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Donnerstag, den 30. Mai 1020 Beilage,« Nr. 123 81. Jahrgang Zur besonderen Beachtung siir Wohmngsuchende weisen wir darauf hin, datz nach einer Verordnung des Ar- beits- und Wohlfahrtsministeriums vom 15. 4. 1829. am 31. Mai 1929 eine Wohnungsnotzählung stattfindet. Die für die Durchführung dieser Wohnungsnot- zählung bestimmten Aufnahmebogen sind den der Gemeinde behörde bekannten Wohnungsuchenden in diesen Tagen zu gestellt worden. Wer noch keinen Aufnahmebogen erhalten hat, lasse sich einen solchen von seiner Gemeindebehörde (Einwohner meldeamt) sHIeunigst aushändigen. Wohnungsuchend«, die keinen ausgefüllten Ausnahmebogen einreichen, haben zu ge wärtigen, datz sie in der Wohnungsliste gestrichen werden, weil angenommen wird, datz sich ihr Wohnungsgesuch erledigt hat. Es liegt also im eigensten Interesse eines jeden Wohnung suchenden, sich einen Aufnahmebogen zu verschaffen, falls er einen solchen noch nicht erhalten hat, und ihn rechtzeitig aus gefüllt bei der Gemeindebehörde abzugeben. Der ordnungsmäßigen Durchführung dieser Wohnungsnot zählung kommt, was vielfach noch nicht hinreichend bekannt ist, auch über das Interesse des einzelnen Wohnungsuchenden hinaus außerordentliche Bedeutung zu. Das Ergebnis der Wohnungsnotzjihlung soll nämlich der Regierung die Unter lagen für ihre Maßnahmen zur Bekämpfung del Wohnungsnot liefern. Sie wird also in erster Linie für künftige Verteilungen aus dem Wohnungsbauausgleichstocke oder von sonstigen Reichs- und Staatsmitteln von Bedeutung sein. Nach den Er gebnissen der Volkszählung vom 16. 6. 1925 hat aber die Be völkerung in den Bezirksgemeinden seit 1910 im allgemeinen im erheblich stärkerem Maße zugenommen, als die Bevölkerung der Großstädte, die zum Teil sogar einen Rückgang zu ver zeichnen haben. Gleichwohl wird von den Grotzstadtverwal- tungen immer wieder behauptet, daß eine wirkliche Wohnungs not nur in den Großstädten, nicht aber auch in den Mittel und Kleinstädten und insbesondere nicht auf dem platten Lande bestehe. Es ist damit zu rechnen, datz die Großstädte mit ihren ausgebauten Verwaltungsapparat die jetzt im Gange befindliche Wohnungsnotzählung aufs peinlichste durch führen. Es mutz daher, wenn die Bezirksgemeinden bei spä teren Mittelverteilungen nicht schwer benachteiligt werden sollen, unbedingt darauf geachtet werden, datz auch außerhalb der Großstädte jeder Wohnungsuchende einen Aufnahmebogen nusfüllt. Es ist bisher oft wahrgenommen worden, daß Wohnungsuchende, insbesondere auf dem Land«, von einer An meldung des Wohnungsbedarfes abgesehen haben, weil sie sich von dieser Anmeldung keinen praktischen Erfolg versprachen. Diese Einstellung ist durchaus falsch, da durch sie di« Behebung der Wohnungsnot auf dem Lande infolge unrichtiger Ver teilung der Wohnungsbaumittel unnötig erschwert wird. Jeder Wohnungsuchende muß sich also darüber klar sein, daß er bei Nichtausfüllung des Ausnahmebogens einmal Ge fahr läuft, von der Wohnungsliste gestrichen zu werden, zum anderen aber auch die richtige Verteilung der öffentlichen Mittel vereitelt, wodurch die Bautätigkeit im Bezirke er schwert und letzten Endes auch de Befriedigung seiner eigenen Wohnungswünsche nur hinausgeschoben wird. Darum Wohnungsuchende! Aufnahmebogen zur Wohnungsnotzählung am 31. Akai 1929 besorgen, sorgsam ausfüllen und rechtzeitig bis zum 4. Juni 1929 bei der Gemeinde behörde (Einwohnermeldeamt) wieder ab geben. Missest des Kamenzer Kreisvereins siir Innere Missian. Während im benachbarten Königsbrück die Massen, die zur Denkmalsweihe auf dem Truppenübungsplatz zusam mengekommen waren, verströmten, sammelte sich im stillen, am westlichsten Rande der Lausitz, im freundlichen Pulsnitz tal gelegenen Krakau eine Festgemeinde zum Kreissest für Innere Mission. So sehr auch der leuchtende Maitag ins grünende und blühende Freie lockte, waren doch aus der Gemeinde selbst und der Umgebung viele Freunde der In neren Mission in der traulichen, festlich geschmückten Kirche beieinander. Den feierlichen Auftakt zum Gottesdienst bildete ein feiner Gesang eines Krakauer gemischten Chores, der es der Gemeinde zurief, ein Tagwerk für den Heiland zu geben. Herr Pfarrer Weichert aus Prietitz hielt die Festpredigt über 1. Mose 4, 9/10 mit der ernsten Frage: Soll ich meines Bruders Hüter sein? Mit anschaulichen, warmen gewissenpackenden Worten schärfte er der Gemeinde die doppelte Pflicht ein: Der Stimme Gottes nicht ausweichen und keinen Brudermord begehen! schilderte, wie die Innere Mission den Ruf Gottes zur Hilfe am Bruder gehört und in die Tat umgesetzt habe. Wer Gelegenheit hat, den auf opfernden, selbstlosen Dienst der Schwestern und Diakonen an den Gefallenen, Gefährdeten, Siechen und Kranken, Ver wahrlosten und Schwachen in den zahlreichen Heimen der Inneren Mission im Sachsenlande, die zusammengebaut den Umfang etwa der Stadt Grimma ausmachen, wie auch in der staatlichen Fürsorge zu beobachten, der weiß, welch einen Segensstrom der Gehorsam gegen die Stimme Gottes, des Bruders Hüter zu .sein, für unser Heimatland auslöst. Ferner muß auch unser aller Anliegen sein nicht nur zu retten, sondern auch zu schützen, keinen Brudermord zu be gehen. Der Prediger gedachte der Wohnungsnot, die alles innere Leben ertötet, der giftigen Flut einer schmutzigen, lüsternen Presse und der systematischen Gottentfremdung durch Kirchenfeindschaft und Kirchenhetze. Auch in diese Nöte greift die Innere Mission ein. Sie sucht der^grauen- haften Wohnungsnot zu steuern, die wirft das christliche Buch und Traktat all dem Einfluß unsauberer Schriften entgegen und weckt durch ihren Posaunendienst wieder den alten Glauben in längst erstorbenen Herzen. Die Gemeinde wird es nicht vergessen können, daß es auch ihre Pflicht ist, an ihrem Teile des Bruders Hüter zu sein. An den Gottesdienst schloß sich sogleich in der Kirche die Nachversammlung an. Der Vorsitzende des Kreis vereins, Pfarrer Meis, Schwepnitz, gab einen kurzen Be richt über die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit des Kreisvereins, gedachte vor allem seines für die Arbeit auf opfernd tätig gewesenen, nun nach Hosterwitz verzogenen Vorgängers Pfarrer Molwitz und beleuchtete die mancherlei noch in der Zukunft liegenden wichtigen Aufgaben im Be zirk. Herr Superintendent Dr. Schröder, amtlich leider verhindert am Fest teilzunehmen, hatte einen herzlichen Segenswunsch gesandt. Herr Ämtshauptmann Dr. v. Zobel, Kamenz, begrüßte mit warmen Worten die Fest ¬ versammlung, der Arbeit im Bezirk Gottes Segen wün schend, und betonte, daß auch die staatliche Fürsorge nur dann den schweren Anforderungen der Gegenwart gewach sen sei, wenn alle, die in ihr arbeiten, Kraft und Freudig keit täglich von Gott erbitten und erhalten. Der Kassierer, Herr Reg.-Amtmann Kretzschmar, Kamenz, gab darauf den Kassenbericht, der in seinen trockenen Zahlen veranschau lichte, wie sehr gerade der Kreisverein die Liebeswerke im Bezirk stützt und fördert. Herr Pfarrer i. A. Jentsch, Kamenz, wies dann noch auf die Großmacht der Presse hin und die Bedeutung des guten christlichen Buches, dessen Verbreitung im Bezirk ja auch Sache des Kreisvereins ist. Den Höhepunkt des ganzen Festes bildete aber der F e st- vortrag des nun schon fast 30 Jahre im Dienst der Inne ren Mission in Chemnitz stehenden Direktors Pfarrer Peissel. Werke der Inneren Mission, so führte er aus, werden nicht gemacht, sondern wachsen senfkornartig, wie es Gesetz im Reiche Gottes ist. So sind gerade in Chem nitz alle Anstalten und Liebeswerke der Inneren Mission aus kleinsten und bescheidensten Anfängen entstanden als kleine Samenkörner, die schließlich zu Bäumen geworden sind, in denen die Vögel singen. In anschaulichen, packen den Bildern schilderte er so das Werden und Wachsen des Magdalenenheims, das zunächst aus einer einzigen Stube bei einer Schlossersfamilie bestand, dann ein Mietshaus wurde und schließlich heute ein eigenes Haus ist, berichtete von der ersten Insassin und Leiterin und den mancherlei Schwierigkeiten gerade dieser Zeit. Dann erzählte er, wie die Kellnermission aus einem schlichten Gespräch mit einem Kellner entstand, vom ersten Nachtgottesdienst mit 200 Kell nern und Hausangestellten, die zu anderer Tageszeit nie einen Gottesdienst besuchen können und wie aus diesem An fänge nun regelmäßige Nachtgottesdienste wurden. Der schlichte Brief eines unbekannten alten Mütterchens mit einer aus Pfennigen zusammengesparten Gabe von 10 Mk führte zur Gründung eines Altmütterchenheims, das zuerst aus ein paar gemieteten Zimmern bestand und nun ein Doppelhaus ist. Schließlich erwähnte er noch den Anfang der Bahnhofsmission, wie eine von Gott dazu innerlich ge triebene Frau erst dreimal im Monat die Züge nach heimat losen Mädchen absuchte, schilderte dann die heutige Ausdeh nung der Bahnhofsmission mit den mancherlei merkwürdi gen Anforderungen, die an sie gestellt werden und ihrem Segen. Gerade die Geschichte des allmählichen Werdens und Wachsens all dieser Liebeswerke, die uns Gottes Han deln zeigen, wie er Menschenherzen zu eifrigem Bruderdienst bewegt, hinterließ einen tiefen Eindruck. Der Ortspfarrer, Herr Pfarrer Koeltzsch, rief zum Schluß die Gemeinde noch einmal zu tatkräftiger Mithilfe auf und beschloß die Feierstunde mit einem herzlichen Gebet. Gewiß hat auch dies Kreisfest in denen, die es miterlebten, die Liebe zur Inneren Mission gestärkt und geweckt. Das war der Segen dieses Tages. —s. Wasser-Temperaturen am 29. Mai: 22 - 24 — 24 Grad Celsius I/luest Digest-, 8oks-u. OstsIssionLusäsvksn stsuksn 81s! I billig Im (Zaräinsnstsus Wun^srliest, «suptmsrkk Annahme -es Wehsprogramms -erS.P.N. Magdeburg. Auf dem sozialdemokratischen Parteitag wurden die vom Proarammausläuk voraeleoten Ricktlinien DSV Oton»«»»» »«»n Navokavt 1. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Schnell senkte Mr. Williams den Blick zu Boden. Er wollte nichts gesehen und nichts bemerkt haben. Eilig schritt er vorüber. Doch kaum hatte er eine Anzahl Schritte zurück gelegt, als ihm ein leiser Schrei entfuhr. Es war ihm etwas an das Ohr geflogen. Er blieb stehen, bückte sich nach dem Pfeilgeschoß und hob es auf. Wieder flog ein Lächeln über sein Gesicht. Ein Kirschenpaar lag in seiner Hand. Eine Sekunde zuckte es in ihm, als wenn er sich umwenden wollte, aber er unterließ es. Danach schritt er weiter. Aber in seinen, Herzen war es Sonnenschein geworden. Der dichte Nebel war zer rissen, die finsteren Wolken verschwunden! „Schwärmer!" Er sagte es laut und tadelnd vor sich hin: aber die Lüfte fingen die Worte auf und trugen sie fort. Als Mr. Williams außer Hör- und Sehweite war, glitt es plötzlich von dem bewußten Kirschbaume herab auf die Erde, ein merkwürdiges Ding, halb Backfisch, halb Jungfrau, sehr schlank gewachsen und mit großen, dunklen Augen, in denen ein Mutwillen und Schelm ohne gleichen lachte. Nun stand es unten und hielt sich die Seiten vor Lachen. „Gut getroffen — hahaha — famos getroffen. Das war die Strafe für das unbefugte Eintreten in fremdes Eigentum, mein werter Herr." Und wieder klang das silberhelle Lachen. Plötzlich verstummte es — — die lieblichen Züge wurden ernst und nachdenklich. Eigentlich doch „furchtbar" fatal, sich von einem Fremden m solcher Lage überraschen zu lassen. Eine junge Dame — — das wollte man mit seinen siebzehn Jahren doch unter allen Umständen sein gesteht es nicht gern ein, daß sie sich einem wilden Kna ben gleich selbst in die Aeste eines Baumes schwingt. Am wenigsten aber durfte dieses Geheimnis ein Fremder ken nen. Wer mochte dieser Fremde nur sein, und was hatte er im Garten zu suchen? Allem Anschein nach kam er von der Bahn: Koffer und Plaid, die er in der Hand trug, deuteten darauf hin. Aber die Fremden wählten die Straße, die zur Villa und zum Fabrikhof führte. Durch den Garten kannte sonst niemand den Weg. Seltsam, wer es nur sein konnte! — — Halt! Vielleicht der neue Oberingenieur für die Fabrik, den Papa in diesen Tagen erwartete? Der sollte ja Ame rikaner sein, und dieser Fremdling hatte auch etwas so Erotisches an sich! Gewiß, das. mußte er sein. Inge klatschte in die Hände vor Vergnügen über diese Entdeckung. Sollte ihre Annahme wirklich zutref fen, dann wollte sie dem neuen Oberingenieur klar machen, daß er sich in ihr getäuscht habe, und daß es ihm nicht einfallen solle, in ihr noch ein Kind zu sehen. Ob er sie wohl droben auf dem Baume bemerkt hatte? Torheit, das noch zu fragen. Sein taktvolles Be nehmen täuschte sie nicht. Er hatte sie gesehen, das stand fest. Dunkle Glut färbte ihre Wangen. Sie nahm sich vor, die ganze Angelegenheit ihm gegenüber in em geheimnisvolles Dunkel zu hüllen und jede Identität mit dem Wesen auf dem Baume abzuleugnen. Dieser Gedanke beruhigte sie so weit, daß ihr alter Mutwillen wieder zum Vorschein kam. Ihre Kleider zusammenraffend, lief sie davon. Endlich hielt sich hoch aufatmend still. Aus dem Dickicht brachen plötzlich zwei kostbare Jagd hunde hervor. Sie hatten ihre geliebte Herrin wohl schon gewittert und sprangen nun bellend an ihr empor. Inge liebkoste die Tiere, und dann begann ein tolles Jagen. Heidi! Heber Stock und Stein, durch dick und dünn, daß die Zöpfe flogen! Und die beiden Hunde schnau fend hinterdrein. Jetzt mit einem kühnen Sprunge über ein Beet gesetzt — — welche Lust! Plötzlich ein wildes, wütendes Bellen. „Hektor Nero!" Mit einem einzigen Ruck hatte Inge mit je einer Hand in das Halsband der beiden Hunde gegriffen und zerrte sie zurück. „Still, Hektor, Nero was fällt euch ein?" Krampfhaft die Tiere zurückhaltend, stand Inge wie mit Blut übergossen vor dem Manne, dessen unvermu tetes Erscheinen in der Kirschallee sie vorhin so erschreckt hatte. Nun war er bei einer neuen kindischen Torheit Zeuge gewesen. „Lassen Sie die Hunde nur los, gnädiges Fräu lein," sagte da seine tiefe Stimme in reinem, etwas akzentuierten Deutsch neben ihr. Jetzt hob sie erstaunt den Blick. „Wie? Loslassen soll ich sie? Damit sie sich auf Sie stürzen und zerreißen?" fragte sie empört. „Gehen Sie lieber schnell ins Haus, damit ich sie erst fortfüh ren kann." Der Fremde aber trat näher und legte ohne weite res die Hand auf den sich am heftigsten gebärdeten Hektor. „Um Eotteswillen," schrie Inge entsetzt auf. „Fürchten Sie nichts. Er wird mir nichts tun. — Ruhig, Hektor ruhig!" beschwichtigte er darauf den Hund und fuhr fort, seinen Kopf zu streicheln, und — — sprachlos und verwundert sah Inge zu — — das Tier schmiegte seinen Kopf winselnd an den Fremden. „Nun zu dir, Nero," sagte er jetzt und trat zu dem andern. Bei ihm vollzog sich das gleiche. Zuerst unruhiges, mißtrauisches Knurren, darauf Mn- sein und schließlich ergebenes Sichducken. „Myllen Sie, bitte, jetzt loslassen?" fragte er Inge.