inge an ihrer Seite nieder. „Mir ist viel begegnet, Mutti — Rechtsanwalt Gru now — hat mir vorhin — seine Liebe gestanden." „Mein Gott — Inge." Die Handarbeit, daran sie gearbeitet hatte, flog auf das Fensterbrett. Mit beiden Händen hob sie Inges Kopf und sah ihr in die umflorten Augen: „Was hast du ihm geantwortet?" „Er möchte — bis morgen warten — heute könnte ich mich noch nicht entscheiden." „Wie? Wie hast ihm nicht gesagt, datz du seine Liebe nie erwidern kannst?" „Nein — Mutti." „Warum nicht, Kind — warum willst vu dem Mann bis morgen eine Hoffnung lassen, die sich nie erfüllen kann?" Inge senkte den Blick und eine iahe Röte stieg in ihre bis dahin blassen Wangen. „Und wenn sie sich — dennoch erfüllte?" „Inge!" rief Frau Helmbrecht mahnend und beschwö rend zugleich. „Du liebst ihn nicht." „Nein — nicht eigentlich, was man Liebe nennt — aber — er mitzfällt mir nicht und — die Liebe kommt wohl später noch." „Täusche dich nicht, Kind — latz dich nichl von fal schen Motiven zu einer Tat leiten, die du später bereuen könntest." Jetzt lächelte Inge schmerzlich. „Du denkst an meine — törichte Vackfischschwärmerei. Sei ruhig, Mutti, die ist schon überwunden. Inge Helm- brecht trauert keinem Manne nach, der — sie ver schmähte." „Inge!" „Was willst du? Ich habe es doch beim richtigen Namen genannt. Ich verstand wohl nicht zu heucheln und ihm — meine kindliche Zuneigung zu verbergen und darum — soll er nun sehen, datz ich mir nie etwas Ernst liches aus ihm gemacht habe — ich will ihm zeigen —" „Kind. Kind, du betrügst dich selbst — dein Stolz allein ist es, der dir solche Worte eingibt. Du mutzt Grunow zurückweisen." Langsam stand Inge auf. Alle Farbe mar aus ihrem Antlitz gewichen. „Nein, ich werde ihm mein Jawort geben — ich bin mit mir im Reinen." Ah." Ein banger Ruf durchzitterte die Luft und mit zit ternden Händen zog die Mutter ihr Kind zu sich heran. „Inge. Liebling, bedenke doch, was du tun willst. Ein ganzes Leben um, — um einer stolzen, trotzigen Auf- wallüng willen. Bleib doch bei uns, du brauchst doch nicht zu heiraten. Birgt denn das allein das Glück?" Wieder flog ein schmerzliches Lächeln um ihre Lippen. „Glaubst du, Mutti, datz es ein Glück für mich wäre, täglich — stündlich — in Buchenau — mit ihm zusammen sein zu müssen?" „Er soll fort — der Vater soll ihn fortschicken." „Niemals! — Sol! der arme, blinde Mann um mei netwillen seiner einzigen Kraft und Stütze beraubt wer den?" Ein unendlich schmerzlicher Seufzer entquoll Frau Helmbrechts Lippen. Da schlang Inge die Arme um ihren Hals und schmiegte ihre Wange an die der Mutter. „Warum grämst du dich? Hast du etwas gegen Gru now? Gefällt er dir nicht? Er ist stattlich, hübsch, liebenswürdig, und — sieh, Mutti, ich glaube noch an das Glück! Warum so!! es mir an seiner Seite nicht ebenso wie anderswo blühen? Soll ich es immer noch da suchen, wo es mir nie werden kann, soll ich so töricht sein. Dinge zu verlangen, die mir versagt sind?" Frau Helmbrecht erschrak innerlich vor den kalten, klugen Vetstandesregeln ihres bis dahin so heißblütigen, warm empfindenden Kindes, aber sie sagte nichts. Trä nen kamen aus ihren Augen und kröpften in ihren Schötz hinein. (Fortsetzung folgt.)