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Hummer 210, S4. Jahrgang Mittwoch, den 7. September 1932 pulsniherZayeblatt Fernsprecher 18. Tel.-Adr.: Tageblatt Pulsnitz Postscheck-Konto Dresden 2138. 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Bis V-10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft und des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderät^ Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt In Verbindung mit der Nebenausgabe „Ohorner Tageblatt" Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M.S., Großröhrsdorf, Bretnig, Haus walde, Ohorn, Oberstetna, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, Frtedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Tägliche schnellste Berichterstattung über das Geschehen in der engeren Heimat, in Deutschland und im Ausland. Nachrichtendienst durch ganztägigen fast ununterbrochenen Funkdienst der Telegraphen-Ualon Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Verlag: Pulsnitzer Tageblatt, G. m. b. H., Pulsnitz Schriftleiter: I. W. Mohr In Pulsnitz Deutschland wird an den Völkerbund verwiesen Die Pariser Antwort wird erst in der nächsten Woche ersolgen — Die deutsche Ansicht in der Abrüstungssrage Reichswehrminister von Schleicher über die nationale Verteidigung — Der soziale Gedanke im Wirtschastsplan Amtliche Bekanntmachungen im Anzeigenteil „Graf Zeppelin" von der fünften Südamerika-Fahrt zurück Friedrichshafen, 7. Sept. (Funkmldg.) Das Luftschiff „Graf Zeppelin" traf heute um 1.30 Uhr von seiner fünften Südamerika- Fahrt über Friedrichshafen ein. Da diehalke- mannschafl noch nicht auf dem Gelände an wesend war, führte das Luftschiff eine kurze Weilerfahrt über den Bodensee aus und lan dete dann um 5.30 Uhr glatt. Die Verletzung der deutschen hoheitsrechte durch englische Militärflieger London, 7. Sept. (Funkmeldung) Zur Uberfliegung der Sylter Befestigungs anlagen durch englische Militärflieger wird mitgeteilt, daß es sich um den Flug von drei Maschinen zur Ausstellung in Kopen hagen handele. Das Luftfahrtministerium habe keine Nachricht von einem Flug über Deutschland und wisse nicht, warum die Flugzeuge diesen Kurs genommen hätten. Angesichts der guten Beziehungen zwischen der englischen und der deutschen Fliegerei, die noch in den letzten Tagen wahrend der gro ßen Heston-Veranstaltung schlagend zum Ausdruck gekommen sei, hofft man in eng lischen Flugkreisen, daß der Vorfall, wenn überhaupt diplomatische Vorstellungen not wendig werden, in freundschaftlicher Weise geregelt wird. Nach neueren Meldungen soll die Nationalität der Flugzeuge noch nicht ein wandfrei feststehen. Reichstag am Montag Berlin, 7. September. Reichstagspräsident Göring hat der kom munistischen Fraktion auf ein an ihn gerich tetes Schreiben mitgeteilt, daß der Reichstag für Montag, den 12. September, 15 Uhr, zu einer Sitzung einberufen würde mit der Tagesordnung: Entgegennahme einer Erklä rung der Reichsregierung. Der Empfang des Reichstagspräsidiums durch den Reichspräsi denten soll am Sonnabend ftattfinden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Reichsarbeitsminister Berlin, 7. September Der Reichsarbeitsminister hat die Vertre ter der Arbeitgeber für Mittwoch, die Ver treter der Gewerkschaften für Donnerstag zu einer Besprechung über die Durchführung der sozialpolitischen Maßnahmen eingeladen. Merkwürdige Maßnahmen bei der Reichsbahn Berlin, 7. September In politischen Kreisen wird die Tatsache erörtert, daß gerade in dem Augenblick, wo die Wirtschaft angekurbelt werden soll, die Reichsbahn umfangreiche Entlassungen vor genommen hat. Es handelt sich dabei nach unbestätigten Meldungen um etwa 3000 Ar beiter und Angestellte. Die Reichsbahngesell- schaft erklärt hierzu, daß der starke Rückgang des Verkehrs und die aufs äußerste ange spannte Finanzlage es der Reichsbahn nicht ermöglicht hatten, die gesamte Belegschaft über die schwere Zelt durchzuhalten. Die Reichsbahn wurde in ihrer Liquidität unmit telbar bedroht sein, wenn sie ihren Arbeiter und Beamtenstab nicht an den stark rückläu figen Verkehr anpasse. — Ähnliche Entlas sungen, wenn auch nicht in so großem Um fange, sind im übrigen auch bei der Reichs post vorgenommen worden. Sie mutmaßliche französische Antwort Paris, 7. Sept. (Funkmeldung) Der „Matin" glaubt in der Lage zu sein, einige Angaben über den vermutlichen In halt der französischen Antwort auf die deutsche Gleichberechtigungsforderung zu machen. Drei Möglichkeiten sollen von der französischen Regierung hervorgehoben und geprüft wor den sein. Wenn es der Reichsregierung darauf ankomme — so werde es in der französischen Antwort heißen —, die Reichs wehr zu erhöhen und sich der militärischen Klauseln des Versailler Vertrages zu entledi gen, so müsse sie dazu die Meinung der Garantiemächte dieses Vertrages einholen. Der gegebene Ort hierfür sei Genf, um so mehr, als Deutschland Mitglied des Völker bundes sei. wenn sich die deutschen Forderungen darauf beschränkten, eine Umänderung der militärischen Statuten vorzunehmen, so habe die Reichsregierung die Möglich keit, ihre diesbezüglichen Vorschläge in Genf zu unkerbreilen. Dies jedoch unter der Bedingung, daß die Umänderung der Statuten keine Erhöhung der Effektivbestände nach sich ziehe. Der Wortlaut des Versailler Vertrages sei gerade in diesem Punkte klar und eindeutig. Die dritte Möglichkeit sei schließlich die: Deutsch land fordere Gleichberechtigung in der Rüstungsfrage. Das heißt in Übereinstim mung mit dem möglichen Ergebnis der Ab rüstungskonferenz. In diesem Falle werde die Reichsregierung gut daran tun, die posi tiven Auswirkungen der Abrüstungskonfe renz abzuwarten. In der französischen Antwort, so betont das Blatt weiter, werde die französische Regierung ferner zum Ausdruck bringen, daß die deutschen Forderungen aus Gründen dec Vernunft und in Überein stimmung mit den internationalen Ver trägen niemals Gegenstand direkter und ausschließlicher Verhandlungen zwischen Paris und Berlin sein könnten. Die deutsche Drohung, in Zukunft nicht mehr an den vorbereitenden Arbeiten der Abrüstungskonferenz teilzunehmen, falls ihm in der Rüstungsfrage keine Genug tuung gegeben werde, sei vollkommen unbegründet und könne durch nichts ge rechtfertigt werden. Begründung des deutschen Standpunkts Berlin, 7. September. Die Reichsregierung hat am Dienstagabend das zusammenfassende Schriftstück, das den deutschen Standpunkt zur Abrüstungsfrage enthält, und das dem französischen Botschaf ter am 29. August in Berlin übergeben wurde, veröffentlicht zusammen mit seiner Begründung für diese Veröffentlichung, die der Reichsaußenminister in einer Unterredung mit dem Vertreter einer Nachrichten-Agentur gab. In der Unterredung weist Herr von Neurath die Unterstellungen zurück, die insbesondere in der französischen Presse über das Vorgehen der Reichsregierung enthalten waren, und betont, daß das dem französischen Botschafter übergebene Schriftstück ursprüng lich lediglich dazu bestimmt gewesen sei, ver trauliche Besprechungen mit der französischen Regierung einzuleiten. Der deutsche Schritt habe sich im Nahmen der Genfer Abrüstungs konferenz gehalten. Es habe sich darum ge handelt, die Regelung eines wichtigen Punk tes der Konferenz durch vertrauliche Be sprechungen zwischen den nächstbeteiligten Regierungen zu ermöglichen. Das von deutscher Seite zunächst die französische Re gierung befaßt worden sei, finde seine Er klärung in der Tatsache, daß Frankreich sich in den Genfer Verhandlungen dem deutschen Standpunkt am wenigsten genähert habe. Von Neurath äußert sodann sein Befremden darüber, daß die französische Regierung den deutschen Verhandlungsvorschlag den Mäch ten des Vertrauenspaktes mitgeteilt habe. So viel siehe fest, daß es Deutschland unmöglich sei, sich an den weiteren Be ratungen der Abrüstungskonferenz zu beteiligen, bevor die Frage der deutschen Gleichberechtigung grundsätzlich geklärt sei. Die deutsche Regierung denke aber nicht an Dinge, wie sie ihr von ausländischen Zei tungen unterstellt worden seien, wie zum Beispiel die Bildung eines Heeres von 300000 Mann, Parität mit dem französischen Rüstungsniveau usw. Niemand könne Deutschland zumuten, sich noch länger mit einer Diskriminie- rung abzufinden, die mit der Ehre des deutschen Volkes und seiner Sicherheit unvereinbar sei. In dem Wortlaut des Schriftstückes wird so dann dargelegt, wie nach deutscher Auf fassung sich die Lage auf der Abrüstungs konferenz nach der letzten Entschließung am 29. Juli stellte. Nach Ansicht der deutschen Regierung wird durch diese Entschließung die Frage der Gleichberechtigung Deutschlands aufgeworfen. Drei Elemente der Regelung ließen sich unterscheiden, nämlich 1. die juristische Frage der Regelung, 2. die Zeitdauer ihrer Geltung und 3. ihr materieller Inhalt. Sowohl die juristische Form als auch die Geltungsdauer der Vertragsverpflichtungen müßten für Deutschland künftig die gleichen wie für alle anderen Staaten sein. Der mate rielle Inhalt dieser Regelung biete jetzt Spiel raum zu Verhandlungen. Die deuksche Regierung könne allerdings nicht darauf verzichten, daß in der Kon vention das Recht Deutschlands auf einen seiner nationalen Sicherheit entsprechen den Rüstungsstand zum Ausdruck komme. Sie sei jedoch bereit, sich für die Laufzeit der ersten Abrüstungskonvention mit gewissen Modifikationen ihres Rüstungsstandes zu be gnügen. Auf dem Gebiete der qualitativen Abrüstung sei die deutsche Regierung bereit, jedes Waffenverbot anzunehmen, das für alle Staaten gleichmäßig zur Wirkung komme. Dagegen müßten diejenigen Waffen kategorien, die durch Konvention nicht allgemein verboten würden, grundsätz lich auch Deutschland erlaubt sein. Was das Wehrsystem betreffe, so müsse die deutsche Regierung auch für sich das Recht aller anderen Staaten in Anspruch nehmen, es im Rahmen der allgemein gültigen Be- stimmugen so zu gestalten, wie es den Be dürfnissen sowie den wirtschaftlichen und sozi alen Eigenarten des Landes entspreche. Es komme dabei auf organisatorische Änderungen wie Abstufung der aktiven Dienstzeit der Langdienenden, Freiheit in der Gliederung der Wehrmacht, zum anderen auf die kurz fristige Ausbildung einer besonderen wehr pflichtigen Miliz für Zwecke der Aufrecht erhaltung der inneren Ordnung fowie des Grenz- und Küstenschutzes an. * Der Wille des Generals von Schleicher Königsberg, 7. September Im Anschluß an die Erklärung, die Reichs minister von Schleicher den Vertretern der Presse im Manöver gab, veröffentlicht die „Königsberger Allgemeine Zeitung" eine Unterredung mit dem General über die Wehr frage mit besonderem Bezug auf Ostpreu ßen: „Sagen Sie Ostpreußen," so erklärte der Minister, „daß wir es bis auf den letzten Mann verteidigen werden, und daß wir ihm alle Mittel, die zu seiner Verteidigung nötig sind, notfalls auf dem Seewege, heranfüh ren werden." Frage: „Die ganze Welt, Herr General, sieht mit größter Spannung der Entwicklung entgegen, die durch die Rüstungsdenkschrift der Regierung aufgeworfen ist. Wir wissen, daß gerade Sie persönlich sich einmal als der Wille des Kabinetts der Öffentlichkeit gegen über bezeichnet haben. Wie sind Ihre Ent schlüsse für die Zukunft?" Antwort. „Ich kann Ihnen nur erklären, daß Deutschland in jedem Falle — er unter strich die Worte „in jedem Falle" mit einer besonders geschlossenen Geste seiner Hand — das durchführen wird, was für seine natio nale Verteidigung notwendig ist." „Auf jeden Fall, Herr General?" „Jawohl, auf jeden Fall. Wir lassen es uns nicht mehr weiter gefallen, als eine Nationalität zweiter Klasse behandelt zu werden." * Das Echo der Veröffentlichungen von Neurath und der Erklärung von Schleicher in der pariser Presse Paris, 7. Sept. (Funkmeldung) Die Pariser Morgenblätter veröffentlichen den Wortlaut der deutschen Niederschrift in der Abrüstungsfrage ohne jedoch dazu aus führlich Stellung zu nehmen. Nur „Oeuvre" stellt fest, daß der Text der deutschen Denk schrift im Gegensatz zu der von einem Teil der französischen Presse geäußerten Ansicht keinerlei Vorwürfe gegenüber Frankreich ent halte. Man könne vielmehr von der Klage eines Landes sprechen, das sich gedemütigt fühle und sich nicht damit abfinden könne, als zweitklassiger Staat behandelt zu werden. Größere Aufmerksamkeit widmen die Blät ter den letzten Erklärungen des Reichswehr ministers in Elbing. Die amtliche franzö sische Nachrichtenagentur hebt hervor, daß man einem ersten öffentlichen Hinweis einer amtlichen deutschen Persönlichkeit auf eine der Hauptforderungen der Reichsregierung in der Rüstungsfrage, nämlich auf die Schaf fung einer Bürgergarde nach dem Beispiel der Schweiz, gegenüberstehe. Die Durchfüh rung dieser Pläne, verbunden mit der Herab setzung der Dienstzeit der Reichswehr von 12 auf 6 Jahre, würde Deutschland die Reser ven schaffen, auf die es Anspruch erhebe. Der Ort, an dem der Reichswehrminister seine Erklärungen abgegeben habe, verleihe ihnen noch eine ganz besondere Bedeutung. Grade in dem polnischen Grenzgebiet habe sich die geheime militärische Organisation des Selbst schutzes, der unter dem Namen Grenzschutz