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Brockmayer L Sohn ! s ein! SkkLl kk VO I>I! OkOKO! 4j Urheber-Rechtsschutz: Mitteldeutsche Roman-Korrespondenz Leipziger Willi schüttelte den Kopf und sagte sachlich: „Das Ab streiten nützt jetzt nichts mehr, Herr Hanke! Sie haben ver spielt. Bitte, keine Auseinandersetzungen mehr ... ich wünsche Sie morgen nicht mehr in unserem Betrieb zu sehen. Ich unterrichte den Personalchef, daß er die Papiere fertig macht!" Hanke wollte noch einmal sprechen. Aber Willi unterbrach ihn: „Ich will jetzt nichts mehr hören. Es genügt mir, was gesagt worden ist!" Mit einer Handbewegung wies er nach der Tür. Kein Tropfen Blut war mehr in Hankes Gesicht, als er mit haßverzerrten Zügen an Edith vorbeischritt. Als er draußen war, wandte sich Willi zu Edith und sagte sehr herzlich: „Sind Sie mit mir zufrieden, Fräulein Hoffmann?" „Ich bin Ihnen so unendlich dankbar, Herr Brock mayer!" „Nein, das brauchen Sie nicht zu sein. Sie haben für Ihr gutes Recht gekämpft, und ich bin Ihnen für die Auf klärung dankbar! Sie bleiben natürlich bei uns. Ich werde doch eine so bewährte Kraft nicht gehen lassen. Aber Sie brauchen ja nicht gerade bei den Herrensocken zu bleiben." „Das ist mir ganz gleich, Herr Brockmayer!" „Wie wäre es in der Damenkonfektion oder in der Musikabteilung? Spielen Sie Klavier?" „Gewiß, Herr Brockmayer!" „Vom Blatt?" „Jawohl!" „Gut, dann werden Sie morgen in der Musikalien abteilung anfangen! Ich hoffe, Sie noch lange zu sehen! Auf Wiedersehen, Fräulein Hoffmann!" Sie nahm die gebotene Rechte an und drückte sie zaghaft. „Nochmals herzlichen Dank, Herr Brockmayer!" Die beiden Mädchen verliehen das Privatkontor. Das Herz schlug ihnen bis zum Halse hinauf. * Im Personalbüro läutete das Telefon. Der Chef ergriff den Hörer. „Valier!" „Herr Direktor!" meldete sich des Juniors Stimme, „machen Sie die Papiere des Herrn Hanke fertig. Er ist fristlos entlassen! Zahlen Sie ihm ein Vierteljahrsgehalt aus. Frälein Hoffmann aber bleibt im Dienst!" „Gewiß, Herr Brockmayer!" stammelte der Personal chef. „Noch eins, Herr Valier ... wir wollen in Zukunft mit den Entlassungen vorsichtiger sein. Ich wünsche nicht, daß die Willkür einer leitenden Stelle uns gute Kräfte hinausjagt. Haben Sie mich verstanden?" „Gewiß, Herr Brockmayer!" „Morgen werden wir uns einmal über den Fall Hanke unterhalten." „Gewiß, Herr Brockmayer!" Dann legte er den Hörer auf. Seine Stenotypistin sah ihn fragend an. „Fräulein Salzer ... die Hofsmann bleibt!" „Wirklich?" „Dafür geht aber Herr Hanke ... der ... der sie hin ausbringen wollte! Was muh da geschehen sein?" Die Stenotypistin hatte rascher begriffen. „Ah ... jetzt begreife ich alles! Jetzt glaube ich, Herr Direktor, es stimmt, was damals die kleine Peterson sagte ... Hanke ist ein Schuft!" Der Personalchef nickte mehrmals, dann faßte er an seinen Stuhl: „Was sagte die Hoffmann... mein Stuhl... wackelt? Ja, ja ... ich will aufpassen ... Laß er nicht mal umfällt! Man kann sich nicht genug um jeden einzelnen Fall kümmern." . Eine halbe Stunde später fiel Valier bald vom Stuhle. Der alte Herr Kommerzienrat klingelte an und sagte, daß er wünsche, daß die Entlassung Hankes rückgängig gemacht werde. Der Personalchef wußte nicht, was er denken sollte. Er rief den Junior sofort an und teilte es ihm mit. Willi war außer sich und versprach, sofort mit seinem Vater zu reden. Unverzüglich suchte er ihn auf. „Du hast Valier gesagt, daß er Hanke wieder einstellen soll?" „Ja, das hab« ich! Hast du was dagegen?" „Ja, sehr viel! Ich habe diesen gemeiner Burschen hin ausgeworfen, weil er es verdiente, und du kommst jetzt und stößt alles wieder um!" „Ich bin Chef, mein Junge!" sagte der Kommerzien rat hart. „Gut, ich habe dich eine Dummheit machen lassen, jetzt gestatte ich mir, sie wieder einzurenken." „Diese Ungeheuerlichkeit nennst du einrenken? Der Hanke bleibt entlassen!" „Nein, er bleibt bei mir, unter allen Umständen!" „Überlege doch, du warst immer für Sauberkeit, und jetzt willst du ihn wieder hereinnehmen, diesen gemeinen Kerl? Da mache ich nicht mit! Unter keinen Umständen!" „Was gedenkst du zu tun?" fragte der Kommerzienrat lächelnd. „Papa ... ein Wort für zwei! Wenn dieser Hanke wieder engagiert wird, dann verlasse ich die Firma! Dann kannst du deinen Kram von diesem verdammten Kerl machen lassen! Dann zerreißt das Band zwischen mir und dir!" „Rede keinen Unsinn! Was willst du anfangen?" „Da mache dir keine Sorge, ich weiß, wie ich weiter- lomme. Ich poche nicht auf deinen großen Geldsackl Den kannst du behalten. Wenn mein Vater nicht ein Mann ist. dem Rechtlichkeit über alles, aber auch über alles geht, dann danke ich!" „Überlege dir, was du sprichst, Junge! Jedenfalls an meinem Wort ändert sich kein I-Tüpfelchen. Eher will ich bankrott gehen!" Das Wort stand im Raum. „Gut, erledigt! Jetzt trennen sich unsere Wege!" Damit verließ der Sohn den Vater. Nach einer halben Stunde kam er wieder, in der Hand Bücher und Papiere. „So, Papa, hier sind alle Geschäfts papiere von mir. Ich will sie dir übergeben! Morgen bin ich nicht mehr hier!" Der Kommerzienrat lächelte ironisch. „Gut, mein Heiß sporn. Ich werde sie übernehmen, bis du klein beigibst!" „Das erlebst du nicht!" „Und wenn ich dir nun befehle, zu bleiben?" „Du hast mir nichts zu befehlen!" sagte der Sohn hart. „Sie gefällt dir wohl sehr, die hübsche Blonde?" „Sie ist ein armes Mädel wie es Tausende gibt; sie verdient ihr Brot ehrlich. Ich würde für jede so eintreten!" „Ich warne dich, Willi, lasse dich nicht mit ihr ein. Ich habe anderes mit dir vor!" „Du hast nichts mehr mit mir vorzuhaben! Ich, nur ich bestimme über meine Person, und sonst kein Mensch, auch nicht du! Die Schulbubenjahre sind vorbei." „Mit anderen Worten: Du erkennst die Autorität des Vaters nicht mehr an, mein Junge?" „Nein!" „Überlege dir, was du sprichst! Mein Vermögen ...!" „Ist mir ein verdammter Dreck!" fiel ihm der Junge hart ins Wort. „Was unterstehst du dich?" brüllte der Alte. „Dein Geld ... imponiert mir nicht! Deine Arbeit ... die hat mir imponiert, deine Leistung, aber jetzt ... ver dirbst du sie wieder in Grund und Boden!" Damit verließ er das Zimmer. Krachend flog die Tür hinter ihm zu. Mit zusammengekniffenen Lippen sah ihm der Kom merzienrat nach. „Du wirst doch noch zu Kreuze kriechen!" murmelte er vor sich hin. * Aber er irrte sich. Willi verließ sofort die Arbeitsstätte. An der Kasse lieh er sich noch sein halbes Monatsgehalt in Höhe von 500,— Mark auszahlen, und dann trat er hinaus aus die Straße. Der Herbstwind umfing ihn und kühlte die Schläfen. Er brannte sich eine Zigarre an und sah dabei über die Straße. Dem Warenhaus gegenüber lag das Konfektionshaus Messerschmidt. Der Inhaber stand vor der Tür und grüßte herüber. Sein Gesicht war alles andere als zufrieden. Der schlechte Geschäftsgang und die immer stärker werdende Konkurrenz des Warenhauses drohten ihm den Hals abzuschnüren. Willi lief die breite Straße entlang und trat nach, wenigen hundert Schritten in das Cafe Esplanade. Er bestellte sich einen Mokka und begann seine Lage zu überdenken. Daß sein Vater nachgab, war nicht zu erwarten, das wußte er. Und er konnte und wollt« nicht nachgeben. Die Tren nung war gekommen ... durch das schöne blonde Mädchen. Er dachte an sie und fühlt« sich glücklich, daß er für sie hatte eintreten können. Freilich, was würde nun geschehen, wenn Hanke seine Stellung behielt? Würde er nicht alles versuchen, um sie herauszudrängen? Er überlegte, was er tun müsse. Die Adresse von Edith Hoffmann muhte er haben. Auf alle Fälle. Er überlegte, was er tun könne, dann trat er an den Apparat und ließ sich mit der Personalabteilung verbinden. „Hier Finanzamt!" meldete er sich. „In Ihrem Be trieb ist ein Fräulein Edith Hoffmann beschäftigt. Würden Sie uns bitte die Adresse der Dame angeben können?" Die Stenotypistin meldete ihm: „Prenzlauer Straße 18." „Danke!" Willi war befriedigt. Also di« Adresse hatte er. Dann überlegte er, was zu tun sei. Er war ein sparsamer Mensch gewesen. Von seinem Gehalt konnte er sich, da er im elterlichen Hause wohnte, den gröhten Teil erübrigen und hatte sich bereits 55 000 Mark gespart. Dazu kamen noch 79 000 Mark Erbanteil, die ihm beim Tode seiner Tante ausgezahlt worden waren. 134 000 Mark! Eine schöne Summe! Damit fürchtete er die Welt nicht. Er wußte, daß er kein schlechter Geschäfts mann war. Also ein Geschäft kaufen! Es in die Höhe bringen! War das nicht überhaupt eine Aufgabe, die sich lohnte? Plötzlich horchte er auf. Am Nebentisch saßen drei Herren und unterhielten sich über die schlechte Wirtschaftslage. „Messerschmidt trägt sich auch mit Verkaufsgedanken!" sagte der eine der Männer. „Brockmayer mit seinem Kasten macht ihn kaputt." Messerschmidt will verkaufen! Ein Gedanke ging blitzartig Willi durch den Kopf. Man müßte das Geschäft von Messerschmidt kaufen! Dann dem Vater beweisen, w-s man kann, daß man nicht zu Kreuze zu kriechen braucht, 'z man sich durchsetzt ' Selbst Kommerzienrat Brockmayer gegenüber Ein wilder Trotz war in ihm. So rasch wie der Gedanke gekommen war, so rasch s war der Entschluß gefaßt. Morgen wollte er zu Messerschmidt gehen und eine Aussprache herbeiführen. * Die Mutter Willis stand ganz unter dem Einfluß des Gatten. Sie war eine große starke Frau und nichts weniger als vornehm. Aber sie fühlte sich in ihrer Stellung und war im Charakter dem Gatten sehr ähnlich. Sie hatte im Warenhaus verschiedene Einkäufe ge tätigt und stand am Fahrstuhl, um nach dem zweiten Stock zu fahren. Eben kam er herab. Alles stieg aus. Maxe machte eine nette Verbeugung. „Immer rin, Madamchen!" sagte er in Laune. Frau Kommerzienrat sah ihn von oben bis unten an, dann sagte sie: „Was fällt Ihnen denn ein? Sie wissen wohl nicht, daß Sie es mit der Gattin Ihres Chefs zu tun haben?" Maxe fiel bald die Butter vom Brote. Donnerwetter, da lernte er ja so nach und nach die ganze Familie kennen. „Vazeihung, gnädige Frau", sagte er Reue mimend. „Et war nich böse gemeint!" Sie nahm von Maxe weiter keine Notiz und stieg im 2. Stock aus. Sie fand den Gatten sehr aufgeregt. Er erzählte ihr alles, was sich ereignet hatte. Die dicke Frau war außer sich. „Nein, das finde ich aber von Willi unerhört! Über haupt, warum sich so für das Personal aufopfern! Das verdient es gar nicht! Jetzt wieder ... der Fahrstuhlführer mit dem frechen Gesicht ... sagt zu mir: Immer rin Madamchen!" „So! Dem Burschen werde ichs beweisen! Der fliegt,Luise!" wie nickte befriedigt. „Aber ... was wird denn nun mit Willi? Einen harten Kopf hat er." „Weih ich! So leicht wird unser Junior nicht nach geben, das ist mir klar! Ich muh mich also auf eine Warte zeit gefaßt machen." „Ich werde mit ihm reden!" „Tue es nicht, du erntest nur Grobheiten wie ich! Laß ihn tun, was er vermag, bis er von selbst wiederkommt." „Ja doch, Edmund, ja, aber ... ich meine nur der Skandal vor den Leuten." „Der ist nicht zu vermeiden, aber er soll mich nicht kümmern. Ich gebe nicht nach, er muß kommen!" „Wird er denn zu Hause wohnen bleiben?" „Das bezweifle ich. Du mußt -ich gefaßt machen, daß er versucht, sich restlos auf eigene Füße zu stellen!" „Aber ... das müßte man doch vermeiden. Kannst du es nicht einrichten, daß er in einer unserer Filialen die Leitung übernimmt?" „Ich könnte es, aber er wird es nicht annehmen wollen! Nein, Luise, nichts wird getan. Rein gar nichts!" Frau Luise fügte sich, obwohl ihr die Sache recht un angenehm war. Willi traf Mi zu Hause an. „Nun, hast du deiner blonden Fee Recht verschafft, Willi?" fragte sie. Sie sah, wie sich sein Gesicht verfinstert. „Ja und nein!" „Hast du den Hanke entlassen?" „Ja! Aber Vater hat ihn wieder eingestellt!" „Was?" fragte Mi erstaunt. „Das tat Papa? Den Lumpenkerl nahm er wieder in den Betrieb?" „Ja! Aus Prinzip! Hanke ist ein Vorgesetzter, und als solcher muß er Recht behalten, sonst geht die Autorität flöten. Das ist seine Meinung und für die menschliche Seite der Angelegenheit hat er kein Jnteressel" „Das verstehe ich nicht! Und ... was wird nun?" „Ich bin aus dem Kaufhaus Brockmayer ausgeschieden." Sie nickte ihm zu. „Das habe ich erwartet!" „Vater ist ein Hartkopf, aber mein Kopf ist noch härter. Solange dieser Hanke im Betrieb arbeitet, ist das Kaufhaus Brockmayer für mich abgetan! Ich stelle mich jetzt auf eigene Füße, kaufe mir ein Geschäft! Ich will von Papas Geld nicht mehr abhängig sein." „Richtig, Willi! Du imponierst mir! Höre, du darfst auch mein Geld mit dazu nehmen. Ich meine das Erbteil von Tante." „Wirklich, Mi? Ich kann es sehr gut gebrauchen. Aber höre ... und setze dich! Ich will das Messerschmidtsche Ge schäft kaufen." „Das unserer Firma gegenüberliegt?" „Ja!" „Donnerwetter!" sagte sie anerkennend. „Das will was heißen!" „Das heißt Kamps, Mi! Ich suche ihn! Billigst du meinen Entschluß?" „Ohne weiteres!" sagte sie fest. „Weißt du Willi, da habe ich keine Hemmungen, denn wir sind beide von Vater und Mutter mit Gefühl nicht gerade verwöhnt worden. Es ist schlimm, daß man es sagen muß, aber es ist Tat sache ... wir haben nie gespürt, was Elternliebe ist. Ich lebe in unserem Hause, aber ich komme mir so einsam vor, als wenn ich unter fremden Menschen lebte!" Bitter entgegnete der junge Mann: „Ja ... Vater ist es immer nur um den Erfolg gegangen, um weiter nichts! Er hat wohl nie gespürt, was ein Herz in der Brust ist. Denk' doch an den Betrieb. Alle ducken sich vor ihm, keiner liebt ihn. Und Mama? --- Ja, die ist ganz Vater. Er hat sie nach seinem Willen geformt. Weißt du, Mi, ich miete mir jetzt ein kleines Einfamilienhaus in Zehlendorf, ich weiß, wo ein solches zu vermieten ist, komm' mit zu mir." Mariela überlegte. (Fortsetzung folgt.)