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Nr. 90. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 18. April 1929. Seite 6. Gegen die Unterstellung Leipzigs unter die Reichsbahndirektion Halle. Der Verband Sächsischer Industrieller teilt mit: In einer Pressebesprechung hatte Generaldirektor Dorpmüller von der Notwendigkeit der Rationalisierung (d. h. der anderweitigen Abgrenzung und Verminderung) der Reichsbahndirektionen gesprochen und dabei bezüglich Sachsens auf besondere Anfrage darauf hingewiesen, daß Dresden seine Reichsbahndirektion voraussichtlich behalten würde, man aber daran denke, den nordwest - sächsischen Bezirk einschließlich Leipzig gegebenen falls der Reichsbahndirektion Halle zu unterstellen. Der Gesamtvorstand des Verbandes Sächsischer Industrieller hat eingehend zu diesen Plänen Stellung genommen und einstimmig beschlossen, alle Maßnahmen zu unterstützen, die zu einer Beseitigung der sich aus der Lage Leipzigs im Schnittpunkt zweier Reichsbahndirektionen ergebenden Unzuträglichkeiten führen können. Er wendet sich aber entschieden gegen eine Unterstellung des Leip ziger Bezirks unter die Reichsbahndirektion Halle. Sport Leipziger Tiefland: Mittelsachsen: Nordsachsen: Erzgebirge: Lausitz: Ausgeschieden sind im Handball Tschft. 1877 Dresden und Allg. Tv. Plauen, im Fußball T. u. Spv. Dresden-Blosewitz, TV. Chemnitz- gebirgSvertreter. wurden festgestellt: Mittelelbe < Dresd.i Fußball Tv. Guts Muths Dresen Tgmde. Dresden Tv. Leipzig Leutzsch T. u. Spv Eintracht Leipz. Tv. Chemnitz Furth Tv. Chemnitz Tklb. Crimmitschau Tbd. Glauchau Tv. Theuma Plaue» Tv. Heubner-Plauen Tv. Eibenstack Tv. Germania Bockau Gablenz und ebenfalls Allg. T». Plauen. Die neuen Namen, Mhlau ausgenommen, waren in früheren Jahren schon einmal in Kreisspielen tätig. Im Fußball gibt es verschiesene „Neulinge", so Leutzsch, Ein tracht Leipzig, Tgmde. Dresden, die Chemnitzer, Plauener und Erz- Westsachsen: Vogtland: Handball Tgmde. Pirna Tv. Großröhrsdorf T. u. Spv. 1867 Leipzig Tv. Leipzig-Möckern Tv. Chemnitz-Gablenz Polizc Chemnitz Tv. Fr, ...enberg Allgem. Tv. Hainichen Tv. Steinplei» Allgem. Tv Marienthal Tgmde. 1843 Plauen Tv. Mylau Tv Beierfeld Tv. Sachsenfeld Tv. Neugersdorf e. B. Tv.Tuknertrcue Bautzen der Lachfeaturner. Die Gaugruppen der Sächsischen Turnerschaft haben die Teilnehmer für die Spiele um die Sachsenmeisterschaft ermittelt. Als Meister (erstgenannt) und Zweite Heransforderungskampf DST.: Hertha BST. Ber- u« in Dresden. Sonnabend, den 20. April, nachmittags r/.s Uhr wird auf dem Sportplatz im Ostragehegc der Herausforderungskampf DSC. : Hertha BSC. Berlin stattfinden. Beide Vereine haben fest ihrem letzten Zusammentreffen zwei große Meisterschaftsspiele hinter sich Europameisterschaften im Fechten. Nach siebentägiger Dauer gingen in Neapel die Europameisterschaftskämpfe mit Säbelfechten zu Ende. Die Resultate: 1. Glykais (Ungarn) 6 Siege; 2. Marsi (Italien) 6 Sieae, 31 erhaltene Treffer; 3. Petschauer (Ungarn) 6 Siege, 33 Treffer. Internationale Rettevkämpfe. In der Zeit vom 24. brs 30. Juni veranstaltet die ungarische National-Reitschule in Budapest ein Internationales Reitturnier. Lesen Sie Meister s Buch - Noman! Eingesandt Großnaundorf. (Eröffnung der Lehrküche.) Zum gestrigen Bericht über die Einweihung der Schulküche ist zu ergänzen. Der Verbandsschulvorstand hat tn vielen, langdauernden Sitzungen die Schulküche geschaffen und die nicht unerheblichen Mittel dazu bewilligt. Aber bei der Einweihung ist er beiseite geschoben worden, nur der Vor sitzende, Herr Gutsbesitzer Haase, ist benachrichtigt worden. Daher erklärt sich die Abwesenheit des Verbandsschulvor standes bei der für unseren Verband so wichtigen und hart umkämpften Neuerung. Es ist zu erwägen, ob nicht auch der Schulausschutz dazu hätte eingeladen werden können. Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 17. Avril. - Die heutige Dresdener Börse zeigte eine un ¬ einheitliche, zur Schwäche neigende Haltung. Kursrückgänge überwogen. Es büßten ein: Sächsische Malz und Escher je 5, Walter u. Söhne 4,75, Waldschlötzchen-Brauerei und Bautzener Tuch, je 4, Jndustriewerke Plauen 5, Fries u. Höpflinger, Verein. Photo-Genußscheine, Rosenthal und Steingut Sörne- Was Deutschland einführt. Millionen gehen ins Aus land für französischen Sekt, Likör und ausländische Weine, Millionen von Reichsmark gehen dem deutschen Volks vermögen insofern verloren, als sie in ausländischem Tabak, Kaffee, Tee usw. angelegt wer- den. Oft werden viele über flüssige ausländische Wa- ren gekauft; denn warum kaufen Deutsche z. B. nicht deutsche Automobile und schaf fen damit deutschen Arbeitern Arbeit und Brot? Aus unserer Statistik geht hervor daß für Milch, Butter Käse. Obst unk Südfrüchte und Eier allein im Jahre 1928: 1326,2 Millionen Reichsmark als Gegenwert in scheu Volkswirtschaft zugeführt werden. Deut- das Ausland abgeführt worden sind. Das verschlechtert un- sche, kaust deutsche Waren! Unter vieler Parole könnte di« sere Außenhandelsbilanz, und dieses Geld könnte teilweise deutsche Rotgem e'v-chaft und deutsche Volks- zweckmäßiger durch Kauf deutscher Ware der deut- gemelkt schäft zustande kommen und sich bewähren. wiy ,e ö, MUlMc IMte und Keramag je 2 Prozent. Höher lagen dagegen Dresdener Fuhrwesen und Kunstanstalt Groß um 3, Zwickauer Kammgarn um 5, Mimosa um 2,25, Mehlich, Heidenauer Papier und Polyphon um je 2 Prozent. Die übrigen Kursveränderungen lagen unter 2 Prozent. 5proz. Sächs. Landeskulturrentenscheine Serie III verloren 1, und 8proz. desgl. Serie I OH Prozent. Leipzig. Die heutige Leipziger Börse verkehrte in lustloser, aber nicht unfreundlicher Haltung. Die Kursveränderungen hielten sich in bescheidenen Grenzen. Höher notierten unter anderem: Steingut Colditz um 4, Reichsbank um 3,5 Prozent. Dagegen verloren Zwickau-Oberhohendorfer A Prozent. An leihen unverändert. Freiverkehr schwächer; hier gewannen junge Polyphon 4 Prozent. Chemnitz. Die heutige Börse verlies sehr ruhig, die Kurse veränderten sich im allgemeinen.nur wenig. Größere Verluste erlitten Schönherr und Reinegger, Gebr. Unger, Schubert u. Salzer und Pöge sowie Liebermann. Die sonstige« Industrie- werte büßten bis zu 2 Prozent ein. Freiverkehr schwach. Chemnitzer Produktenbörse. Preise: Weizen, inl., 76 Kg. 228-234, Roggen, sächs., 72 Kg. 212—215, Sandroggen, 72 Kg ' 220—225, Sommergerste 235—245, Wintergerste 220—230, Hafer 220—230, Mais für Futterzwecke 232—237, Mais Cinquantin 265-270, Weizenmehl, 70 Proz. 38, Roggenmehl, 60 Proz. 34/ Weizenkleie 15,25, Roggenkleie 15,25, Wiesenheu (drahtgepr.) 17, Wiesenheu (lose) 16, Getreidestroh (drahtgepr.) 6H0. " Berliner Börse vom Mittwoch. An der Dorbörse herrschte allgemein größte Zurückhaltung. Der offizielle Beginn war jedoch bereits fester, und im Verlause ergaben sich weitere Kursbesserungcn. Anregung gaben die neue Erleichterung am Geldmarkt sowie die Abnahme der Arbeits losenziffer. Effektenmarkt. Heimische Renten fast unverändert. Größer« Umsätze ent wickelten sich in Banken. Die O-Banken zogen um OHO bis 1H0 Prozent an, mit Einschluß der Commerzbank. Montan aktien ruhig. Kupferwerte wesentlich freundlicher. Am Elektro markt standen Schuckert im Vordergrund, die zeit weise fast 4 Prozent höher waren, wobei wieder von besonderen Transaktionen verlautete. Berliner Produktenbörse. Di« flauen Depeschen Amerikas standen im Zusammenhan« mit der andersgearteten Farmerhilfe des Präsidenten Coolidge gegenüber den Erwartungen der amerikanischen Spekulation. Der Markt war von den überseeischen Preisrückgängen am Lieferungs markt nicht unbeeinflußt. Im Handel auf Abladung kaum be rührt, da die heimischen Zufuhren weiter schwach bleiben und die Abgeber allgemein sehr auf Preis halten. Dies gilt für fast alle Artikel. Die Umsätze am Mehlmarkt blieben geringfügig. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. MH 17. 4. 29 16. 4. 28 100 «8 17. 4.28 16.4.29 Welz. Mehl 70 «/. 25.2 29.7 mark 224.0-226.0 224.0-227.0 Weizen 25.2-29.7 März — — Roggen 27.0-29.0 27.0-29.0 Mai 237.50 239.2-239.0 Weizenkleie 15.1-15.4 15.1-15.4 Juli 247.5-248.0 248.50 Roggenkleie 14.6-14.8 14.6-14.8 Noga. mrk-9 207«0-209.0 207.0-810.0 Weizenkleie melaffe 16.00 16.00 — Raps (Ivov kg) —— — Mai 221.50 223.50 Leinsaat (do.) — —— Juli 229.75 231.25 Erbsen, Viktoria 43.O-4S.V 43.0-49.0 Gerste Brau Futt-, Indust. Kl. Speiseerbsen 28.0-34.0 28.0-34.0 218.0-230.0 218.0-230.0 Futtererbsen Peluschken 21.0-23.0 25.5-26.7 21.0-23.9 25.5-26.7 — 192.0-202.0 Ackerbohnen Wicken 22,0-24.0 28.0-30.0 22.0-24.0 28.0-30.0 Wrnt. 192.0-292.0 —— Ltipinen, blau 16.5-17.b I6.5-17.S Hafer - gelb 22.0-24.5 22.0-24.5 märk. 202.0-208.0 02.0-208.0 Seradella 52.0-58.0 52.0-58.0 März — — Rapskuchen 20.2-20.4 20.2-20.4 Mai 21800 219.50 Leinkuchen 23.7-24.0 23.7-24.0 Juli 227.00 228H0 Trockenschnitzel 14.0-14.2 14.0-14.2 Mais Loya-Extrakt. 20.5-21.0 Berlin 216.0-218.0 216.0-218.0 Schrot 20.5-21.0 Plarn 227.0-228 0 >27.0-228.0 Kartoffelflocken 18 5-20.5 19.5-20L ft Heltolilergewicht 74H0 kg. ft do. 69 kg. Sonne und Mond. 19. April: Sonne A. 4.57, u. 19.03. Mond A. 13.39, u. 3.58. Nächte der Angst. Ein Sylt-Roman von Anny Wothe. Copyright by Greiner L Co., Berlin NW 6. (Nachdruck verboten.) 2. Fortsetzung. ! Das Mädchen schüttelte sich unwillig den weißen Schaum, den die Wogen herüberspritzten, aus ihrem Rosen kranz. Da fielen alle Blätter lautlos zur Erde und der wilde Atem des Windes entführte sie weit hinaus ins Meer. Der Sturmwind heulte, als Estrid mit Peter Banken über die Heide fuhr. So schaurig hatte sie es sich nicht ge dacht. Sie kannte doch ihre Heide seit ihren frühesten Kindertagen und das Meer hatte ihr stets seine Sturm- lieber gesungen. Wie die dunklen Wogen mit weißumschäumten Mähnen Wildbäumend ans Gestade tosten, wie die bleichen Dünen bebten, die sturmerprobten. Ein Helles Licht stand über dem düsteren Heidegrund. Die Nebelfrauen schwangen ihre lichten Schleier. Schauerlich schön war es, und Estrids Auge konnte sich nicht losreißen von dem Anblick. Dunkle Wolkenfetzen, zwischen denen ab und zu der Mond mit lzellem Licht hervorlugte, jagten sich in wilder Flucht. Peter Banken hatte den Arm um seine junge Frau geschlungen. „Du zitterst ja, Estrid," sagte er besorgt. „Ich glaube, der Heidenebel steigt," antwortete sie tonlos. „Natürlich, bei dieser Sturmnacht. Na, der Heidemann wird uns ja nicht gleich fressen. Mr sind bald to Huns." Ganz von sern klang eine Uhr aus dem nächsten Dorfe. „Mitternacht," sagte Peter Banken, „es wird Zeit, daß wir ins Nest kommen." Ein Helles Licht blinkte auf. Der Kampener Leuchtturm. Wie geisterhaft die Dünen schimmerten, wie starre, weiße Schneeberge. Estrid lehnte sich, wie Schutz suchend, fester an den starken Mann, der an ihrer Seite saß und beseligt ihr Auge suchte. Sie aber wandte den Blick weithin über das Meer. „Vorwärts, Jap," feuerte Peter Bonken den Kutscher an. ,Hung, Jung, de Wind, de weht kalt, un du fährst mein Braut." Der Knecht hieb auf die Pferde ein, daß sie sich hoch aufbäumten und Estrid laut aufschrie. Nun hielt auch schon der Wagen vor dem stattlichen Hof mit dem Eichenkamp. Die wuchtige Steinmauer hob sich wie drohend im Mondenlicht der jungen Frau entgegen. In der breiten, grünen Haustür mit dem blanken Klopfer, der so seltsam in dem gespenstigen Licht funkelte, stand die alte Akke, die Peter Bonken bis jetzt den Haushalt geführt, mit ihr Knechte und Mägde und hielten große, brennende Kien späne wie Fackeln in den Händen. Frau Akke begrüßte Estrid: „Die junge Fru soll gesegnet sein." Estrid dankte flüchtig. Die zwei jüngsten Mägde reichten ihr je einen Kranz, einen von Heideblüten, der andere aus weißen Rofen. Just so einen Kranz hatte sie getragen, als sie auf Jngewart Ferks gewartet hatte und der nicht wiederkam. Mit einem Schauer hielt sie die Weißen Rosen in der Hand. Nicht ein Wort des Dankes kam über ihre Lippen, indes sie auf die große Diele des uralten Friesenhauses trat. Befremdet und eingeschüchtert sahen ihr Knechte und Mägde nach. Akke aber schüttelte den weißen Kopf unter ihrer weißen Friesenhaube und scheuchte das Gesinde zu Bett. — Lange saß die alte Frau dann noch über ihre Bibel ge beugt und horchte hinaus in das Toben dss Meeres. „Ich bin todmüde," sagte Estrid zu ihrem Mann, als er sie heiß an sich drückte und küßte. Da zog er sie lächelnd in das Schlafgemach. Peter Bonken schlief tief und fest. Estrid sah in ihrem Bette aufgerichtet und lauschte aus das wilde Lied, das der Sturm sang. Mit Wut peitschte er die See. Dumpf donnerten die Wogen an den Strand. Es war, als ob tausend Gerster- Heere die Luft durchsausten. Und der Mann da an ihrer Seite, der konnte ruhig schlafen. Er lächelte im Schlafe, während sie verzweifelt die Hände rang. Etwas wie Haß blitzte plötzlich in den jetzt nachtdunklen Augen Estrids auf. Dann schaute sie wieder zum Fenster. Klang es nicht wie Hilferuf durch die Nacht? Dröhnte nicht ein Kanonenschuß über das grollende Meer: „Schiff in Not." Sie sah durchs Fenster auf die schäumende See. Was war das? Glitt nicht gespenstig fern am Horizont ein dunkles Schiff vorüber? Zerfetzt hingen die Masten, brausende Wogen stürzten darüber hin, als wollten sie das dunkle Schiss in den Grund ziehen. Estrid unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei. War das nicht der „Schwarze Falke", mit dem einst Jngewart hinauszog auf das weite Meer? Wie töricht sie war. Die junge Frau strich sich das aufgelöste, goldene Gelock von der weißen Stirn, ein scheuer Seitenblick streifte den Mann an ihrer Seite. Er verstand nicht, was ihre Seele bewegte, würde es nie verstehen. Wie furchtbar die vergangene Nacht gewesen, und jetzt — jetzt kam er wieder. Beide Hände preßte Estrid auf das angstvoll klopfende Herz. Sie starrte zum Fenster, sie starrte zur Tür: „Tapp, tapp," klang es durch die Nacht. Eiseskälte kroch ihr den Rücken hinab. Sie vernahm, wie mit einem Male die Uhr in der Stube stillestand und auf der Schwelle erschien im geisternden Lichte einer, den sie einst gekannt und geliebt und — betrogen hatte. Er sah sie so seltsam aus gebrochenen Augen an. Aus Bart und Haar floß das Wasser an einem lichten Kleid her nieder. Sie glaubte die Wassertropfen zu hören, die «ruf die Diele fielen. .(Fortsetzung solgt.).)