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Nr 144. Pulsnitzer Tageblatt — Mittwoch. 22. Juni 1932 Srtte S Auch oas Angebot der Kommunisten, bei Erfüllung gewisser Forderungen, wie Herstellung der Ver- sammlungs-, Demonstrations- unü Pressefreiheit und Frei gabe des Rundfunks für die revolutionäre Arbeiterschaft in Preußen und Nichtdurchführung der beiden faschistischen Not verordnungen der Papen-Regierung in Preußen, für ein Landtagspräsidium aus Vertretern der SPD. und des Zen- trums unter Ausschaltung der Nationalsozialisten und Deutschnationalen zu stimmen, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Die Forderungen der KPD. gelten als unerfüllbar. Die Wahl -es preußischen Ministerpräsidenten. Die Zentrumsfraktion des Preußischen Landtages trat in Anwesenheit der Zenlrumsmitglieder des preu- gischen Staatsratcs, Mitgliedern des Reichsrates und der Reichspartcileitung zu einer Sitzung zusammen, in der oer stellvertretende Vorsitzende Abgeordneter Steger oavon Mitteilung machte, daß der nationalsozialistische Abgeord nete, Landlagspräsidenl Kcrrl, den Wunsch geäußert habe, sie Wahl vcs Ministerpräsidenten von der Tagesordnung am Mittwoch abzusctzen und bis nach ver Reichstagswahl ;u vertagen. Der Abgeordnete Kcrrl habe ausdrücklich be tont, daß er im Auftrage der Parteileitung der national sozialistischen Partei und des Vorstandes der preußischen Landtagsfraktion der Nationalsozialisten bandele. Land- iagspräsident Kerrl habe dabei der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß das Zentrum sich diesem Wunsche an- schließcn werde. Nach eingehender Aussprache beschloß die Zentrums fraktion des Landtages, sich mit diesem Vorschlag einver standen zu erklären. Bezüglich der Wahl des Landtagspräsidenten wurde noch kein Beschluß gefaßt, der kommunistische Vorschlag aber auf alle Fälle abgelchm. Deutscher Beamter in Frankreich verhaftet. Weil er während des Krieges seine Pflicht getan hat. Neustadt a. d. Haardt. In Lothringen Ist vonderfranzösischen Gendarmerie ein noch im Dienst befindlicher deutscher Beamter, der Vorstand des Forstamts Neustadt-Süd, der bayerische Oberforstmeister v. Bomhard, mit seiner Familie bei einem Besuch in Rom bach verhaftet worden. Während die Familie später wieder freigelaflen wurde, fitzt Bomhard noch immer im Ge fängnis von Metz. Die Grunde zu der Verhaftung find noch dazu im Zeichen von Locarno und Lausanne sounge - heuerlich, daß sie die wahre Einstellung Frankreichs zu Deutschland illustrieren. Oberforstmeister v. Bomhard war am 18. Juni mit seiner Familie nach Rombach gereist, um seinem früheren Dienstsitz einen Besuch abzustatten. Kurz nach seiner Ankunft wurde die ganze Familie von den Franzosen ver- haftet; erst am 20. Juni wurden die Angehörigen v. Bom- Hards freiaelassen, während v. Bomhard selbst in das Gefäng nis nach Metz gebracht wurde. Gegen ihn ist Anklage wegen angeblichen Hausfriedensbruchs, wegen Bannbruchs (Rückkehr nach Rombach trotz seinerzeitiger Ausweisung) und schließlich deswegen erhoben, weil er angeblich an seine vor- gesetzte Dienststelle während des Krieges über die Dolksstim- murig in Elsaß-Lothringen und insbesondere in Rombach be- richtet haben soll. Die Verhandlung gegen v. Bomhard vor dem französischen Gericht in Metz ist auf den 23. Juni fest gesetzt. DiedeutschenBehörden haben sich des Falles angenommen und die entsprechenden Schritte un- ternommen, ohne jedoch bisher Erfolg gehabt zu habey. Der Fall ist geeignet, das größteAuf sehen hervor zurufen, die Erregung in der Pfalz ist groß. Als unglaublich wird es besonders empfunden, daß im 14. Jahre nach Kriegsschluß ein deutscher Beamter vor das französische Gericht gezerrt wird, weil er in seiner früheren Lothringer Tätigkeit Pflichtgemäß an die deutsche Behörde berichtet«. Sir französischen TributvorMäge. Die Tributvorschläge, die der französische Minister präsident Herriot in seinen mehrstündigen Unterredungen MacDonald mitgeteilt hat, sehen zwei Perioden vor. I» der ersten Periode, die einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren umfassen soll, soll ein vollständiger Zah lungsaufschub für sämtliche Tributleistun- gcn Deutschlands erfolgen. In der zweiten frist mäßig vorläufig nicht zu bestimmenden Periode soll unter Berücksichtigung einer Gesundung der deutschen Wirt schaftslage eine Teilzahlung Deutschlands erfolgen. Die vollständige Erfüllung des Young-Planes wird von der französischen Regierung nicht mehr gefordert. Jedoch ver langt sie, daß nach Überwindung der deutschen Wirtschafts krise eine neue Prüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit und Festsetzung einer Abschlußzahlung Deutschlands er folgt. Oesterreichisches Mimatum. 300-Millionen-Anleihe bis 23. Juni, oder Transfer- Moratorium. Neben den Verhandlungen über die Tribute unü die Abrüstung gehen noch immer die Verhandlungen der öster reichischen Regierung über den 300-Millwnen-Kredit einher. Der österreichische Ministerpräsident Dollf u ß traf Diens- tagnachmittag in Lausanne ein. Von österreichischer Seite wird erklärt, daß, wenn der Kredit bis zum 23. Juni nicht zustande gekommen sei, die österreichische Regierung ihren Verpflichtungen dem Ausland gegenüber nicht mehr nachkommen könne. Es würden dann einfach die Devisen für eine Zahlungsverpflichtung von der Oefterreichischen Na- tionalbank nicht zur Verfügung gestellt werden können. Wie in Kreisen der Basler Tributbank verlautet, hat Frankreich seine Beteiligung mit hundert Millio nen Schilling an der österreichischen Anleihe zurückgezo gen, da cs seine politischen Bedingungen nicht durchdrücken konnte. Damit dürfte auch der von einem Konsortium euro päischer Staaten zugesagte Anteil von weiteren hundert Mil lionen langfristigen Geldes hinfällig werden. 200 Jahre Salzburger in Ostpreußen. In Gumbinnen fand ein mehr tägiges Fest anläßlich des 200. Jahrestages der Salzburgischen Einwanderung in Ostpreußen statt. In einem Festzug zeigte man u. a. auch die alten Ge fährte, mit denen die Einwan derer damals ihr Hab und Gut heranschafften. Belagerungszustand in Chile. Blutige Straßenkämpfe. — Die Negierung Davila im Kampf gegen die Kommunisten. Buenos Aires, lieber ganz Chile ist wegen des drohen den Bürgerkrieges der Belagerungszustand verhängt worden. Sämtliche öffentlichen Gebäude einschließlich der Post- und Telegraphenämter sind von regierungstreuen, angeblich zu verlässigen Truppen besetzt worden. Die Regierung Davila ist entschlossen, sich unter allen Umstünden gegen die kommu- nistischen Strömungen zu behaupten. Der Regierungs pala st in Santiago ist durch starke Truppcnabteilungen m i t Maschinengewehren besetzt und in eine Festung verwandelt worden, lieber alle ins Ausland gehenden Nach richten ist strenge Zcnsur verhängt. Nach den Straßenkämpfen in Santiago und Valparaiso, bei denen in der Hauptstadt 1 5 K o m m u n i st e n g e t ö t e t und 2 8 s ch w e r v e r w u n d e t wurden, riefen die Gewerk schaften den Generalstreik für das ganze Land aus. Der Streikparolc hat ein großer Teil der Arbeiterschaft Folge geleistet. Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke in allen Landesteilen sind still- gelegt worden. Militär hat die Aufgabe erhalten, wenig stens die Wasser- und Lichtversorgunq der Bevölkerung sicher- zuftellen. Sämtliche lebenswichtige Betriebe stehen unter mi litärischem Schuß. Mit sofortiger Wirkung wurden Standgerichte ernannt, die alle bei Demonstrationen betroffenen Personen sofort ab- zuurteilen Haven. Personen, die mit der Waffe in der Hand anaetroffen werden, werden ohne Gnade erschossen. Mit Rück sicht auf die ungeheuer kritische Lage des Landes wurden sämtliche kommunistischen Führer für außer halb der Gesetze stehend erklärt. Aus der Wahlbewegung Hitler zur Reichstagswah!. Adolf Hitler sprach auf einer Gautagung der NSDAP. In Weimar über die Reichstagswahlen und erklärte unter an- vcrem, er hoffe nicht, daß die Reichstagsmahlen der letzte Kampf sein würden. Er hoffe vielmehr, daß niemals der Zeitpunkt eintreten werde, wo auch die Führer sagen: Nun wollen wir zur Ruhe gehen. Er hoffe, daß die Bewegung dauernd scharf bleibe. Der 31. Juli sei für die NSDAP, wiederum ein Meß tag, um zu sehen, wie stark sie sei. Er werde in eine Koalition hineingehen unter der Voraussetzung, daß sie nicht die Politik des überwundenen Deutschland, sondern die des kommenden Deutschland be treiben wird. Wenn das nicht möglich sei, dann würden die Nationalsozialisten liebermit200Mannin derOp- Position stehen, als 30 M i n i st e r p o ste n besitzen. * Der Parteiführer der Landvolk-Partei hat an Geheimrat Wildhagen-Leipzig auf die Aufforderung zur Gründung einer großen Mittelpartei folgendes Antworttelegramm gesandt: „Das deutsche Landvolk ist in klarer Erkenntnis der Notwen digkeit nationaler Sammlung seinerseits entschlossen, einen Verlust nationaler Wählerstimmen bei den bevorstehenden Wahlen unter allen Umständen zu verhüten, sieht aber in einer Neugründung nach den bisherigen Erfahrungen nicht das geeignete Mittel zur Erreichung dieses Zieles, gez. v. Hauenschild." Sächsische Landwirifchast. Ein praktischer Wirtschaftslehrgang ist vom 11. bis zum 16 Jnli aus vem Rittergut Oberkemnitz bei Löbau angesetzt, der in erster Linie gedacht ist für Wirtschafterinnen, die die Wirtschasterinnenprüfung bei der Landwirtschaftskammer ab- leaen wollen. Es können sich aber auch andere winschafts- crfahrenc Frauen und Mädchen vom 20. Lebensjahr aufwärts melden. Anmeldungen bis 8. Juli an die Abteilung Frauen arbeit der Landwirtschaftskammer. Neueste Drahlmeldung Dresden 22. Juni, 11,35 Uhr. (T.-U.) Aeberrifchende Einberufung des Hauptausschusses der Ab rüstungskonferenz — Entgegennahme einer Hoover-Erklärung Genf. Der Arbeitsausschuß der Abrüstungskonferenz !ist völlig unerwartet auf Antrag des amerikanischen Botschafters Gibson heute nachmittag 15,30 Uhr einbrrufen worden, obwohl der Präsident der Abrüstungskonferenz noch gestern abend den Zusammentritt des Hauptausschusses für Anfang Juli in Aussicht stellte. Auf der Tagesordnung dieser Sitzung steht die Abgabe einer Erklärung der amerikanischen Regierung. Die Einberufung des Hauptausschusses geht auf den unmittel baren Wunsch des Präsidenten Hoover zurück und wird zur Verlesung einer Hoover-Erklärung vor der Abrüstungskonferenz führen. Diese neuen überraschenden Initiativen der amerika nischen Regierung haben hier großes Aufsehen erregt und stimmen völlig mit den Schritten überein, die der amerikanische Botschafter in den letzten Tagen gegen Herriot und MacDonald getan hat. Dresden, 22. Juni, 11,40 Uhr. (T.-Ll.) Jack Sharkeh, der neue Boxweltmeister — Knapper Punktsieg über Schmeling — Geteilte Aufnahme der Entscheidung Sharkey Schmeling Newhork. Der Boxweltmeisterkampf im Schwergewicht, der am Dienstag abend im Rewyorker Madisonsquare - Garden zwischen dem deutschen Titelinhaber Max Schmeling und dem amerikanischen Aufsorderer Jack Sharkey ausgetragen wurde, endete mit einem knappen Punktsieg des Jack Sharkey, der somit zum neuen Boxweltmeister aufgerufen wurde. — Die Entscheidung rief allgemein Tumult hervor, Sharkey war über den Sieg am meisten erstaunt, wie es auch allgemein über raschte, daß Schmeling mindestens 8 Runden gewann. Zwei Ringrichter hatten sich für Jack Sharkey und einer für Schme ling ausgesprochen. Die Aufnahme war sehr geteilt. Landtswetterwarke Dresden (Rachdruck verboten) Zeitweise auffrischende Winde aus West bis Rord, meist wolkig, örtlich Rebel, tagsüber etwas wärmer, Gewitter neigung, vorübergehend Auftreten von vorwiegend leichten Riederschlägen.