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0 N wim wird, und es zu genießen, und einmal in chen an seinen lachenden Ufern den goldenen funkelnden Wein zu trinken, der dort an den sonnendurchglühten Re her ¬ sen genoi- Stelle nen zweiten Strom, der so viel besungen worden ist wie der Rhein. Schon der Klang seines Namens hat für jeden echten Deutschen einen tief im Herzen haf tenden Gefühlswert, und in jedem Deutschen, mag er wohnen, wo er will, lebt die Sehnsucht, einmal den Rhein zu sehen, einmal auf seinen grünen Fluten dahinzufah ren, all seine Schönheiten mit aufgeschlossener Seele einem der zauberhaften Städt Was der Nil dem Aegypter, der Ganges dem Inder, die Wolga dem Russen, ist der Rhein dem Deutschen: der Strom der Ströme. Un ¬ gekostet hat dem ist das Herz aufgegangen, und er wird sein Leben lang davon singen und sagen. Wer kennt sie nicht, die Weine von Weltruf: Winkler Hasensprung, Mit- telheimer Edelmann, Oestricher Lehnchen, Schloß Vollradser. Geisenheimer Rothenberg, Steinberger Kabinett. Erbacher Honigberg, Johannisberger, Marcobrunner, Rauenthaler. Gräfenberger, Rüdesheimer, Hattenheimer, Hallgartener. Lorcher, Ingelheimer und Aßmannshauser. Dort ist ein Paradies für uns aufgetan, und dort versteht man die Warnung Karl Simrocks: , An den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein!" Aber wer klug ist. tut es doch! gottgesegneten Rheingaues vorbringt: „Wie Stern an Stern, so reiht sich dort, An Hügelketten Ort an Ort. In jedem Ort ein neuer Wein, Bald goldig, bald im Purpurschein — Du glaubst im Himmel gar zu sein!" Ja, wer einmal diese Fülle der Schönheit dort und die köstlichen königlichen Weine an Ort und zeit bestallten Humorbeamten mit Pensionsberechtigung; er blüht im Volk, bei den Rheinkadetten, aus deren Reihen die urwüchsigen Typen Tünnes und Schäl hervorgingen, jene ewig beschäftigungslosen, ewig gutaufgelegten Philosophen. * Rheinische Anekdote. Auf dem Markt zu Düsseldorf vor dem Rathaus steht das Reiterstandbild des Kurfürsten Johann Wilhelm, das Meister Grupello geschaffen hat, über und über mit Grün span bedeckt. Als man beim Guß des Standbildes war, fehlte es an genügendem Metall. Die Düsseldorfer Hausfrauen trugen opferbereit alles herzu, was sie von Kupfergefäßen und silbernen Geräten im Haushalt nur irgend entbehren konnten, und gaben es den Gießern. Als dann das Stand bild hellglänzend im Sonnenschein fertig dastand, war es der Düsseldorfer größte Freude; ihr Glück und ihr Lob kannte kein Maß. Meister Grupellos Feinde, die den Auf trag selber gern ausgeführt hätten, begannen nun den Be schauern zu erklären, was alles an dem Standbild falsch und unschön sei. Das Roß sei zu schwer, die Reiterstiefel wären nicht recht, das Sattelzeug sei nicht in Ordnung, und des Kurfürsten Nase könne niemandem gefallen. Wenn die Bür ger auch die Mängel gar nicht recht einsehen konnten, mit Lob und Freude war es vorbei. Da ließ Grupello wieder den hohen Bretterzaun um das Standbild aufrichten, man hörte ihn mit seinen Gesellen da hinter eifrig hämmern und pochen. Nach einigen Wochen wurde der Zaun wieder entfernt, und nun stimmten auch die, die zuerst soviel getadelt hatten, mit in das allge meine Lob ein. Als aber der Mei ster von seinen Vertrauten gefragt wurde, was er geändert habe, ant wortete der Kluge: „An einem Guß kann man nichts mehr ändern, das Bild ist heute noch genau so, wie es gewesen." „Viel zu lange," machte der Uankee verächtlich, „so was baut man bei uns in vier Wochen." Und so ging das vor dem neuen Ausstellungsgebäude, vor der Rheinbrücke, überall. Alles wurde in Amerika viel schneller gebaut. „Der Dom," sagte der Kutscher einigermaßen geknickt. „Wie lange hat man daran gebaut?" Der Kutscher kratzte sich den Kopf. „Ja, ich weiß nicht," sagte er (ich lasse mit Absicht die dialektische Färbung weg, damit der Dialog auch Außerhalbschen verständlich bleibt), „ja, das weiß ich nicht; als ich gestern hier vorbeikam, stand das noch nicht da." Als nach Beendigung des Welt kriegs der Frieden ausbräch, lag bri tisches Militär in Köln. Ein eng lischer Offizier ließ sich die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten zeigen. Der Führer nahm ihn in den Dom und zeigte ihm eine Seltsamkeit: silberne Mäuse, die der Kirche gestiftet wor den waren. „Wozu hat man sie ge stiftet?" fragte der Offizier. „Ja, das war so: Damals herrschte in Köln eine fürch terliche Mäuseplage. Da beteten die Bürger zu Gott und gelobten, wenn er sie von der Mäuseplage befreite, dann wollten sie der Kirche silberne Mäuse stiften. Die Plage soll denn auch wirklich zurückgegangen und die Mäuse aus der Stadt verschwunden sein." „Aberglauben," sagt« der englische Offizier. „Glauben die Leute denn heute noch an so etwas?" „O nein," entgegnete der Führer, „sonst hätten wir schon längst silberne Engländer gestiftet." Humor, wahrer Humor und Mutterwitz, läßt sich nicht machen, ist kein Jndustrieprodukt wie meinetwegen die Schla gertexte. Der wahre rheinische Humor blüht auch ganz wo anders; er blüht nicht an Schreibtischen und bei aus Lebens- Der Rhein lacht.:. Es gibt schottische Witze, jüdische Witze, sächsische Witze, aber es gibt einen rheinischen Humor. Keinem Menschen würde es einfallen, von rhei nischen Witzen zu reden. Nein, es gibt rheinischen Humor. . Der Fremdenführer, der das Rundfahrtauto durch Köln leitet, sagt in einer Straße, die rechts und links fast ausschließ lich von Rechtsanwälten be wohnt wird, regelmäßig: „In dieser Straße, meine Damen und Herren, wohnen nur Anwälte; rechts die Rechts anwälte und links die Linksanwälte." — Auf diese Weise sorgen im Rheinland Stadt und Land dafür, daß Gelegen heit zum Scherzen gegeben ist. Ich fuhr einmal in so einem Rundfahrtauto mit einer Gesellschaft chinesischer Akademiker durch Köln; und als der obligate Witz vorkam und die deutschen Insassen des Wagens wieherten, baten mich die Chinesen, ihnen den Witz doch in ihre Sprache zu übersetzen. Da habe ich erst gemerkt, wie schwer es ist, Witze zu übersetzen, und wie sehr sie an das Lokalkolorit gebunden sind. * Ein reisender Amerikaner ließ sich einmal von einem Droschkenkutscher durch Köln fahren und die Sehenswürdig keiten zeigen. „Das ist das Schnütgen-Museum," sagte der Kutscher zum Fahrgast. „Wie lange hat man daran gebaut?" fragte dieser. „Nun, so zwei, drei Jahre," sagte der Kutscher aufs Geratewohl. . herauszugreifen: die denkwürdige Domstadt mit der Grabgrust der sali- lischen Kaiser, die Geburts stätte des Protestantismus, Mannheim und Ludwigs hafen, die bedeutenden Handelsstädte, Worms, die Nibe lungen- und Lutherstadt, die gleich Speyer 1689 von den zügellosen Horden Ludwigs XIV. fast völlig zerstört wurde zählbar sind die Lieder, in denen er gefeiert gibt auf der ganzen Welt ke:- HcrWm Mainz, die Gutenbergstadt, mit dem tausendjährigen Dom und dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum, Koblenz mit dem Deutschen Eck an der Moseleinmündung, Bad Go desberg mit der Burgruine Godesburg und der in aller Welt bekannten Schankstätte des Aennchen, der von Rudolf Baumbach besungenen Lindenwirtin, Vonn die Beethoven stadt mit dem prachtvollen Münster und dem Alten Zoll, Köln, die immer von Glockengeläut überklungene drittgrößte Stadt Deutschlands (740 000 Einwohner), mit dem großartig sten Bauwerk deutscher Hochgotik, dem Dom, trotz seines Al ters voll modernen frisch pulsierenden Lebens und mit im posanten neuen Bauten. Düsseldorf, die Maler- und Garten stadt mit machtvollen neuzeitlichen Bauten der großen Jn- dustriekonzerne, Duisburg-Ham born, der größte Binnenhafen der Welt, Tanten, die Heimatstadt Siegfrieds. Wesel, die Stadt, in der elf preußische Offiziere vom Schillschen Korps 1809 erschossen wurden. Ueberall in den Städ ten und Städtchen am Rhein, wohin man auch kommen mag, herrschen rheinisches Leben, rheinisches Lachen. , rheinischer Frohsinn selbst in schwerer Zeit. Die Natuc- anlage dieser rheinischen Men schen wird gefördert durch den Sorgenbrecher Wein, dessen edelste Gewächse der Boden des Stärke des Reichs, immer noch der Mittelpunkt deutschen Lebens von deutscher Sitte". Der Rheinstrom muß deutsch bleiben, sonst „wird das Deutsche in seinen Keimen vergiftet und erstickt: Deutschland kann seinen Namen noch Jahrhun derte behalten, aber Deutschland ist dann bald nicht mehr." Diese vaterländischen Dichter, zu denen sich Methfessel, Frie drich Rückert, später Freiligrath und viele andere gesellen haben die Liebe zum Rhein als dem deutschesten Strom ge weckt und gestärkt, aber volkstümlich geworden ist der Rhein erst durch die Romantiker und ihre Nachfahren. Der Rhein länder Clemens Brentano, geboren in Ehrenbreitstein, er fand die Loreleysage, er las sie mit seinen hellseherischen Po etenaugen ab von Strom und Fels und faßte sie in volks liedhafte Verse: „Zu Bacharach am Rheine, wohnt eine Zauberin, sie war so schön und feine und riß viel Herzen hin." Dieses Gedicht, das auch Eichendorff zu einem Loreley- lied anregte, gab Heinrich Heine, dem in Düsseldorf gebo renen Sohne des Rheines, den Stoff zu seinem Lied von der „Loreley", (1823), das in Friedrich Silchers Vertonung bis auf den heutigen Tag das meistgesungene Rheinlied ge blieben ist und mit seinem romantischen Zauber, seiner sen timentalen Gefühlsweise, den Rhein erst richtig zur Herzens sache jedes Deutschen gemacht hat. Noch einmal wird dann wie 1813 der Rhein zum Symbol nationaler Begeisterung um 1840. -!s Alfred des Müsset sein gallisches Locklied vom Rheine ertönen ließ und der Bonner Nicolaus Becker ihm daraus antwortete: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!" Und 1840 ist auch das Geburtsjahr von Max Schneckenburgers „Wacht am Rhein", jenes Schutz- und Trutzliedes, dessen Fanfarenruf: „Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!" in der Tat wie Donnerhall durch ganz Deutschland brauste und mit dem auf den Lip pen die deutschen Heere 1870 nach Frankreich zogen und 1914 in den Weltkrieg. Solange es Deutsche gibt, wird „Die Wacht am Rhein", die Herzen entflammen, und die Frage „Wer will des Stromes Hüter sein?" immer die Antwor! finden, die als Gelöbnis in der Schlußstrophe gegeben wird „Wir alle wollen Hüter sein!" Denn dieser seit den Römertagen umkämpfte, sagen umwobene, von tausend Liedern umklungene Strom ist jo nicht nur um seiner romantischen Schönheit willen Deutsch lands Zier und Stolz, sondern er ist auch seine Hauptlebens ader, er ist mit seiner Gesamtlänge von 1218 Kilometer die mächtigste Verkehrsstraße von den Alpen bis zur Nordsee und der Engländer James Fairgrieve nennt ihn in seinen: Buche „Geographie und Weltmacht" mit Recht die Haupt- ^^-^straße von Mitteleuropa. Wieviel » altberühmte, schicksalsreiche Städte, wieviel gewaltige Industrieanlagen spiegeln sich in seinen Fluten von Basel ab bis nach Emmerich, der t letzten deutschen Stadt am Nie- ^derrhein! Um nur einiges benhängen gewachsen ist. Die Schönheit des Rheins ist uns heute eine Selbstverständlichkeit, denn mit den Liedern vom Rhein, die wir alle gesungen, mit den Bildern von seinen verwitterten Burgruinen, seinen Wald- und Weinbergen, seinen gastlichen Städten haben wir sie als festen inneren Besitz in uns ausgenommen, aber es ist noch gar nicht so lange her, kaum mehr als 150 Jahre, daß die landschaft liche Schönheit des Rheins entdeckt und gepriesen und dec Rheinwein von den Dichtern gefeiert wurde. Matthias Clau dius mit seinem bald vertonten und vielgesungenen Liede: „Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsere Reben!" und Ludwig Hölty mit seinem „Ein Leben wie im Paradiese gewährt uns Vater Rhein!" schlagen im 18. Jahrhundert den Ton an, der dann das ganze 19. Jahrhundert hindurch fort und fort erklingen sollte. Bei Goethe, der in jungen und alten Tagen den Rhein besuchte, und aus seinem Ent zücken über den herrlichen Strom kein Hehl macht, suchen wir vergeblich nach einem poetischen Niederschlag seiner Fahrten rheinauf und rheinab. Aber der Schwabe Ludwig Uhland singt sich mit seinem 1813 entstandenen Lied von „Der Wirtin Töchterlein": „Es zogen drei Burschen wohl -über den Rhein" in das Herz des Volkes und trifft jene Stelle, wo der Deutsche am empfindlichsten ist, die sentimen tale. 1813 ist das Jahr der nationalen Erhebung gegen die napoleonische Fremdherrschaft, und nun wird der Rhein zum Symbol der deutschen Freiheit. Max von Schenken dorf jubelt 1814 sein Lied vom Rhein, dem hohen Felsen kind, in dessen letzter Strophe es heißt: „Die Freiheit sei der Stern, Die Losung sei der Rhein! Wir wollen ihm aufs neue schwören. Wir müssen ihm, er uns gehören. Vom Felsen kommt er frei und hehr: Er fließe frei in Gottes Meer!" Und Joh. H. Ehr. Nonne dichtet im gleichen Jahr sein „Flamme empor!" Auf allen Höhen „glühten die Flam men, schlugen in Gluten zusammen, über dem Rhein!" Auch hier wieder der Jubel: „Und er ist frei! Flammen umbrau sen die Höhen, die um den Herrlichen stehen, jauchzt! er ist frei!" Und die singenden Paare „schwören am Flammen- altare, Deutsche zu sein!" Wieder war wie so oft schon in den vorangegangenen Jahrhunderten der Rhein zum deut schen Schicksalsstrom geworden Ernst Moritz Arndt, der in seinem „Kriegslied gegen die Welschen" an Alldeutschland die Losung ausgegeben hatte: „Zum Rhein, übern Rhein!" preist in seiner trotzigen Flugschrift: „Der Rhein, Deutsch lands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze" (1813) den Rhein und seine umliegenden Lande als Kern und Herz des deutschen Volkes. „Hier ist," verkündet er, der mann hafte Sohn der Insel Rügen und glühende Patriot, „das ursprüngliche Deutschland, weiland der Mittelpunkt und di«