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Nummer 206, 84. Jahrgang Freitag, 26. August 1932 ssulsniherZayeblast Fernsprecher 18. Tel.-Adr.: Tageblatt Pulsnitz Postscheck-Konto Dresden 2138. 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Bis V»10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft und des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt In Verbindung mit der Nebenausgabe „Ohorner Taaeblatt" kauvlblatt und ölteste Zeitung im Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz, umfassend die Orte Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, Haus- walde, Ohorn, Obersteina, Ntedersteina Weißbach Ober- und Niederlichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Tägliche schnellste Berichterstattung über das Geschehen in der engeren Heimat, in Deutschland und im Ausland. Nachrichtendienst durch ganztägigen fast ununterbrochenen Funkdienst der Telegraphen-Auloa Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Verlag: Pulsnitzer Tageblatt, G. m. b. H., Pulsnitz Schriftleiter: I. W. Mohr In Pulsnitz heute Beratung über das Wirtschastsprogramm Als Deckung -er Ausgaben für -le geplante Arbeitsbeschaffung: Vermögensabgabe oder Awangsanleihe Erneute Anklage gegen abgefehte Systemführer — Grotze französische Lustmanöver an der deutschen Grenze Die großen französischen Luftmanöver Paris, 26. Aug. (Funkmeldung) Die Luflmanöver im französisch-deutschen Grenzgebiet brachten in der letzten Nacht Angriffe von Bombenflugzeugen auf die wichtigsten Städte des Kampfgebietes, die Verdunkelung des gesamten Gebietes und die Alarmierung der Bevölkerung. In Anwesen- keit des Generalinspekteurs der Lufkabwehr- oraanisatlon Marschall Pekain führten die „feindlichen Streitkräfte" in den späten Abendstunden des Donnerstag den ersten Angriff auf Metz aus, das fosort in tiefes Dunkel gehüllt wurde. Riesenscheinwerfer suchten den Himmel ab, und nur ab und zu sah meine Leuchtkugel, welche die Bomben der feindlichen Flugzeuge darstellten, durch die Luft sausen. In den späten Nachtstunden wurde dann die letzte Phase des großen Manövers abgewickelt, die in einer erneuten Verdunkelung des gesamten Gebietes, den Generalangriff der „feindlichen Streitkräfte" und der Anwendung sämtlicher Maßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung bestand. General Sanjurjo begnadigt Madrid, 26? Aug. (Funkmeldung) Der Führer des monarchistischen Putsches General Sanjurjo wurde Donnerskagmillag zum Tode verurteilt. Sein Sohn wurde frei gesprochen, sein Adjutant erhielt 12 Jahre und General Herranz lebenslänglich Ge- fängnis. Die Regierung hat den General Sanjurjo begnadigt. Die Todesstrafe wurde in lebens längliche kerkerstrafe umgewandelt. Ministerpräsident Azana verlieh um 20.45 Uhr die Privatwohnung des Präsidenten der Republik, wohin er sich nach dem Minister rat im Parlamentsgebäude begeben hatte, und gab den Pressevertretern von Sanjurjos Begnadigung Kenntnis. Allem Anschein nach war es für die Regierung nicht leicht, zu dem Entschluß zu kommen, eine Begna digung zu empfehlen. Einem ergebnislos verlaufenen Ministerrat am Vormittag folgte zunächst eine längere Besprechung mit dem Präsidenten der Republik, in der ebenfalls keine Entscheidung fiel. Am Nachmittag fand dann im Parlamentsgebäude erneut ein Mi nisterrat statt, der zweieinhalb Stunden dau erte und schließlich die Entscheidung brachte. Die Regierung hatte dabei vielerlei zu er wägen, so unter anderem, daß bei einer Be gnadigung des militärischen Oberhauptes der Aufständischen auch die Führer des Madrider Aufstandes nicht füsiliert werden könnten. Immerhin ist in Madrid viel Blut geflossen, was jedenfalls besondere Maßnahmen be dingt. Der Prozeß gegen die Madrider Auf ständischen wird ln der nächsten Woche stattfinden. Es sind mehrere Todes urteile zu erwarten. Auf die Regierung machte weiter die Tatsache Eindruck, daß im Falle Sanjurjos entgegen sonstigen Gepflogenheiten nur sehr wenige Gnadengesuche bei ihr eingereicht worden waren. Unter den Abgeordneten gab es eine ganze Anzahl, die unter allen Umständen Sanjurjos Kopf forderten. Es handelte sich dabei in erster Linie um Abgeordnete der äußersten Linken. Aber auch die Gesamtheit der radikalsozialistischen Fraktion hat für die Todesstrafe gestimmt. Infolgedessen wird jetzt davon gesprochen, daß es möglicherweise zu einer Regierungskrise kommen könnte. Die Wuslrleführer beim Reichskanzler Die Haltung des Kabinetts von Papen Schleicher als Vertrauensmann des Reichs kanzlers Berlin, 26. Aug. (Funkmeldung) In längeren Erörterungen beschäftigt sich die „DAZ.", offenbar aus Grund guter In formationen, mit der Haltung und den Plänen des Reichskabinetts. Mit Recht, so schreibt das Blatt, wird der Bekanntgabe des Wirtschaftspro gramms durch Reichskanzler v. Papen am Sonntag in Münster von allen politischen Kreisen das größte Inter esse entgegengebracht. Die Spannung, mit der man dem Ergebnis der Kabinettsberatungen entgegensieht, wird nicht enttäuscht werden. Es wird sich um wichtige, tiefgreifende, kühne Maßregeln handeln, und zwar in einem weitergespannten Rah men, als das bisher erwartet worden ist. Daß der Wechsel auf dem Posten des Staats sekretärs im Reichswirtschaftsministerium keinen Kurswechsel bedeutet, dürfte sich aus der Bekanntgabe des Wirtschaftsprogramms ergeben, an dem ja vr. Trendelenburg noch bis zuletzt mitgearbeitet hat. Daß die Macht strebungen bestimmter gewerkschaftlicher Gruppen und die Versuche, von hier aus auf das Kabinett Einfluß zu nehmen, fortdauern werden, ist unschwer vorauszusehen. Es ist aber heute mehr denn je ausgeschlossen, daß diese Druckversuche eine Änderung der Linie des Kabinetts bewirken können. Insbesondere sind die Befürchtungen, die in manchen Kreisen gegen die Rolle des Generals von Schleicher gehegt werden, durchaus nicht zutreffend. Berlin, 26. Aug. (Funkmeldung) Reichskanzler v. Papen empfing am Donners tag die Industrieführer Krupp und Siemens zu Besprechungen über das Wirtschafkspro- gramm der Reichsregierung. In diesem Zu sammenhang wird von angeblichen Plänen der Reichsregierung berichtet, die auf die Erhebung einer Vermögensab gabe oder Zwangsanleihe in höhe von für das Arbeitsbefchaf- sungsprogramm hinauslaufen. Line end gültige Entscheidung über diese Finanzie rungspläne soll am heutigen Freitag erfolgen. Der Berliner „Börsenkurier" schreibt dazu: „Es verlautet, die Regierung erwäge, das große Arbeitsbeschaffungs - Programm des Landrats vr. Gereke, der zum Reichskom missar für Arbeitsbeschaffung ausersehen ist, entweder durch eine dreiprozentige Ver mögensabgabe oder durch eine dreiprozentiae Zwangsanleihe zu finanzieren. Auf Grund LErgäbe von zusätzlichem Geld soll die Wetschaft m emem solchen Maße angekurbelt und steuerkraftig gemacht werden, daß infolge oer zu erwartenden starken Geldrückflüsse zur Reichsbank und zu den Staatskassen keine Inflationsgefahr entstehen würde." Auf Anfrage an unterrichteter Stelle wird darauf hingewiesen, daß über den Inhalt der Besprechungen zwischen dem Reichskanzler und den Industrieführern völliges Still schweigen vereinbart worden ist. Aus der Meldung des „Börsenkuriers" können daher keinerlei Schlüsse auf den Gang der Be sprechungen oder auf die Pläne der Reichs regierung gezogen werden. Es ist einwandfrei festzustellen, daß beispiels weise die Verhandlungen des Reichswehr ministers mit Vertretern der nationalsoziali stischen Partei dauernd im Auftrage des Reichskanzlers und des Reichskabinetts er folgt sind. Es kann auch keine Rede davon sein, daß hierbei Vereinbarungen zustande- gekommen waren, die sich gegen die bisherige Linie des Kabinetts richten. Im Gegenteil: Die Besprechungen sind zur Enttäuschung der Nationalsozialisten durchweg negativ ver laufen, was übrigens auch für die zwischen den Parteien unternommenen parlamenta rischen Fühlungsversuche gilt, die zwar noch anhalten, aber allgemein als nicht mehr er folgverheißend beurteilt werden. Über die welkere innerpolikische Ent wicklung, einschließlich der Frage, ob etwa später eine Beteiligung der Nati onalsozialisten an dem Reichskabinetl durchführbar sein sollte, wird man wohl erst nach Auflösung des Reichs tages klarer sehen können, die sofort erfolgen wird, falls sich eine Mehrheit für Aufhebung der Notverordnungen zusammensinden sollte, also ohne die Abstimmung über die INihtrauens- anlräge abzuwarten. Die Auflösung ist infolgedessen mit großer Wahrscheinlichkeit für den 3. oder 4. Tag des neuen Parlaments zu erwarten. Eine erhebliche Reichstagsmehrheit gegen das Kabinett Da die Sozialdemokraten bereits Miß trauensanträge angekündigt haben und die scharfe Kampfansage Hitlers an die Reichs regierung entgegen an anderer Stelle aus gesprochenen Ansichten eine Einigung zwi schen der Reichsregierung und den National sozialisten nicht mehr möglich macht, ist mit einer ziemlich erheblichen Mehrheit gegen die Reichsregierung im Reichstage zu rechnen, und zwar einer Mehrheit, die sich nicht nur bei Mißtrauensanträgen gegen die Regierung zusammenfinden kann, obwohl die Begrün dung für diese Mißtrauensanträge sehr ver schieden sein wird. Diese Mehrheit wird wahrscheinlich auch bei den Anträgen auf Aufhebung der Notverordnungen vorhanden sein. Selbst wenn durch taktische Manöver, was nicht ganz ausgeschlossen ist, die Abstimmung über die Mihtrauensanträge keinen Sturz des Kabinetts bringen sollte, würde die inner politische Lage dadurch ernst werden, daß für die Anträge auf Aufhebung der bestehenden Notverordnungen eine Mehrheit in Aussicht stehen würde. Man rechnet aus diesem Grunde in der Presse bereits mit der Auflösung des Reichstages, und zwar in manchen Zeitungen schon zu einem Zeitpunkt vor der allgemeinen poli tischen Aussprache oder an einem Tage, an dem die politische Aussprache noch nicht ge schlossen ist. Eine offizielle Entscheidung des Reichskabinetts ist noch nicht gefallen. Abschließende Beratungen des Reichs kabinetts über das Wirtschaftsprogramm Berlin, 26. Aug. (Funkmeldung) Das Reichskabinetl tritt heute vormittag 11.30 Uhr zu seiner abschließenden Beratung über das große Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung zusammen. Ls ist damit zu rechnen, daß die Verhandlungen sehr lange dauern und morgen fortgesetzt werden müssen. kurz das Neueste Reichskanzler v. Papen wird Anfang nächster Woche dem Reichspräsidenten in Neudeck einen Besuch abstatten und bei dieser Ge legenheit sowohl über den Inhalt der Not verordnung und des gesamten Wirtschafts- Programms als auch über die Gestaltung der innerpolilischen Lage Bericht erstatten. Einer Pariser Havasmeldung zufolge hat der Berichterstatter des auswärtigen Kam merausschusses, Fribourg, im Auftrage der französischen Regierung in Berlin Verhand lungen mit Papen, Schleicher und Staats sekretär von Bülow über die deutschen Forde rungen auf Gleichberechtigung gehabt. Zu gleicher Zeit teilt das Londoner Auswärtige Amt mit, daß die englische Regierung Deutsch lands Verlangen nach Gleichberechtigung verständlich findet. vr. Bracht kegle in seiner vonnerskag- besprechung mit dem Landtagspräsidenten kerrl, über die wir bereits berichteten, dar, daß sich die kommissarische preußische Regie rung an die Beschlüsse des Landtages nicht gebunden fühle, da sie ihre Aufträge vom Reichspräsidenten herleiket. kerrl behielt sich die Stellungnahme vor. Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat gegen den früheren Polizeipräsidenten vr. Weih und den früheren Polizeikommandeur Heimans berg Anklage wegen Vergehens gegen Para graph 3 der Verordnung des Reichspräsiden ten betr. die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß-Berlin und der Provinz Brandenburg erhoben. Von gut unterrichteter Seite wird mit geteilt, daß die am 31. August ablaufende Verordnung über den Burgfrieden nicht ver längert werden soll. Die kommunistische Fraktion hat im neuen Reichstag mehr als 50 Anträge eingebracht. Darunter mehrere Mißtrauensanträge, An träge auf Aufhebung des Reichskommissariats in Preußen und eine Fülle von Anträgen, die auf die Aufhebung der Notverordnungen hinauslaufen. Nach einem vorläufigen Ergebnis beim Europa-Rundflug steht der deutsche Flieger Poß mit 413 Punkten an erster Stelle. Der Berliner Polizeipräsident hat die kom munistische „Rote Fahne" wegen böswilliger Verächtlichmachung der Sondergerichte und der Reichsregierung in einer Stellungnahme zum Beuthener Urteil auf acht Tage verboten. Der Oberpräsident der Provinz Hessen- Nassau hat die in Kassel erscheinende national sozialistische „Hessische Volkswacht" mit so fortiger Wirkung bis einschließlich 30. August verboten. Unter dem dringenden Verdacht, gemeinsam mit einigen Holländern Devisenschiebungen im Werte von Hunderttausenden von Mark begangen zu haben, wurde Mittwochabend H. Weber, unter dem Namen „Strickweber" durch seine Vetriebsangelegenheiten im Jahre 1924 bekannt, in Berlin festgenommen. Die nördliche Philippinen-Insel Luzon wurde von einem schweren Erdbeben heim- gesucht. Hunderte von Häusern sind einge stürzt und Tausende von Einwohnern ob dachlos.