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Der Löns-Slein. Dies ist die Heide: ein märchenhaftes Paradies voll Urweltstille, Majestät des Friedens, voller Schöpfungsodem. Ihr Herz ist Soltaus Ring vom Wilseoer Berg über Schneeoerdingen—Visselhövede—Fallingbostel—Bergen—den Haussel-Berg (119 Meter) auf Uelzen zu. Im allgemeinen heißt es knapp und trocken: „Die Lüneburger Heide, eine Moränenlandschaft zwischen Aller und Elbe, zeigt nament lich zur Zeit der Heideblüte Landschaftsbilder von großer Eigenart und Schönheit . . Biele sagen, weil die Stadt Lüneburg der Heide den Namen geliehen hat, diese Stadt sei ihr Herz. Vielleicht... Vielleicht doch. Aber dann ist Sol tau, das in naher Pochweite dieses Herzens liegt, die Seele. Denn von Soltau über Wardböhmen und Bergen auf der Südstraße der Heide gen Celle, der alten Heidestadt, ist die Heide eine Waldwelt von fast unberührter Ursprünglichkeit und infolgedessen ein noch stärkeres Erlebnis als gen Lüne burg im Nordosten; wenngleich auch hier, wo der Wacholder strauchweise spukhaft oder zu pinienhaften Bäumen gestei gert neben Heidekraut und Farren die Landschaft verzaubert und die Brombeersträucher Buschinseln von fast vorweltlichen Dimensionen bilden, stärker als anderswo die Bienen und Hummeln summen und die vielholde Birke einsam oder in Gruppen die noch einsamere Heidekate umsteht, weder die Lerche noch der Fink die schönsten Lieder singt. Die Natur selbst singt sie zwischen Ginster- und Wachol der-Träumereien. Jawohl; die Natur selbst wird zum Dich ter in all diesen Revieren, und der Heidebauer oder der Schäfer, der zwischen Morgen und Mittag, wieder zwischen Mittag und Abend seine Wegstrecke durch die Flur machen muß, ist nur ein Vers aus diesem sinnvollen Liederbuch „Deutsche Heide ... " „Viermal im Jahr erblüht die Heide...." so sagt und singt der Heidedichter Hermann Löns in „Mein braunes Buch": einmal rosenrot, einmal birkengrün, einmal weiß (im Winter), einmal goldiorot, fast kupferbraun . . . Man muß das schauen. Man muß das ganz erleben. Gegen das Blick auf Uelzen. Schilf- und Torfrasen dienen als Ziegel. Kinderspielweide und -wiese und Planschbecken fehlen. Bienen- und nochmals Bienenstöcke im Garten eines jeden Heidebauern. Sein Hauptschatz aber sind die Heidschnucken. Immer wieder, überall und zu allen Jahreszei ten hat die Heide ein besonderes Gesicht, immer so schön, daß wir gern mit Löns anerkennen: „Alle Birken stehen in Moor und Heid', — Jeder Brambusch leuchtet wie Gold, — Alle Heidelerchen dudeln vor Fröhlichkeit, — Jeder Birkhahn kullert und tollt..." wie auch mit jenem Dichter, der die herbstliche Heide besingt: „Rotbraune Heide — Im Birken kleide, — Wem es beschisden, — Je dir zu nah'n, — Dem hat für immer — Dein Rosenschimmer, — Dein holder Frie den — Es angetan." Derbst Und wieder Herbst! — Die Blätter werden gelb und braun Und sinken sterbend von den Zweigen. Am fernen Waldrand tanzen Nebelfrau'n In grauen Schleiern ihren müden Reigen. Das Lied des Sommers ist verklungen, Verhallt der heißen Wünsche Saitenspiel, Und manche Hoffnung, die in uns gesungen, Wie welke Blätter an den Wegrand fiel. H. A. * eigentliche Kulturland ist die Heide nur an einzelnen Stel len scharf abgegrenzt. Das Gras der Wiesen wird dann dürf tiger, der Boden sandiger, die Entfernung der Ortschaften vergrößert sich. „Halbe Tage wandert man, ehe man das graue Torfdach einer Heidekate erblickt. Ringsum ein mage res Feld. Buchweizenversuche, ein paar Rüben. Nur an ein paar Oasen im Heideland gewahren wir, daß der Mensch dazu überging, festere Wohnsitze zu zimmern, festere Dächer zu setzen, Eichensträucher zu pflanzen. Zumeist finden wir Wohnungen, deren Wände aus Granitblöcken aufgeführt sind, die Lücken mit Moos verstopft, ölgetränktes Papier vertritt noch beut? osi aenug die Sten? d^s Fensterglases, heidewege. Kurzgeschichten der Wissenschaft Erblindete Pflanzen. Die Lichtreaktion der Pflanzen, auch Heliotropismus ge nannt, wurde neuerdings eingehend untersucht und ergab eine überraschende Tatsache. Dieser „Lichtsehnsucht" liegt eine Nerventätigkeit zugrunde, die ihren Sitz in den äußersten Spitzen der die Knospen umhüllenden Blätter hat. Das erste Millimeter der äußersten Blattspitze ist 160mal so empfind lich wie das zweite und 1800mal wie das dritte. Man schnitt diese Spitzen ab, und die Pflanze — es handelte sich um Hafer — machte den Eindruck, als wäre sie erblindet. Ihre Halme wuchsen nicht mehr in gleichem Maße dem Licht zu. Man experimentierte auch mit verschiedenen Farben, um die Wellenlänge im Spektrum zu ermitteln, die von der Pflanze bevorzugt wird, und fand, daß ihre große Sehn sucht Blau ist. - Traumdeuter-Reklame vor 2000 Jahren. — Schon im alten Aegypten gab es geschäftstüchtige Seher, die von der Zukunft lebten, die sie ihren Mitmenschen richtig oder meistens falsch deuteten. Auch daß Reklame zum Hand werk gehört, wußten sie. Bekannt ist ja die rege Propaganda, die das Orakel zu Delphi entfaltete. Bei der Entzifferung einiger Tafeln, die man vor kur zem am Tempel von Serapis in der Nähe Memphis' fand, stieß man auf folgende Bekanntmachung: „Ich erkläre Träume — ich stehe unter der Leitung Gottes — bringe Glück — bin ein Mann aus Kreta, der deutet." Bemerkenswert an dieser Anzeige ist der geschickte Hin weis, daß der Traumdeuter unter der Leitung Gottes steht und Glück bringt. Außerdem mag es für die Aegypter ver lockend und interessant gewesen sein, ihre Zukunft aus dem Munde eines Ortsfremden zu hören. Die amerikanischen Archäologen, die jetzt die zahlreichen Inschriften am Tempel von Serapis entziffern, glauben, daß die offiziellen und bezahlten Traumdeuter damals einen großen Berufszweig bildeten. Für ihre Anzeigentafeln hatten sie sich den erfolgreichsten Platz gewählt, nämlich die lange Sphinx-Allee, auf der das Volk zum Tempel pilgerte. Die Nachkommen von Adam und Eva. Dafür hält sich eine merkwürdige Sekte in Kanada, die der Regierung seit Jahren dauernd Schwierigkeiten bereitet. Diese sogenannten „Doukhober" umfassen ungefähr 15 000 Menschen und gehorchen nur ihren eigenen Gesetzen und ihrem Führer Peter Virgin II. Sie sind gegen Schulen, Steuern, Militär, Fleischessen und Kleidung. Als kürzlich 500 von ihnen wegen Auflehnung gegen die Gesetze ins Ge fängnis wandern sollten, erhoben die Freunde Einspruch mit einer großen Parade im Adamskostüm. Die Polizei kämpft gegen diese Kundgebungen meistens mit Wasser oder, was sich noch besser bewährte, mit Juckpulver. Die Herkunft dieser Sekte, die sich heute noch im Garten Eden glaubt, ist völlig ungeklärt. Man hält sie für Schismatiker der russischen Kirche. Das kreuz — 1200 Jahre vor Christus. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der englische Archäologe Sir Arthur Evans mit der rätselhaften Vergangenheit der Insel Kreta. Er hat den berühmten Palast des Minos frei gelegt und berichtet jetzt von überraschenden Ergebnissen, die ein völlig neues Licht auf diese verschollene Kultur werfen. Bereits 1200 Jahre o. Ehr. beteten die Kreter in kir chenähnlichen Gebäuden unter dem Symbol des Kreuzes. Der von Evans entdeckte Tempel besitzt den gleichen Grundriß wie die späteren christlichen Kirchen, er hat Altar, Chorstühle und Kanzel. Was die vorgefundenen Kreuze für die Kreter be deuteten, läßt sich schwer feststellen. Verehrt wurde damals eine Art „Mutter Gottes", ähnlich der Gestalt der Jschtar oder Astarte. Wie Evans behauptet, erinnert der ganze Stil eher an einen christlichen als an einen heidnischen Kultus. Er ver suchte, den Altar mittels der gefundenen Geoenstände zu rekonstruieren und erhielt das folgende Bild: Auf der einen Seite erhebt sich die Darstellung der Göttin mit bghem Kopf schmuck, auf der anderen die Figur einer Priesterin, eine Schlange haltend; vorn befindet sich eine Schale mit Wasser als Symbol der Reinigung und in der Mitte ein poliertes Kreuz aus weißem und grauem Marmor. In Sumpf und Wüste bei Kut-el-Amara hier wurde Weltgeschichte geschrieben. Unerbittlich sendet die heiße Sonne Mesopotamiens ihre sengenden glühenden Strahlen auf die Straßen von Bagdad- Basra nieder; ewig klar, grausam steht der hellblaue Him mel über den schier unendlichen sandigen Weiten dieses salz zerfressenen öden Landstriches Stumpfsinnig sitzt man in der Ecke seines Autos, in Tücher eingehüllt, um sich gegen die glühende Luft zu schützen. Ab und zu eine kleine Ansiedlung in dieser monotonen Landschaft. Man schaltet dann ein wenig das Gedächtnis ein und versucht nachzudenken, wovon sich diese Menschen hier eigentlich ernähren. Doch ist es für den Europäer Avecklos, darüber nachzugrübeln; würde ich mei nen arabischen Diener und Chauffeur Achmed-el-Barak dar über befragen so wurde auch er mir lächelnd nur zur Ant wort geben: „Allah-i-ekbert, Gott ist groß, Sahib." Die Straße flieht. Nomaden, Pilger, Beduinen ziehen einsam ihres Weges. Lehmhütten, kleine Dörfer, kleine Städte träumen im ewigen Sand. Die Straße flieht. Selgil, Koweit, Scheresch, Kut-el-Amara — Kut-el-Amara —? — „Stopp, Achmed, stopp - rufe ich meinem Chauffeur zu. Ja, ich irrte mich nicht, es war das Städtchen, wo im Jahre 1916 mit Blut und Elsen ein Stück Weltgeschichte ge schrieben wurde. Dieses trostlose, schmutzige Städtchen war der Mittelpunkt eines gewaltigen Ringens zweier Armeen, der englisch-indischen Armee unter dem General Townshend und der deutsch-türkischen Armee unter Graf von der Goltz- Pascha. Schritt für Schritt wurden die Engländer, die auf ihrem Vormarsch schon bis nahe vor Bagdad gekommen waren, von den deutsch-türkischen Truppen nach einer bluti gen Schlacht auf Kut-el-Amara zurückgedrängt. Schnell war der Ring um diese Festung geschlossen. Schlimmer wie die Kugeln der Feinde waren die verheerenden tropischen Krank heiten, die Tausende und aber Tausende braver Soldaten, zumeist im Lager der Engländer dahinrafften. Draußen vor dem Städtchen liegen sie, in Reih und Glied, wie sie vor dem Feinde gestanden; Freund und Feind schlafen hier im ge staltlosen Wüstensande. Kaum sollte man es für möglich halten, daß sich in dieser kleinen Stadt etwa 12 000 Mann monatelang halten konnten. Hut ab vor dem englischen Ge neral Townshend und seinen Kameraden, die hier im Be wußtsein ihrer soldatischen Ehre und Pflicht bis zum äußersten kämpften und starben Und dort draußen vor der Stadt in dieser Sandwüste, nur durch Sumpfgebiete nahe dem Tigris unterbrochen, sol len unsere Truppen monatelang gelegen haben? Bei 50 bis 60 Grad Hitze, gepeinigt durch Myriaden von Moskitos, Stechmücken und ähnlichem Ungeziefer, die durch ihre win zigen Stechwerkzeuge die furchtbaren, verheerenden Krank heiten auf die Soldaten übertrugen? An Zahl den Eng ¬ ländern unterlegen, Mangel an Wasser, vor sich den Feind und dauernd das Damoklesschwert der Krankheit über sich, wurde hier stilles Heldentum unerhörter Kühnheit vollbracht. Gar oft bekannten die Engländer in ihrer Verzweiflung die türkischen Stellungen, jedoch vergebens; viele versanken in den sumpfigen Gebieten nahe dem Tigris. Wohl standen südlich bei Basra noch kleinere englische Truppenteile, auch britische Kriegsschiffe kreuzten im Persischen Golf, die ihnen eventuell Hilfe bringen konnten. Aber sie wurden durch den damals noch jungen deutschen Konsul Wasmus festgehalten, der die wilden Gebirgsstämme längs des Persischen Golfs gegen die Engländer aufgewiegelt hatte, hier auf eigene Faust Krieg führte. Jener Wasmus, der ein Stück Land fast so groß wie Bayern, mit seinen Leuten unsicher machte; der seine Leute als Diener verkleidet in den englischen Offi zierskasinos sitzen hatte, die ihm sämtliche Truppenbewegun gen der Engländer hinterbrachten Gefürchtet war der Name Wasmus bei allen englischen Kommandostellen; in jedem Bericht, der an die einzelnen Truppenteile abging, wurde vor ihm gewarnt. Nie wußte man, wo er sei, immer nur hörte man, wo er gewesen war; und dort hinterließ er seine Visitenkarte in Form von Zerstörungen für die Engländer wichtiger militärischer Stützpunkte. So verbrauchten die Engländer hier am Persischen Golf ihre Kräfte, während sich 200 Kilometer nördlich das tragische Schicksal der Armee Townshend vollzog. Fünfzehn Jahre sind seitdem ins Land gegangen. Im mer noch schiebt der Tigris seine schmutzigen, lehmigen Wassermassen vorwärts dem Golfe zu; immer noch singen Myriaden von Moskitos und Stechmücken an seinen Ufern ihre gefürchteten Melodien. Ich suche die Seele des Lebens von damals und gehe hinaus vor die Stadt zu den Toten, deren Geist über ihren Gräbern schwebt; hinauf als Rufer zum Streite für Ehre und Pflicherfüllung ihrer Nationen. Die Straße flieht; Lehmhütten träumen am Wege, kleine Dörfer im ewigen Sande. Nomaden, Pilger, Beduinen ziehen einsam ihres Weges. Und weit, weit hinter mir weht heißer Wüstenwind über die kahlen Gräberreihen der Toten. Gefallen zu Kut-el Amara. G. M.