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Nr. 121. Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 28. Mai 1929. Seite 3. nicht zweckentsprechdenden Verwendung dieser Viey- zählungsergebnisse von vornherein zu zerstreuen, sei aus drücklich darauf hingewiesen, daß die Angaben der ein zelnen Viehhalter nicht zu steuerlichen Zwecken verwendet werden dürfen. Amanullah dankt endgültig ab. London. Nach den letzten aus Afghanistan vorliegenden Berichten ist die gegen Batscha-i-Sakao verlorene Schlacht und die Einnahme Herats durch diesen der Grund zu der Flucht des Exkönigs Amanullah nach Indien. Eine weitere Rolle in seiner Entscheidung sollen Unzufriedenheit in seinem eige nen Heer, Mangel an Kriegsmaterial und die Weigerung der Ghilzais, ihn zu unterstützen, gespielt haben. Amanullcch befindet sich zur Zeit auf der Reise nach Bombay. Er soll im Verlaufe einer Unterredung in Neu- Delhi erklärt haben, daß er nicht mehr beabsichtige, nach Afghanistan zurückzukehren. Geldmittel, die in anderen Ländern hinterlegt waren, sollen ihm reichlich zur Verfügung stehen. Ebenso soll er in einem Auto große Koffer mit Geld über die Grenze gerettet haben. * Mit der Flucht Amanullahs und seiner augenscheinlich endgültigen Abdankung scheint die Durani-DynaM, die über Der Lieger über Amanullah, Batscha-i-Sakao der ..Sohn des Wasserträgers". 200 Jahre geherrscht hat, ihr Ende erreicht zu haben. Die Stellung des Usurpators Batscha-i-Sakao hat sich hierdurch natürlich bedeutend verstärkt, und seine Herrschaft wird als gefestigt anzusehen sein. Eine Erklärung Aman Ullahs in Bombay Wie aus Indien berichtet wird, empfing Aman Ullah nach seinem Eintreffen in Bombay die Führer der Mohame- danischen Verbände, die seine Bewegung unterstützten und erklärte, der Wiederaufbau Afghanistans müsse von selbst kommen, ohne irgendwelches Eingreifen anderer Mächte. Ein militärischer Schritt fremder Mächte würde die innere Lage Afghanistans nur verschlechtern und den Bürgerkrieg verlän gern. Die Politik Habib Ullahs sei für das afghanische Volk etwas furchtbares, weil er das Land von der Welt abschneiden wolle. Der Wiederaufbau Afghanistans so meinte Aman Ullah, werde in aller nächster Zeit erfolgen, da das afghanische Volk seine Selbständigkeit mit den Waffen er kämpft habe und niemals darauf verzichten könne. Habib Ullah werde nicht imstande sein lange zu regieren und werde bald von den verschiedenen Schichten der Bevölkerung ge stürzt werden. Wasser und Landstraßen fordern ihre Opfer. Augsburg. Ein 17jähriger Fabrikarbeiter, der im Lech badete, verschwand plötzlich in den Wellen, ohne daß es von seinen Kollegen bemerkt wurde. Die Leiche konnte noch nicht geborgen werden. — Ebenso ertrank dort ein 14 Jahre alter Hilfsarbeiter. Er konnte eine Stunde später als Leiche ge borgen werden. Stettin. Ein Reichswehrleutnant ist in der Nähe von Stettinbei einer Bootsfahrt ertrunken. Der Verunglückte weilte bei seinen zukünftigen Schwiegereltern zu Besuch und hatte mit seiner Braut eine Bootsfahrt unternommen. Von dieser Fahrt sind beide nicht zurückgekehrt. Man fand das Ruderboot gekentert auf, konnte die Leichen aber bisher noch nicht finden. M.-Gladbach. Beim Baden an der Talsperre von Me - schede ertrank ein Obertertianer vor den Augen seiner Mitschüler. In der Gemeindebadeanstalt in Wickrath erlitt ein 24jähriger Mann, der ohne abzukühlen ins Wasser gegangen war, einen Herzschlag. Jülich. Die beiden 18- und 21jährigen Söhne eines Eisenbahnangestellten badeten zwischen Jülich und In den in der Ruhr. Einer von beiden verlor plötzlich den Boden unter den Füßen und versank. Sein zu Hilfe eilender Bruder konnte ihn nicht bergen und ertrank ebenfalls. Wittstock. Auf der Chaussee Wittstock — Freyenstein fuhr das Auto eines Dentisten in einer Kurve gegen einen Baum. Sein siebenjähriger Sohn, der auf dem Schoße seiner Mutter saß, wurde getötet. Die Mutter wurde schwer verletzt. Bochum. Das Auto eines Arztes aus Querfurt wurde bei Gevelsberg von einem Güterzug erfaßt. Das Auto wurde zertrümmert. Der Arzt wurde getötet. Traunstein. Ein 30 Jahre alter Kassenbeamter fuhr in rasendem Tempo die Chieminger Landstraße entlang und geriet zwischen einen entgegenkommenden Schlepper und zwei Radfahrerinnen. Das Motorrad kam dadurch ins Schleudern und riß eins der Räder mit sich. Beide rannten gegen einen Straßenbaum, wobei der Motorradfahrer sofort getötet wurde und die Radfahrerin derart schwere Verletzun gen erlitt, daß sie wenige Minuten darauf starb. Ein anderer Autounfall ereignete sich dadurch, daß ein Fahrer beim Steuern seines Autos plötzlich von Unwohlsein überfallen wurde, so daß er die Herrschaft über seinen Wagen verlor. Das Auto rannte bei einer Kurve über eine fünf Meter hohe Böschung hinab, überschlug sich mehrere Male und begrub den Fahrer unter sich. Aus aller Welt Oer R'aubübersall auf einen Greis. Weitere Vernehmungen über die Greueltaten der Zigeuner» Kannibalen. Kaschau. Am fünften Verhandlungstag des Kaschauer gigeunerprozesses wurde das Verhör über den Raübüberfall auf den 69jährigen Kaufmann David Roth in Lserno, den die Bande vor vier Jahren verübt hat, fortgesetzt. Der Ucberfällene, der seither an einem Nervenschock leidet und am ganzen Körper zittert, erzählte vor Gericht ausführlich, wie nachts zwei Personen in sein Schlafzimmer eindrangen, ihn weckten und nötigten, seine Barschaft von 4800 Tschechen kronen ihnen auszufolgen. Die Angeklagten leugnen alle, die Tat begangen zu haben, mit Ausnahme des taubstummen Angeklagten, der zugibt, Wache gestanden zu haben. Nach mittags fand ein Lokaltermin statt, Oer Zigeunermor- an einem Vierzehnjährigen. Kaschau. Am sechsten Tag der Verhandlung nahm der Vorsitzende im Zigeunerkannibalen-Prozeß den dritten Punkt der Anklage vor. Abgesehen von dem Kanni balismus war die Ermordung des 14jährigen Ludwig Ondrecsko die grauenhafteste Tat der Zigeuner- bande. Am 19. Mai 1926 lagerten die Zigeuner in einem dichten Walde neben Eperjes, als Paul Ribar ein Kind be- merkte, das sich auf einem engen Waldweg näherte. Er meldete dies Filke und sagte, daß das Kind auch einen Ruck sack mithätte. „Einen Rucksack?" fragte Filke, „dann gehen wir ran." Die Bande hielt das Kind auf, und Filke fragte: „Was hast du in deinem Rucksack?" — „Mein Frühstück, ein belegtes Brot", antwortete das Kind. In diesem Augenblick sauste die Zigeunerguillotine, ' s die furchtbare Hacke, nieder. Das Kind fiel zu Boden. Auf den Knien liegend, um klammerte es die Beine des Ribar und flehte um sein junges Leben. Noch ein Hackenschlag war die Antwort. Und dann noch einer. Aus dem kleinen Kinderschädel strömte das Blut. Die Zigeuner nahmen aus dem Rucksack das belegte Brot und aßen es auf der Stelle auf. Alsbald lag das Kind in Agonie. Man ließ es ruhig liegen und sterben. Filke leugnete, den Mord begangen zu haben. Er sagte: „Herr Vorsitzender, mir ist ganz egal, warum ich gehängt werde, aber das Kind habe ich nie gesehen und auch nicht getötet." >K Die erste Bräuleschule in Deutschland. In Eisenach wurde von Frau Lina Leseune, der Führerin der sogenannten Heimatglückbewegung, die erste deutsche Bräuteschule ins Le- ben gerufen Hier sollen junge verlobte Mädchen für den Be ruf der Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. — Unser Bild zeigt Frau Lino Lejeune (Mittel !m Kreise von Schü lerinnen des Eisenacher Bräuteheims. Iulius Iano gestand alles und benannte 12 Mitglieder der Bande, die bei diesem Mord anwesend waren. Bankraub. In dem New Pork benachbarten East- »ränge haben fünf mit Revolvern bewaffnete Banditen die Niederlassung einer Bank überfallen und etwa 50 000 Dol- iar geraubt, mit denen sie unbehelligt entkamen. Das tägliche Eisenbahnunglück. Auf dem Bahnhof der Rawitsch-Lignitzer Eisenbahn fuhr der von Steinau erntreffende Personenzug auf mehrere Personenwagen auf, die bereits auf einem Abstellgleise standen. Die Lokomotive des Steinauer Zuges hob den Oberbau des zunächst stehenden Wagens vollkommen ab. Mehrere andere Wagen wurden schwer beschädigt. Von den Reisenden erlitten drei Personen schwere Verletzungen. Die Untersuchung über die Ursache des Un glücks ist noch nicht abgeschlossen. Das letzte wendische Wohnhaus abgebrannt. In einem Ort bei Salzwedel wurde das letzte im altwcndischen Stil er baute Wohnhaus, das bekanntlich Wohnhaus, Stall und Scheune unter einem Dach vereinigt, durch ein Großfeuer voll ständig vernichtet. Das Feuer brach in der Nacht aus, Hilfe war nicht möglich. Spielende Kinder verursachen ein Großfeuer. Ein Groß feuer zerstörte in Freyenstein (Mark) die Hintergebäude und Ställe eines Landwirts. Den Flammen fielen außer Heu- und Strohvorräten 3 Kälber und 2 Schweine zum Opfer. Das Feuer wurde durch Kinder verursacht, die mit Streichhölzern gespielt hatten. Gelungene Probefahrt des „KL 27". Das Klein» luftschisf „KL 27" ist in Ka s s el länger als zwei Stun den gefahren, und daraufhin von der Luftpolizei als start- berechtigt abgenommen worden. Der Chefpilot und Dire^se der Raab-Katzenstein-Flugzeugwerke G. m. b. H. erhielt gleich zeitig Berechtigung zur Großen Fahrt für Luft schiffe. 100 Jahre Londoner Polizei. Die Londoner Polizei beging Las Fest ihres hundertjährigen Bestehens mit einer Parade imHyde - Park vor dem Prinzen von Wales und dem Polizeipräsidenten Lord Byng. Von den 20 000 Lon doner Polizisten nahmen 13 000 an der Parade teil. 5000 Mark Belohnung für die Ergreifung der Itzehoer Attentäter. Der Regierungspräsident in Schleswig gibt be kannt, daß auf die Ermittlung der an dem Bombenanschlag auf das Landratsamt in Itzehoe Beteiligten seitens des Staates und des Kreises Steinburg insgesamt 50 Oll R M. Belohnung ausgesetzt sind. 20 000 Mark Strafe für Steuerhinterziehung. Die Große Strafkammer Schneidemühl verurteilte den Kaufmann Godlewsky wegen Umsatz- und Einkommensteuerhinter, ziehung zu 2 0 0 0 0 M ar k, den Kaufmann Reuter wegen Beihilfe zu 1 0 0 0 Mark Geldstrafe. Das Finanzamt hatte Berufung gegen das erste Urteil, das Strafen von 12 000 Mark und 400 Mark vorsah, eingelegt. Ausstellung „Sie Thvmaskanivren". Anläßlich des 17. Deutschen Bachfestes, das vom 8. bis 10. Juli in Leipzig veranstaltet wird, findet-inr Stadtgeschichtlichen Museum eine Ausstellung „Die Leip ziger Thomaskantoren" statt. Diese Schau soll zum erstenmal einen lebendigen Eindruck von dem musikalischen Schaffen nicht nur Johann Sebastian Bachs, sondern auch von dem Wirken der 26 Kantoren, die vor und nach diesem Komponisten an der Thomaskirche tätig waren und de« berühmten Thomanerchor leiteten, vermitteln. Man wird in der Ausstellung Handschriften, Notenoriginale, Erst ausgaben, zeitgenössische Berichte über Erstaufführungen, Porträts, alte Kupferstiche, Möbel usw., die in irgendeiner Beziehung zu den verschiedenen Thomaskantoren stehen, zu sehen bekommen. Dazu treten voraussichtlich die Originalpartitur der Matthäuspassion von Bach und einige der wenigen handschriftlichen Aufzeichnungen des Meisters. Von dem Thomaskantor Hiller (1728—1804) wird die Originalkomposition des bekannten Kirchenliedes „Herr Gott, dich loben wir!" ausgestellt sein. Lesen Sie Meisters Buch-Nornan! MM-SerM öes MWer rWMttes Dresden, 28. Mai, Vorm. 11,30 Uhr. IO. Die Sächsische und Reichsregiernng nicht in Meitze« Dresden. Wie der I.-O.-Sachsendienst erfährt, wird die Sächsische Regierung sich an der Jahrtausendfeier in Meißen nicht offiziell beteiligen. Ebenso haben der Reichs kanzler und der Reichswirtschaftsminister ihre Zusage zur Teilnahme an den Feierlichkeiten zurückgezogen. Nach priva ten Meldungen soll der Grund für die Nichtbeteiligung der Regierungsvertreter in der Ablehnung des Ehrenbürgrrrechtes der Stadt Meißen an den Reichspräsidenten von Hindenburg zu suchen sein. Von amtlicher Stelle wird die Richtigkeit dieser Meldung bestätigt und erklärt, daß man auch von der Absage der Reichsregierung unterrichtet sei. Ueber den Grund der Ablehnung schweigt die amtliche Stelle. Voraussichtliche Witterung Landeswettermart« Dresden <«a<hdru» »ndol«») Meist schwache Winde aus nördlicher Richtung. Etwas Bewöl kungszunahme und Temperaturrückgarg Gewitterneigung. Unsi Wasser-Temperaturen am 27. Mai: VMi-VUV 20 - 23 — 23 Grad Celsius