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Pulsnitzer Tageblatt UL'L'L Vezirksanzeiger Anzeigen-Grundzahlen in -S^/: Die 41 mm breite Zeile (Mosse'S Zeilenmesser 14) 1 mm Höhe 10 in der Amtshaupttnannschaft Kameyz 8 amtlich 1 mm 30 und 24 Reklame 25 Tabellarischer Satz 50 °/° Aufschlag. — Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in Konkursfällen gelangt der volle Rechnungsbetrag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. 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S„ Großröhrsdorf, Bretnig, Hanswalde, Ohorn, Obcrsteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, FriederSdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von S. L. Förster» Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in PulSnitz Nummer 16S Donnerstag, den 21. Juli 1932 84. Jahrgang Warum griff die Reichsregierung ein? Braun und Severing ihrer Aemter enthoben — Dr. Bracht kommissarischer preußischer Innenminister — Der Staatsgerichtshof verhandelt am Sonnabend — Der Inhalt des preußischen Antrages ' Der Reichspräsident hat am Mittwochvormittag zwei Notverordnungen auf Grund des Artikels 48 der Reichs- Verfassung erlösten, die die Einsetzung des Reichskanzlers v. Papen als Rcichskommistar von Preußen mit besonderen Vollmachten enthalten und außerdem die Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes für Berlin und die Pro vinz Brandenburg bringen. Die Verordnung, die der Reichs präsident für die Einsetzung des Reichskanzlers als Reichs- kommiffar in Preußen erlösten hat, hat den Reichskanzler sofort veranlaßt, die ersten Schritte zur Regelung der neuen Regierungsoerhältnissc in Preußen zu tun. Der Reichs- kanzler hatte Mittwoch vormittag den preußischen geschäfts- führenden Minister Hirtsiefer, der gleichzeitig den von Berlin abwesenden geschäftsführenden Ministerpräsidenten Braun vertritt, den geschäftsführenden preußischen Innen minister Severing und den geschäftsführenden preußi schen Finanzminister Klepper zu einer Besprechung ge beten. Er hat ihnen mitgeteilt, daß er von den Vollmachten des Reichspräsidenten zunächst in der Form Gebrauch mache, daß er erkläre, der bisherige geschäftsführende preußische Ministerpräsident Braun und der bisherige preußische Innenminister Severing seien mit diesem Augenblick j ihrer Aemter enthoben. Kurz vorher hatte der Reichskanzler den Essener Oberbürgermeister vr. Bracht zu seinem I ständigen Vertreter in dem preußischen Staatsministerium ernannt und mit der Wahrnehmung der Geschäfte dcs preu ßischen Innenministers beauftragt. Auch von dieser Maß nahme hat der Reichskanzler den preußische» Ministern Mit teilung gemacht. Dr. Bracht, Papens Bevollmächtigter Er hat darauf an den preußischen Innenminister Seve ring die Frage gerichtet, ob er bereit sei, auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten von seinem Amt zurück zutreten, und gleichzeitig an ihn die Bitte gerichtet, dem in der Verordnung ausgesprochenen Wunsche des Reichs präsidenten nachzukommen. Severing hat erklärt, daß er sich weigere, sein Amt dem vom Reichskanzler gesteL-ten Vertreter vr. Bracht zu übergeben. Er hat erklärt, daß nach seiner Auffassung die Der- Ordnung des Reichspräsidenten ohne eine verfassungs mäßige Grundlage zustandegekommen sei. Der Reichs kanzler hat darauf erwidert, daß diese Frage im Augen- blick keine praktische Bedeutung habe. Nach allen gelten- den Bestimmungen der Rcichsverfassung seien die vom Reichspräsidenten auf Grund dcs Artikels 48 Absatz 1 und 2 erlassenen Bestimmungen zu erfüllen. Die Frage, ob die Verordnung des Reichspräsidenten verfassungsmäßig sei. könne nur durch ein Urteil des St-aats- gerichtshofes entschieden werden. Es sei allgemein geltende Auffassuna von den staatsrechtlichen Voraussetzungen und Folgen, daß auf Grund des Artikels 48 zunächst die Verordnung dcs Reichspräsidenten in jedem Punkte befolgt werden müsse. Severing hat darauf erwidert, daß er sein Amt nur, wenn gegen ihn Gewalt angewendet werbe, verlasten könne. Bei dieser Erklärung ist der preußische geschäftsführende Innenminister Severing geblieben. Die beiden übrigen Minister Hirtstefer und Klepper, an die die Aufforderung zum Rücktritt nicht gerichtet worden ist, und mit denen nach Auffassung der Retchsregierung der Versuch der Zusammenarbeit im Rahmen des zum Teil neu zu besetzenden und vom Reichskanzler vertretenen preußi- scheu Staatsministeriums gemacht werden soll, haben sich zu nächst, soweit die Aufforderung an Severing in Betracht kam, der Erklärung des bisherigen geschäftsführenden preußischen Innenministers angeschlossen. Severing und die beiden preu ßischen Minister haben daraufhin die Reichskanzlei ohne wei tere Erklärung verlassen. Der Reichskanzler hat darauf sofort die zweite Verord nung des Reichspräsidenten über die Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes für Berlin und Brandenburg amtlich bekanntgegeben. Auch diese zweite Verordnung ist in vollem Umfange mit dem Reichspräsidenten vorher ver einbart worden und trägt die gültige Unterschrift des Reichs präsidenten v. Hindenburg. Durch die Verhängung des Ausnahmezustandes ist der " Kommandeur des Wehrkreiskommandos HI, General leutnant v. Rundstedt, Inhaber der vollziehenden Gewalt in Berlin und in der Provinz Brandenburg geworden. Ihm ist gleichzeitig die gesamte Polizei von Berlin unter- stellt worden. Es wird von der Reichsregierung größter Nachdruck auf die auch in der amtlichen Begründung stark hervorgehobene Tatsache gelegt, daß die verfassungsmäßige Selbständigkeit Preußens durch die Maßnahmen der Reichs regierung nicht etwa beeinträchtigt wird. Der Reichskanzler hat zunächst die Absicht, mit den übrigen Mitgliedern des preußischen Staatsministeriums, also dem geschäftsführenden Finanzminister Klepper, dem gesckäftsführenden Wohlfahrtsminister Hirtsiefer, dem geschäftsführenden Iustizminister Schmidt, dem geschäfts- führenden Handelsminister Schreiber, dem geschäftsfüh- reu den Landwirtschaftsminister Steiaer, dem geschäfts- sührenden Kultusminister Grimme, zunächst die Geschäfte des preußischen Staatsministeriums weiterzuführen, natür lich vorbehaltlich späterer Veränderungen. Im übrigen steht die Verordnung des Reichspräsidenten vor, daß dem Reichs kanzler alle Befugnisse des preußischen Ministerpräsidenten zustehen und daß er diese Befugnisse auch an andere Per sonen abtreten kann, denen dann wieder alle Befugnisse der preußischen Staatsminist-er zustehen. Generalleutnant v. Rundstedt, Es ist anzunehmen, daß der Reichskanzler in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident und vr. Bracht als Verwalter des preußischen Innenministeriums eine Reihe von bisher in Preußen tätigen politischen Beamten an höheren Stellen, die in erster Linie für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung die Verant wortung tragen, durch andere Personen ersetzen werden. Das gilt besonders von einigen Staatssekretären, leitenden Ministerialdirektoren und von den Inhabern der Polizeigewalt in Preußen mit Ausnahme des Gebietes, für das der militärische Ausnahmezustand verhängt ist und in dem an sich die Polizeigewalt bereits in die Hände des In habers des Wehrkreiskommandos III übergegangen ist. Reichswehr im preuß. Staatsminifterium Reichskanzler v. Pape n berief die noch nicht abgesetzten Minister der bisherige:: Preußischen Staatsregierung nach der Reichskanzlei zu einer Sitzung. Diese erschienen jedoch nicht. Um 4 Uhr übernahm vr. Bracht die Geschäfte des preu ßischen Innenministers. Am späten Nachmittag sand eine Sitzung des Reichskabinetts statt. Die Reichswshrwache in der Reichskanzlei wurde durch einen Zug Infanterie mit leichten Maschinengewehren verstärkt. Wie man weiter erfährt, empfing in den Mittagsstunden der Reichskanzler nacheinander die Vertreter von Bayern, Baden, Sachsen, Thüringen, Hessen und Hamburg, um sie über die Maßnahmen des Reichspräsidenten und der Reichs regierung zu unterrichten. Dienstag abend waren bereits Minister Eltz v. Rüben ach nach Karlsruhe, Ministerial direktor Wiedemann nach Stuttgart, Gesandter v. L er s- ner nach München gefahren, wo sie den dortigen Regierun- gen die offizielle Mitteilung der Reichsregierung über- mittelten. Kurz nach 12 Uhr fuhr vor dem Gebäude des preußischen Staatsministeriums in der Wilhelmstraße ein Auto mit Äeichs- wchrsoldaten vor. Die Reichswehrgruppe in feldmarschmäßi- ger Ausrüstung begab sich, geführt von einem Offizier, in das Gebäude, das daraufhin für jeden Publikumsverkehr geschlos- sen wurde. Die Wilhelmstraße selbst war vollkommen ruhig. Vor den einzelnen Ministerien patrouillierten die gewohnten Schupoposten. Amtsenthebung -es Berliner Polizeipräsidenten. Im Berliner Polizeipräsidium erschien Mittwoch mittag der neue Kommandeur von Berlin, Generalleutnant v. Rundstedt, in Begleitung des Obersten Poten, des früheren Leiters der Polizeischule Eiche. Im Zimmer des Polizeipräsidenten Grzesinski fand sofort eine Be sprechung statt, an der außer v. Rundstedt und Polen der Polizeipräsident, der Polizeivizevräsident und der Komman deur der Schutzpolizei, Heimannsberg, sowie alle Abteilungs leiter des Präsidiums teilnahmen. Generalleutnant v. Rundstedt erklärte, daß der Poli zeipräsident abgesetzt sei und daß seine Stellung von jetzt ab der frühere Polizeipräsident von Essen, Melcher, einnehme. Das Kommando der Schutzpolizei übernehme an Stelle des Kommandeurs Heinmnnsberg Oberst Poten. Auch der Polizeivizeprästdent Weiß sei sofort seines Amtes enthoben. Der Polizeipräsident Grzesinski hat bereits formell aus seinen Posten verzichtet und den Dienst seinem Nachfolger vergeben. * Der mit der Führung der Geschäfte des preußischen Innenministeriums beauftragte vr. Bracht hat die Presse stelle des preußischen Staatsministeriums geschlossen. Ein Schreiben Grzesinskis an Bracht. Der frühere Berliner Polizeipräsident Grzesinski hat der Presse das folgende an den Oberbürgermeister