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rAPIER-ZEITUNG 601 Zeichnungen, seine Kinder- und sonstigen figürlichen Alfabete, darunter besonders auch das Todtentanz-Alfabet. Einige Muster Holbein’scher Initial-Alfabete werden durch die Bilder 28 bis 33 dargestellt. Es ist dieser Initialzeichnung eigenthüm- Bilder 80 — 88 lieh, dass sie fast noch mehr als die Zeichnungen von Titel einfassungen individuelles Gepräge trägt. Einige andere Plätze, wo eigenartige Initiale entstanden, sind Strassburg, Nürnberg, Erfurt, Wittenberg und Leipzig. Auch in dieser Sonderheit liegt ein Beweis für die Individualität und Unabhängigkeit deutschen künstlerischen Schaffens in jener Zeit. Schluss folgt Buchdruckereien in München. Die Oberbairische Buchdrucker-Innung versendet ihren Jahresbericht 1900 über den Geschäftsgang und die Verhältnisse im Buchdruckgewerbe. Der Geschäftsgang war im ab gelaufenen Jahre zufriedenstellend. Der Mangel an Holz hatte Er höhung der Preise für Zeitungspapier im Gefolge und begünstigte die Syndikatsbildung der Papierfabrikanten. Die Arbeitslöhne er fuhren keine Aenderung, die Arbeitszeit ist neun- und neuneinhalb- stündig. Der Bericht beklagt die unverhältnissmässig hohe Zahl von Neugründungen. Das Münchener Adressbuch für 1901 enthielt im Handelstheil 115 Buchdruckfirmen. In München sind 540, in Ober- baiern 168 Druckmaschinen im Betriebe. Im Geschäftsjahr 1900 wurde eine Zwangsinnung für die Buchdrucker des Kreises Oberbaiern gegründet. Im Ganzen sind in Oberbaiern in 188 Betrieben 1280 Ge hilfen, 858 Lehrlinge beschäftigt. In München haben von den 115 Firmen nur 28 den Tarif nicht anerkannt, 19 hiervon beschäftigen überhaupt keine Gehilfen, 2 betreiben die Buchdruckerei als Nebenbetrieb. Der Bericht wünscht Ermässigung der Telefongebühren und Einführung eines Stempelverfahrens, das bei Versendung von Drucksachen in grösseren Mengen das Aufkleben von Freimarken entbehrlich macht. Schriftprobe. Unter dem Titel »Schriften und Zierat« erschien vor kurzer Zeit der erste Nachtrag zur Hauptprobe von J. G. Scheiter & Giesecke in Leipzig. Aus dem Inhalt ist zu erwähnen: Borghese, eine Accidenz- und Zirkularschrift, die in den kleinen Graden sehr zart, dabei aber klar geschnitten und nicht ver schnörkelt ist, demnach sich auch zum Titelsatz verwenden lässt. Kräftige breite Schriften sind Murillo und Aldo Manutio. Einzelne Zeichen der letzteren haben ebenso wie die bunten Schriften Bramante und Buonarotti etwas alterthümliche Form. Die aus früheren Proben bereits bekannte Tasso wird zwei farbig, als Umriss- und Eindrucktype vorgeführt, und die Versalschrift Bustica stellt sich als eine stark modernisirte breite halbfette Grotesk dar. Die Mediaeval-Schreibschrift Hispania ist schmal geschnitten, leicht und gefällig im Bilde. Die Versalien sind unter Berücksichtigung des englischen Geschmacks ent worfen. Für ein geschlossenes Seitenbild sind Zeilenfüller nothwendig, an deren Stelle früher meist die »Reihen-Ein fassungen« verwandt wurden. Nun sind für die Grade Text bis Doppelmittel besondere kleine Verzierungen als Zeilenfüller entworfen, die den Vorzug haben, in ihrer Wirkung stets leichter als die Schrift zu sein. Initiale, Leisten, Verzierungen in mannigfaltigster Auswahl und weitere Serien der schon früher beschriebenen »Edellinien« beschliessen das Heft. Setzmaschinen. Die Pariser Zeitung »Le Temps« erhält demnächst die erste nach dem System Möray-Rozar gebaute Maschine, welche von der Schuckert-Gesellschaft in Nürnberg hergestellt wurde. Die genannte Zeitung hatte vorher Herrn V. Breton, Direktor der Pariser Buchdruckerfachschule, nach Nürnberg entsendet, um die Maschine im Betriebe zu beobachten und zu prüfen. Preis-Ausschreiben. Der Berliner Lokal-Anzeiger veröffentlicht ein Preis-Ausschreiben zu Entwürfen für einen künstlerisch aus- gestatteten Wandkalender für das Jahr 1902. Folgende Preise wurden ausgesetzt: erster Preis 1500 M , zweiter Preis 1000 M., dritter Preis 500 M. Weitere Entwürfe sollen gegebenenfalls zum Preise von je 200 M. angekauft werden. Das Kartonformat des Kalenders soll 38 : 29 cm betragen. Die Entwürfe sind bis zum 1. Mai d. Js. ohne Nennung des Namens, mit Kennwort versehen, an den Berliner Lokal- Anzeiger einzuliefem. Ein mit dem Kennwort versehener, ver schlossener Umschlag, Namen und Adresse des Bewerbers enthaltend, ist beizufügen. Nähere Bedingungen sind vom Berliner Lokal-Anzeiger zu beziehen. vielmehr italienische Formen, ja sie arbeiteten selbst nach deutschen Mustern. Der erste, der zu selbständigem Schaffen überging, war Geoffroy Tory in Paris, der anfangs gelehrten Studien oblag und bereits als Professor der Filosofie am College deBourgogne gewirkt hatte, bevor er sich der Kunst zuwendete, indem er Zeichnen und Malen lernte. Im Jahre 1519 war er Illustrator und Miniator, später wirkte er als Zeichner für Druckerwerkstätten; im Jahre 1527 errichtete er eine eigene Bild 26 Bild 27 Butsch, Bücherornamentik: Initiale von Geoffroy Tory, Paris 1536 Druckerei. Seine Initiale, von denen einzelne als Bilder 26 und 27 abgedruckt sind, zeigen in eleganter Formgebung reine Pflanzen-Ornamentik auf gekörntem oder gepunztem Grunde; seine Titel-Einfassungen sind den feinen italienischen Strich zeichnungen nachgebildet. Neben ihm ist Oronce Fin zu nennen, der indessen nicht so vollständig mit der französischen Vergangenheit brach wie Tory. In seinen Einfassungen klingen Erinnerungen an die in Frankreich heimische Gothik wieder, auch deutscher Einfluss ist bei ihm sichtbar. Anders verhielt es sich in Deutschland; hier fanden die neuen Ideen des 15. Jahrhunderts günstigeren Boden, und in der Zeit der geistigen Gährungen und des Bruches mit den althergebrachten Ueberlieferungen tritt für die Kunst eine Zeit der Hochfluth künstlerischer Bethätigung ein, in welcher das Individuelle, die Eigenart der einzelnen Künstler die Vorherr schaft ausübt. , Fremdländischer Einfluss, und zwar französischer, wird nur 'n der Buchdekoration von Mainz und Strassburg erkennbar. In letzterer Stadt besass der Drucker Johannes Grieninger eine eigene Werkstatt zur Herstellung von Holzschnitten, aus welcher zahlreiche völlig eigenartige Illustrationen hervorgingen, die sich durch eine überaus feine Schraffirungskunst auszeichnen. Weniger hervorragend sind seine Initiale. Neben den Künstlern der Grieninger’schen Werkstatt wirkten in Strassburg Johann Wechtlin und Hans Baldung Grien. In Basel hatte sich Berthold Ruppel, der Schüler Gutenbergs, ausgerüstet mit dem Schönheitsgefühl seines Lehrers, nieder gelassen; doch zeigte hier erst das letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts bessere Leistungen des Buchschmucks. Der sigentliche Genius der Baseler Buchdekoration wie der dortigen Kunst überhaupt ist Hans Holbein der Jüngere. Er war geboren in Augsburg und siedelte in der ersten Hälfte des Bild 28 Bild 29 Butsch, Bücherornamentik: Initiale von Hans Holbein, 1527—82 zweiten Jahrzehnts nach Basel über. Dort entfaltete er eine ^ e ge Thätigkeit als Porträtmaler sowohl wieauch besonders in der Buchausstattung, sodass der Baseler Buchschmuck jener heit unter seinem Zeichen steht. Eine grosse Zahl von Titel- sinfassungen für fast sämmtliche Baseler Druckereien stammt von ihm. Am bekanntesten ist Holbein durch seine Initial