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Donnerstag, den 8. September 1932 Pulsnitzer Tageblatt 84. Jahrgang, Nr. 211, Seite 5 bs-Men. Das rlcütlzs EeZsnzlN gegen sie Ist cier Mut ru vlntseliem uncl klarem Senken. Sie MsSnskmen 6sr reu b etssiigung ctsr nstionslsn WIttscüsktskrskts sln6 umsonst, «snn «eitsrkln türieMs Vorurteils einen groken ttisr es immsn uns rur vsckung gsrsris ckss HMsgsbeasrts ru LlnkSuten suslüncklscüsr Waren un6 t.ebsnsmlttsi beeinflussen, u srn sic srutsns Männer un6 I-rsusn ru ctisssn k-rsgan, Ule als Srunrikrsgsn eines cteutseksn WIscksrsuksttsZss gelten i SN ciio k^fonli .,unserer Macht ist nichts getan - das ist das sch immste Vorurteil, welches Millionen von Frauen in ihrer volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hemmt, und sie Yoweri, ihre Aufgaben im Alltag zu erkennen, die eben- lo wichtig sind, wie die eines Finanzministers. „Kein Zweifel", so sagte unserem Mitarbeiter Herr Hrof. Eulenburg von der Handelshoch- schule Berlin, „die deutsche Hausfrau, durch deren Hande der größte Teil des deutschen Volkseinkommens geht, besitzt eine volkswirtschaftliche Allmacht. Wenn am Tage bloß 10 oder 20 Pfennige anders als bisher, namentlich zugunsten deutscher Erzeugnisse verwandt werden, so gib» das der gesamten deutschen Wirtschaft einen sebr fühlbaren Aufschwung. Hierbei muß man bedenken, daß die Einfuhr so genannter Luruswaren nur 5 Prozent der gesamten Ein fuhr betragen. Entscheidend fallen ins Gewicht bei der heutigen Einstellung der großen Masse der deutschen Frauen, die für ihre Familie Anschaffungen machen, die Dinge, die für den täglichen Bedarf benötigt werden." „Ungefähr die Hälfte des durch die Hände der Hausfrau rollenden Vermögens" - so sagt uns eine bekannte Führerin der Hausfrauenbewegung — „wird für die Er nährung verbraucht. Es ist nicht übertrieben, wenn auch die gesamten Bekleidungsausgaben unter die Ausgaben der Hausfrau gerechnet werden. Ungefähr ein Viertel der Hausfrauenausgaben sind für den Einkauf von Stoffen und sonstigen Kleidungsstücken für Frau und Familie zu rechnen." Es ist klar, daß eine Bevorzugung der ausländischen Ware durch die große Armee der einkaufenden Hausfrauen einfach alle Außenhandelsbilanz und somit den Etat über haupt so beeinflußt, daß allen Maßnahmen der Regie rungsstellen zur Balancierung des Etats durch eine der artige plan- und sinnlose Richtung des Einkaufswillens einfach entgegengearbeitet wird. Irgendwelche be wußten Gründe gesundheitlicher oder finanzieller Art für die Bevorzugung ausländischer Lebensmittel treffen nicht zu. Man kann lediglich das alte berüchtigte Vorurteil für die Bevorzugung ausländischer Waren verantwortlich machen. - Es ist so bei uns Deutschen, als ob wir den nüchternen Einkauf von Kartoffeln, Zucker oder ein Stuck Stoff mit einem besonderen Nimbus versehen mutzten. Die Kartoffeln dürfen beileibe nicht daher kommen, woher auch die der Frau Nachbarin kommen. Und es mutz englisches Tuch sein, weil der Aberglaube einer besonderen englischen Luft für die Stoffherstellung deinen Willen bestimmt. Aber erst der Zucker — das mutz indischer Rohrzucker sein - nur kein Jn- landszucker. Die Geheimnisse des Orients teilen sich wahr scheinlich dem Rohrzucker mit. Unsummen werden für die Einfuhr von fremdem Obst und Südfrüchten ansgegeben. Kein Mensch zweifelt daran, datz das deutsche Obst ebenso nahrhaft und be kömmlich ist, wie das ausländische. Je mehr die deutsche Hausfrau dazu übergeht, für solche Zeiten, in denen frisches deutsches Obst nicht am Markt ist, ein zumachen, um so stärker wird sie der heimischen Landwirt schaft, und zwar in zweifacher Hinsicht, helfen. Es tritt ein Mehrverbrauch deutscher Früchte, eine Eindämmung unnötigen Imports ein und überdies haben wir die gute Möglichkeit, den Verbrauch an Zucker zu steigern, der ja ein hervorragender, Gesundheit und Leistung steigernder Kraftspender ist. Womit soiion v/ii- uns kleinen? Das ist eine Frage ganz nüchterner Art, die reizvoll ge nug durch die modische Phantasie der Frau gemacht werden kann Die volkswirtschaftliche Verantwortlichkeit führt auf einen Gedankengang, den uns Frau D r. Margis, vom Reichsverband deutscher Haussrauen vereine entwickelt. Sie sagt ungefähr folgendes: „Die Wolleinfuhr belastet unsere Außenhandelsbilanz sehr stark, und um das avszugleichcn, sind wir aus die Ausfuhr unserer Fertigfabrikate, gewebter Tuche, an gewiesen. Wie steht es aber damit? Umgekehrt hat sich die Einfuhr von Ferttgfabrikaien, besonders von eng lischen Tuchen, gesteigert! Der gedankenlose Einkauf englischer Tuche bewirkt, daß der deutsche Abnehmer von der deutschen Wirtschaft unmöglich niedrigste Preisgestaltung erwarten kann, wenn er selbst durch unnötigen Einkauf ausländischer Ware der deutschen Wirtschaft die notwendige Beschästi- gungsmöglichkeit beschneidet. Da die Hausfrauen auch bei der Auswahl der Herrenstoffe maßgebenden Einfluß aus üben, müssen sie auf die unbedingte nationale Pflicht hin gewiesen werden, deutsches Tuch zu bevorzugen, da es dem ausländischen gleichwertig ist. Gerade in den besser situierten Kreisen wird ohne einen Schimmer von Berechtigung und Kenntnis des wirklichen Zusammenhanges fremdem, besonders eng lischem Tucherzeugnis bessere Qualität zugesprochen. Tat sächlich aber stellt die deutsche Tuchindustrie qualitativ das selbe her, wie die ausländische und auch die vielgerühmte englische! Gegen 1926 ist die deutsche Einfuhr in wollenen Tuchen um 310 Prozent gestiegen! Diese Tuchmenge Ist Mess eintubr notwsnMs?» entspricht der jährlichen Rormalproduktion von 30 deut schen Tuchfabriken mittleren Umfanges. Da jede drei Meter Tuch, die aus dem Auslande bezogen werden, eine deutsche Arbeiterfamilie für mindestens einen Tag brotlos machen, so bedeutet diese Einfuhr fremder Ware für die deutsche Textilindustrie einen Ausfall von rund 1 650 000 Arbeitstagen! Es mutz also heute von der deutschen Haus frau als dem bedeutendsten Käufer verlangt werden, daß sie nicht ausländische Waren den deutschen vorzieht, wenn diese in gleicher Güte und Preiswürdigkeit zu haben sind." Was werden wir essen? Wir verwiesen schon darauf, datz Unsummen für den Einkauf ausländischer Lebensmittel der deutschen Landwirtschaft verloren gehen, für Lebensmittel, die ebenso gut im Inland zu beziehen wären, oder die bei einer Umstellung der Ernährungssitten durch andere Nahrungsmittel aus der deutschen Scholle zu er setzen sind. „Wir erzeugen", so führt Negierungsrat Dr. Dornedden vom Reichsgesundheits- a m t aus, „in Deutschland dreimal so viel Kartoffeln wie wir verbrauchen. Und wir wissen erkenntnismäßig, daß die Kartoffel eines der hervorragendsten Nahrungsmittel ist und datz aus ihr die mannigfaltigsten Speisen zu bereiten sind, die gerade dem deutschen Geschmack außerordentlich entsprechen. Ähnlich liegt es mit Hülsenfrüchten, mit billigen Erbsen- und Bohnensuppen, die es, was den Er- nährungsgehalt anbelangt, mit manchen viel teureren Nahrungsmitteln aufnehmen. Wie kommt es aber, und dieses ist nach den Ausführungen einer Reihe von hervor ragenden Sachverständigen, die wir hierzu befragten, der Fall, daß dem weißen Gold unserer Landwirtschaft, dem Zucker, so merkwürdige Vorurteile entgegenstehen. Be kanntlich wird in anderen Ländern viel mehr Zucker ver braucht, als bei uns in Deutschland, obwohl wir daran Überfluß besitzen. Es wäre für die Landwirt schaft von außerordentlichem Nachteil, wenn etwa einfach weniger Zuckerrüben angebaut werden. Es ist ein wichtiges Kapitel mi» dem Zucker, denn es gibt kein anderes Nahrungsmittel, welches sich so schnell und rest los in Ernährungsenergien im menschlichen Körper um setzt. Es gibt aber auch kein anderes Nahrungsmittel, dessen Mehrverbrauch so viele merkwürdige Vorurteile ent- gegeustchen. Ta wird z. B. behauptet, daß durch die Ernährung, die zu viel Kohle- N /». Hydrate enthalte, die K Zuckerkrankheit hervor- gerufen oder dem Kör- ll! per Kalk entzogen /— würde. Gerade in der .Wimm letzten Zeit Hai es die oberste Behörde für Volksgesundheit in Deutschland, das Neichsgesundheitsamt, für notwendig gehalten, diesem Vorurteil klärend entgegenzutreten. Die Wissenschaft hat es längst widerlegt. Die Wissenschaft weiß auch, daß die Behauptung, der Zucker schade dem kindlichen Organismus oder wirke zerstörend auf die Zähne, in das Reich der Fabel zu verweisen ist. Wenn man sich bemüht — und dies ist das Wichtigste in unserem Zusammenhang — solchen Vor urteilen nachzugehen, so enthüllt man ein dunkles Kapitel vulgärer Ernährungsanschauungen, die an den Aber glauben, den viele manchen wundertätigen Kurpfuschern entgegenbringen, erinnern. Man vergleicht das indische Zuckerrohr mit einem Sonnen-Akkumulator, welcher die geheimnisvollen Energien der Sonne in sich aufspeichert, ganz im Gegenteil zu der unterirdischen Zuckerrübe, die fast ohne Sonnenbestrahlung aufwachse. Die Ernährungsfachverständigen, wie vor kurzem Pros. Spengler und Dr. Ragnar Berg, weisen aber durch chemische Analysen nach, datz der sogenannte indische Zucker dasselbe Produkt ist wie der deutsche Rübenzucker. Wenn von den „Reformern" der modernen Ernährung trotzdem geantwortet wird, datz sie instinktiv den Auslandszucker vorziehen, so ist gegen ein solches Vor urteil bis jetzt noch kein Kraut der Erkenntnis gewachsen. Das eine steht allerdings fest. Es stände um die Gesund heit unseres Volkes besser, wenn »vir in den Dingen der Ernährung keine Urteile fällen, die vor der kritischen Prüfung unserer Vernunft nicht standhallen können. Oausünu Wissen Sie schon datz Sie keine Angst vor der Arznei zu haben brauchen? Die Gesetzgebung hat Gefahren, die mit den Heilmitteln verbunden sind, ernsthaft und nach drücklich durch die Einrichtung der Apotheken als dem Spezialgeschäft für Heilmittel, durch die genauen Vor schriften, die sie für den Betrieb der Apotheken, die Her stellung und Prüfung der in ihnen verabfolgten Mittel vor schreibt, vorgebeugt, insbesondere auch durch die staatlich vorgeschriebene jahrelange und sorgfältige Ausbildung des Apothekers zu seinem ernsten und für die Volksgesundheit verantwortlichen Berus. Der Kranke möge diese Fürsorge des Staates anerkennen und sich zunutze machen, indem er keine Arzneimittel voin Hausierer, sondern nur aus den Spezialgeschäften für die Heilmittel, aus den guten deutschen Apotheken kaust. W t s s e n S te sch o n daß der Saft von frischen grünen Gurken ein fthr gutes Hautpflegemittel ist? Man legt abends einige Gurkenscheiben aus Stirn und Wangen und läßt den Säst ein paar Minuten einwirken. Die Haut wird davon weiß und glatt und die Runzeln verschwinden. Wissen Sie schon datz man häßliche Fliegenslecke, die letzt im Sommer überall auftreten, mittels Spiritus oder Salmiak aus Seidenstoffen herausbekommt? Wtssen Sie schon daß ein sehr gutes Gesetz in Vor schlag gebracht wurde zur Erhebung eines sogenannten „M ü i»e r g r o s ch e n" Die „F r a u e n h t l f e", die seit Jahrzehnten aus dem Gebiet der Mütterfürsorge in eigenen Mütter-Erholungsheimen und der Mütterschulung hervor ragend gearbeitet hat, hat diesen Vorschlag eingebracht. Am ersten April und am ersten Oktober des Jahres sollen 10 Pfennige vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber er hoben werden, die ganz einer rechtzeitigen Mütter-Erholung und gründlichen mütterlichen Schulungsarbeit zugesührt werden. Wissen Sie schon — — daß ein Volk an den Kindern stirbt, die ihm nicht geboren werden — daß Berlin in der ganzen Welt die Stadt mit der niedrigsten Geburtenziffer ist — daß auch schon aus dem Lande das Vorurteil des Zwei- oder Einkindersystems sich sehr schädlich für das Wachstum des deutschen Volkes auswirkt.