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Nr. 97. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 26 April 1929. Seite 3 . — Großfeuer. " Wie aus Plauen i. Vogtl. gemeldet wird, wurde in dem benachbarten Wolfshain das Anwesen des Guts besitzers Oswald Simon mit Wohnhaus, Stallung, Scheune MN- Seitengebäude in einer Stunde vollständig in Äsche gelegt. Die Familie Simon konnte nur das nackte Leben retten. Vom Großvieh sind drei Pferde mit- verbrannt. Um das andere Großvieh zu retten, mußte die Feuerwehr die Rückwand eines Gebäudes einreitzen. DK Ochsenstall mit Scheune des Gutsbesitzers Martin Wahl in Sadisdorf brannte vollständig nieder. Lediglich die Ochsen konnten gerettet werden. Ebenso fiel das Stallgebäude des Gutsbesitzers Bruno Pötzsch in Marbach den Flammen zum Opfer. Das Vieh konnte gerettet werden, doch sind große Vorräte an Heu und Stroh sowie landwirtschaftliche Geräte ver brannt. Da in dem Gebäude noch kurz vor dem Ausbruch des Brandes gearbeitet wurde, nimmt man einen Kurz schluß als mutmaßliche Ursache an. Ein dreister Erpreffungsversuch. Mit einer reichlich unverschämten Erpresserangelegen heit beschäftigen sich gegenwärtig die zuständige Gen darmerie und die Kriminalpolizei von Dresden. In St. Egidien erschien ein unbekannter, etwa 30 Jahre alter Mann in Liner Bauernwirtschaft, hielt der Besitzerin, deren erster Ehemann sein Leben im Jahre 1920 durch Erhängen freiwillig beendete, ein Schriftstück vor und äußerte dazu, sie sei an dessen Tode schuld. Der Unbekannte, forderte ein Schweigegeld von mindestens 4000 Mark, damit er nach Amerika reisen könne. Als man den Erpresser aufforderte, mit zur Polizei zu gehen, ergriff er die Flucht. Nachforschungen nach ihm waren bisher, ohne Erfolg. Tagungen in Sachsen Tagung der Kolonialwarenhändler. Landesverband Sachsen im Reichsverband Deutscher Kaufleute des Kolonial-, Feinkost- und Lebensmittel Dresden seine Generalversamm- E»-s^ hält die heutige steuerliche Be lastung des mittelstandischen Kleinhandels auf die Dauer für Mehrbelastung entschieden ab. Sü Ee zettgemaße Änderung der Reichsgewerbeordnune und eine durchgreifende Änderung bzw Verschärfung deL Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb. Syndikus HasselkuL erstattete den Jahresbericht. Der Bericht schließ, mit der Fest stellung, daß noch viel mehr hatte erreicht werden können Wenn eine lückenlose Einheitsfront zustande gekommen wäre. Der Berichterstatter forderte zum Schluß die Verbandsmil glieder zu einem regen Besuche der demnächst in Essen statt findenden Reichsverbandstagung auf, mit der eine große Kundgebung des Mittelstandes verbunden sei. Sächsischer gewerblicher Gcnossenschaftstag. Die am 26. und 27. Mai stattfindende Tagung der sächsi scheu gewerblichen Genossenschaften sieht zunächst für Sonntag, den 26. Mai, Sonderkonferenzen für die Kredit- und Waren», genossenschaft vor. Am Sonntag nachmittag findet du Generalversammlung der Landesgewerbebank stat,. Den Ab- schlutz der Tagung bildet die Jubiläumstagung des Landes verbandes gewerblicher Genossenschaften in Sachsen. Telegramm Hindenburgs an die japanische Regierung Berlin, 26. April. Wie ein Berliner Blatt meldet, findet heute in Tokio aus Anlaß des Todes des bekannten japanischen Gelehrten und deutschen Freundes, Prof. Dr. Nagai, eine Trauerfeier statt. Der Reichspräsident hat aus diesem Anlaß ein Beileidstelegramm an die japanische Re gierung gerichtet, in dem er die großen Verdienste, die Prof. Dr. Nagai um die Förderung der freundschaftlichen Bezie hungen zwischen Japan und Deutschland hatte, besonders hervorhebt. Eine Million Arbeitslose weniger Berlin, 25. April. Dem Bericht der Neichsanstalt zufolge hat sich der Frühjahrsaufstieg auf dem Arbeitsmarkt in 0er Woche vom 15. zum 20. April verstärkt. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger ging, nach den Vormel- dungcn der Landesarbeit zu schätzen, um fast 200-Tausend zurück. Seit dem Umschwung auf dem Arbeitsmarkt in den ersten Märztagen, konnte die Wirtschaft wieder rund 1 Mill, unterstützte Arbeitslofe aufnehmen. Hilferding für Reform der Arbeitslosenversicherung. Im Haushaltsausschuß des Reichstages ist «m Donnerstag mittag über den Antrag der Mehrheits parteien debattiert worden, durch den das Reich ermächtigt werden soll. 170 Millionen Kredit mehr als bisher aufnehmen zu können. Der Reichsfinanzminister Hilferding hat"bei dieser Gelegenheit eine Rede gehalten, in der er Een zu gegeben hat, daß das Defizit des Etats 1928 sich wahrschein lich auf 80 bis 100 Millionen belaufen werde, und daß dazu als weitere nicht vorhergesehene Belastung des neuen Etats Kredite für die Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 370 Millionen Mark kommen werden. Hilferding hat weiter zugegeben, daß sich der Steuereingang infolge der Verhältnisse in der Land wirtschaft und auch im Gewerbe bereits stark verlangsamt habe und aus diesen Gründen die Reichsregierung gezwungen gewesen sei, sich die Ermächtigung zu einer weiteren Kredit aufnahme in Höhe von 170 Millionen Mark zu besorgen, un auf jeden Fall gesichert zu sein. Hilferding hat dann weiter angekündigt, daß dis Reform der Arbeitslosen Versicherung eine dringliche Aufgabe sei, die auch dem nächst in einem Entwurf der Reichsregierung gelöst werden' solle. . Bürgerliche Wahlniederlage i 2 " I in Dänemark. Pastor Schmidt-Wodder wiedergewählt. Kopenhagen. Die Wahlen zum dänischen Parlaments dem Folkcthing, haben den beiden dänischen Rechts parteien eine Niederlage eingebracht. Die Stimmergebniss, sind: Konservative 233 000 Stimmen (24 Sitze), Link«. 402 000 (43), Radikale 151000 (16), Sozialdemokraten 593 000 (61), Rechtsverband 25 «00 (3), Schleswiger 9000 (1) Kommunisten 3000 (0). Das Wahlergebnis besagt, daß di« Sozialdemokraten mit den Bürgerlich-Radikalen zusammen die Mehrheit besitzen, daß also der Führer der Sozialdemo kraten, Scanning, der neue dänische Ministerpräsiden werden wird. Der deutsche Vertreter für Nordschleswig, Pastor Schmidt-Wodder, ist wiedergewählt worden. Der dänische Ministerpräsident Madsen Mygdar hat dem König den Rücktritt des Kabinetts angeboten, den der König angenommen hat. Der König ersuchte den Mi nisterpräsidenten, die Geschäfte der Regierung bis zur Er nennung eines neuen Kabinetts weiterzufiihren. Mr eine deutsch-polnische IerWndigung. Warschau. Der ehemalige preußische General von Schönaich und der sozialdemokratische Abgeordnete Falkenberg waren in Warschau Gäste der polnischen Pazifisten, um über die Möglichkeit eines deutsch-polnischen Krieges zu sprechen. Zuerst sprach der bekannte polnische pazifistische Politiker Thugutt, der feststellte, daß, obgleich die Kanonen schwiegen, der moralische Feldzug zwischen Polen und Deutschland unvermindert fortdauere und der Zoll krieg seit fünf Jahren bestehe. Er erklärte, er sei zwar ein überzeugter Pazifist, aber er halte sein Volk noch nicht für so nichtswürdig, daß es nicht zu den Waffen greifen würde, wenn seine Grenzen angetastet werden sollten. General von Schönaich erzählte, wie er nach 37 Jahren begeisterter Dienstzeit im preußischen Heere plötzlich die Erleuchtung bekam, daß der Offiziersberuf heute kein ritterlicher Beruf mehr sei; denn der Krieg sei ein bestialischer Massenmord mit Hilfe von Mordmaschinen. Wenn Frankreich, Deutschland und Polen sich nicht verständigten, dann würden sie Selbstmord begehen. Der Abgeordnete Falkenberg sprach in ähnlichem Sinne. Bemerkenswert war, wie man hört, daß an dieser Kundgebung in Warschau kein bedeutender pol nischer Politiker teilgenommen hat. Der Friedens wille besteht bei allen Völkern; aber wir Deutschen haben kein Interesse daran, daß zum Beispiel eine Verständigung mit Polen herbch ehrt wird, indem ein Handelsvertrag gegendie Intcres . der deutschen Landwirtschaft zustande- hommen könnte. Der tatsächlich Schuldige an dem Nicht zustandekommen eines deutsch-polnischen Handelsvertrages ist nämlich der polnische Staat, und es ist schwer verständlich, wem- deutsche Politiker und Abgeordnete sich dazu hergeben, durch Reden in Warschau die deutsche Außen politik zu diskreditieren. Polen will, eben für die Ewigkeit die Niederringung Deutschlands durch den Versailler Vertrag. Eine Verständigung wäre wohl dann möglich, wenn Polen die Unterdrückung der deutschen j Minderheiten aufgeben würde. Auf diese brutale Unter drückung der Deutschen in Polen hinzuweisen, hcttte aber keiner der beiden deutschen Redner den Mut. Kanzlerkrise in Oesterreich. Wien. Nachdem Landeshauptmann vr. Ender das österreichische Bundeskanzleramt abgelehnt hatte, kann nun- mehr auch die Kandidatur des Christlich-Sozialen vr. Mittelberger als gescheitert angesehen werden, da der Landbund sich dagegen erklärt hat. Als einziger Anwärter auf die Kanzlerschaft steht jetzt im Vordergrund der steirische Landeshauptmann vr. Rintelen, für den neben seinen Anhängern in der Christlich-Sozialen Partei auch der Land bund und die Heimwehren eintreten. Dr. Mtttelberger «nd Dr. Buresch lehne« die Kanzlerschaft endgültig ab Am Donnerstag abend hat es Dr. Mittelberger end- I gültig abgelehnt, die Kanzlerschaft zu übernehmen, mit der Begründung, daß seine Person nicht schuld an einer Spaltung der bürgerlichen Parteien sein solle. — Es wurde dann an den Landeshauptmann von Niederösterreich Dr. Buresch die Frage gerichtet, ob er sich zu einer Kandidatur des Bundes kanzler bereit erkläre. Dr. Buresch lehnte ebenfalls ab. Ein neuer Bundeskanzler hat sich bisher nicht gefunden. Der Scharlach-Erreger gefunden. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat Prof. Sdra - womisloff von der Universität Perm nach vierjährigen Versuchen, bei denen ihm Or. N i k o l s k i assistierte, den Er reger des Scharlachs gefunden, nnd zwar ist dieser nicht, wie man bisher annahm, ein Streptococcus, also ein Ba- Mus, der zu der großen und reichhaltigen Gruppe der Eiter- erreger gehört, sonder» ein niedriger Organismus, wie der Erreger der Malaria, der Schlafkrankheit, der Syphilis und anderer Seuchen. Bisher hatten die Gelehrten, die sich mit der Erforschung des Scharlachs beschäftigt haben, diesen Streptococcus -nmol^ti-ns, wie der medizinische Fachaus- druck dieses Eitererregers, der sich bei jedem Scharlachfall auf den Mandeln des Pattenten vorfand, heißt, für die eigentliche Ursache des Scharlachfiebers gehalten. Sollte sich die Entdeckung des russischen Gelehrten bestätigen, so wer den sich in allerkürzester Zeit neue Wege, die eine erfolg, reiche Bekämpfung dieser Krankheit garantieren, ergebe«, Aus dem Gerichtssaal Die Radeberger Bluttat vor Gericht 8 Dresden, 25. April. Am Donnerstag von mittags 13,00 Uhr ab verhandelte das Schwurgericht Dresden gegen den am 3. Dezember 1908 zu Wallroda geborenen Schlosser Erich Willy Pursche wegen Tot schlags. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Lange, als Verteidiger fungiert Ministerialrat z. D. Rechtsanwalt Dr. Lempe. Es handelt sich um den blutigen Vorfall am 25. Februar in der Möbelsabrik Köckritz L Co., bei dem der Angeklagte seinen einige Jahre älteren Berufskollegen Max Sickert tödliche Verletzungen zugesügt und dann die Flucht ergriffen hatte. Die Verhandlung begann unter starkem Andrange von Zuhörern. Vorladung hatten je 4 Zeugen aus Rade, berg und Wallroda, svwie ein Heizer aus Kleinröhrsdors erhalten. Als Sachverständiger fungierte OberregierungSmedizinalrat Dr. Oppe. Dem Schwurgericht lag der zur Tat benutzte, große vierkantige Meißel vor. Pursche machte zur Person und Anklage folgende Angaben: Er ist der Sohn eines Maschinenformers. Nach Besuch der Volksschule in Wall- roda hat Pursche, der ein mittlerer Schüler gewesen, die Schlosserei erlernt. Der Angeklagte arbeitete mit Sickert, der seit 1924 bei der Firma Köckritz L Co. beschäftigt war, in der Schlossereiwerkstätte zu- sammen. Es kam öfter zu Streit, dann seien beide auf gemeinsamem Heimweg auch wieder unterwegs eingelehrt. In den letzten Tagen vor der Tat gab es wiederholt Krach, seine Schwester sei von Sickert des Diebstahls eine Rolle Klebepapier in der Fabrik bezichtigt worden. Deshalb ging die Schwester zum Friedensrichter. Am Montag, den 25. Februar hatte Bursche Auftrag erhalten, einen Wasserhahn in Ord nung zu bringen. Labet kam es erneut zu Streit. Angeklagter will .Arbeiter'' genannt und schließlich von Sickert gepackt worden sein. Dabei habe er zu ihm gesagt: „Du Junge, ich haue Drr eine rein, daß Du cingehst." Auch einen Schlag will Angeklagter bekommen haben. In dieser Lage Hobe er ein langes vierkantiges Eisen (Meißel) ergriffen und damit in großer Erregung aus etwa 1 Meter Entfernung auf Sickert eingeschlagen Der Angeklaate will erst nach längerer Zett wieder zur Besinnung gekommen sein. Von der Mutter Hobe er abends 10 Mark crbalten um verschiedene Sachen einzuholen. Mit dem G-lde sei er nach Leipzig gefahren. Dort sei er im Hauptbahnhof an einen Polizeibeamten herangetreten und habe gesagt: „Nehmen Sie mich fest, ich habe einen Kollegen erschlagen." Pursche machte dann noch einige Angaben über das Arbeitsverhältnis und beantwortete mehrere Vor halte. Das Gericht hörte dann die Gastwirte Wächter und S-lze, Bürgermeister Palitzsch aus Wallroda und andere Zeugen, die über den erschlagenen Sickert keine ungünstigen Angaben machen konnten. Die nächsten Zeugen sagten nicht ungünstig über Pursche aus. Oberregie rungsmedizinalrat Dr. Oppe trug hierauf den Sektionsbefund vor. Der Tod Sickerts ist eine Folge der zwei wuchtigen Schläge auf Hinteikopf und Genick und der dadurch eingetretenen starken Blutungen. Betr. der Persönlichkeit des Angeklagten ist zu sagen, daß er bei einer Jntelligenzprüfung mehrfach versagte. Pursche neigt zu Erregungszu ständen, bei Begehung der Tat war die freie Willcnsbestimmung nicht beeinträchtigt. Er sei aber milder zu beurteilen. Staatsanwalt Lange beantragte die Bestrafung des Angeklagten wegen Totschlags mit fünf Jahren Gefängnis und Ehrverlust auf gleiche Zeitdauer, denn die Tat sei ungemein roh gewesen. Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todessolge zu zwei Jahren Gefängnis. Die erlittene Untersuchungshaft kommt voll in Anrechnung. In der Begründung des Urteils heißt es, das Schwurgericht sei nicht zu der Ueberzeugung gelangt, daß der Angeklagte den Willen gehabt habe, Sickert zu töten, und daß er bei seiner ganzen Persönlichkeit erkennen mußte, daß durch Verwendung jenes Hartmeißels so fchwere Folgen eintrelen konnten. Wohl aber gelte für erwiesen, daß eine schwere Körpe-verletzung mit Todesfolge vorliegt. Bei Würdigung aller Ver hältnisse habe das Schwuroericht die ausgeworfene Strafe für erfor derlich und ausreichend erachtet. Voraussichtliche Witterung Landeswetterwarte Dresden lvl-qvrm» verboten) , . Unbeständig, wechselnd bewölkt, zeitweilig Neigung zu örtlichen ^E'n Schauern. Temperaturen schwankend, dabei weiterhin zu kühl. Südwestlich- bis nordwestliche Winde, zeitweise böig. — Lu.ttsr^Sri.U.6 — selbes Lutter NerKeriue '/r W. 50M ' -rt . . .