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Nr, 106. P.usmher Taptblatt. — Mittwoch, dm 8 Mai 1829. Seite 7. venattgre, daß der Angeklagte vor dem Zusammenstoß ge bremst habe, die Bremsen aber nicht gewirkt hätten. Die Fahrdienstleiter von Radldorf und Sünching erklärten über einstimmend, daß die Signale auf Halt gestellt waren; das gleiche bekundeten die Schaffner eines Nahgüterzuges. Die Entlastungszeugen betonten übereinstimmend die Schwie rigkeit des Sehens in der Unglücksnacht und schilderten die übergroße Kälte sowie die undurch dringliche Nebelwand, die sich auf die Züge legte. Tagungen -es Zn- und Auslandes. Vorstandstagung des Reichs"tüdtebundes. Der Vorstand des R e i chs st ä d te b u n d e s, der Spitzenorgamsation der Klein- und Mittelstädte, nahm anläßlich seiner Berliner Tagung zu den aktuellen 'kommunalpolitischen Fragen eine Entschließung an, in der es u. a. heißt: „Die im Reichsstüdtebund zusammengeschlossenen mitt leren und kleinen Städte sind seit Jahren bemüht, ihre Aus gaben auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Die Minderung der gemeindlichen Einnahmen durch Reich und Länder für 1929 — trotz Steigerung der gemeindlichen Zwangsausgaben — macht aber vielen — insbesondere klei neren Städten — die Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben teil weise unmöglich oder führt mit Notwendigkeit eine Zu nahme der gemeindlichen Defizitstäts herbei. Da eine Be seitigung dieses unhaltbaren Zustandes im dringenden öffentlichen Interesse liegt, erneuert der Reichsstüdtebund seine wiederholten, aber von der Regierung und den Par lamenten bisher nicht berücksichtigten Forderungen: Aus reichende Rücksichtnahme auf die mißliche Finanzlage der mittleren und kleinen Gemeinden bei der Steuergesetzgebung und beschleunigte Verwirklichung eines neuen gerechten Fi nanzausgleichs und eines sofortigen Ausgleichs der Polizei- und gesamten-Schullasten." Sport. Eröffnung einer städtischen Kampfbahn. Unter starker Anteilnahme der Bevölkerung wurde vor einigen Tagen in Bautzen die städtische Kampfbahn „Müller wiese" ihrer Bestimmung übergeben. Bei prächtigem Wetter bewegte sich ein langer Fcstzug der Sportvereine und der Schulen nach dem Neuen Stadion, das ein Rasenspielfeld, Flächen für leichtathletische Kämpfe und eine 400-Meter-Lauf- bahn umfaßt und später durch Errichtung von Tribünen und einer Sporthalle ausgebaut werden soll. Tausende Voit Zu schauern hatteil sich eingefundcn, um Zeugen der spannenden Kämpfe zu sein, die begannen, nachdem. Oberbürgermeister Niederer die Weiherede gehalten und Vertreter der Sport vereine und der Schulen Dankesworte gesprochen hatten. Die Vorführungen und die Kämpfe, die bereits an- Vortage ein geleitet worden waren, bestritten Bautzener und auswärtige Mannschaften und die Schulen. Rund nm den Bentherbcrg. Die Turner trugen den Naffellauf „Rund um den Bentherber g" aus. Hierbei gab es einen heißen Kampf zwischen dem T. K. Hannover und dem B. f. L. Hannover, den schließlich der V. f. L. zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Deutschturnevisrhe Organisationsrosie nach Rumä nien. Gegenwärtig bereist der Leiter der auslanddeutschen Be- treuungsarbeit auf dem Gebiet der Leibesübungen, S t ah f f, sämtliche deutschen Leibesübungen treibenden Vereine Rumä - njens. Er ist damit einer Einladung der dortigen Deutsch tums-Organisation gefolgt. Das recht umfangreiche deutsche Turn- und Sportwesen in Rumänien soll durch diese Organi sationsreise in einen planmäßigen und gedeihlichen Zusammen hang und zur Zusammenarbeit mit dsn Leibesübungen in Deutsch land gebracht werden. Deutsche Segelflieger nach 'Amerika. Auf Grund von Abmachungen mit einer amerikanischen Luftfahrt-Organisation, hat di- Rhön-Rossitten-G-sellschaft die beiden Darmstädter Segel flieger Knodt und v. Chlingensperg nach Amerika ent sandt, wo sie eine Schule sür Segelflieger errichten werden. Deutscher Boxsieg in London. Der westdeutsche Wel tergewichtler Franz Krüppel siegte in London über Als Simons in einem 15-Runden-Kampf nach Punkten. Stadtdücherei Die Ausleihe ist Montag von 7—8 Uhr, Donnerstag und Freitag von 6—7 Uhr, der Lesesaal werktäglich von 6—9 Uhr geöffnet. Bon dem Handbuch der Kunstwissenschaft sind folgende bis jetzt erschienene Bände zu haben: Dulberg, Niederländische Malerei der SpSlgotck und Renaissance Wulff, altchristliche und byzantinische Kunst. Brinckmann, Die Baukunst »es 17. und 18. Jahrhunderts in den romanischen unv germanischen Ländern. Willich, Die Baukunst d r Renaissance in Frankreich, Italien und Deutschland. Escher, die Malerei der Renaissance in Jullien. Brinckmann, Barockskulptur. Entwicklungsgeschichte der Skulptur in den romanischen und germa« nischen Ländern seit Michelangelo bis zum 18. Jahrhundert. Brinck mann, Stadtbaukunst; Geschichtliche Querschnitte und neuzeitliche Ziele, Burger, Die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Curtius, Die antike Kunst. Diez, Die Kunst Indiens. Die Kunst der islamitischen Völker. Vitzthum, Die Malerei und Plastik des Mittelalters in Ita lien. Hildebrandt, Maleret und Plastik des 18. Jahrhundert» in Frank-elch. Pinder, Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter dis zum Ende der Renaissance. Schubring, Die italienische Plastik des (Zuattroceuto Frankl, Baukunst des Mittelalters. Berckee, Malerei der Renaissance in Italien. Weese, Skulptur und Malerei in Frank reich im 1b und 16. Jahrhundert. Drost, Barockmalerei in den ger manischen Ländern. Kümmel, Die Kunst Chinas, Japans und Koreas. Kirchen - Nachrichten Sonntag, 12. Mai, Exaudt: — Kollekte sür die Heiden« Mission — ^9 Uhr Abendmaht. 9 Uhr Predigtgottesdienst (Joh. 15, 28—16,4). Pfarrer Schulze. Lieder Nr. 143 152. Sprüche Nr. 55. 62. '/,11 Uhr Kindergoltesdienst (Mark. 16, 14—19). — Diens tag, 14. Mat: 8 Uhr Btbelstunde im Konfirmandenzimmer (Jak. 1, 1—4). — Donnerstag, 16. Mai: 8 Uhr Bibelstunde in Frieder», darf (Schulze). Landeskirchliche Gemeinschaft Sonntag nachmittags 2 Uhr Sonntagsschule, nachmittags 4 Uhr Jugendbund für E. C-, abends 8 Uhr Vortrag. Ohorn Sonntag, l/,11 Uhr Kindergottesdienst (Turnhalle). Lichtenberg Donnerstag, 9. Mai, Himmelfahrtsfest: '/,9 Uhr Pre- digtgottrsdienst. Sammlung für du Hcidenmission. 10 Uhr Kinder- gotiesdienst. — Sonnabend, 11. Mai: 3 Uhr Beichte und Abend mahlsfeier. — Sonntag, 12. Mai, Exandi: V,9 Uhr Predigt- gotteSdienst. Sammlung. 10 Uhr Jugendgottesdienst. */,2 Uhr Traugottcsdienst. */,3 Uhr TaufgotteSdienst. — Sonnabend vor Pfingsten, 18. Mai: 3 Uhr Beichte und Abendmahlsfeier. Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 7. Mi. Dresden. Die Börse verkehrte nach schwächeren: Beginn in überwiegend fester Haltung. Wesentlichere Kursgewinne erzielten Vereinigte Photoaktien mit 16, Dr. Kurz-Aktien mit 12, Dresdener Albumin-Genußscheine mit 5, Bautzener Tuch mit 3,50, Reichelbräu mit 3, Siemens Glas mit 2,75, Heidenauer mit 2,50, Rizzi, Schöfferhof, Dresdener Baugesellschaft und Gebler mit je 2 Prozent. Dagegen verloren Polyphon 6,25, Thode 5, Faradit gegenüber ihrer letzten Notiz vom 2. Mai 4, Schubert und Salzer 3, Hörmann, Erzgebirgische Holzindustrie und Mimosa je 2 Prozent. Die übrigen Kursveränderungen bewegten sich unter 2 Prozent. Von Renten waren 7proz. Dresdener Stadtanleihe, Serie I, um 1 Prozent höher, wogegen 8proz. Riesaer Stadtanleihe 0,5 Prozent verloren. Leipzig. Die Börse verkehrte in uneinheitlicher Haltung. Die Umsätze bewegten sich in engen Grenzen. Kurserhohungen überwogen. So lagen höher Polyphon um 4, Siemens Glas um 3, Steingut Colditz um 2,50; niedriger lagen dagegen Stöhr um 4,75, Glautziger Zucker und Hapag um je 2 Prozent. Chemnitz. Die Börse verlief in uneinheitlicher Tendenz. Kurserhöhungen und -rückgänge hielten sich etwa die Wage. Von Maschinenwerten verloren Schubert und Salzer und Kappel, Hartmann und andere einige Prozent, während, Geblerwerl, Pöge, David Richter und Dresdener Schnellpressen nicht unwesentlich höher lagen. Von Textilaktien gewannen Köbke 3 Prozent, von Bankaktien Discontoanteile 2,50 Prozent. Freiverkehr ruhig. Leipziger Produktenbörse. Weizen, inländ., 74H Kilo- gramm 221—227; Roggen, hiesiger, 70 Kilogramm 208—214; Sandroggen, 71 Kilogramm M—M; Sommergerste, 228—238; Wintergerste 214—224; Hafer 214—226; Mais amerK ranischer 230-232; Mais, Ctnquantin 260-270; Erbsen 360 b» 420. Die amtlichen Notierungen lauten für prompte Ware Parität frachtfrei Leipzig. Alles bezahlt und Brief. Berliner Börse vom Dienstag. Die Borbörse war ziemlich schwach und auch der offiziell« Beginn lag, wenn auch höhere Kurse als im Freiverkehr genannt wurden, fast durchweg unter dem offiziellen Schluß vom Montag. Berliner Produktenbörse. Scharf ermäßigte Auslandsofferieu, gleichzeitige Preisrück gänge Englands, Kanadas und mehr noch Argentiniens verursach ten am hiesigen Zeitmarkt zunächst scharfe Preissenkungen. Di« Aufgelder zwischen einzelnen Monaten haben sich weiter ver ringert. Im Marktverlauf wandelte sich das bisherige Aufgeld der Septembersichten in ein Abgeld. Deckungen und angeblich Preisstützungen schaffen im Verlauf« erholte Preisnotierungen am Zeitmarkte. Mehle nur in Auszugsmehlen vereinzelt ge fragter, sonst still. Hafer, Gerste und Mais gleichfalls ruhig. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Stat-on. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. IW »g 7. 5. 29 6. 5. 29 100 kg 7. 5. 29 6. 5. 29 Wei,. Mehl 70 märk 221.0-223 0 223.0-225.0 Weizen 24.7-29.0 25.0-29.2 Mai 234.0-234.5 235.7-235.5 Roggen 26.5-28.2 26.9-28.5 Juli 237.5-239.0 242.5-241.0 Weizenkleie 14.25 14.25 Sept 238.0-240 0 244.5-243.5 Roggenkleie 14.0-14.2 14.0 -14.2 Nogg. Weizenkleie- mrk?) 201.0-203 0 203.0-205.0 melasse —- — Mai 211.5-214.0 214.5-214.» Raps (1000 kg) — — Juli 218.0-2201 221.5-220.7 Leinsaat (do.) — — Sept. 218.7-219.7 223.5-222.5 Erbsen, Viktoria 43.0-50.» 43.0-50.0 Gerste Brau Füll-, Indust. Wint. Kl. Speiseerbsen 28.0-34.0 28.0 34.0 218.0-230.0 218.0-230.0 Futtererbsen Peluschken 21.0-23.0 25.0-26.5 21.0-23.0 25.0-26.5 192.0-202.0 192.0-202.0 Ackerbohnen Wicken 22.0-24.» 28.0-30.0 22.0-24.0 28.0-L0.0 Lupinen, blau 16.5-17.5 16.5 I7.S Hafer 198.0-204.0 199.0-205.0 „ gelb 22.0-24.» 22.0-24.0 märk. Seradella, neue 56.0-62.0 56.0-62.0 Mai 204.0-205.0 206.7-206.2 Rapskuchen 19.0-19.2 19.0-19.2 Juli 211.5-212.5 213.25 Leinkuchen 21.8-22.0 21.8-22.0 Sept. — Trockenschnitzel 13.4-13.6 13.4-13.6 Mais Soya-Extrakt. Berlin —— 213.0-214.0 Schrot 20.4-21.2 20.4-21.2 Plata — — Kartoffelstöcken 17.9-18.5 18 0-18.6 ') Hektolitergewicht 74,50 kg. ') do. 69 kg. Verlegungen der Magervieh-Markttermine. In Anbetracht des Himmelfahrtstages und des Pfingstfestes ist der Berliner Magerviehmarkt vom 8. 5. auf den 8. 5. und der vom 21. 5. auf den 22. 5. verlegt worden. Berliner Schlachtviehmarkt. (Amtlich.) Auftrieb: Rin der 1233, darunter Ochsen 201, Bullen 315, Kühe und Färsen 717; Kälber 3350, Schafe 3354, 542 direkt, Schweine 14 615, zum Schlachthof direkt feit letztem Viehmakt 2531, Auslandsschwein« 377. Verlauf: bei Rindern und Kälbern ziemlich glatt,, bei Schafen ruhig, bei Schweinen ziemlich glatt. Preis: Ochse« a1) 55—58, a2) —, k>1) 51—54, b2) —, c) 47—50, d) 42—45; Dullen a) 52—53, b) 50—51, c) 46—48, d) 43-^5; Kühe a) 42 bis 47, b) 34—40, c) 28—33, d) 22—25; Färsen 52—55, b) 47 bis 50, c) 41—45; Fresser 40—47; Kälber a) —, b) 75—85, c) 6V bis 72, d) 45—58; Schafe a1) —, a2) 68—71, b1) 63—67, b2) öS bis 58, c) 52-60, d) 35—46; Schweine a) —, b) 71—72, c) 71—72, d) 70—71, e) 62—70, f) —; Sauen 64—66. (Ohne Gewähr.) Veuliuer amtliche Notierung für Rauhfutter. Draht» gepreßtes Roggenstroh (Quadratballen) 1,40—1,70, drahtgepreßte» Weizenstroh (Öuadratballen) 1,30—1,60, drahtgepreßtes Haferstroh (Quadratballen) 1,50—1,90, drahtgepreßdes Gersteustroh (Qua drabballen) ILO—1,80, Roggen-Langstroh (zweimal mit Stroh gebündelt) 1,60—1,90, bindfadengepreßtes Roggenstroh 1,60 bi» 1,85, bindfadengepreßtes Wcizenstroh ILO—1,75, Häcksel 2,40 bi» 2,60, handelsübliches Heu, gesund und trocken, nicht über 30 Pro zent Besatz mit minderwertigen Gräsern 3P0—4,10, gutes desgl., nicht über 10 Prozent Besatz 4P0—5,40, Mislitz-Heu, los« rein Warthe 3,50—3,75, Havel 2,90—3,20, drahtgepreßtes Hea 40 Pfg. über Notiz. Die Preise verstehen sich als Erzeugerpreis» ab märkischen Stationen^ frei Waggon, sür 50 Kilogramm m Reichsmark. Sm»« und Mond. 9. Mai: Sonne A. 4^7, U. 1YL7. Mond A. 4«, U. 20^ Nächte der Angst- Ein Sylt-Roman von Anny Wothe. Copyright by Greiner L Co., Berlin NW 6. Machdruck verboten.) 34. Fortsetzung. „So werde ich noch besser auf dich aufpassen müssen, Estrid. Ich gebe dir zu bedenken, daß es klüger ist, nach- zugeben. Zwingen sollst und kannst du mich nicht. Hier herrscht mein Wille und nicht der einer Frau, die mich um äußerer Vorteile willen nahm." Estrid war nahe daran, laut aufzuweinen. Sie be zwang sich mit aller Gewalt. Sie durfte sich diesem Festen, Starken und Ehernen gegenüber keine Blöße geben. „Das Gesetz wird mich schützen. Du hast kein Recht, mich m Gefangenschaft zu halten." „Das tue ich gar nicht Willst du ausfahren? Willst du im Schlitten deine Mutter oder deine Schwester be suchen, habe ich nichts dagegen^ aber mit mir! Geht dir sonst hier irgend etwas ab? Ist in deiner Pflege etwas versäumt worden?" Estrid schüttelte stumm den Kopf. Nein. Peter hatte es an nichts fehlen lassen. Die ausgesuchtesten Leckerbissen hatte er vom Festlande für sie kommen lassen und Alke wurde nicht müde, sie ihr auf- -unötigen. „Hast du dich über schlechte Behandlung zu beklagen?" fuhr Peter fort. „Habe ich dich vielleicht gemißhandelt, daß du das Gesetz gegen mich in Anspruch nehmen willst?" „ "Es gibt noch andere als körperliche Mißhandlungen. M^ne Seele hältst du mit eiserner Faust und knechtest sie", kam es von Estrids zitternden Lippen. „Deine Seele? Hast du überhaupt eine? Ist dir überhaupt ie der Gedanke gekommen, nach der meinen zu fragen oder nach der von Jngewart Feicks? Nein, mein Kind, mit hochtrabenden Redensarten kommen wir keinen Schritt weiter. Ich rate dir in Güte: Füge dich! Du kannst bloß daber gewinnen, denn meinen Willen, den zwingst du nicht." Estrid starrte ihren Mann, der ausgestanden war, un verwandt an, und ein Schauer ging durch ihr Herz. Nein, ihn zwang sie nicht! Wie wilde Verzweiflung stieg es in ihrer Brust auf, als er so gewaltig trotzig, unsagbar bestimmt und ent schlossen vor ihr stand. Sollte wirklich an seiner Macht ihr Wille zerbrechen? Sollte er, zu dem sie wähnte geistig herabgestiegen zu sein, ihr wirklich so überlegen sein, daß sein Wille sie unterjochte? Nein, das durfte nicht sein, lieber tot. Estrid krampfte ihre feinen, schmal gewordenen Hände fest ineinander. „Gut," sagte sie hart, „ich nehme den Kampf mit dir auf. Wir werden ja sehen, wer Sieger bleibt." Peter Banken lachte herzhaft auf. Fast war es sein altes befreiendes Lachen. „Du hast Mut, Estrid, und das gefällt mir. Es zeigt, daß deine Kräfte wiederkehren. Im übrigen wollte ich dir sagen, daß, wenn du dich kräftig genug fühlst, der Uebernahme deiner Hausfrauenpflichten im Gotteskoog nichts entgegensteht." Damit ging er, ohne Gruß, wie er gekommen. Empörung flammte in Estrids Angen. „Wie ich ihn hasse," kam es von ihren zuckenden Lippen, „ich könnte ihn töten, wenn er versucht, mich unter seine Füße zu treten." Wie in dumpfer Betäubung saß sie da und starrte in den Wintertag, der in Dämmerung versank. Ueberall krochen Schatten aus dem tveichtvallenden Zwielicht, und ihre Seele war dunkel. Aengstlich sah sie sich in der Stube um. Wenn doch Alke käme. Estrid fürchtete sich. Sobald es dunkelte, dann sanden sie sich alle ein, die unheimlichen Spukgestalten aus vergangenen Zeiten, und nichts hatte sie, um sie zu bannen. „Wie bettelarm bin ich," dachte Estrid, „und wie reich war ich vordem in Modders kleinem Haus, das ich ver achtete, weil es mir zu gering war". Ihre Gedanken schweiften über das Watt nach den Lister Dünen, zu Sölve und zu dem Mann, den die junge Schwester noch immer pflegte. Tiefer Groll gegen die Ab trünnige stieg in Estrids Brust auf, die nicht an sie und die Mutter dachte, sondern bei dem Mann aushielt, der ihr Todfeind war. Estrid schauerte zusammen. Sie fürchtete sich vor der Nacht. Da stand oft plötzlich Jngewart Ferks vor ihr und streckte seine knochigen Hände nach ihr aus, um sie zu holen zum letzten Tanz, wie er sagte. Sie schrie dann ganz laut; das mußte dann wohl auch Peter Banken gehört haben. Estrid stand mühsam auf. Trostlos schaute sie hinaus in die weite Winterwslt. Jngewart Ferks würde sie holen, sie wußte es, aber ihr Kind, das mußte sie dem Mann mit den harten Händen und dem harten Herzen lassen, für immer lassen. Ein Schluchzen saß ihr in der Kehle. Nein, sie der- mochte es nicht. Sie wollte mit Jngewart Ferks und mit Peter Bonken kämpfen. Das Kind sollte ihr niemand nehmen. — Lautlos schwebten draußen große Flocken zur Erde hernieder, lautlos deckten sie eine weiße Schneedecke über die Insel. Vom Watt her drang Schellengeläut. Auf blitzenden Stahlschuhen, wie vom Sturm getragen, sah Estrid die Sylter über das blanke Eis stiegen. Sie hatte nur den einen Gedanken: Fort, fort! Hinaus in die Weite! In die Freiheit! In die Unendlichkeit! In den Tod! dlber ihre Flügel waren gebrochen. Wie der Schnee draußen, so lastete Etseswucht ani Estrids Herzen. (Fortsetzung folgt.)