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stt. 105 Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 7. Mai 1929. Sette 3 derzahl (über 40000!), als auch seiner Leistungen. In dem stark industrialisierten Sachsen mit seiner hohen Bevölker ungszahl hat man gerade für Natur- und Heimatschutz einen regen Sinn, da unter solchen kulturellen Verhältnissen die Natur, sowohl die Tier- und Pflanzenwelt, als auch die Landwirtschaft, am meisten bedroht ist. Es ist erfreulich, in wie weite Kreise gerade in Sachsen der Naturschutzgedanke gedrungen ist. Nun bietet der Deutsche Naturschutztag mit seinen Vorträgen eine gute Gelegenheit, auch diese Bestrc« bungen in anderen deutschen Ländern kennen zu lernen und sie mit den sächsischen Verhältnissen zu vergleichen. Während der Tagung ist auch Gelegenheit gegeben, die Naturschutzge biete des Landesverein Sächsischer Heimatschutz mit ihren Tier- und Pslanzenschätzen kennen zu lernen. Wer hätte nicht Freude daran, die Sattelbergwiesen mit ihrer herrlichen Flora oder einen Hochmoor mit seiner Vogelwelt, Möwen, verschiedene Arten von Wildenten, Tauchern usw. zu besuchen? Alle Naturfreunde können an der hochinteressanten Tagung teilnehmen, auch wenn sie nicht Mitglieder des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz sind. Sie brauchen sich nur in der Geschäftsstelle des Heimatschußes, Dresden-A., Schießgasse 24 das genaue Programmier Tagung zu erbitten und die An meldung zu bewirken. el. MMW W VMMes SW. KMWMM Löba». Der Verband Sächsischer Konsumvereine halte sich zu seinem 6l. Verbandstage am 4. bir 6. Mai die Stadt Löbau aus An laß des 30jhrigen Bestehen des Löbauer Konsumvereins erwählt. Nach internen Vorbesprechungen am Sonnabend erledlgte die Delegiertenver sammlung am Sonntag den ersten Teil der umfangreichen Tagesord nung. Der Verbandsvorfltzende, Klepzig, konnte eine große Anzahl Be- hördenvertreter begrüßen. In einem kurzen Rückblick auf das Geschäft«- jahr 1928 betonte er, daß trotz der Absatzkrise eine Umsatzsteigerung von 3l°/o in Sachsen zu verzeichnen sei. Mil 519,— RM Durchschnitts umsatz pro Mitglied marschiere Sachsen an der Spitze aller Verbände. Im Sinne der fortschieilend. Konzentrationsbewegung begrüßte er die Ver schmelzung der beiden Leipziger und Seiden Dresdner Konsumvereine. Na mens des Mini sterpräsidentcn und des Wirtschaftsministeriums überbrachte Ministerialrat Dr. Kittel Grüße und Glückwünsche, Er legte dar, daß die KlMsumgenvssenschaften ein Stück Zukunftswirtschaft geschaffen hätten, das nicht mebr vergehen könne. E- wünschte der Bcwegung, daß sie alle Zeit die Führer finden möge, die den großen Gedanken fördern und den Weg zu elner neuen gerechteren Wirtschaftsordnung führen könnten. D Nach weiteren Begrüßungsansprachen wurde in die Tagesordnung emgetreten. Es wurden 83 Genossenschaften als anwesend festgestellt. Die Berfammlung nahm dann eine revidierte Geschäftsordnung an, gegen die allerdings die kommunistische Opposition protestierte, weil sie barm eine weitere Handhabe zur Unterdrückung der kommunistischen Minderheit erblickte. Wilhelm Fischer Leipzig behandelte dann in einem Angriffe der Händlerschaft gegen die Konsumvereine. Er - den einzelnen Kampsmaßnahmeu und legte dar, daß Lie Konsumgenoffenschaftsbewegung an sich nicht gegen den Einzelhandel gerichtet sei, sondern sich in der Abwehr gegen die erhobenen Angriffe befinde. Besonders scharf wandte er sich gegen die beabsichtigte Gleich, stellung der Konsumvereine mit den anderen Erwerbsgesellschaften hin sichtlich der Besteuerung, da die Konsumgenossenschaften Gewinne im prlvatwirtschaftlichen Sinne überhaupt nicht mache. Die Konsumgenoffen- lchastsbewegung umfasse erst 5°/o de« deutschen Warenumsatzes und könne °aher den Handel in seiner Existenz nicht so sehr bedrohen, wie da« Auskommen vieler neuer Existenzen im Einzelhandel. Die Erfolge der Konsumvereine führte der Vortragende aus die wirtschaftliche Ueberlegen« der Konsumentenvereinigung zurück und kennzeichnete dann die Richtlinien für den weiteren Aufbau der Konsumgenossenschaften. In der Aussprache gingen zwei Redner auf die großkapitalistische Entwick- lung lm Handel ein und bezeichneten den Kamps gegen diese Erscheinungen al« das Dringlichere gegenüber der Abwehr gegen den Kleinhandel. Die Versammlung sprach dann die Verbandsabrechnung richtig und entlastete ven Vorstand. Nach Vornahme der Ersatzwahlen und Delegierung von 10 Genossenschaften für den Mannheimer Genoffenschoftskongreß vertagte sich die Bermmmlung mit noch umfangreicher Tagesordnung auf Mon- ^8- Nachunttag und Abend waren mit geselligen Veranstaltungen ausgesüllt. Fünf Jahre Heldt-Regierungen Am» dem Geschäftsbereich de« Arbeit», und Wohlfahrts- Ministerium» Dre»»e«. Unter dem Titel „Ig Jahr« Arbeit«, und Wohl. fahrtSmimsterium lm Freistaat Sachsen" hat das genannte Ministerium vor kurzem eine Denkschrift in Buchform (334 Seilen) herausgegeben. Sie ist mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen ausgestattet und gibt einen guten Ueb-rblick über die Leistungen dieses erst nach Ein führung der Republik aus einer früheren Abteilung des Innenmini steriums herausgewachsenen neuen Ministerium«. Die Denkschrift wird in der Hand der beteiligten Behörden und Verbände wesentlich dazu beitragen, die zahlreichen Einrichtungen zum Schutze der Arbeitskraft und zur Förderung der allgemeinen Wohlfahrt besser bekannt werden zu lasten und ihre Wirksamkeit dadurch zu erhöhen. Die Organisation der Gewerbeaussicht ist, auch um Berwal- tungsersparniste zu machen, vereinfacht (Aufhebung der Gewerbeauf» sichlsämler Auerbach und Rochlitz in den Jahren 1924 und 1928), gleichwohl aber in ihrer Wirksamkeit verbessert worden. Es geschah Neufassung der Bestimmungen über die Vorbildung und Ausbildung der Gcw-rbeaussichtsbeamten (1925 und 1928), durch Ein« stellen von Aerzten, Technikern und anderen Beamten, die sür die ein zelnen Zweige der Grwerbeaussicht sachlich besonder» aasgebildet waren, sowie durch verschiedene zum Teil sür das ganze Reich als vorbildlich anerkannt- Maßnahmen für den Schutz der Heim- und Hausarbeit«? Günstig wirkte sich auch die 1926 angeordnete enge Zusammenarbeit der Gewerbeaufsicht mit den Wohlfahrts- und Jugendämtern, sowie den Polizeibehörden bei Ueberwachung der Kinderarbeit au«. Al« eine besondere Leistung der unter dem Ministerpräsidenten Heidt arbeitenden sächsischen Kabinette ist da« im Mal 1924 vom Ge- famtmtnisterium verabschiedete und im März 1925 fast einstimmig angenommene Wohlf-rtspflegegesetz zu erwähnen, da« zum ersten Mal in einem »rutschen Lande die gesamten auf die Wohlfahrtspflege bezüg- licheu Vorschriften zusammenfaßte. Wichtige, auf Lie Wohlfahrtspflege bezügliche Ausführungsverordnungen und Anregungen sür die einschlä- «ige ReichSges.tzgebung sind vom sächsischen Arbeits« und Wohlfahrts- Ministerium ausgegangen. Ein reicher Segen wurde durch die in Höhe von nahezu 10 Mill. Mark gewährten Kredite an gemeindliche oder private Veranstaltungen der Wohlsahrtspflkge geschaffen. Bäder, Sportplätze, Turnhallen, Schul- landheime und andere Einrichtungen, die ohne solche Kredite nicht hätten ins Leben treten können, die aber nach ihrer Fertigstellung die aufge wendeten Geldmittel durchaus zu verzinsen und zu tilgen in der Lage waren, konnten auf dies« Weise in allen Teilen des Landes entstehen. Dem Jugendschutz und der Jugendpflege sowie dem Schutze der Schwangeren und Wöchnerinnen dienten eine Reihe besonderer Verord nungen und Einrichtungen des Arbeits- und WohlsahrisministeriumS. Erwähnt seien hier nur die Ausschüsse sür Kinder- und Jugendlichen- schütz, die Untersvchungsstelle für schwangere Textilarbeirerinnen in Crimmitschau, die Kinderheilstätte in Heidelberg, die Ueberlassung von l Schloß Hohnstein zur Jugendburg und deutschen Jugendherberge und > Verbot des Notfrontkämpferbundes in Preußen und Bayern Die preußische Regierung hat nunmehr den kommu nistischen Rotfrontkämpferbund verboten. Die Auflösungs aktion der preußischen Zentralbehörden gegen den Roten Frontkämpferbund und seine angegliederten Organisationen (Rote Iungfront, Rote Marius usw.) wird energisch durch- geführt werden. Die Verfügung des preußischen Innen- Ministers ist der Leitung des Rotfrontkämpferbundes zu- gestellt worden. Das Vermögen ist beschlagnahmt, es fällt dem Reich anheim. — Dem Verbot hat sich von den Ländern bereits Bayern angeschloffen. Nachdem bereits der deutschnationale Reichsinnen- mmister von Keudell ein Verbot des Roten Front- kämpferbundes erwogen hatte, dabei aber auf den Wider stand der preußischen Regierung gestoßen war, Hot nunmehr die preußische Regierung mit Zustimmung der Reichsregie rung auf Grund des kommunistischen Aufruhrs in Berlin, der 24 Todesopfer erforderte, die Auslösung des kommu nistischen Kampfbundes verfügen müssen. Das Verbot wird wahrscheinlich nicht auf Preußen beschränkt bleiben, da Reichsinnenminister Severing den übrigen Länder- regicrungen offiziell von dem preußischen Schritt Kenntnis geben wird. Wie man hört, werden auch die übrigen Länder dem Beispiel Preußens folgen un d die Rotfrontorganisationcn verbieten. Falls die Bundesleitung des Rotfrontkämpferbundes Beschwerde gegen die Auflösung erheben wird, so liegt die Entscheidung darüber beim Reichsgericht. Das Verbot des Rotfrontkämpferbundes ist auf Grund des Gesetzes zum Schutze der Republik erfolgt, in dem die Auflösung von Organisationen vorgesehen ist, die die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reiches oder eines Landes zu untergraben suchen, und bei denen die Bewaffnung von Mitgliedern festgestellt worden ist. * Der Berliner Polizeipräsident teilte mit, daß in Berlin am Wedding und in Neukölln völlige Ruhe herrscht. In folgedessen seien die Polizeimaßnahmen in beiden Stadt teilen am Montag aufgehoben worden. Ausdrücklich wird vom Polizeipräsidium eine Mitteilung linksstehender Korrespondenten dementiert, daß Schutz polizisten gemeutert hätten und daß 400 Schutzpolizisten in folgedessen hätten verhaftet werden müssen. Bei den Kämpfen sind 47 Mitglieder der Polizei verletzt worden, darunter vier sehr schwer, zehn schwer und 33 leicht verletzt. Man hat jetzt schon die ersten Anzeichen dafür, daß der Rote Front- kämpferbund zunächst seine Haupttätigkeit nach Hamburg und nach Mitteldeutschland, insbesondere nach Sachsen, ver legen will. Durch die Obduktion der Leiche einer Frau wurde fest- gestellt, daß die Bedauernswerte von Dach- oder Fenster- schützen erschossen wurde. Das in ihrem Körper gefundene Projektil kann unmöglich aus einer Schußwaffe der Polizei stammen, da diese nur Geschosse mit Stahlmantel besitzt. Kommunistische Ausschreitungen im Reich. Dresden. Im Zirkusgebäude fand eine kommunistische Versammlung statt, die ursprünglich als Eröffnung des in zwischen abgesagten Reichsparteitages der K. P. D. cmgefagt, dann aber als Protestaktion gegen die Berliner Vorgänge cmgesetzt war. Die Polizei sah sich genötigt, gegen Ansamm lungen, die sich vor dem Zirkus und in den angrenzenden Straßen und später auch in der Gegend des Neustädter Mark tes gebildet hatten, energisch einzuschreiten, teilweise unter Anwendung des Gummiknüppels und Einsetzung berittener Kommandos. Die Demonstranten bewarfen die Polizei mit Steinen. Ratibor. Der Gau Oberschlesien des Reichsbanners Schwarzrotgold hielt in Ratibor seinen Gautag ab. Aus diesem Aulaß hatten die Kommunisten aus verschiedenen Teilen Oberschlesiens ihre Anhänger zu einer Gegenkundge bung nach Ratibor berufen. Es kam mehrfach zu Zusammen stößen zwischen Kommunisten und Reichsbannerleuten. In der Nacht wurden mehrere Kommunisten dabei angetroffen, wie sie die Häuserfronten mit roter Lackfarbe bestrichen. Als Polizeibcamte zur Feststellung der Persona lien schreiten wollten, leisteten die Kommunisten Widerstand und griffen die Polizei tätlich an. Nach Eintreffen von Polizeiverstärkungen ergriffen die Kommunisten die Flucht. Durch einige ihnen nachgesandte Schreckschüsse wurde einer der Kommunisten leicht verletzt und darauf festgenommen. An verschiedenen Stellen der Stadt kam es zu Ausschreitun gen der Kommunisten. Die Polizei mußte auch hier ein greifen; mehrere Kommunisten wurden festgenommen. Kampfansage an den Hamburger Senat. Lüneburg. Bei einer Demonstration der Kommunisten und des Roten Frontkämpferbundes auf dem Rathausplatz kündigte ein Vertreter der Hamburger K.P.D. an, daß sich die Partei um das vom Hamburger Senat erlassene Verbot des Internationalen Rotfrontkämpfertages zu Pfingsten nicht kümmern werde. Das Treffen solle trotz des „Polizeiterrors" unter allen Umständen durchgeführt werden. Insgesamt 24 Tote bei den Berliner Mai-Unruhen. 47 Schupobeamte verletzt. Berlin. Im Verlauf der letzten April- und ersten Maitage find bei den durch die Demonstrationen der Kom munisten verursachten Unruhen insgesamt 23 Personen, und zwar 18 Männer und 5 Frauen durch Schüsse ums Leben gekommen. Dazu kommt noch ein Todesfall während eines Tumultes auf dem Alexandcrplatz, wo ein Passant unter ein Polizeiauto geriet. Die Zahl der verletzten Schutz polizeibeamten beträgt 47. Hiervon find vier Be amte sehr schwer verletzt. die Vorarbeiten zur Einrichtung deS Jugendheims Ottendorf zum ersten deutschen EchoiungSheim für Lehrlinge und erwerbstätige Jugendliche. Kundgebungen der deutschen Arbeitnehmer. Sozialpolitik als nationale Aufgabe. InGuben sand eine Tagung desG ewerkschafts- bundes de rAnge st eilten statt. Reichstagsabgeord neter GustavSchneider sprach über die nationalen Auf gaben der Sozialpolitik. Der Arbeitnehmer dürfe nicht der Epielball jeder Konjunkturschwankung sein. Die Angestellten wollen die Gesunderhaltung der Wirtschaft. Voraussetzung dazu sei, die Gesunderhaltung der in der Wirtschaft tätigen Menschen. In einer Entschließung wurde Einführung des Achtstundentages, völlige Sonntagsruhe, Fünf - Ühr-Laden- schluß am Sonnabend, Herabsetzung der Altersgrenze in der Angestelltenversicherung auf 60 Jahre und Vermeidung jeder Beitragserhöhung gefordert. Lntproletarisierung der Arbeitnehmcrmaffen. Der Deutsch nationale Arbeiterbund ver anstaltete in Hamburg eine Kundgebung. Der preußische Landtagsabgeordnete Lindner wandte sich dagegen, daß die deutschen Sachverständigen in Paris unter allen Umstän- »en zu einer Verständigung gelangen wollen. Die Folge werde noch eine größere Arbeitslosigkeit in Deutschland sein. Vor allem komme es darauf an, die Massen der Arbeitnehmer zuentproletarisieren. Der Kampf der Arbeitnehmer gehe nicht um zwei Pfennige Lohnerhöhung, sondern darum, als Menschen anerkannt zu werden. Das Ziel sei, zwischen Arbeiter, Bürger und Bauer dürfe es keine unüber, brückbaren Gegensätze geben. Eine angenommene Entschlie ßung verlangt BefreiungvondenSklavenketten LesVersaillerDiktates. Gegen erhöhte Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Auf dem Kaufmannsgehilfentag in Mülheim-Ruhr hielt Karl Baudach eine Rede. Während der Klassen- und Kastengeist die Volksgemeinschaft trenne, sei die Standesgemeinschaft ausgehend vom Beruf eine Bindung die zur Einordnung in einen organischen Volksaufbau führe Zur Reform der Arbeitslosenversicherung wurde dann be- schlossen, daß die Kaufmannsgehilfen eine Erhöhunqder Beiträge für die Arbeitslosenversicherung einmütig undentschiedenablehnen. Die Reichs- anstatt könne mtt den jetzigen Beiträgen auskommen und energische Verwaltungsmaßnahmen könnten die gerügten Mängel beseitigen. Erregung des Oldenburger Landvolks. Bremen. Die Untersuchung der Vorgänge in dem Ort Sevelten, wo vor längerer Zeit etwa 50 Bauern ein vom Finanzamt gepfändetes Schwein mit Gewalt zurück- yolten, hat neuerdings zur Verhaftung von zwei Personen geführt. Die Christlich-Soziale Bauern- und Landvolkpartei brachte diese Vorfälle in öffentlicher Verhandlung zur Er- örterung. Der Andrang zu der Versammlung war so groß, daß eine Parallelversammlung einberufen werden mußte. In einer Entfchließckung heißt es u. a.: „Durch das Vorgehen der Behörden ist eine Beunruhigung in die Bevölkerung ge- tragen, besonders aber ist durch die erfolgte Festnahme der beiden unbescholtenen Landvolkfreunde die Erregung auf das äußerste gestiegen. Das Landvolk versteht cs nicht, daß, ob wohl die Seveltener Vorgänge schon seit langem zurückliegen, jetzt wieder Verhaftungen wegen Verdunkelungsgefahr oder gar wegen Fluchtverdachts vorkommen müssen, und daß die Vernehmung der Verhafteten wieder so herausfordernd lang sam geführt wird. Durch die Ausnahmebehandlung ist das vertrauen der Bevölkerung zur Justiz stark erschüttert. Wir stellen an die maßgebenden Verwaltungsstellen die Aufforde rung, Abhilfe zu schaffen. Mussolini rmkrsiützt Hitler? München. Unter großem Andrang des Publikums, namentlich der zahlreichen Anhänger der Nationalsozialisten, begann Montag vor dem Amtsgericht München-Au der neue große Hitler-Prozeß, der sich um den Vorwurf gegen Hitler dreht, er erhalte von Italien Geld und nehme deshalb in der SLdtiroler-Frage eine Südtirol-feindliche Haltung ein. Als erster betonte Herr von Gräfe in einer Erklä rung, daß Hitler durch seine verschiedenen Versammlungs reden Südtirol preisgegeben habe. Er, Gräfe, habe durch einen der italienischen Botschaft angehörenden Herrn er fahren, daß Mussolini sich bereit erklärt habe, die nattonal- sozialistische Bewegung in Deutschland zu unterstützen. Auf die Frage, was für eine Unterstützung gemeint sei, habe der Italiener erklärt, daß es sich um ausgesprochen finan zielle Unterstützung handele. Auch in der deutschen Botschaft in Rom sei es allgemein bekannt, daß diese finan ziellen Zusammenhänge zu Mussolini bestünden. Er, Gräfe, bestreite entschieden, daß er behauptet habe, Hitler erhalte bestreitet entschieden, daß er behauptet habe, Hitler erhalte Stellung einnehme. Er müsse aber sagen, daß Hitler not wendigerweise nicht für Südtirol eintreten könne, wenn er finanziell von dem jetzigen Beherrscher Südtirols abhängig sei. Ale Zeuge für diese Behauptungen beantragte Herr von Gräfe, den deutschen Botschafter in Rom, von Neurath, zu laden. Beim Zeugenverhör wurde zunächst die Verlegerin Elsa Bruckmann verhört, die der nationalsozialistischen Bewegung nahe steht und zugibt, daß sie wiederholt sür die Hitlerbewegung gesammelt habe. Sie bestreitet aber, das in Italien getan zu haben. Hitler erklärte, daß er den Vor- wurf einer finanziellen Unterstützung durch das Ausland sür den schwersten und gemeinsten halte, den man ihm über haupt machen könne. Abzüglich seiner Auffassung über Süd tirol erklärte Hitler, daß er es als ein Verbrechen ansehen würde, wenn die deutsche Nation Hunderttausende von kräf- tigen Männern auf dem Schlachtfelde verbluten ließe, nur um mit Südtirol ein Gebiet zurückzuerobern, auf dem nur 240 000 Deutsche wohnten aber 400 000 Italiener. Das Schicksal der Deutschen in Südtirol werde sich besser gestalten, wenn eine VerständigungzwischenDeutschland undItalien erfolgen würde, indem man Südtirol außer- halb der Debatte stelle. Er, Hitler, verkaufe keinen Deut schen. Was verkaufbar sei in Deutschland, das hätte die Sozialdemokratie bereits in Versailles verkauft. ,