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Nr. 22ö, S4. Jahrgang Montag, den 26. September 1932 pulsmherFayeblalt Fernsprecher 18. Tel.-Adr.: Tageblatt Pulsnitz , Postscheck-Konto Dresden 11764 Bezrrffsanzerger — — — Erscheint an jedem Werktag — — — Im Falle höherer Gewalt, Krieg, Streik oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderuugseinrichtuugen, hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rück zahlung des Bezugspreises. — Wöchentlich 0.40 E bei freier Zustellung; bei Abholung wöchentlich 0.32 Ml; durch die Post monatlich 2.— OE freibleibend Wochenblatt Bank-Konto: Commerz- und Privatbank Zweigstelle Pulsnitz Anzeigen-Grundzahlen in -SH/: Die 41 mm breite Zeile (Mosse'S Zeilenmesser 14) 1 mm Höhe 10 O/, in der Amtshauptmannschast Kamenz 8 amtlich 1 mm 20 und 16 Reklame 20 O/. Tabellarischer Satz SO 7« Aufschlag. — Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelangt der volle Rechnungsbettag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. Bis 7-10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast und des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt In Verbindung mit der Nedenausgabe „Ohorner Tageblatt", Hauptblatt und älteste Zeitung im Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz, umfassend die Orte Pulsnitz, Pulsnitz M. S-, Großröhrsdorf, Bretnig, Haus- ' walde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Tägliche schnellste Berichterstattung über das Geschehen in der engeren Heimat, in Deutschland und im Ausland. Nachrichtendienst durch ganztägigen fast ununterbrochenen Funkdienst der Telegraphen-llnion Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Verlag: Pulsnitzer Tageblatt, G. m. b. H., Pulsnitz Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Amtliche Bekanntmachungen im Anzeigenteil Grohe Rede Herriots Paris, 26. September In einer großen Rede in Gramat beschäf tigte sich gestern der französische Ministerprä sident herriot mit der Abrüstung und der deutschen Gleichberechtigungsforderung. Er nahm scharf gegen die deutsche Forderung Stellung und beschuldigte die deutsche Regie rung der offenen Verletzung des Versailler Vertrages. Die Schaffung des Reichskura toriums für Jugendertüchligung bezeichnete er als die Vorbereitung der Jugend zum Kriege. Er wies auf Veröffentlichungen an gesehener französischer Militärs hin, aus denen hervorgehe, dah Deutschland ein mäch tiges Angrisssheer aufstellen wolle. Schieds gerichte, militärische und wirtschaftliche Sank tionen seien notwendige Voraussetzungen für die Lösung des Sicherheitsproblems. Dw Völker wünschten den Frieden, aber noch Mehr die Sicherheit- Mas Herriot zu erwähnen vergah Paris, 26. Sept. (Funkmeldung) Leon Blum begrüßt im „Populaire" die Ausführungen Herriots, hält ihm aber vor, bei der Behandlung der angeblichen deut schen Geheimrüstungen den wahren Rüstungs stand Frankreichs vergessen zu haben. Wenn Herriot anerkenne, daß die Abrüstung der besiegten Länder als der erste Schritt zu einer allgemeinen Abrüstung angesehen wer den müsse, so müsse man ihn fragen, ob er wirklich annshme, daß Frankreich diese Ver pflichtungen erfüllt habe. Der Ministerpräsi dent habe mit Nachdruck auf die in Frankreich durchgeführte Abrüstung hingewiesen, habe aber dabei anscheinend vergessen, daß das französische Rüstungsmaterial mächtiger als je sei, daß das französische Berufsheer nicht aufgehört habe, sich zu vergrößern, und daß der Kriegshaushalt in Goldfranken noch sehr viel höher sei als in den Jahren 1913 und 1914. Er habe von der Schaffung des Reichskuratoriums für Jugendertüchtigung gesprochen und dabei vergessen, daß es in Frankreich eine Militärdienstpflicht gebe und daß man damit auch in Frankreich allen Kin dern die Kunst zu Meu beibringe. Las Agrarprogramm der Seichsregierung Oer landwirtschaftliche Teil des Wirtschaftsplans soll noch in dieser Woche veröffentlicht werden — Ministerpräsident Herriot richtet scharfe Angriffe gegen die deutsche Regierung von Braun spricht in München getreideversorgung ein früher nicht für mög lich gehaltenes Maß von Unabhängigkeit. München, 26. September In seiner Rede auf der Vollversammlung des Bayrischen Landwirtschaftsrates in Mün chen führte Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Freiherr von Braun, am heutigen Montagvormittag u. a. folgendes aus: „Das Wirtschaftsprogramm der Reichs regierung enthält nur wenige Maßnahmen, die die Landwirtschaft unmittelbar be rühren. Es soll der industriellen Arbeitslosig keit steuern. Die Landwirtschaft weiß, daß das Arbeitslosenproblem der Städte in emi nenter Weise auch ein agrarisches Problem ist. Es ist leicht zahlenmäßig nachzuweisen, wie stark der Konsum an Milch, Butter und Käse, an Obst und Gemüse infolge der man gelnden Kaufkraft zurückgegangen ist. In soweit darf man die Wirkungen des Wirt schaftsprogramms auf die Landwirtschaft nicht unterschätzen, aber allein mit der Erhöhung der Kaufkraft des Städters ist die Not der Bauern nicht zu bannen. Unter der Fron untragbarer Zinsen und dem Druck von Schleuderpreisen der Deutschland überschwem menden landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Weltmarktes kann der Bauernstand auf die Dauer die Nahrungsfreiheit des deutschen Volkes nicht gewährleisten. Das Absinken unserer Veredelungswirtschaft ist nicht zuletzt eine Folge der einseitig auf Förderung der Exportindustrie bedachten Handelspolitik der Nachinflationszeit, die zur Steigerung der deutschen Ausfuhr Zugeständnisse anderer Länder auf industriellem Gebiete durch zahl reiche Herabsetzungen landwirtschaftlicher Zölle erreichte. Nach einigen Jahren schwerer Verluste durch völligen Preisverfall des Ge treides auf dem Weltmarkt und nach Beseiti gung der Getreidezollbindungen konnte nun mehr Deutschland im Gegensatz zu früher in der Brotgetreideversorgung den Eigenbedarf selbst decken und gewann auch in der Futter- Die deutsche Landwirtschaft hat den Be weis erbracht, daß sie, geschützt gegen ausländische Überflutung, die Rahrungs- mittelversorgung aus eigener Scholle sicherstellen kann. Leider hat man die gleichen Maßnahmen wie bei Getreide nicht auch bei der Veredelungs wirtschaft, insbesondere bei Vieh und Vieh produkten, bei Gemüse und Obst getroffen. Dieser Niedergang unserer Veredelungswirt schaft wiegt um so schwerer, als in Deutsch land die Verkaufserlöse für Vieh und Dieh- produkte allein etwa das Dreieinhalbfache der Verkaufserlöse von Getreide und Kartoffeln zusammen ausmachen. Der Landwirtschaft kann daher mit einer vernünftigen Gestaltung der Getreide- und Kartoffelpreise allein nicht geholfen werden. Wir stehen in kommenden Jahren bei einer mittelguten Ernte bereits vor der Gefahr, daß wir eine Überpro duktion an Getreide haben, die es nur mit erheblichen Reichszuschüssen möglich macht, die Getreidepreise auf auskömmlichem Niveau zu halten. Das würde zum Zusammenbruch auch dieses Zweiges der Landwirtschaft führen. Die Reichsregierung ist entschlossen, zum Schuhe einheimischer Produktion die Ein fuhr folgender landwirtschaftlicher Er zeugnisse zu kontingenlieren: verschiedene Sorten kohl, Tomaten, Zwiebeln, Tafel trauben, Schnittblumen, die wichtigsten Sorten Obst, Radelschnittholz und Papier holz, Schlachtrinder, Speck und Schmalz, Butter, käse, Karpfen, Erbsen, Reis abfälle. Diese Liste stellt keine lückenlose Kontingen tierung dar, wie sie von manchen Seiten der Landwirtschaft gefordert ist. Die Reichs regierung glaubt jedoch, eine Handelspolitik damit einzuleiten, die bei aller Rücksicht auf die Arbeitslosenfrage in der Exportindustrie auch der deutschen Landwirtschaft wieder ihren Platz an der Sonne verschafft. Von der Seite der Preise allein ist der der Landwirtschaft jedoch nicht zu helfen. Vor allem sind es die Zinsen, die dem Land wirt ein nicht mehr tragbares Joch auferlegen. Infolge ihrer Unrentabilität werden auch die Gläubiger der Landwirtschaft aufs schwerste gefährdet. Die deutsche Landwirtschaft hat in jedem der letzten drei Jahre 1,2 Milliarden zugesetzt: 60 v. H. des Kleinbesitzes, 70 v. H. des Mittelbesitzes, 80 v. H. des Großbesitzes haben ihre Zinsen nicht mehr aus ihren Be triebsüberschüssen, sondern aus der Substanz bezahlt. Die Neichsregierung hat sich daher auf dem Gebiet der Hypothekenzinsen zu fol gendem Wege entschlossen: Die von den Landwirten für langfristige Hypotheken in den nächsten beiden Jah ren zu tragende Zinslast wird um 2 v. H., jedoch nicht unter 4 v. H. — auf das Jahr berechnet — erleichtert. Der Landwirt hat diese zwei mal zwei, also insgesamt 4 v. H., die er in den beiden näch sten Jahren nicht zu zahlen braucht, bei Len Tilgungshypotheken erst am Schlüsse der Til gungsperiode zu entrichten, ohne daß Zins und Zinseszins dafür berechnet wird. Die Zinsen für Pfandbriefe erfahren durch Ab senkung des Zinses für landwirtschaftliche Hypotheken keine Kürzung. Die Zinssenkung erfolgt auch beim P e rs o n a l k r e d i t. Weiter hat der Reichspräsident einem Vor schlag der Reichsregierung zugestimmt, der eine besondere Vergleichsordnung und einen stärkeren Vollstreckungsschutz für Besitzer und auch für Pächter landwirt- schastlicherGrundstücke vorsieht. Eine einst weilige Einstellung der Zwangsversteigerung wird vorgenommen werden, wenn die Nicht erfüllung der Verbindlichkeit auf außerordent- Urh-ber-Rechlsschuk: Drei-Vuellen-Verlag, Kömgsbrück/Sa. 8. Fortsetzung „Ja, dem trau ich's zu, Hall weiß viel ... viel mehr als ich. H"il s" groß. Hap ... wenn ihn einer hat ... den Stein der Weisen ... dann Hall!" „Man spricht davon, daß er Gold machen will." „Keiner weih, was Hall vor hat." „Wie alt ist der Mann?" „Mitte Fünfzig. Ein großer, starker Mann, ein mäch tiger Körper, der nur so von Lebenskraft strotzt wie ein mächtiger Baum. Er hat zwei Söhne, Rother und Arnold. Beide sind Chemiker. Ob einer das Genie des Vaters geerbt hat, weiß man noch nicht. Arnold wohl kaum. Er ist zwar ein sehr geschickter Chemiker, aber seine Interessen laufen anders. Er ist Musiker, Schriftsteller und lebt im übrigen frisch und unbekümmert drauf los. Rother ist ernsterer Natur, ein eifriger Forscher. Man weiß von ihm noch nichts." „Wie stehen die Söhne zum Vater?" „Sie schaffen für sich, das Band scheint nur lose zu sein." „Wo schaffen die Söhne?" „In den Laboratorien der Vereinigten Deutschen Chemiewerke, die den deutschen Chemietrust darstellen." „Dem Geheimrat Rosen vorsteht?" „Jal" „Sie meinen also, wenn es einer vermag .. dann Hall!" „Ja, nur Hall!" „Herr Uhl, an Ihrer Stelle hätte ich mich mit Hall ein mal in Verbindung gesetzt. Vielleicht hätte er das Gas In ferno bestimmen können!" Uhl dachte nach. „Ja ... das hätte ich tun können! Herr Doktor, wollen Sie es für mich tun? Ich lasse Ihnen das Gas zu treuen Händen. Seine Aufbewahrung birgt keine Gefahr. Es ist wohlverwahrt." „Gut, Herr Uhl. Bringen Sie es morgen mit zu mir!" * vr. Scheeven denkt lange über den Fall Uhl nach. Es ist in ihm ein Gefühl, das sich dagegen sträubt. Er möchte an die Wahrheit der Worte glauben, an die Gefahr, die Uhl empfindet, aber er kann sich nicht endgültig aufraffen. Er muß an das Ereignis von Oldenbruck denken. Seine Gedanken wandern zu Hall. Soll er den seltsamen Mann, der auf Schloß Auffen, unterstützt von dem Millionär Goldener, vom Generaldirek tor Artus — wie man allerdings nur erzählt — von der Amerikanisch-Europäischen Chemie A.-G., aufsuchen? Scheeven kennt Artus, der nicht nur ein geistvoller, schöner Mann ist — nicht mehr ganz jung, an der Schwelle der Fünfzig —, sondern dem man auch nachsagt, ein großer Chemiker zu sein. Scheeven überlegt, ob er einmal Artus besucht und mit ihm spricht, oder ob er zunächst einmal mit den beiden Halls Rücksprache nimmt. Er entschließt sich, zu Artus zu gehen. Artus empfängt ihn sofort mit aller ihm zu Gebote stehenden Liebenswürdigkeit. Scheeven hat aber trotzdem das Gefühl, daß von dem Mann eine gewisse Kälte ausgeht. „Was für ein Fall führt Sie denn zu mir, Herr Dok tor?" fragt Artus. , „Fall? Wie man's nimmt! Eigentlich möchte ich nur eine Auskunft von Ihnen haben." „Uber wen?" „Über Gunnar Hall!" Gregor Artus sieht ihn aufmerksam an, schüttelt dann den Kopf und lacht für sich hin. „Uber Gunnar Hall, das ist sehr interessant!" „Ich habe erzählen hören, Herr Artus, dah Sie, wie auch Mr. Goldener, Gunnar Hall unterstützt haben." Artus nickt. „Stimmt, sehr richtig, Herr Doktor! Gol dener hat 350 000 Mark geopfert, ich ... eigentlich eine Schande ... aber es muß ausgesprochen werden ... 250 000 Mark." „Demnach müssen Sie von Halls Fähigkeiten sehr über zeugt gewesen sein?" „Ja, das war ich! Aber er ist ein Schwindler! Mit seiner Goldmacherei hat er uns elend an der Nase herum geführt. Es wird Sie interessieren, Herr Doktor ... Gunnar Hall ist heute auf Betreiben von Goldener wegen Betrugs verhaftet worden. Ich habe mich der Klage angeschlossen." Scheeven war sehr überrascht. „Gunnar Hall ... ein Betrüger!" „Ja, wir müssen es wenigstens annehmen. Wir haben ihn vyr die Schranken des Gerichts zitiert, um Klarheit zu bekommen." „Schade, schade!" „Was wollten Sie von Hall, Herr Doktor?" „Eine Auskunft ... über das Geheimnis von Olden bruck." „Oldenbruck ... ach, ich weiß jetzt. Wo der Sumpf plötzlich Erde wurde durch ein ungeklärtes Naturgeheimnis." „Nicht durch ein ungeklärtes Naturgeheimnis, sondern durch das Genie eines Menschen," sagt Scheeven feierlich. Artus wird bleich und starrt Scheeven an. „Das ist un möglich, Doktor!" stößt er hervor. „Es ... es kann keiner aus Wasser Erde machen. Das kann keiner!"