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17. Fortsetzung Da kommt ihm ein Gedanke. Er sieht die Feuerleiter, die an der Hinterfront des Haufes im Zickack sich windet. Über die Feuerleiter kann man das Haus verlassen. Er winkt ihnen und sie folgen ihm sofort, haben seine Gebärde begriffen. Anton hebt Marianne hinüber nach der Feuertreppe, dann den Lord. Moon springt nach und nur Anton bleibt zurück. Horcht noch einmal. Hört in dem ohrenbetäubenden Krach das Holz splittern. Dann ist er mit einem mächtigen Satze von der Veranda auf die Feuertreppe gesprungen und folgt den Flüchtenden nach. Der Hof ist leer. Nur im Hause scheint der Teufel los zu sein. Anton überlegt. Es gilt ein Husarenstückchen. Moon wird mit dem Lord, Anton mit Marianne durch den Flur stürmen, nein, ganz gelassen werden sie durch den halbdunklen Flur gehen, als wenn sie aus dem Hofe kämen. Anton nimmt Marianne beim Arm und geht mit ihr schäkernd durch den Flur, mitten durch die aufgeregten Menschen hindurch. Und keiner hält sie an. Anton sieht sich nach Moon um. Prachtvoll. Mit welcher Ruhe der sich mit dem Lord, der nur den Mantel anhat, sonst aber im Schlafanzug ist, unterhält. Unangefochten erreichen sie die Straße. „Einzeln halten!" ruft Anton Marianne leise zu. Vor dem Wirtshaus zum „Kaiser von China" haben sich viele Menschen, die nicht gerade einen vertrauenerweckenden Ein druck machen, angesammelt. Ein vaar mehr oder weniger fällt gar nicht auf. Das Publikum in den vorderen Räumen hat das Lokal verlassen und fragt draußen, was eigentlich vor sich gehe. Anton grinst über das ganze Gesicht. „Ein paar Männer prügeln sich um ein Weib! Blöde Hammels!" Und dazu macht er noch einen Witz, daß alle horchen. Verzieht dabei das Gesicht zu einer Grimasse und stellt beruhigt fest, daß es Moon mit Marianne und dem Lord gelingt, langsam davonzukommen. Jetzt sieht er sie um die Ecke verschwinden. Anton will ihnen nach, aus der Gefahrenzone heraus. Aber da erkennt ihn einer der Verbrecher, der aus dem Schankraum stürzt. „Da ist der Hund!" schreit er und deutet auf Anton. Im Nu dringt alles auf ihn ein. Anton kann sich der Meute kaum erwehren. Durch einen überraschenden Anlauf wirft er ein Dutzend nieder. Dann zieht er den Revolver und schießt die Gaslampe der Straßenbeleuchtung entzwei, daß alles mit einem Male in Dunkelheit getaucht ist. Mit einem mächtigen Satze taucht Anton in die Dunkel heit, den Freunden nach. Die Meute hinterher. Aber da kommt schon das Polizeiauto die Straße ent lang. Die Meute heult auf, stutzt und flieht. Anton und seine Begleiter stellen sich dem Auto in den Weg. Der Polizeikapitän erkennt Inspektor Moon. „Moon, alter Junge . . . was gibt's denn? Hast du uns gerufen?" „Ja! Im Kaiser von China ist der Teufel los! Diese Dame und Lord Casdane haben wir dort herausgeholt." „Lord Casdane!" ruft der Kapitän. „Gott sei gelobt! Jungens... raus! Den Kaiser von China besetzen! Ver haften, was in den Weg läuft!" Und da strömen 18 Policeman los und besetzen das Haus. Verhaften 18 Personen, auch Mania, die sich kreischend wehrt, nehmen sie fest und schaffen sie nach dem Polizei präsidium. Anton, Moon, Marianne und Lord Casdane folgen ihnen in einem Auto. * Riesenaufregung auf dem Präsidium. „Inspektor Moon hat Lord Casdane gefunden!" Die Sensationsnachricht geht durch alle Räume und Moon ist der Held der Nacht. Er ist ganz verlegen und möchte gern Anton angeben, aber Anton fährt ihm in die Parade: „Moon, machen Sie keinen Kram! Ich verdufte wieder nach drüben, ich brauch's nicht! Für Ihre Karriere ist es gut!" Moon drückt ihm dankbar die Hände. Sie sind gute Freunde. Der Polizeipräsident wird aus dem Schlaf geklingelt, das englische Konsulat, Casdanes Mutter werden benachrich tigt, daß Lard Casdane aus den Händen der Verbrecher ge rissen worden sei. Der Polizeipräsident von Neuyork, Oberst Roberts, be glückwünscht seinen Inspektor, einmal um das andere Mal klopft er ihm auf die Schulter. Inspektor Moon wird ganz rot vor Belegenheit. Schließlich sagt er: „Herr Präsident... ehrlich gesagt, den Hauptanteil hat ..." Anton wehrt ab. „Nein, nein, Herr Präsident, den hat nur unser lieber Inspektor! Ein fabelhafter Beamter!" Der Präsident sieht Anton dankbar an. Er schüttelt ihm kräftig die Rechte — in Amerika schüttelt man sich dauernd die Hände — und sagt: „Jeden falls haben Sie Mr. Moon aufs beste unterstützt! Freue mich, freue mich, Mr. Bayer, daß ich Ihnen Urlaub gegeben habe!" „Herr Präsident!" wirft Moon, den das Lob bald er drückt, ein, „ich will Ihnen den ganzen Hergang schildern!" Und das tut er in seiner gewissenhaften Weise. Der Oberst hört mit größtem Interesse zu, dann sieht er Anton lächelnd an. „Ich glaube, lieber Mr. Bayer, der Richter hat einen Fehler gemacht! Er mußte sie auf 10 Monate verknacken, dann brächten Sie es vielleicht sogar fertig, uns Mr. Gray in die Hände zu liefern." Anton schmunzelte. „Mal schauen, Herr Oberst, ich habe so ein Kribbeln in der linken Hand... ich denk, es könnte klappen!" „Lady Casdane, die Mutter des Lords, hat eine Be lohnung von 5 000 Pfund ausgesetzt! Mr. Bayer, Sie sollen bestimmen, wie die Summe verteilt wird! Sie kommt nie mand anders zu wie Ihnen und Mr. Moon!" Anton wechselt einen Blick mit dem verlegenen Moon. „Was denken Sie, Moon, halbpart?" „Das kann ich nicht annehmen! Ein Zehntel, mehr habe ich nicht verdient!" „Er macht sich klein, Herr Präsident! Also jeder 2500 Pfund! Kann sie gebrauchen!" Der Präsident schmunzelt. „Was fangen Sie denn damit an, Mr. Bayer?" „Ich? Ich kauf' mir was und heirate!" „Haben Sie schon eine Braut, Mr. Bayer?" „Und was für eine, Herr Präsident! Die schönste Ber linerin! Aber jetzt sind wir wohl fertig, Herr Präsident, die Nacht ist bald vorbei und ich habe morgen allerhand vor!" „Jawohl, Mr. Bayer! Ich beurlaube Sie! Der General staatsanwalt wird morgen Ihre Begnadigung aussprechen, er wird sich mit dem Obersten Richter von Neuyork in Ver bindung setzen." „Um Gottes willen, ich soll entlassen werden? Unter keinen Umständen! Wenigstens vorläufig nicht! Ich will noch ein bißchen Ihre Bobbys zu guten Boxern machen!" „Na, dann gut, Mr. Bayerl" Sie verließen gemeinsam des Präsidenten Zimmer, der sich schleunigst mit dem britischen Generalkonsul verbinden ließ. Draußen sagte Moon: „Mr. Bayer, ich muß Ihnen einen Kuß geben!" „Wohin? Darauf kommt es an!" Moon lachte und fragte nicht. Gab Anton einen Kuß auf die Wange. „Ein Freundschaftskuß, lieber Junge! Und wenn ein Weltmeer mal zwischen uns liegt, der Moon und der Bayer ... das sind Freunde... einverstanden, Karl?" „Pes, William!" Marianne und der Lord kamen ihnen im Zimmer, das sie jetzt betraten, entgegen. „Gentlemen, wie sollen wir Ihnen danken?" sagte der Lord bewegt. „Die Schurken hätten mich noch jahrelang festhalten können, wenn Sie nicht gekommen wären! Und Miß Nissen genau so!" Marianne errötete. Anton faßte sie an beiden Händen und sagte: „Marianne ... als ich Sie sah, da bekam ich einen Schreck! Wie ist's denn möglich, daß ich Sie dort finden muhte?" „Wer dahintersteckt und den Überfall inszeniert hat, das weiß ich nicht! Ich bin auf dem Wege von der Post nach meinem Hotel überfallen worden!" „Hat doch Monet getan! Kein anderer!" „Bestimmt Monet!" sagte Marianne. „Der Hund!" knirschte der Lord. „Auch in meinem Falle ist er bestimmt der Schuldige." „Haben Sie ihn gesehen?" „No, er hat sich wohlweislich im Hintergrund gehalten. Nachweisen läßt sich ihm wohl kaum was!" „Keine Sorge, wir werden ihn fassen! Marianne, hat er Ihnen das Geld abnehmen können?" Marianne lachte übermütig. „Nein, nein, das habe ich in Sicherheit gebracht! Mein Geld, bis auf 5000 Dollar, das ist drüben in Sicherheit!" „Das ist ja ein Trost! Aber Ihre fünftausend Dollar, die sind wohl futsch?" „Futsch, restlos futsch! Die werde ich wohl nie wieder sehen. Ich will mir schleunigst von zu Hause Geld senden lassen!" Der Lord sieht Marianne bittend an. „Miß Nissen... ich bitte Sie, solange Sie mögen, unser Gast zch sein. Meine Mutter wird sich so freuen, meine Leidensgefährtin kennen zulernen. Verfügen Sie ganz über mich und erlauben Sie mir, daß ich Ihnen zur Verfügung stelle, was Sie brauchen." Marianne sieht ihn dankbar an und nickt. „Ich danke Ihnen, Lord Casdane! Ich nehme Ihr Angebot an und freue mich, Ihre Frau Mutter kennenzulernen!" Des Lords Augen sind voll Zärtlichkeit auf das schöne Mädchen gerichtet. „Wann gedenken Sie zurückzufahren, Miß Nissen? Ich möchte unsere Rückreise gleichzeitig mit Ihnen unternehmen." „Erst will ich den Weltmeisterschaftsboxkampf angesehen haben. Dann fahre ich zurück nach der Heimat!" „Dann werde ich das gleiche tun, Miß Nissen! Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam Zeuge des Kampfes zu sein. Wer wird ihn gewinnen?" Die Frage ist an die Männer gerichtet. Aber Marianne antwortet fest: „Nur mein Lands mann ... Anton Zumpe, nicht wahr, Herr... Bayer?" „Jawohl, ich stimme Ihnen bei, Marianne!" sagte Anton verschmitzt. * Lady Casdane ist überglücklich, als sie den Sohn wieder umarmen kann. Sie küßte ihn und hat tausend frohe, liebe Worte für ihn. Dann stellt ihr der Lord seine Leidensgefährtin vor, und die alte Dame heißt das Mädchen herzlich willkommen. Urheber - Rechtsschutz: Wolff-Korrespondenz, Leipzig <2 1 Sie hat nie eine Tochter gehabt und sich doch so danach gesehnt, und jetzt ist ihr, als müßte sie alle Liebe, die sie der erwarteten Tochter aufgespart hat, Marianne geben. Marianne bezieht ihre Zimmer und begibt sich zur Ruhe. Am nächsten Morgen sind die Reporter da, vom Präsi dium wird sie gebeten, zur Vernehmung zu erscheinen. Es ist, als ob das ganze Hotel sich bemühen wollte, das Mädchen für die Leidenszeit zu entschädigen. Sie mühen sich, ihr dienstbar zu sein, ihre Höflichkeit wird fast zur Herzlichkeit. Das schöne Mädchen in ihrer Frische und Herz haftigkeit gefällt ausgezeichnet. Die Matrosen des „Indus", wie auch der Kapitän, die noch in Neuyork sind, lesen die Ereignisse und kommen alle Mann an, um Marianne zu beglückwünschen. Dann ziehen sie nach dem Polizeipräsidium, verlangen Anton zu sprechen und werden an das Polizeigefängnis verwiesen. Dort treffen sie ihn an und schütteln ihm begeistert die ! Hände. Anton hat jeden Augenblick Angst, daß sie ihn verraten könnten, daß versehentlich einer „Anton" sagt. Aber nein, sie wissen ja, um was es geht. Anton ist Karl Bayer und kein anderer. Karl Droysen nimmt Anton das Versprechen ab, die nächsten Tage ins Seemannsheim zu kommen, um dort einen guten Grog zu trinken. Anton geht zur Staatsbank, will um 11 Uhr den lieben Monet treffen. Aber Monet ist nicht da. Da ruft er ihn an. i „Gehen Sie zum Teufel!" brüllt Monet. „Was haben Sie denn, mein Freund?" sagt Anton seelen ruhig. „Wie steht es denn mit unserem Geschäft?" „Machen Sie das Geschäft mit dem Teufel!" „Will ich ja eben! Mr. Monet, ich bin's gewöhnt, ein Mann ein Wort. In einer Stunde erwarte ich Siel" Da wird Monet plötzlich ruhig. „Gut, ich komme! Aber das Deponieren findet nicht bei der Staatsbank statt, sondern bei der Bankfirma Barker, Wilms Lc Rudgerd." „Ausgeschlossen!" sagt Anton, der die Firma nicht kennt. „Die Firma ist mir nicht gut für ein Depot in dieser Höhe." „Gut... dann die Staatsbank! Ich mache das Geschäft!" Nach einer Stunde ist Monet da. Er sieht verärgert aus, macht einen unruhigen Eindruck und sieht Anton miß trauisch an. „Warum sind Sie uns gestern so in die Quere ge kommen?" „Ich? Mein Lieber, Sie irren sich! Ich will Ihnen was sagen, seien Sie froh, daß ich Ihnen in die Quere kam und diese Dummheit mit Lord Casdane und die Gemeinheit mit Ihrer Nichte... zu schänden machte." Monet will auffahren. „Und die Sache mit dem Match? Sie haben es wohl Gray gegeben, daß er... für die erforderliche Wendung sorgt. Ich sage Ihnen, Gray ist ein elender Schuster! So auffällig macht man es nicht! Da muß doch alle Welt spüren, daß was im Gange ist, und Sie laufen Gefahr, daß die Boxsportbehörde den Kampf verschiebt!" „Das tut sie nicht!" „Wenn die Öffentlichkeit aufmuckt, dann muß sie ihre Wünsche zurückstellen!" Monet sagt nichts mehr. Sie tätigten das Geschäft in der Staatsbank und trennten sich dann. „Besuchen Sie mich mal, Mr. Bayer!" sagte Monet, ehe sie auseinandergehen. Anton überlegt. „Kann ich machen! Sagen Sie Monet, ist Purcell eigentlich mit im Spiel?" Monet zuckt vielsagend die Achseln. „Ich weiß es nicht!" „Auch gut!" Anton blickt Monet mit verschmitztem Lachen nach. „Dummkopf!" denkt er. „Schuft, gewissenloser Jobber ...ich will's dir beweisen, wie man euch Gesellschaft aus rottet! Ganz naiv muß man euch kommen, das vertragt ihr nicht, dann werdet ihr verwirrt und fallt auf alles rein. Euch geht's so wie dem genialen Feldherrn, der die Schlacht verlor, weil er dem Gegner das Maß von Dummheit nicht zugetraut hatte! So wird's euch gehen!" * Anton wird auf dem Polizeigefängnis mit Spannung erwartet. Trainer Wrangel ist bei Moon vorstellig geworden, fragt an, ob Mr. Bayer bereit wäre, einen oder mehrere Tage Sparringspartner von Mr. Purcell zu sein." Als Anton das hört, muß er sich Gewalt antun, um nicht aufzubrüllen vor Lachen. Nein, köstlicher kann das Leben die Situationen nich gestalten. Er, Anton Zumpe, soll seinem Gegner Trainingspartner sein. „Warum nicht?" sagt Zumpe. „Kann ich machen!" Mr. Wrangel, Purcells Trainer, mustert ihn scharf und lange und sagt freundlich: „Mr. Bayer, wir haben von Ihnen gehört! Purcell hat nur Amerikaner als Partner und würde es begrüßen, auch mit einem Deutschen zu sparrenl" „Das Vergnügen kann Mr. Purcell haben!" sagt Anton ruhig und wundert sich, daß er nicht in Helles Lachen aus brechen muß. (Fortsetzung folgt.) ^UMPL in Amerika Ein lustiger Roman von Fritz Körner !